Bundespatentgericht:
Beschluss vom 26. Februar 2009
Aktenzeichen: 21 W (pat) 306/08
(BPatG: Beschluss v. 26.02.2009, Az.: 21 W (pat) 306/08)
Tenor
Das Patent DE 102 44 426 wird widerrufen.
Gründe
I Auf die am 24. September 2002 beim Deutschen Patentund Markenamt eingereichte Patentanmeldung ist das Patent DE 102 44 426 mit der Bezeichnung "Bearbeitungsmaschine" erteilt worden. Die Veröffentlichung der Patenterteilung erfolgte am 10. Februar 2005.
Der erteilte Patentanspruch 1 lautet, mit Gliederungspunkten versehen, wie folgt:
M1 Bearbeitungsmaschine (2), insbesondere Bearbeitungszentrum, mit M2 -einem Spindelmotor (10) mit einer Spindel (12), M3 -einer Werkzeug-Einspannvorrichtung, M4 -einer Stromrichtereinheit (4) mit einer Steuerund Regeleinrichtung für den Spindelmotor (10), M5 -wenigstens einem Schwingungsaufnehmer (24) und einem Auswuchtapparat (16), M6 -die signaltechnisch mit der Steuerund Regeleinrichtung, die aus einem vorbestimmten Drehzahl-Sollwert in Abhängigkeit eines gemessenen oder berechneten Drehzahl-Istwerts Steuersignale für abschaltbare Leistungshalbleiter berechnet, der Stromrichtereinheit (4) verknüpft sind, M7 -wobei ein Programm zur Berechnung der Stellsignale für den Auswuchtapparat (16) aus den von den Schwingungsaufnehmern (24) gemessenen dynamischen Auslenkungen softwaremäßig in die Steuerund Regeleinrichtung der Stromrichtereinheit (4) integriert ist.
Hinsichtlich der erteilten Unteransprüche 2 bis 9 wird auf die Patentschrift verwiesen.
Gegen das Patent ist am 10. Mai 2005 Einspruch erhoben worden.
Zur Begründung ihres Einspruchs verweist die Einsprechende unter anderem auf die Druckschriften D1: DE 100 17 014 A1 und D2: DE4432025A1.
Die Einsprechende macht mangelnde Neuheit und mangelnde erfinderische Tätigkeit geltend.
Die Einsprechende stellt den Antrag, das Patent zu widerrufen.
Die Patentinhaberin stellt den Antrag, das Patent aufrechtzuerhalten.
Die Patentinhaberin tritt dem Vorbringen der Einsprechenden entgegen und ist der Auffassung, dass der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 durch den entgegengehaltenen Stand der Technik weder bekannt noch nahegelegt sei. Insbesondere sei aus der Druckschrift D1 keine Stromrichtereinheit und keine Steuerund Regeleinrichtung für einen Spindelmotor zu dessen Drehzahlregelung bekannt, sondern lediglich eine Steuereinheit für die Piezoaktuatoren.
II 1.
Da die Einspruchsfrist im vorliegenden Verfahren nach dem 1. Januar 2002 zu laufen begonnen hat und der Einspruch vor dem 1. Juli 2006 eingelegt worden ist, ist das Bundespatentgericht für die Entscheidung gemäß § 147 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 PatG in der bis einschließlich 30. Juni 2006 gültigen Fassung weiterhin zuständig (vgl. BGH GRUR 2007, 862 ff. -Informationsübermittlungsverfahren II; BPatG GRUR 2007, 449 f. -Rundsteckverbinder).
2.
Der formund fristgerecht erhobene Einspruch ist zulässig, denn die Einsprechende hat sich im Einspruchsschriftsatz anhand des druckschriftlichen Standes der Technik mit allen Merkmalen des erteilten Patentanspruchs 1 auseinandergesetzt.
3.
Der Einspruch ist auch begründet. Denn nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung erweist sich der Gegenstand der erteilten Patentanspruchs 1 aufgrund mangelnder erfinderischer Tätigkeit als nicht patentfähig.
4.
Das Streitpatent betrifft eine Bearbeitungsmaschine, insbesondere ein Bearbeitungszentrum, mit einer Spindel, einer Werkzeug-Einspannvorrichtung, einer Stromrichtereinheit mit einem Spindelmotor, wenigstens einem Schwingungsaufnehmer und einem Auswuchtapparat (Absatz [0001]).
Aus der Druckschrift D1 (DE 100 17 014 A1) sei eine Bearbeitungsmaschine bekannt, die eine Spindel, eine Werkzeug-Einspannvorrichtung, einen Spindelmotor, eine Stromrichtereinheit mit einer Steuerund Regeleinrichtung für den Spindelmotor, einen Schwingungsfühler, einen Auswuchtapparat und eine Steuerund Regeleinrichtung aufweist, die mit den Schwingungsfühlern verbunden ist und über ein Programm zum Auswuchten verfügt (Absatz [0012]).
So sei es Aufgabe der Erfindung, eine Bearbeitungsmaschine mit einem automatischen Auswuchtsystem derart weiterzubilden, dass der Verkabelungsaufwand und der Platzbedarf sich wesentlich verringern (Absatz [0014]).
5.
