Landgericht Kiel:
Urteil vom 20. März 2009
Aktenzeichen: 14 O 90/05

(LG Kiel: Urteil v. 20.03.2009, Az.: 14 O 90/05)

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerinnen tragen die Kosten des Rechtsstreits als Gesamtschuldnerinnen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Wegen des Tatbestandes und der Anträge der Parteien wird auf den Tatbestand des mit Beschluss vom 25.03.2008 berichtigten Zwischenurteils vom 30.01.2008 Bezug genommen. Klarstellend wird darauf hingewiesen, dass der dort aufgeführte Klagantrag zu 1. c) lediglich von der Klägerin zu 2.) gestellt wurde.

Die Klägerin zu 1.) begründet mit Schriftsatz vom 27.01.2009 ihren Schadensersatzanspruch betreffend den geltend gemachten Eigenschaden zusätzlich mit dem Verhalten des Treuhänders D im Rahmen der Veräußerung ihrer Aktien und Auskehrung des Erlöses an MobilCom AG gemäß einem zwischen ihr, Herrn F und dem Treuhänder am 14.11.2002 geschlossenen Treuhandvertrag. D sei Verrichtungsgehilfe der Beklagten gewesen und habe ihr gegenüber unerlaubte Handlungen begangen, zu denen sie derzeit im Einzelnen noch nicht vortragen könne.

Die Beklagte rügt insoweit die internationale und örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Kiel und widerspricht einer Klagänderung. Ferner erhebt sie die Einrede der Verjährung.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg. Dies ergibt sich - nach § 313 Abs. 3 ZPO kurz zusammengefasst - aus folgenden Erwägungen:

Zu den Zahlungsanträgen:

Der Klägerin zu 1.) steht gegen die Beklagte kein Anspruch aus § 317 Abs. 1 Satz 2 Abs. 3 AktG auf Ersatz des ihr nach ihrer Behauptung aus der Verwertung der an die G Bank verpfändeten Aktien entstandenen weiteren Eigenschadens in Höhe von 1.789.549.875,00 € zu. Den Klägerinnen steht darüber hinaus auch kein Anspruch gegen die Beklagte aus § 317 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4, 309 Abs. 4 AktG auf Zahlung eines Betrages von 3.581.250.000,00 € an die E zu.

Nach § 317 Abs. 1 Satz 1 AktG ist ein herrschendes Unternehmen der abhängigen Gesellschaft, mit der kein Beherrschungsvertrag besteht, zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der daraus entsteht, dass das herrschende Unternehmen die abhängige Gesellschaft veranlasst hat, ein für sie nachteiliges Rechtsgeschäft vorzunehmen oder zu ihrem Nachteil eine Maßnahme zu treffen oder zu unterlassen, ohne dass es den Nachteil bis zum Ende des Geschäftsjahres tatsächlich ausgleicht. Nach § 317 Abs. 1 Satz 2 AktG ist das herrschende Unternehmen auch den Aktionären zum Ersatz des ihnen daraus entstehenden Schadens verpflichtet, soweit sie, abgesehen von einem Schaden, der ihnen durch Schädigung der Gesellschaft zugefügt worden ist, geschädigt worden sind.

Diese Anspruchsvoraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

Allerdings folgt die Kammer der vom Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht im Beschluss vom 27.08.2008, 2 W 160/05 (WM 2008, S. 2253) vertretenen Ansicht, dass das CFA inhaltlich keinen Beherrschungsvertrag i. S. d. § 291 AktG darstellt, so dass § 317 AktG als einschlägige Anspruchsgrundlage in Betracht kommt.

Ein Beherrschungsvertrag muss die Leitung der Untergesellschaft durch die Obergesellschaft zum Gegenstand haben. Erforderlich und genügend ist es, dass der herrschende Vertragspartner in die Lage versetzt wird, eine auf das Gesamtinteresse der verbundenen Unternehmen ausgerichtete Zielkonzeption zu entwickeln und gegenüber dem Vorstand der Gesellschaft rechtlich durchzusetzen. Dies läuft auf die Weisungsbefugnis des § 308 AktG als unverzichtbares Merkmal des Beherrschungsvertrages hinaus. Ein solches Weisungsrecht ist im CFA ausdrücklich nicht vorgesehen. Vielmehr heißt es in Abschnitt 4:

