Brandenburgisches Oberlandesgericht:
Urteil vom 2. Juli 2014
Aktenzeichen: 4 U 137/12
(Brandenburgisches OLG: Urteil v. 02.07.2014, Az.: 4 U 137/12)
Tenor
1. Die Berufung des Beklagten gegen das am 9. November 2012 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam - 12 O 280/11 € wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.
3. Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I.
Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Schadensersatz wegen fehlerhafter anwaltlicher Beratung in Anspruch.
Die Klägerin gewährte der Rechtsvorgängerin der späteren Insolvenzschuldnerin M€ GmbH, der Arbeitsförderung B€ gGmbH, im Jahr 1993 ein Darlehen über 800.00,00 DM. Dafür übernahm die Gemeinde B€ am 19.4.2003 eine €modifizierte Ausfallbürgschaft€ (Bl. 22 d.A.) mit Genehmigung des Landkreises N€ vom 12.5.1993. Die Darlehensnehmerin nahm ein Angebot der Klägerin zur Fortführung des Darlehens mit einer Zinsbindung bis zum 30.4.2008 an. Die Gemeinde B€ stimmte den veränderten Darlehensbedingungen im Jahr 2000 zu. Nachdem das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Darlehensnehmerin eingeleitet worden war, kündigte die Klägerin mit Schreiben vom 25.7.2003 die zu dieser bestehende Geschäftsverbindung, stellte ihre Forderungen zur Rückzahlung fällig und kündigte gegenüber der bürgenden Gemeinde deren Inanspruchnahme an. Mit Beschluss vom 28.8.2003 eröffnete das Amtsgericht Potsdam das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Darlehensnehmerin. In dem Insolvenzerfahren wurde die von der Klägerin zur Insolvenztabelle angemeldete Forderung in Höhe von insgesamt 126.639,23 € zur Tabelle als vorläufige Forderung festgestellt. Die Höhe des Ausfalls sollte nach Inanspruchnahme der Sicherheiten endgültig festgestellt werden. In der Folgezeit gründete der Insolvenzverwalter eine Auffanggesellschaft, die den Geschäftsbetrieb der Schuldnerin auf deren mit einer Grundschuld der Klägerin belasteten Betriebsgrundstück fortführte und verpflichtete sich in einem über das Betriebsgrundstück geschlossenen Mietvertrag zur Mietzahlung an die Klägerin. Mit Rücksicht hierauf sah die Klägerin von einer Inanspruchnahme der Bürgin vorerst ab. Als die Mietzahlungen nur noch unregelmäßig flossen, beantragte die Klägerin im Jahr 2005 die Zwangsversteigerung des Grundstücks und nahm die Gemeinde als Bürgin auf Zahlung von 139.277,80 € in Anspruch.
Die Klägerin beauftragte den Beklagten am 23.5.2008 mit der Prüfung der Erfolgsaussichten einer Klage gegen die Gemeinde B€ aus der Übernahme der Bürgschaft. Der Beklagte sollte insbesondere prüfen, ob die Bürgschaftsansprüche der Klägerin, wie von dem Rechtsanwalt der Gemeinde vertreten, verjährt seien oder jedenfalls zu verjähren drohten. Der Beklagte erteilte die erbetene Rechtsberatung mit Schreiben vom 3.6.2008 (Bl. 38 d.A.): Verjährung sei weder eingetreten, noch drohe sie einzutreten. Die Forderung sei noch nicht fällig. Mit Rücksicht auf diese Rechtsauskunft nahm die Klägerin bis Februar 2009 von einer gerichtlichen Inanspruchnahme der Bürgin Abstand. Erst dann beauftragte sie den Beklagten, die Gemeinde gerichtlich auf die Feststellung in Anspruch zu nehmen, dass die Bürgschaft wirksam und ihr daraus folgender Anspruch nicht verjährt sei. In erster Instanz obsiegte die Klägerin mit ihrer Feststellungsklage im Verfahren Landgericht Potsdam, 8 O 74/09. Auf die Berufung der Gemeinde wies der 3. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts die Klage mit der Begründung ab, die Forderungen der Klägerin seien verjährt.
Die Klägerin hat gemeint, der Beklagte habe Beratungspflichten nicht umfassend wahrgenommen, indem er sie nicht darauf hingewiesen habe, dass bei einer anderweitigen Auslegung der Bürgschaftsurkunde eine anderweitige Bestimmung des Verjährungsbeginns nicht ausgeschlossen sei. Er hätte ihr, der Klägerin, deshalb raten müssen noch im Jahr 2008 verjährungshindernde Maßnahmen einzuleiten. Auf Grund dieser Pflichtverletzung habe sie, die Klägerin, die Ansprüche aus der Ausfallbürgschaft in Höhe von 125.921,27 € (per 26.7.2003) nicht durchsetzen können. Zudem sei ihr ein Schaden in Höhe der Kosten des Vorprozesses gegen die Gemeinde B€ in Form von Verfahrenskosten entstanden.
