Oberlandesgericht Köln:
Beschluss vom 12. Januar 2001
Aktenzeichen: 16 Wx 147/00
(OLG Köln: Beschluss v. 12.01.2001, Az.: 16 Wx 147/00)
Tenor
Auf die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 3. wird der Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 02.10.2000 - 6 T 149/99 - abgeändert und die Erstbeschwerde zurückgewiesen.
Gründe
I.
Für die damals fast 87 Jahre alte Betroffene wurde nach
vorangegangenen einstweiligen Anordnungen mit Beschluss des
Amtsgerichts Leverkusen vom 29.10.1996 eine Betreuung mit den
Wirkungskreisen "Sorge für die Gesundheit", "Ausübung des
Aufenthaltsbestimmungsrechts einschließlich der Entscheidung über
die Unterbringung und unterbringungsähnliche Maßnahmen" und
"Vermögenssorge" die Beteiligte zu 1., ihre Tochter, zur Betreuerin
bestellt, weil sie aufgrund einer senilen Demenz nicht mehr in der
Lage war, ihre Angelegenheiten selbst zu regeln. Zugleich wurde auf
Antrag der Beteiligten zu 1. die Unterbringung der Betroffenen in
einer geschlossenen Einrichtung bis zum 09.01.1997
vormundschaftsgerichtlich genehmigt.
Zur Vorbereitung der Entscheidung über eine Verlängerung der
Unterbringung sowie einer auf fachärztlichen Rat von der
Beteiligten zu 1. beantragten Genehmigung von Fixierungen wurde am
09.01.1997 der Beteiligte zu 2. zum Verfahrenspfleger der
Betroffenen bestellt. Zugleich wurden im Wege von einstweiligen
Anordnungen die beantragten Maßnahmen bis zum 20.02.1997
vormundschaftsgerichtlich genehmigt. Nach Erstellung eines
fachärztlichen Gutachtens hörte der Vormundschaftsrichter am
20.02.1997 im Beisein des Beteiligten zu 2. die Betroffene an,
erörterte mit dem Beteiligten zu 2. das Gutachten und genehmigte
noch am gleichen Tag die Unterbringung der Betroffenen in einer
geschlossenen Einrichtung und die Fixierung der Betroffenen bis zum
20.02.1999. In der Folgezeit stellte das Vormundschaftsgericht die
Beendigung der Verfahrenspflegschaft fest und setzte mit der
Begründung, dass eine typisch anwaltliche Tätigkeit entfaltet
worden sei, gem. den §§ 1835 Abs. 3 a. F., 1908i BGB eine nach §
112 BRAGO ermittelten Aufwendungsersatzanspruch des Beteiligten zu
2. fest.
Nach Hinweis des Vormundschaftsgerichts auf den bevorstehenden
Fristablauf erklärten die Beteiligte zu 1. und die Heimleitung
unter Bezugnahme aus ein fachärztliches Attest im Dezember 1998,
dass sie die getroffenen Maßnahmen weiterhin für notwendig
erachteten. Das Vormundschaftsgericht bestellte daraufhin am
19.01.1997 erneut den Beteiligten zu 2. zum Verfahrenspfleger,
hörte in dessen Beisein die Betroffene an und genehmigte noch am
gleichen Tag in Óbereinstimmung mit ihm die freiheitsbeschränkenden
Maßnahmen bis zum 19.01.2001.
Am 23.04.1999 hat der Beteiligte zu 2. die Festsetzung einer
nach § 112 Abs. 1, 4 BRAGO errechneten Vergütung von 541,67 DM und
hilfsweise eine Vergütung auf der Grundlage eines Honorars von
200,00 DM pro Stunde = 901,27 DM beantragt. Das Amtsgericht hat
daraufhin gem. § 67 Abs. 3 FGG den Höchstsatz des § 1 BVormVG von
60,00 DM pro Stunde zuzüglich Auslagen und Mehrwertsteuer auf die
Vergütung und die Auslagen, insgesamt 332,87 DM festgesetzt. Auf
die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 2.
hat das Landgericht die in erster Linie beantragten 541,67 DM als
gerechtfertigt angesehen und die Festsetzung entsprechend geändert.