€Die Parteien vereinbaren, dass MobilCom so schnell wie möglich nach dem Second Closing eine Verwaltungs- und Leitungsstruktur erhält, die der Tatsache Rechnung trägt, dass F und FT die Hauptaktionäre und FT der zweitgrößte Aktionär von MobilCom sind/ist. Die Parteien werden - ohne die Absicht, die Rechte und Befugnisse der Hauptversammlung, des Aufsichtsrats und des Vorstands von MobilCom zu beeinträchtigen und unter Beachtung von § 95ff, 84 des deutschen Aktiengesetzes - ihre Rechte und ihren Einfluss nutzen, um innerhalb der gesetzlich und insbesondere durch das Aktienrecht und die Satzung von MobilCom vorgegebenen Grenzen folgende Verwaltungs- und Leitungsstruktur von MobilCom einzurichten:€

Diesen Grundsätzen würde es widersprechen, wenn Weisungen der Beklagten unmittelbar gegenüber dem Vorstand der MobilCom gelten würden.

Auch im Übrigen ergibt sich aus den Regelungen in Ziffer 4 des CFA, dass dort zwar Aktionärsverpflichtungen begründet wurden, nicht aber ein Leitungsrecht statuiert werden sollte.

Der Vorstandsvorsitzende F war vielmehr auch nach den Regelungen des CFA nach wie vor rechtlich und tatsächlich in der Lage, als Vorstand der MobilCom die Geschäftsführung eigenständig nach seinem Willen vorzunehmen. Allerdings hatte die Beklagte das Recht, ein Mitglied des Vorstandes zu benennen. Damit konnte sie aber die Vorstandsentscheidungen nicht maßgeblich beeinflussen. Die gemeinsame Verantwortung des MobilCom -Vorstandes für Entscheidungen sollte unberührt bleiben (Ziffer 4.2 CFA). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus Ziffer 4.1.3 des CFA, wonach alle Handlungen des Vorstandes von MobilCom, die sich auf wichtige Angelegenheiten bezogen, vom Aufsichtsrat genehmigt werden mussten. Denn nach Ziffer 4.1 €Aufsichtsrat€ hatte die Beklagte lediglich für 1 von 6 Mitgliedern des Aufsichtsrates das Vorschlagsrecht, dem F zustimmen musste. Auch hierüber konnte sich die Beklagte also keinen herrschenden Einfluss verschaffen. Etwas anderes ergibt sich schließlich auch nicht aus Ziffer 1.2.2 oder aus der Präambel des Vertrages. Rechte und Pflichten der Vertragspartner werden dort nicht geregelt.

§ 317 AktG kommt aber deswegen nicht als Anspruchsgrundlage für die geltend gemachten Schadensersatzansprüche in Betracht, weil die Beklagte aufgrund der Regelungen des CFA nicht als herrschendes Unternehmen gegenüber der MobilCom als abhängigem Unternehmen anzusehen war.

Nach § 17 AktG sind abhängige Unternehmen rechtlich selbständige Unternehmen, auf die ein anderes Unternehmen (herrschendes Unternehmen) unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben kann. Dieser herrschende Einfluss muss dabei nach ganz herrschender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, der die Kammer folgt, gesellschaftsrechtlich abgesichert sein. Denn die §§ 311, 317 AktG sollen vor allem Minderheitsaktionäre innerhalb der abhängigen Gesellschaft gegen nachteilige Einwirkungen auf deren Unternehmensführung schützen, die sich aus einer Ausnutzung spezifisch gesellschaftsrechtlicher Möglichkeiten ergeben und deshalb auch mit gesellschaftsrechtlichen Mitteln zu bekämpfen sind (vgl. BGH NJW 1984, 1897; weitere Nachweise bei Münchner Kommentar zum Aktiengesetz-Bayer, Bd. 1, 2. Aufl. § 17 Rn. 21f). Eine ausschließlich wirtschaftliche Abhängigkeit reicht daher nicht aus. Erforderlich ist vielmehr immer eine gesellschaftsrechtlich abgesicherte, umfassende und beständige Einflussmöglichkeit auf die Unternehmensleitung und -politik von solcher Stärke, wie sie § 17 AktG verlangt (BGH aaO.).

Eine Abhängigkeit der MobilCom von der Beklagten ergibt sich hier nicht schon aus § 17 Abs. 2 AktG. Danach wird von einem in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmen vermutet, dass es von dem an ihm mit Mehrheit beteiligten Unternehmen abhängig ist. Die Beklagte hielt über die H S. A. jedoch zu keinem Zeitpunkt mehr als 28,5 % der Aktien.