Der Beklagte hat gegen die Klageforderung eingewandt, er habe sich keiner Pflichtverletzung schuldig gemacht. Das Urteil des 3. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 26.5.2010 sei falsch. Das Berufungsgericht habe die Bürgschaftserklärung weder sach-, noch interessengerecht ausgelegt. Entgegen dessen Auffassung sei die zweite Ausfalldefinition nicht einschlägig gewesen. Der Beklagte hat die Forderungsberechnung der Klägerin mit Nichtwissen bestritten.
Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Klägerin stünden Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten aus §§ 280 Abs. 1, 675 BGB zu.
Der Beklagte habe Pflichten aus dem Anwaltsvertrag verletzt, indem er die Klägerin nicht darauf hingewiesen habe, dass hinsichtlich des Verjährungsbeginns auch eine andere Auslegung der Ausfallbürgschaft möglich sei, und ihr nicht zu entsprechenden verjährungshindernden Maßnahmen geraten habe. Damit habe der Beklagte gegen seine Verpflichtung, zur Wahrnehmung der Interessen der Klägerin den sichersten Weg zu wählen, verstoßen. Im Rahmen seines Mandats sei der Beklagte verpflichtet gewesen, eine umfassende Prüfung bezüglich des möglichen Verjährungseintritts vorzunehmen. Dies hätte eine Auseinandersetzung mit den in der Bürgschaftserklärung enthaltenen Regelungen zum Eintritt des Ausfalls erforderlich gemacht. Statt diese umfassend vorzunehmen, habe der Beklagte in seiner Stellungnahme vom 3.6.2008 nur die erste Alternative der Ausfalldefinition in der Bürgschaftserklärung in den Blick genommen und dabei nicht berücksichtigt, dass der Bürgschaftsvertrag eine zweite, von der ersten unabhängige Alternative zur Definition des Ausfalls enthalte. In Bezug auf die Auslegung der Bürgschaftserklärung hat sich das Landgericht der Auffassung des 3. Zivilsenates des Brandenburgischen Oberlandesgerichts in seinem Urteil vom 26.5.2010 angeschlossen.
Aufgrund der Ankündigung der Inanspruchnahme der Gemeinde durch die Klägerin mit Schreiben vom 25.7.2003 sei die Forderung Mitte Februar 2004 fällig geworden, so dass Verjährung an sich zum 31.12.2007 und wegen der Verzichtserklärung der Gemeinde vom 5.12.2007 am 31.12.2008 eingetreten sei.
Die Höhe der Forderung ergebe sich aus dem Umstand, dass der Insolvenzverwalter die Forderung am 5.11.2003 zur Tabelle anerkannt und außerdem die Klägerin den Betrag durch Vorlage des Jahreskontoauszuges vom 20.1.2004 (Anlage K 47, Bl. 196) belegt habe. Die Richtigkeit des Jahreskontoauszuges habe der Beklagte nicht erheblich bestritten. Unter Berücksichtigung der weiteren Positionen sei ihr, der Klägerin, insgesamt ein Schaden in Höhe von 153.824,47 € entstanden. Auch mit den Freistellungsanträgen sei die Klage begründet.
Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Gründe des angefochtenen Urteils verwiesen.
Gegen diese Entscheidung wendet sich der Beklagte mit der Berufung, mit der er die vollständige Klageabweisung erreichen will.
Der Beklagte meint, er habe sich nicht pflichtwidrig verhalten, indem er seiner Verjährungsprüfung nur die erste Ausfallvariante der Bürgschaftserklärung zugrunde gelegt habe. Die zweite Variante sei von vornherein nicht einschlägig gewesen, weshalb er sie habe unberücksichtigt lassen dürfen. Eine unklare Rechtslage, die ihn zum Beschreiten des €sichersten Wegs€ für die Klägerin hätte veranlassen müssen, habe nicht vorgelegen. Die vom Landgericht vorgenommene Auslegung der Bürgschaftserklärung verstoße gegen anerkannte Auslegungsgrundsätze.
Überdies habe das Landgericht verkannt, dass die Forderung der Klägerin unter Zugrundelegung der ersten Ausfalldefinition jedenfalls in Höhe von 100.000,00 € bereits verjährt gewesen sei, bevor er mandatiert worden sei.