Hiergegen richtet sich die - zugelassene - sofortige weitere
Beschwerde des Beteiligten zu 3. als Vertreter der Landeskasse.
II.
Die in formeller Hinsicht unbedenkliche sofortige weitere
Beschwerde ist begründet.
Die Entscheidung des Landgerichts hält rechtlicher Óberprüfung
(§§ 27 FGG, 550 ZPO) nicht in allen Punkten stand. Dem Beteiligten
zu 2. steht nur eine Vergütung gem. den §§ 67 Abs. 3 S. 2, 70b Abs.
1 S. 3 FGG i. V. m. § 1 BVormVG in Höhe von 332,87 DM zu.
Zutreffend - auch nach Auffassung des Beteiligten zu 3. - ist
zunächst die Meinung des Landgerichts, dass die Erstbeschwerde
zulässig ist, weil der Beteiligte zu 2. auch den Hilfsantrag im
Beschwerdeverfahren weiterverfolgt hat und insoweit seine Beschwer
mehr als 300,00 DM beträgt (§ 56g Abs. 5 S. 1 FGG).
In der Sache hat das Landgericht unter Bezugnahme auf die beiden
Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 07.06.2000 - 1 BvR
23/00 u. 111/00 - = FamRZ 2000, 1280 m. Anm. Bienwald; - 1 BvL 1/99
u. 2/99 - = FamRZ 2000, 1284) Fallgruppen gebildet, in denen
regelmäßig rechtliche Schwierigkeiten von solchem Gewicht zu
erwarten seien, für deren Bewältigung ein nicht anwaltlicher
Pfleger einen Rechtsanwalt hinzugezogen hätte. Es hat hierzu
ausgeführt, ob die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts erforderlich
sei, werde zum einen durch die Schwere des Eingriffs in Rechte des
Betroffenen und zum anderen durch die auftretenden oder zu
erwartenden rechtlichen Schwierigkeiten der Angelegenheit bestimmt.
So kämen spezifisch anwaltliche Tätigkeiten insbesondere dann in
Betracht, wenn Maßnahmen in Rede ständen, die in ihrer Wirkung
einer Entmündigung ähnlich seien, so bei der Prüfung eines
umfassenden Einwilligungsvorbehalts, besonders im Vermögensbereich
oder bei schweren körperlichen Eingriffen wie der
vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung der Einwilligung des
Betreuers in eine Sterilisation nach § 1905 Abs. 2 BGB, für die in
§ 67 Abs. 1 S. 5 FGG zwingend die Bestellung eines
Verfahrenspflegers vorgeschrieben sei und von der nur abgesehen
werden könne, wenn der Betroffene von einem Rechtsanwalt oder einem
anderen (ähnlich) geeigneten Verfahrensbevollmächtigten vertreten
werde. Auch bei freiheitsentziehenden Maßnahmen sei in der Regel
davon auszugehen, dass sich anwaltsspezifische Aufgaben stellten,
es sei denn diese seien nur vorübergehend und wenig einschneidend.
Ein derartiger Regelfall sei vorliegend anzunehmen. Da es um
freiheitsberaubende Maßnahmen von 2 Jahren gegangen sei, habe sich
an der Bewertung aus dem Jahre 1997 anlässlich der ersten
Bestellung, dass der Beteiligte zu 2. typisch anwaltliche Tätigkeit
entfaltet habe, nichts geändert.
Dieser rechtlichen Beurteilung kann der Senat nur im Ansatzpunkt
beitreten.