Der Mehrheitsbeteiligung gleichgestellt wird der Fall der sog. faktischen Hauptversammlungsmehrheit, die vorliegt, wenn aufgrund der Zusammensetzung des Aktionärskreises (Streubesitz) und regelmäßig niedriger Hauptversammlungspräsenz bereits eine Stimmrechtsquote von unter 50 % mit hoher Wahrscheinlichkeit die Mehrheit in der Hauptversammlung sichert. Auch diese Voraussetzungen lagen hier aber erkennbar nicht vor.

Darüber hinaus kann nach herrschender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur ein beherrschender Einfluss auch dann vorliegen, wenn zwar die Minderheitsbeteiligung noch keine faktische Hauptversammlungsmehrheit sichert, der beherrschende Einfluss aber durch die Unterstützung Dritter begründet wird. Voraussetzung ist jedoch, dass die Mitwirkung des Dritten abgesichert ist, der vermittelte Einfluss also seiner Art nach dem Einflusspotential einer Mehrheitsbeteiligung entspricht, wie dies etwa bei einer Treuhand- oder Stimmbindungsvereinbarung der Fall ist, die dem Berechtigten ein sicheres Zugriffsrecht auf die Ausübung der Stimmrechte des Vertragspartners einräumt (Münchner Kommentar aaO. § 17 Rn. 37). Diese Einflussmöglichkeit muss aber beständig sein. Sie muss umfassend im Gegensatz zu punktuell sein, also eine gewisse Breite erreichen (Hüffer, AktG, 4. Aufl. § 17 Rn. 7).

Gemessen an diesen Kriterien hat das CFA der Beklagten tatsächlich keinen beherrschenden Einfluss auf die MobilCom vermittelt.

Dabei verkennt die Kammer nicht, dass durch die Regelungen im CFA eine starke wirtschaftliche Abhängigkeit der MobilCom von der Beklagten begründet wurde. Die MobilCom war aus eigener Kraft nicht einmal in der Lage, ohne die zugesagte Unterstützung durch die Beklagte auch nur die Zinszahlungen aufzubringen, die mit den zur Ersteigerung der Lizenz und zum Aufbau des UMTS-Netzes aufgenommenen Verbindlichkeiten verbunden waren.

Einer Stimmbindung, die der Beklagten ein sicheres und beständiges Zugriffsrecht auf die Ausübung der Stimmrechte des Aktionärs F einräumen konnte, kommen die Regelungen im CFA aber nicht gleich:

Nach Ziffer 4.3.1 des CFA (€Koordinationsausschuss der Parteien€) sollten F und die Beklagte einen Koordinationsausschuss bilden, dessen Aufgabe es sein sollte, einen Rahmen für die Abstimmung des Stimmverhaltens in der Hauptversammlung und die Koordination der Positionen und Maßnahmen in Bezug auf Wichtige Angelegenheiten bereitzustellen. Nach Ziffer 4.3.3 jedoch sollte die Angelegenheit nicht weiter verfolgt werden, wenn in zwei aufeinanderfolgenden Sitzungen keine Einstimmigkeit erzielt werden konnte. Das bedeutet, dass damit allenfalls ein Blockademechanismus begründet wurde. Ein solcher reicht aber im Regelfall nicht für die Annahme einer Abhängigkeit i. S. d. § 17 AktG aus (vgl. die Nachweise bei Münchner Kommentar aaO. § 17 Rn. 81).

Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass alle im CFA als wichtige Angelegenheiten aufgeführten Angelegenheiten zu fundamentalen Angelegenheiten erklärt werden konnten. Denn Voraussetzung dafür war, dass sie im Einzelfall von solcher Bedeutung waren, €dass man bei realistischer Betrachtung davon ausgehen konnte, dass sie eine wesentliche nachteilige Auswirkung haben auf und von zentraler Bedeutung sind für die Fortführung und zukünftige Entwicklung der Geschäftstätigkeit von MobilCom€, Ziffer 4.5.. Sollten F und die Beklagte in einer solchen fundamentalen Angelegenheit auch nach Durchführung des Schlichtungsverfahrens keine Einigung finden, so sollten zwar dann, wenn der Schlichter eine €fundamentale Angelegenheit€ feststellte, die Stimmen der von der Beklagten benannten Mitglieder des Koordinationsausschusses maßgeblich sein. Auch diese Regelung kommt aber einem sicheren und beständigen Zugriffsrecht auf die Ausübung der Stimmrechte von F nicht gleich. Dagegen spricht schon, dass sie nur für eng begrenzte Ausnahmefälle zum Tragen kommen konnte und sollte und der Feststellung der Patt-Situation eine zeitaufwändige Prozedur mit ungewissem Ausgang vorausgegangen wäre. Darüber hinaus aber wäre mit diesem Verfahren für F die Möglichkeit verbunden gewesen, seine Verkaufsoption auszuüben, so dass er in einem solchen Fall seinerseits einen ganz erheblichen wirtschaftlichen Druck auf die Beklagte hätte ausüben können. Es kann nach Auffassung der Kammer dabei ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass F von dieser Möglichkeit dann, wenn in einer fundamentalen Angelegenheit keine Einigkeit hätte erzielt werden können, auch Gebrauch gemacht hätte. Eine gesellschaftsrechtlich abgesicherte, beständige Einflussnahme auf die Unternehmensleitung und -politik konnte die Beklagte daher letztlich erst in dem Augenblick erlangen, in dem F seine Put-Option ausübte.