Aus alledem ergebe sich die Unschlüssigkeit der Klage schon dem Grunde nach. Nichts anderes gelte für die Höhe des offenen Darlehenssaldos. Angesichts dessen, dass bis zum Kündigungszeitpunkt keine Darlehensraten rückständig gewesen seien, sei der Kündigungssaldo nicht verständlich.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 9.11.2012 (Az.: 12 O 280/11) abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt die angefochtene Entscheidung. Sie vertritt die Auffassung, der Beklagte habe seine Pflicht, auf Unklarheiten der Bürgschaftserklärung hinzuweisen und ihr zu empfehlen, zur Vermeidung des Verjährungseintritts vor dem 31.12.2008 Klage zu erheben, verletzt. Bei der gebotenen sorgfältigen Prüfung habe der Beklagte nicht nur auf die erste Ausfalldefinition abstellen dürfen. Sein Verständnis vom Bürgschaftstext sei unvollständig und falsch gewesen. Durch die ausdrücklich von der ersten Variante abgegrenzte zweite Ausfalldefinition habe ihr die Möglichkeit zugestanden, in vertretbarem Zeitraum auf die Bürgenhaftung zuzugreifen.
Kein Teil ihrer Forderung gegen die Bürgin sei bereits vor Mandatierung des Beklagten verjährt gewesen. Eine Prognose zur Werthaltigkeit der ihr zustehenden Sicherheiten mit anschließender sofortiger Inanspruchnahme der Bürgin habe sie nicht anstellen müssen. Im Übrigen hätte eine solche Prognose zu dem Ergebnis geführt, dass ein Ausfall im Sinne der ersten Definition der Bürgschaftserklärung nicht vorgelegen habe. Angesichts dessen, dass sie sowohl den ursprünglichen Darlehensvertrag als auch die Korrespondenz zu den nach Ablauf der Zinsbindungsfrist getroffenen Änderungsvereinbarungen, Tilgungspläne und Forderungsberechnungen eingereicht habe, habe das Landgericht zu Recht das Bestreiten des Beklagten zur Forderungshöhe als unerheblich eingestuft.
Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
II.
Die zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet.
Der Klägerin stehen Schadensersatzansprüche aus §§ 280 Abs. 1, 675 BGB i.V.m. dem Anwaltsvertrag der Parteien zu.
1. Zwischen den Parteien bestand ein § 675 BGB unterfallendes Mandatsverhältnis. Die Klägerin hatte in Ansehung des Schreibens des damaligen Rechtsanwalts der Gemeinde, Rechtsanwalt B€, vom 30.1.2008 (Bl. 34 d.A.) den Beklagten mit Schreiben vom 23.5.2008 beauftragt, die Erfolgsaussichten einer Klage gegen die Gemeinde B€ aus deren Bürgschaft zu prüfen. Dabei ging es der Klägerin ausweislich ihres Schreibens speziell um die Verjährungsfrage, weil Rechtsanwalt B€ in dem genannten Schreiben die Auffassung vertreten hatte, die Bürgschaftsforderung sei bereits zum 31.12.2006 verjährt.
2. Der Beklagte hat die Pflicht zur ordnungsgemäßen Beratung aus dem Anwaltsvertrag verletzt.
a) Der Rechtsanwalt ist verpflichtet, vermeidbare Nachteile von seinem Mandanten fernzuhalten. Kommen mehrere Möglichkeiten in Betracht, hat er die für seinen Mandanten sicherste und gefahrloseste vorzuschlagen und ihn über mögliche Risiken aufzuklären; führen mehrere Wege zum erstrebten Erfolg, hat er gerade bei Verjährungsfragen denjenigen zu wählen, auf dem das Ziel am sichersten zu erreichen ist (BGH, Urteil vom 13.3.2008, IX ZR 136/07, Rn. 14, 17 - zitiert nach juris). Der konkrete Umfang der anwaltlichen Pflichten richtet sich nach dem erteilten Mandat und nach den Umständen des Einzelfalls. Ziel der anwaltlichen Rechtsberatung ist es, dem Mandanten eigenverantwortliche, sachgerechte Entscheidungen in seiner Rechtsangelegenheit zu ermöglichen (BGH, a.a.O., Rn. 15 m.w.N.).