Zutreffend geht das Landgericht davon aus, dass gerade die von
ihm angeführten Fälle eines weitgehenden Einwilligungsvorbehalts,
eines erheblichen Eingriffs in die körperliche Integrität oder von
freiheitsbeschränkenden Maßnahmen typischerweise solche sein
können, bei denen anwaltsspezifische Aufgaben zu erfüllen sind mit
der Folge, dass ein Rechtsanwalt als Verfahrenspfleger nach der für
die Gerichte verbindlichen Gesetzesauslegung des
Bundesverfassungsgerichts eine Vergütung nach der BRAGO fordern
kann. Eine generalisierende Betrachtungsweise losgelöst vom
Einzelfall ist indes nicht möglich. Abgesehen von dem Sonderfall
der Genehmigung der Einwilligung des Betreuers in eine
Sterilisation, bei dem regelmäßig davon auszugehen sein dürfte,
dass ein Verfahrenspfleger ohne volljuristische Ausbildung
vernünftigerweise einen Rechtsanwalt zuziehen würde, ist nämlich
der von dem Landgericht gezogene Schluss von der Schwere des
Eingriffs auf eine regelmäßig bestehende rechtliche Schwierigkeit
keineswegs zwingend. Auch das Bundesverfassungsgericht geht nicht
davon aus, dass schwerwiegende Eingriffe in die Rechtssphäre eines
Betroffenen regelmäßig eine Honorierung des anwaltlichen
Verfahrenspflegers nach der BRAGO bedingen, sondern stellt auf den
Einzelfall ab, wie insbesondere durch den Beschluss in den Sachen 1
BvR 23/00 und 111/00 deutlich wird, denen jeweils
Unterbringungsverfahren zugrunde lagen. Dem sich bei
Einzelfalllösungen regelmäßig stellenden Problem der Rechtsklarheit
kann für die Zukunft dadurch begegnet werden, dass entsprechend der
Anregung des Bundesverfassungsgerichts bereits bei der Bestellung
eines Rechtsanwalts als Verfahrenspfleger ein Hinweis darauf
gegeben wird, dass anwaltsspezifische Tätigkeiten anfallen
werden.
Gerade im vorliegenden Fall wird deutlich, dass ein erheblicher
Eingriff in die Rechtssphäre eines Betroffenen nicht unbedingt
anwaltlichen Rat impliziert; denn die Frage, ob fachärztlich
angeregte, dauerhafte freiheitsentziehende Maßnahmen für die an
Altersdemenz leidende Betroffene zum Schutz gegen eine
Selbstgefährdung notwendig sind, kann von einem juristischen Laien
in gleicher Weise beurteilt werden wie von einem Anwalt. Da es
wegen der Art der Erkrankung auch für Jedermann einsichtig war,
dass mit einer Besserung nicht zu rechnen war, gebot auch die lange
Dauer der Freiheitsbeschränkung nicht die Einholung von
Rechtsrat.
Gerade bei länger andauernden Unterbringungen ist die
Konstellation im übrigen häufig eine ähnliche wie im vorliegenden
Fall, dass nämlich ein Krankheitszustand schon so weit
fortgeschritten ist, dass sich rechtliche Zweifelsfragen zur
Erforderlichkeit der Maßnahme nicht stellen. Demgegenüber sind -
worauf der Beteiligte zu 3. zutreffend hinweist - umgekehrt die
Fälle kurzfristiger freiheitsbeschränkender Maßnahmen problematisch
und nicht selten solche, in denen ein Verfahrenspfleger etwa wegen
der Eilbedürftigkeit oder wegen fehlender Krankheitseinsicht des
Betroffenen anwaltsspezifische Aufgaben zu erfüllen hat.
Der Umstand, dass das Amtsgericht bei der früheren
Verfahrenspflegschaft eine typisch anwaltliche Tätigkeit angenommen
hat, präjudiziert die Entscheidung im vorliegende Verfahren nicht,
hat insbesondere für den Beteiligten zu 2. keinen
Vertrauenstatbestand geschaffen, dass er auch bei der späteren
Verfahrenspflegschaft nach § 112 BRAGO liquidieren kann, zumal sich
die Gesetzeslage zwischenzeitlich geändert hatte.
Die Tatsache schließlich, dass ein Rechtsanwalt zum
Verfahrenspfleger bestellt wurde, bedeutet alleine noch nicht, dass
er Tätigkeiten zu erbringen hatte und erbracht hat, die der
besonderen Qualifikation eines Rechtsanwalts bedurften
(Senatsbeschluss vom 05.12.2000 - 16 Wx 154/00 -).
Dem Beteiligten zu 2. stehen nach alledem nur die von der
Rechtspflegerin des Amtsgerichts auch der Höhe nach zutreffend
ermittelten Ansprüche von 332,87 DM nach § 1 BVormVG zu.
OLG Köln:
Beschluss v. 12.01.2001
Az: 16 Wx 147/00
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