Darüber hinaus ist auch zu berücksichtigen, dass die Regelungen über den Koordinationsschuss lediglich das Abstimmungsverhalten der beiden Hauptaktionäre in der Hauptversammlung betrafen, so dass die Beklagte damit F jedenfalls in solchen Fragen, die in die weisungsfreie Kompetenz des Vorstandes fielen, nicht zu einem bestimmten Verhalten veranlassen konnte. Angesichts der im CFA zugleich getroffenen Regelungen über die Besetzung des Vorstandes und des Aufsichtsrats, über die sich die Beklagte für diese Gremien keine Mehrheit verschaffen konnte, war eine beständige und abgesicherte Einflussnahme auf die Entscheidungen des Vorstandes nicht möglich.

Dieser Beurteilung steht auch nicht entgegen, dass auch die Ernennung oder Abberufung von einem, mehreren oder allen Mitgliedern des Aufsichtsrats und des Vorstands nach Ziffer 4.4.2 in Verbindung mit Ziffer 4.5 zu einer fundamentalen Angelegenheit werden konnte. Denn da der Vorstand den Gang der Geschäftstätigkeit grundsätzlich frei bestimmt, ist nicht erkennbar, inwieweit tatsächlich die Entwicklung und Fortführung der Geschäftstätigkeit allein durch die personelle Zusammensetzung der Organe hätte betroffen sein können.

Die Kammer folgt nach alldem der Ansicht der Beklagten, nach der ihr das CFA selbst noch keine herrschende Stellung i. S. d. § 17 AktG einräumte, sondern lediglich die Möglichkeit bot, die Mehrheit an der MobilCom und damit die herrschende Stellung zu erwerben.

Selbst wenn man aber davon ausginge, dass die Beklagte bereits durch das CFA eine beherrschende Stellung i. S. d. § 17 AktG erlangt hat, so fehlt es doch an den weiteren Anspruchsvoraussetzungen des § 317 Abs. 1 AktG, nämlich der Veranlassung zu einer nachteiligen Maßnahme und einem darauf beruhenden Schaden:

Unter €Veranlassung€ i. S. d. § 317 Abs. 1 AktG ist ein zielgerichtetes Verhalten des herrschenden Unternehmens unter Ausnutzung der aufgrund des Abhängigkeitsverhältnisses bestehenden Einflussnahmemöglichkeit und ein dadurch verursachtes Verhalten der abhängigen Gesellschaft zu verstehen. Auf der Seite des herrschenden Unternehmens genügt jedes Handeln, das von der abhängigen Gesellschaft als Ausdruck des Wunsches zu verstehen ist, dass sie sich in bestimmter Weise verhalten möge. Auf Seiten der abhängigen Gesellschaft ist Voraussetzung, dass der Wunsch des Unternehmens erkannt und daraufhin entsprechend gehandelt wird (Münchner Kommentar-Kropff, § 311 Rn. 72, 73, 78).

Im Sinne dieser Definition hat die Beklagte keine nachteiligen Maßnahmen der MobilCom verursacht, die Schadensersatzansprüche der Klägerinnen aus § 317 AktG begründen könnten.

Eine €Veranlassung einer nachteiligen Maßnahme€ i. S. d. § 317 AktG kommt hier frühestens zu dem Zeitpunkt in Betracht, zu dem die W S B S. A. (WSB) die 18.6000.000 Aktien an der MobilCom erworben hatte, also dem 24.11.2000, weil vorher ein gesellschaftsrechtlich vermittelter Einfluss zweifelsfrei nicht bestand.