Auch innerhalb eines nur eingeschränkten Mandats hat der Rechtsanwalt vor Gefahren zu warnen, die sich bei ordnungsgemäßer Bearbeitung aufdrängen, wenn er Grund zu der Annahme hat, dass sein Auftraggeber sich dieser Gefahr nicht bewusst ist (BGH, a.a.O., Rn. 16). Bei der Wahrnehmung der Interessen seines Mandanten hat der Anwalt pflichtgemäß alle nur möglich erscheinenden Auslegungsvarianten eines Vertrages in Betracht zu ziehen (BGH, Urteil vom 23.6.1981, VI ZR 42/80, Rn. 22 - zitiert nach juris). Gemäß § 1 Abs. 3 BORA hat der Rechtsanwalt seinen Mandanten vor voraussehbaren Fehlentscheidungen durch Gerichte und Behörden zu bewahren. Welche konkreten Pflichten aus diesen allgemeinen Grundsätzen abzuleiten sind, richtet sich nach dem erteilten Mandat und den Umständen des Falles (BGH, Urteil vom 26.6.2006, IX ZR 76/04, Rn. 9 - zitiert nach juris).
b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat das Landgericht zu Recht eine Pflichtverletzung des Beklagten festgestellt.
aa) Rechtsanwalt B€ hatte mit Schreiben an die Klägerin vom 30.1.2008 die Einrede der Verjährung erhoben und die Auffassung vertreten, die Bürgschaftsforderung sei bereits zum Jahresende 2006 verjährt. Dieses Schreiben hatte der Klägerin Anlass gegeben, den Beklagten mit der entsprechenden Prüfung zu beauftragen. Das wusste der Beklagte auch, wie sich aus den Eingangsworten seiner Stellungnahme vom 3.6.2008 ergibt. Der vorherige Rechtsanwalt der Gemeinde hatte demgegenüber die Auffassung vertreten, die Ausfallbürgschaft sei überhaupt noch nicht fällig, weil die zweite Voraussetzung der ersten Ausfalldefinition der Bürgschaftserklärung, nennenswerte Erlöse seien aus der Verwertung des sonstigen Vermögens des Kreditnehmers nicht mehr zu erwarten, angesichts des im Eigentum der Schuldnerin stehenden Betriebsgrundstücks noch nicht erfüllt sei. Gemessen an den Anforderungen des €sichersten Weges€ hätte der Beklagte nicht außer acht lassen dürfen, dass bei isolierter Betrachtung der zweiten Ausfalldefinition der Bürgschaft vom 19.4.1993 zumindest die Möglichkeit bestand, dass eine Verjährung der Forderung der Klägerin mit Ablauf des 31.12.2008 eintreten könnte. Pflichtwidrig hat sich der Beklagte in seiner Stellungnahme überhaupt nicht mit der zweiten Ausfalldefinition der Bürgschaftserklärung auseinandergesetzt. Auch wenn diese Definition zwischen den Beteiligten zuvor nicht thematisiert worden ist, durfte das für den Beklagten, der mit zur Verjährungsfrage umfassender Rechtsprüfung beauftragt war, kein Anlass sein, diese Alternative gar nicht erst in den Blick zu nehmen. Stattdessen hatte er, den Grundsätzen des €sichersten Wegs€ für den Mandanten folgend, auch den Ausfall nach der zweiten Alternative zu prüfen und innerhalb dieser Prüfung die für die Klägerin ungünstigste Auslegungsvariante zugrunde zu legen. Danach musste er das Kündigungsschreiben seiner Mandantin vom 25.7.2003 (Bl. 24 d.A.) als schriftliche Zahlungsaufforderung im Sinne der zweiten Ausfalldefinition und den Beginn der Verjährungsfrist auf sechs Monate danach annehmen. Bei der gebotenen vorsichtigen Sichtweise hätte er zu dem Ergebnis kommen müssen, dass die Verjährungsfrist am 25.1.2004 zu laufen begonnen und gemäß §§ 195, 199 BGB am 31.12.2007 geendet haben kann. Unter weiterer Berücksichtigung des anwaltlichen Schreibens der Gemeinde vom 5.12.2007, in dem ein Verzicht auf die Verjährungseinrede bis zum 31.12.2008 erklärt worden war, soweit Verjährung nicht bereits eingetreten sei, hätte er der Klägerin zur Klageerhebung noch im Jahr 2008 raten müssen, um seinen anwaltlichen Pflichten zu genügen, zumindest jedoch der Klägerin das entsprechende Risiko für den Fall einer nicht bis Ende 2008 erhobenen Klage aufzeigen müssen.
bb) Der dagegen erhobene Einwand des Beklagten, die zweite definierte Ausfallvariante könne nicht zur Anwendung kommen, wenn die erste Ausfallvariante € wie hier - eingreife; das sei die einzig vertretbare Auslegung der Bürgschaftserklärung, greift nicht durch.
