Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 17. September 2007
Aktenzeichen: AnwZ (B) 76/06
(BGH: Beschluss v. 17.09.2007, Az.: AnwZ (B) 76/06)
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des 2. Senats des Hessischen Anwaltsgerichtshofs vom 30. Mai 2006 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen und der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 50.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der 1939 geborene Antragsteller wurde 1975 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen und 1984 zum Notar ernannt. Im Hinblick auf gegen ihn erhobene Vorwürfe wegen der Verletzung von Treuhandauflagen in den Jahren 1990 und 1991 verzichtete er 1992 auf seine Zulassung als Notar. In diesem Zusammenhang gab er am 20. Februar 1992 ein abstraktes vollstreckbares Schuldanerkenntnis über 4 Mio. DM gegenüber der Notarkammer F. ab, die im Rahmen der Vertrauensschadenshaftung für die Schäden eingetreten war. Einen daraufhin von der Landesjustizverwaltung verfügten Widerruf seiner Zulassung als Rechtsanwalt vom 26. Juli 1993 hob der Senat mit Beschluss vom 24. Oktober 1994 mit Rücksicht auf eine Ratenzahlungsvereinbarung des Antragstellers mit der Versicherung, der die Abwicklung der Vertrauensschadenhaftung oblag, auf (AnwZ (B) 35/94, BRAK-Mitt. 1995, 29). Im Zuge der strafrechtlichen Ermittlungen wegen der Verletzung der Treuhandauflagen verzichtete der Antragsteller 1998 auf seine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft.
Im Jahre 1998 wurde der Antragsteller durch das Landgericht W. mehrfach wegen Untreue zu Freiheitsstrafen verurteilt, weil er sich zum Nachteil der Auftraggeber über Treuhandauflagen für an ihn geleistete Zahlungen im Zusammenhang mit Grundstückskaufverträgen hinweggesetzt hatte. Aus diesen Verurteilungen und einem weiteren gleich gelagerten Vorfall bildete das Landgericht W. mit Urteil vom 15. Juli 1998 ( Js /95) eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren. Nach Verbüßung der Hälfte dieser Freiheitsstrafe wurde der Strafrest mit Beschluss des Landgerichts W. vom 15. März 2001 ( StVK /00) auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt und nach Ablauf der Bewährungszeit mit einem weiteren Beschluss des Landgerichts vom 17. Mai 2004 erlassen. Der Versuch des Antragstellers, mit dem Vertrauensschadensversicherer der Notarkammer und der Notarkammer eine Ratenzahlungsvereinbarung zu treffen, scheiterte an deren Weigerung. Andere Verbindlichkeiten hat der Antragsteller nicht. Aus dem Schuldanerkenntnis wird nicht vollstreckt, weil der Antragsteller ausweislich einer 1998 abgegebenen eidesstattlichen Versicherung kein vollstreckbares Vermögen hat.
Am 19. Juni 2004 beantragte der Antragsteller seine erneute Zulassung zur Rechtsanwaltschaft. Diesen Antrag wies die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 9. Mai 2005 zurück. Der Antragsteller erscheine angesichts seiner Vorstrafe im Sinne von § 7 Nr. 5 BRAO unwürdig, den Beruf des Rechtsanwalts auszuüben. Außerdem liege wegen des Schuldanerkenntnisses Vermögensverfall vor.
Dagegen hat der Antragsteller gerichtliche Entscheidung beantragt. Seinen Antrag hat der Anwaltsgerichtshof unter dem Gesichtspunkt des Vermögensverfalls zurückgewiesen. Mit der sofortigen Beschwerde, deren Zurückweisung die Antragsgegnerin beantragt, verfolgt er seinen Zulassungsantrag weiter.
II.
Das Rechtsmittel ist nach § 42 Abs. 1 Nr. 1 BRAO zulässig. Es hat aber keinen Erfolg. Die Zurückweisung des Zulassungsantrags durch die Antragsgegnerin ist rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten.