Die von F sowohl in seiner Eigenschaft als Vorstandsvorsitzender der MobilCom als auch für sich selbst getroffene Entscheidung für den Abschluss des CFA und damit für die Grundentscheidung, gemeinsam mit der Beklagten den Aufbau des UMTS-Geschäfts in der im CFA vorgesehenen Art und Weise vorzunehmen, hat die Beklagte damit nicht i. S. d. § 317 AktG €veranlasst€. Vielmehr war F in dieser Entscheidung völlig frei. Die Kammer geht davon aus, dass F als erfahrenem Geschäftsmann die mit dem Aufbau verbundenen Chancen und Risiken bekannt waren.

Auch die Aufnahme des größten Teils der Kredite erfolgte noch nicht auf €Veranlassung€ der Beklagten i. S. d. § 317 AktG. Denn sowohl das Darlehen des internationalen Bankenkonsortiums über 4,7 Mrd. € (SIF) als auch die Brückenfinanzierung in Höhe von 1 Mrd. € (CMBF) wurden vor Erwerb der Aktien durch die WSB aufgenommen. Etwas anderes gilt lediglich für die im Jahr 2001 gewährten Kredite der Firmen I und J über zusammen 2,1 Mrd. €, von denen die E insgesamt 1,2 Mrd. € in Anspruch nahm. Insoweit ist aber nicht erkennbar, dass die Kredite für die MobilCom nachteilig gewesen wären. Nachdem die Grundentscheidung für den gemeinsamen Aufbau des UMTS-Geschäfts gefallen war, musste dieser Aufbau finanziert werden. Nach Ziffer 3.1.4 des CFA hatte die Beklagte dabei die Pflicht übernommen, entweder selbst Fremdmittel zur Verfügung zu stellen oder solche, falls erforderlich, zu besichern. Wenn sich I und J zur Hergabe der Kredite auch ohne solche Absicherung durch die Beklagte bereit erklärten, ist insoweit kein Verstoß der Beklagten gegen das CFA erkennbar. Dass gerade die Kreditbedingungen für die MobilCom nachteilig gewesen wären, tragen die Klägerinnen selbst nicht vor.

Welche Nachteile für die MobilCom aus der vereinbarten Geheimhaltungspflicht entstanden wären, haben die Klägerinnen nicht dargelegt und ist für die Kammer auch nicht ersichtlich. Unabhängig davon ist aber auch nicht erkennbar, inwiefern die Beklagte die MobilCom insoweit zu einer nachteiligen Maßnahme veranlasst haben könnte.

Vorstehende Ausführungen gelten entsprechend für die von den Klägerinnen zur Begründung ihrer Ansprüche herangezogene Pressekampagne, die die Beklagte ab Mitte Februar 2002 gegen die MobilCom geführt haben soll. Eine Veranlassung der MobilCom zu einer für sie nachteiligen Maßnahme kann hierin nicht gesehen werden.

Letztlich ist aber auch der Abbruch des UMTS-Geschäfts durch die MobilCom nicht im Sinne des § 317 AktG von der Beklagten €veranlasst€ worden. Als veranlassende Handlungen kämen insoweit nur die Verweigerung der Zustimmung zum Businessplan für 2002, verbunden mit der Ankündigung, den Aufbau des UMTS-Geschäfts in der bisherigen Form nicht weiter finanzieren zu wollen, und die nachfolgend ausgesprochene Kündigung des CFA in Betracht. Die daraufhin erfolgte Einstellung des UMTS-Aufbaus war aber keine Maßnahme, zu der die Beklagte die MobilCom gerade unter Ausnutzung des Abhängigkeitsverhältnisses i. S. d. §§ 311, 317 AktG veranlasst hätte. Zum einen hat die Beklagte die Entscheidung, den bisherigen Entwürfen des Businessplans nicht zuzustimmen, sondern darauf zu drängen, den UMTS-Aufbau zu verlangsamen und ggf. nach einem weiteren Kooperationspartner zu suchen, sowie die weitere Entscheidung, das CFA aufzukündigen, gerade nicht in ihrer Eigenschaft als €beherrschendes€ Unternehmen unter Inanspruchnahme des im CFA geregelten Verfahrens, sondern in ihrer Eigenschaft als diejenige Aktionärin getroffen, die nach den Vereinbarungen im CFA für die Finanzierung des Projekts verantwortlich war. Dabei hat sie gerade durch die Kündigung des CFA deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie an einem etwa darin angelegten Beherrschungsmechanismus jedenfalls nicht festhalten wollte. Weisungen hat sie gerade nicht ausgesprochen und ebenso wenig versucht, diese durchzusetzen. Die Entscheidungen hat sie vielmehr in ihrer Funktion als €Geldgeberin€ getroffen. Dies stellt ein Verhalten dar, wie es auch bei kooperierenden Gesellschaften ohne Beherrschungsvertrag denkbar ist (so auch OLG Schleswig im Beschluss vom 27.08.2008, 2 W 160/05, dort S. 27).