Die erteilten Patentansprüche 1 bis 9 sind, wie der Senat im Einzelnen überprüft hat, durch die ursprüngliche Offenbarung gedeckt und somit zulässig. Insbesondere gehen die genannten Patentansprüche auf die ursprünglichen Patentansprüche 1 bis 9 und die ursprüngliche Beschreibung Seite 4, Zeilen 30 bis 33 und Seite 6, Zeilen 3 bis 7, zurück.
6.
Der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 ist zwar neu, beruht jedoch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit des zuständigen Fachmanns, einem mit der Entwicklung von Bearbeitungsund Auswuchtmaschinen befassten berufserfahrenem Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau, denn der Gegenstand deserteilten Patentanspruchs 1 ergibt sich für ihn in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik nach der Druckschrift D1 bzw. den Druckschriften D1 und D2.
Aus der Druckschrift D1 (vgl. Absatz [0002]) sind eine Bearbeitungsmaschine und ein Bearbeitungszentrum (vgl. Absatz [0001]) (M1) bekannt, mit einem (vgl. Absatz [0044]: "Die als Motorspindel bezeichnete hohle Welle 12 ist über einen Antriebsbereich direkt antreibbar") Spindelmotor mit einer Spindel (vgl. Absatz [0045], Welle bzw. Spindel 12) (M2), und (vgl. Absatz [0045], Spannfutter, Träger 13) einer Werkzeug-Einspannvorrichtung (M3).
Da (vgl. Absatz [0044]) der Spindelmotor direkt, d. h. ohne dazwischen geschaltetem Getriebe, mit verschiedenen Drehzahlen und mit maximalen Drehzahlen von mehr als 30.000 U/min antreibbar ist, muss eine Stromrichtereinheit mit einer Steuerund Regeleinrichtung für den Spindelmotor vorgesehen sein (M4), wie für den Fachmann bei Bearbeitungszentren selbstverständlich klar ersichtlich ist. Dabei werden üblicherweise durch die Steuerund Regeleinrichtung aus einem vorbestimmten Drehzahl-Sollwert in Abhängigkeit eines gemessenen oder berechneten Drehzahl-Istwerts Steuersignale für abschaltbare Leistungshalbleiter berechnet (Teilmerkmale von M6). Weiterhin ist (vgl. die Absätze [0061] und [0062], Sensoren messen die Beschleunigungen) ein Schwingungsaufnehmer und ein (vgl. Absatz [0002], Auswuchtvorrichtung, sowie die Absätze [0065] bis [0069], Piezoaktuator 16) Auswuchtapparat vorhanden (M5), die (vgl. die Absätze [0065] bis [0068], das Auswuchten erfolgt während der Beschleunigungsphase und/oder während der anschließenden Betriebsphase, die Sensoren nehmen dabei laufend Wegbzw. Verschiebungsdaten und/oder Beschleunigungsdaten des Gesamtsystems auf und diese Daten werden der zentralen Steuereinheit zur Verfügung gestellt) signaltechnisch mit der zentralen Steuereinheit des Auswuchtapparats verknüpft sind (Teilmerkmale von M6), wobei (vgl. die Absätze [0066] bis [0068], Daten der Sensoren werden der zentralen Steuereinheit zur Verfügung gestellt, die für jeden der Piezoaktuatoren ein Stellsignal berechnet) ein Programm zur Berechnung der Stellsignale für den Auswuchtapparat (Piezoaktuatoren) aus den von den Schwingungsaufnehmern (Sensoren) gemessenen dynamischen Auslenkungen softwaremäßig in die zentrale Steuereinheit des Auswuchtapparates integriert ist (Teilmerkmale von M7).
Wenn der Fachmann nun vor die Aufgabe gestellt ist, eine Bearbeitungsmaschine mit einem automatischen Auswuchtsystem derart weiterzubilden, dass der Verkabelungsaufwand und der Platzbedarf sich wesentlich verringern, wird er ohne Weiteres eine -möglicherweise auch softwarenmäßige -Integration der zentralen Steuereinrichtung für den Auswuchtapparat in die ohnehin bereits vorhandene Steuerund Regeleinrichtung des Spindelmotors in Erwägung ziehen und diese signaltechnisch miteinander verknüpfen. Dies ist umsomehr der Fall, als der Fachmann immer bestrebt ist, Fertigungsaufwand zu reduzieren.
Im Übrigen wird er außerdem durch die Druckschrift D2, aus der eine Wuchtmaschine mit einem Rechner (vgl. die Figur 1 mit Beschreibung, Rechner 1) bekannt ist, bei dem (vgl. Spalte 1, Zeilen 46 bis 54) eine rechnergesteuerte Drehzahlregeleinrichtung für einen Antriebsmotor (Motor 8) auch auf andere der Auswuchtung dienenden Motoren (Motoren 9 bis 11) in der Auswuchtmaschine angewendet werden kann, angeregt, verschiedene Motorsteuerungen softwaremäßig in einer gemeinsamen Steuerund Regeleinheit zusammenzufassen.
7. Auch die erteilten Unteransprüche 2 bis 9 lassen, wie der Senat überprüft hat, eine erfindungsbegründende Substanz nicht erkennen. Die Patentinhaberin hat die auch nicht geltend gemacht.
Daher war das Patent insgesamt zu widerrufen (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG).
Dr. Winterfeldt Baumgärtner Dr. Morawek Dr. Müller Pü
BPatG:
Beschluss v. 26.02.2009
Az: 21 W (pat) 306/08
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