1. Der Versagungsgrund unwürdigen Verhaltens nach § 7 Nr. 5 BRAO liegt nicht vor; dies hat der Anwaltsgerichtshof zu Recht festgestellt.
2. Der Antragsteller befindet sich aber in Vermögensverfall, so dass sein Zulassungsantrag aus diesem Grund zurückzuweisen war.
a) Nach § 7 Nr. 9 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu versagen, wenn der Bewerber in Vermögensverfall geraten ist. Vermögensverfall liegt vor, wenn der Bewerber in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, geraten und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen; Beweisanzeichen hierfür sind insbesondere die Erwirkung von Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn (st. Rspr., Senat, Beschl. v. 25. März 1991, AnwZ (B) 73/90, BRAK-Mitt. 1991, 102; Beschl. v. 21. November 1994, AnwZ (B) 40/94, BRAK-Mitt. 1995, 126; Beschl. v. 3. Juli 2006, AnwZ (B) 28/05, unveröff.).
b) In diesem Sinne war das Vermögen des Antragstellers bei Erlass des angefochtenen Bescheids in Verfall geraten.
aa) Über das Vermögen des Antragstellers war zwar das Insolvenzverfahren nicht eröffnet worden. Der Antragsteller war auch weder in dem Schuldnerverzeichnis des Insolvenzgerichts noch in dem des Amtsgerichts eingetragen. Gegen ihn besteht auch nur noch eine Forderung, allerdings mit 4 Mio. DM in beträchtlicher Höhe. Zu ihrer Erfüllung war und ist der Antragsteller, was er selbst einräumt, auf Dauer außerstande, weil er weder über verwertbares Vermögen noch über Einkommen verfügt, das ihm die Erfüllung der Forderung erlaubt. Es sprach und spricht nichts dafür, dass der Antragsteller jemals imstande sein wird, die Forderung zu erfüllen.
bb) Vermögensverfall kann unter besonderen Umständen allerdings selbst dann zu verneinen sein, wenn der Bewerber einer unerfüllbar hohen Forderung ausgesetzt ist. Das ist zum einen der Fall, wenn dem Bewerber im Insolvenzverfahren durch Beschluss des Insolvenzgerichts Restschuldbefreiung in Aussicht gestellt worden ist. Denn diese führt zum Erlöschen der Forderung. Zum anderen kann dies der Fall sein, wenn der Gläubiger mit dem Bewerber vereinbart hat, auf Dauer von Vollstreckungsmaßnahmen abzusehen, solange er sich an eine Ratenzahlungsvereinbarung hält (Senat, Beschl. v. 26. März 2007, AnwZ (B) 23/06, unveröff.). Das kann dem Bewerber nämlich trotz der hohen Forderung eine geordnete Wirtschaftsführung erlauben.
cc) Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
(1) Aus der Forderung wird zwar derzeit nicht gegen den Antragsteller vollstreckt. Dem liegt aber keine mit einem Vollstreckungsverzicht verbundene Ratenzahlungsvereinbarung zugrunde, die die Gläubiger der Forderung rechtlich an einer Vollstreckung hindern würde. Eine solche Vereinbarung hat der Antragsteller zwar im Jahre 1994 mit dem Träger der Vertrauensschadenversicherung getroffen, die die Notarkammer F. nach § 67 Abs. 3 Nr. 3 BNotO abgeschlossen hat. Diese Vereinbarung ist aber daran gescheitert, dass der Antragsteller seine Ratenzahlungsverpflichtung nicht eingehalten hat. Er hat nämlich statt der vereinbarten zwischen 500 und 1.000 DM im Monat im Zeitraum von 1993 bis 1996 nur insgesamt 10.000 DM gezahlt. Damit hat sich der mit dieser Vereinbarung verbundene Vollstreckungsverzicht erledigt. Zu einer neuen Vereinbarung waren und sind seine Gläubiger nicht bereit. Das bedeutet aber, dass der Antragsteller jederzeit mit einer Wiederaufnahme von Vollstreckungsversuchen und mit einem Zugriff auf Einkünfte rechnen muss, die er bei einer Anwaltstätigkeit erzielten sollte. Angesichts der Höhe der Verpflichtung scheidet damit aber ein geordnetes Wirtschaften aus.