Darüber hinaus ergibt sich aus dem Geschäftsbericht der MobilCom 2002 sowie aus dem Vorstandsbericht des Vorsitzenden Dr. K vom 17.12.2002, dass die Entscheidung zum Abbruch des UMTS-Geschäfts letztlich nicht nur wegen der erfolglos gebliebenen Suche nach einem neuen Finanzierer - und damit nicht auf €Veranlassung€ der Beklagten - sondern insbesondere auch infolge der Erkenntnis getroffen wurde, dass eine Fortsetzung des UMTS-Projekts aufgrund des veränderten Marktumfeldes selbst dann nicht sinnvoll gewesen wäre, wenn die erforderlichen Finanzierungsmittel hätten beschafft werden können.

Ob die Vorgehensweise der Beklagten, insbesondere die Kündigung des CFA, möglicherweise eine Verletzung der darin übernommenen Pflichten darstellte, hat die Kammer im Rahmen der hier allein vorzunehmenden Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen des § 317 AktG nicht zu entscheiden. Vielmehr geht es hier nur um die Frage, ob die Beklagte eine irgendwie geartete gesellschaftsrechtliche Beherrschung ausgenutzt hat, was aus oben stehenden Gründen zu verneinen ist.

Schließlich liegen auch keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass sich die Entscheidung, das UMTS-Geschäft einzustellen, im Ergebnis nachteilig i. S. d. §§ 311, 317 AktG auf die MobilCom ausgewirkt hätte. Der Nachteilsbegriff ist aus dem Zweck des § 311 AktG heraus auszulegen, das Vermögen der abhängigen Gesellschaft zu schützen. Die Feststellung eines Nachteils setzt voraus, dass zum Vergleich der hypothetische Vermögenswert ohne die vom herrschenden Unternehmen veranlasste Maßnahme herangezogen wird. Dabei sollen Einbußen, die im Rahmen des allgemeinen und unvermeidlichen Risikos eingetreten sind, nicht erfasst werden. Denn es geht um die Erfassung von Nachteilen, die sich daraus ergeben, dass der Vorstand auf Veranlassung des herrschenden Unternehmens gehandelt hat. Maßgebend ist daher, wie ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer unabhängigen Gesellschaft an seiner Stelle gehandelt hätte (Münchner Kommentar-Kropff aaO. § 311 Rn. 138). Nach allgemeiner Auffassung in Rechtsprechung und Literatur ist daher ein Rechtsgeschäft oder eine Maßnahme dann nicht als nachteilig i. S. d. §§ 311 ff AktG anzusehen, wenn auch ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer unabhängigen Gesellschaft dieses Rechtsgeschäft oder diese Maßnahme bei pflichtgemäßer Beurteilung als im Interesse seiner Gesellschaft liegend angesehen hätte (Münchner Kommentar aaO. Rn. 140). Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung ist dabei derjenige, zu dem das Rechtsgeschäft oder die Maßnahme vorgenommen wurde.

Der Vorstand einer Aktiengesellschaft hat im Rahmen seiner Tätigkeit nach § 93 AktG einen Ermessensspielraum, innerhalb dessen ihm verschiedene Verhaltensweisen erlaubt sind. Dazu gehört neben dem bewussten Eingehen geschäftlicher Risiken grundsätzlich auch die Gefahr von Fehlbeurteilungen und Fehleinschätzungen, der jeder Unternehmensleiter, mag er auch noch so verantwortungsbewusst handeln, ausgesetzt ist. Eine Schadensersatzpflicht des Vorstandes kann daher erst dann in Betracht kommen, wenn die Grenzen, in denen sich ein von Verantwortungsbewusstsein getragenes, ausschließlich am Unternehmenswohl orientiertes, auf sorgfältiger Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen beruhendes unternehmerisches Handeln bewegen muss, deutlich überschritten sind, die Bereitschaft, unternehmerisches Risiko einzugehen, in unverantwortlicher Weise überspannt worden ist oder das Verhalten des Vorstandes aus anderen Gründen als pflichtwidrig gelten muss (BGHZ 135, 244). Derselbe Maßstab muss auch hier für die Prüfung der Frage angesetzt werden, ob die Entscheidung zur Einstellung des UMTS-Geschäfts von einem ordentlichen und gewissenhaften Vorstand hätte getroffen werden dürfen. Danach aber liegen keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass die Einstellung des UMTS-Geschäfts keine vertretbare Entscheidung gewesen wäre.