(2) Etwas anderes ergibt sich auch weder daraus, dass er das Schuldanerkenntnis gegenüber der Notarkammer F. abgegeben hat, noch daraus, dass sich der Schadensversicherer mit der Notarkammer beraten hat. Die Forderung gegen den Antragsteller steht zwar, soweit der Vertrauensschadenfonds, der nach § 67 Abs. 4 Nr. 3 BNotO für die Notare der Notarkammer F. eingerichtet ist, noch der Notarkammer F. und an dem Fonds sonst etwa noch beteiligten Notarkammern zu. Entgegen der Ansicht des Antragstellers bedarf es aber dennoch nicht der Prüfung, ob und ggf. unter welchem Gesichtspunkt die Notarkammer F. und andere den Fonds tragende Notarkammern als Körperschaft(en) des öffentlichen Rechts verpflichtet sein könnte(n), dem Antragsteller die Regressforderung zu stunden. Der Fonds ist nämlich nur für den allerdings sehr hohen Betrag eingetreten, der die Haftungshöchstsumme von 250.000 € der Vertrauensschadenversicherung nach § 67 Abs. 3 Nr. 3 BNotO überstieg (dazu: Stüer, DVBl. 1989, 1137). Im Umfang seiner Einstandspflicht ist die Forderung aber nach § 67 VVG auf den Träger der Vertrauensschadenversicherung übergegangen, nachdem dieser aus dem Versicherungsvertrag geleistet hat. Nur deshalb konnte der Antragsteller die Ratenzahlungsvereinbarung 1994 auch mit diesem und nicht mit der Notarkammer schließen. Deshalb kommt es, unabhängig von der Haltung oder einer Verpflichtung der Notarkammer entscheidend darauf an, wie sich der Schadensversicherer entscheidet. Daran ändert es nichts, dass der Schadensversicherer vor seiner Entscheidung die Notarkammer beteiligt hat. Denn er hat seine Ablehnung nicht auf die Stellungnahme der Notarkammer, sondern darauf gestützt, dass er das Angebot des Antragstellers nach dem Scheitern der Vereinbarung von 1994 nicht für seriös halte. Dass und aus welchem rechtlichen Gesichtspunkt der Schadensversicherer zu einer Abkehr von seiner in der Sache nachvollziehbaren Entscheidung gezwungen werden könnte, ist nicht ersichtlich.
(3) Die Entscheidung des Schadensversicherers, auf Vollstreckung nicht zu verzichten, hat zur Folge, dass der Antragsteller nicht geordnet wirtschaften kann. Denn auch den auf ihn übergegangenen Teil der Gesamtforderung wird der Antragsteller in absehbarer Zeit nicht zurückzahlen können. Zu einem geordneten Wirtschaften könnte der Antragsteller deshalb nur mit einer Restschuldbefreiung im Rahmen eines Insolvenzverfahrens zurückfinden. Ob ein Insolvenzverfahren eröffnet und zur Restschuldbefreiung führen würde, ist angesichts fehlender Insolvenzmasse offen. Der Antragsteller hat die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zudem bislang nicht beantragt; er beabsichtigt das nach seiner Erklärung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auch nicht. Damit fehlte es an geordneten Vermögensverhältnissen, was nach § 7 Nr. 9 BRAO zur Versagung der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft führt.
Terno Ernemann Schmidt-Räntsch Schaal Wüllrich Hauger Stüer Vorinstanz:
AGH Frankfurt, Entscheidung vom 30.05.2006 - 2 AGH 6/05 -
BGH:
Beschluss v. 17.09.2007
Az: AnwZ (B) 76/06
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