Unstreitig erfolgte der Ausstieg aus dem UMTS-Geschäft zu einem Zeitpunkt, zu dem sich herausgestellt hatte, dass sich der Start des Geschäfts verzögerte, die MobilCom bislang die angestrebten und dem ursprünglichen Businessplan zugrunde liegenden Marktanteile nicht hatte erreichen können, der zu erwartende voraussichtliche durchschnittliche Umsatz pro Teilnehmer deutlich nach unten revidiert werden musste und allgemein eine Verlangsamung des Wirtschaftswachstums eingetreten war. Ob sich das UMTS-Geschäft für die MobilCom dennoch hätte profitabel entwickeln können, hing somit davon ab, wann das Geschäft hätte beginnen, welche Marktanteile die MobilCom E hätte erringen und welche Einnahmen sie aus dem Geschäft hätte erzielen können. Für die Beurteilung dieser Frage war MobilCom E für 2002 ergibt sich, dass nach der damaligen Einschätzung des Vorstands unter Berücksichtigung zusätzlich erforderlich werdender Investitionen für die Tilgung der Verschuldung ein Zeitraum von über 18 Jahren erforderlich geworden wäre und der damals amtierende Vorstandsvorsitzende Dr. K die Ansicht vertrat, die Einstellung des Projekts sei die einzig vernünftige Entscheidung. Dabei zeigen die von den Parteien vorgelegten, im Nachhinein erstellten Gutachten, dass selbst unter Berücksichtigung der weiteren, damals noch nicht bekannten Entwicklung auf dem UMTS-Markt namhafte Experten zu unterschiedlichen Einschätzungen hinsichtlich der Erfolgsaussichten des Geschäfts gelangten. Während die Sachverständigen Prof. L/M in ihrem Gutachten vom 31.03.2007 zu der Einschätzung gelangt sind, dass eine positive Cash Flow Entwicklung zu erwarten war, ging die KPMG in ihrer gutachtlichen Stellungnahme vom 10.11.2006 davon aus, dass die Fortführung der UMTS-Aktivitäten zu einem ganz erheblichen Verlust geführt hätte.

Eine - hier nach An MobilCom zur Einstellung des Geschäfts durch die Beklagte war nach alldem aus damaliger Sicht eine zumindest vertretbare, sich im Rahmen des einem Geschäftsleiter eingeräumten Ermessens bewegende Entscheidung und stellte keinen Nachteil i. S. d. §§ 311, 317 AktG dar.

Schließlich kann die Klägerin zu 1.) ihren Schadensersatzanspruch betreffend ihren Eigenschaden auch nicht auf eine etwaige Pflichtverletzung des D im Rahmen der Durchführung des Treuhandvertrages vom 14.11.2002 stützen. Denn insoweit fehlt es zweifelsfrei an einer i. S. d. § 317 AktG von der Beklagten als herrschendem Unternehmen veranlassten Maßnahme der MobilCom.

Wollte die Klägerin zu 1.) ihren Schadensersatzanspruch nunmehr auf das behauptete Fehlverhalten des D stützen, so läge hierin die Einführung eines neuen Lebenssachverhalts und damit eines neuen Streitgegenstandes. Eine solche nachträgliche Klaghäufung wäre nach § 263 ZPO zu beurteilen und nur dann zulässig, wenn sie entweder sachdienlich wäre oder die Beklagte einwilligen würde, wobei Sachdienlichkeit in der Regel dann zu verneinen ist, wenn, wie hier, ein völlig neuer Streitstoff in das Verfahren eingeführt wird (BGH NJW 1985, 1841). Die Klägerin zu 1.) hat im Termin zur mündlichen Verhandlung insoweit aber ausdrücklich klargestellt, dass ihr Sachvortrag nicht als nachträgliche Klaghäufung oder Klagerweiterung zu verstehen sein soll, so dass sich die Frage der Sachdienlichkeit hier im Ergebnis nicht stellt.

Zum Feststellungsantrag:

Die Feststellungsklage ist unzulässig, weil das erforderliche Feststellungsinteresse fehlt.

Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung hat. Dies ist hier aber nicht der Fall.

Die Klägerin zu 2.) begründet ihr Feststellungsbegehren mit ihrer Absicht, im Rahmen eines (weiteren) Spruchverfahrens entsprechend § 305 AktG i. V. m. § 1 SpruchG eine angemessene Barabfindung festsetzen zu lassen.

Ein Abfindungsanspruch entsprechend § 305 AktG i. v. m. § 1 SpruchG unter dem Gesichtspunkt des qualifiziert faktischen Konzerns/existenzvernichtenden Eingriffs kommt jedoch schon aus Rechtsgründen nicht in Betracht.

Der Bundesgerichtshof hat in der €Trihotel€-Entscheidung (NJW 2007, 2689) seine Rechtsprechung zur Haftung aus dem Gesichtspunkt des qualifiziert faktischen Konzern oder - später - dem Gesichtspunkt des existenzgefährdenden oder -vernichtenden Eingriffs ausdrücklich aufgegeben, knüpft eine Existenzvernichtungshaftung des Gesellschafters nunmehr stattdessen an die missbräuchliche Schädigung des im Gläubigerinteresse zweckgebundenen Gesellschaftsvermögens an und ordnet sie allein in § 826 BGB als eine besondere Form der sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung ein. Diese vom Bundesgerichtshof ausschließlich im GmbH-Recht entwickelte Rechtsprechung kann daher jedenfalls jetzt nicht mehr für das Aktienrecht herangezogen werden. Hierfür ist auch angesichts der detaillierten Regelungen für den faktischen Konzern in §§ 311 ff AktG kein Raum und kein Bedürfnis vorhanden (OLG Stuttgart ZIP 2007, 1210). Das OLG München, welches sich gegen ein Spruchverfahren unter dem Gesichtspunkt eines €verdeckten Beherrschungsvertrages€ im Wege einer Analogie ausgesprochen hat, führt dazu aus:

€Das Gesetz geht davon aus, dass es mit, aber auch ohne Beherrschungsvertrag im Sinne von § 291 Abs. 1 Satz 1, 1. Halbsatz AktG im Verhältnis zweier Unternehmen zu einer Beherrschung kommen kann. Dem hat der Gesetzgeber durch unterschiedliche Regelungssysteme Rechnung getragen: €Leitungsmacht und Verantwortlichkeit bei Bestehen eines Beherrschungsvertrages€, §§ 308 bis 310 AktG, und €Verantwortlichkeit bei Fehlen eines Beherrschungsvertrages€, §§ 311 bis 318 AktG. Für letztere Fälle einer €faktischen Konzernierung€ hat der Gesetzgeber in § 317 Abs. 1 AktG eine Regelung getroffen, die gerade nicht auf ein mit §§ 304, 305 AktG vergleichbares Ergebnis (€pauschaliertes Schutzsystem€, vgl. Hüffer § 311 Rn. 2) hinausläuft, sondern vielmehr darauf, dass das beherrschende Unternehmen (nur) die beim beherrschten Unternehmen entstehenden Nachteile auszugleichen verpflichtet ist. Nur im Ausnahmefall ist das beherrschende unternehmen daneben verpflichtet, den Aktionären des beherrschten Unternehmens selbst Schadensersatz zu leisten, nämlich nur wenn und soweit diese €abgesehen von einem Schaden, der ihnen durch Schädigung der Gesellschaft zugefügt worden ist, geschädigt... sind€ (...). Diese vom Gesetzgeber getroffenen Regelungen würden konterkariert, wenn man als Aktionär des beherrschten Unternehmens im faktischen Konzern statt des gesetzlich (nur in engen Ausnahmefällen) vorgesehenen Schadensersatzanspruchs im Wege der Durchführung eines Spruchverfahrens doch Ausgleich bzw. Abfindung - und somit eine vom Vorliegen eines konkret nachgewiesenen Schadens unabhängige -€pauschalierte Entschädigung€ wie im Vertragskonzern - erhalten könnte. Der Gesetzgeber hat durch die in § 317 Abs. 1 Satz 1 AktG getroffene Regelung sowohl zum Ausdruck gebracht, dass er die dort geregelte Konstellation für keinen solch schwerwiegenden Eingriff in das Eigentum der außenstehenden Aktionäre hält, die eine pauschalierte Entschädigung im Wege des Spruchverfahrens erforderte, als auch, dass er den Fall des faktischen Konzern für nicht vergleichbar mit der Situation bei Vorliegen eines Beherrschungsvertrages hält. Damit fehlt es aber vorliegend für eine Analogie nicht nur an einer planwidrigen Regelungslücke, sondern auch an einer Vergleichbarkeit der Sachverhalte...€

Dieser Auffassung schließt sich die Kammer an.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.






LG Kiel:
Urteil v. 20.03.2009
Az: 14 O 90/05


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