Schon angesichts des Wortlauts der Bürgschaftserklärung war eine Auslegung der beiden Definitionen für den Ausfall als selbständige, voneinander unabhängige Alternativen nicht völlig abwegig und deshalb nicht von vornherein auszuschließen. Immerhin beginnt die zweite Ausfalldefinition mit €Der Ausfall gilt, auch wenn die Voraussetzungen des vorhergehenden Absatzes nicht vorliegen € als festgestellt.€ Selbst wenn es im weiteren vertretbar wäre, anhand vertiefter intensiver Auslegungserwägungen über den Wortlaut der Bürgschaftserklärung hinaus, wie sie der Beklagte in diesem Rechtsstreit anstellt, zu einem anderen Ergebnis zu gelangen, ändert dies an der Pflichtverletzung des Beklagten nichts. Denn gibt die rechtliche Beurteilung zu begründeten Zweifeln Anlass, so muss ein Rechtsanwalt auch die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass sich die zur Entscheidung berufene Stelle - hier nach Inanspruchnahme aus der Bürgschaft im Streitfall das Gericht - der seinem Auftraggeber ungünstigeren Beurteilung der Rechtslage anschließt (BGH, Urteil vom 29.6.2006, IX ZR 76/04, Rn. 9). Der Beklagte musste danach als sorgfältig arbeitender Rechtsanwalt hier von der für die Klägerin ungünstigsten vertretbaren Auslegungsmöglichkeit ausgehen und es mindestens als möglich ansehen und damit in Betracht ziehen, dass die zweite Ausfallvariante selbständig eingriff.
3. Das Verschulden des Beklagten wird gemäß § 280 Abs. 1 S. 2 BGB vermutet.
Eine Entlastung kommt nicht deshalb in Betracht, weil das Landgericht seine Einschätzung zur Verjährungsfrage in dem durch Klageschrift vom 19.2.2009 eingeleiteten Rechtsstreit der Klägerin gegen die bürgende Gemeinde geteilt hat, indem es die Bürgschaftsforderung mangels bereits erfolgter Verwertung des Betriebsgrundstücks als noch gar nicht fällig bewertet hat (Bl. 97 d.A.). Den Entscheidungen von Kollegialgerichten kommt im Rahmen der Anwaltshaftung keine entschuldigende Wirkung zu (BGH, Urteil vom 31.10.1985, IX ZR 175/84, Rn. 38 - zitiert nach juris).
4. Darüber, dass die Klägerin sich bei pflichtgemäßer Beratung durch den Beklagten aufklärungsrichtig verhalten und die Klage noch im laufenden Kalenderjahr 2008 erhoben hätte, besteht zwischen den Parteien zu Recht kein Streit. Wie ihr Schreiben an den Beklagten mit der Bitte um Prüfung der Verjährungsfrage zeigt, hatte die Klägerin insoweit durchaus ein Problembewusstsein, das der Beklagte ihr mit seiner Auskunft genommen hat. Überdies spricht ein von dem Beklagten nicht widerlegter Anscheinsbeweis dafür, dass der Mandant bei pflichtgemäßer Beratung des Anwalts dessen Hinweisen gefolgt wäre (BGH, Urteil vom 13.3.2008, IX ZR 136/07, Rn. 19 - zitiert nach juris).
5. Der Klägerin ist durch die Pflichtverletzung des Beklagten, auf Grund derer sie die Klageerhebung noch im Jahr 2008 unterlassen hat, haftungsausfüllend kausal ein Vermögensschaden entstanden.
a) Der Kausalität der Pflichtverletzung des Beklagten für den der Klägerin entstandenen Schaden steht nicht entgegen, dass die Bürgschaft von der Gemeinde B€ unwirksam wäre. Die Gemeinde B€ hat wirksam die Bürgschaft vom 19.4.1993 begeben.
aa) Die Gemeinde B€ war bei Abschluss des Bürgschaftsvertrages wirksam durch den Amtsdirektor vertreten.
Die Gemeinde B€ gehörte im Zeitpunkt des Abschlusses des Bürgschaftsvertrages dem Amt B€ an. Der Minister des Innern hat am 26.8.1992 bekanntgemacht, dass er der Bildung dieses Amtes seine Zustimmung erteilt und den Zeitpunkt des Zustandekommens des Amtes auf den 30.8.1992 festgelegt (Amtsblatt für das Land Brandenburg Nr. 82 vom 26.10.1992, S. 1918). Durch Artikelgesetz über kommunalrechtliche Vorschriften im Land Brandenburg vom 19.12.1991 ist in Artikel I die Amtsordnung erlassen worden. Gemäß § 4 Abs. 3 AmtsO werden die Gemeinden durch das Amt vertreten. Gemäß § 9 Abs. 4 AmtsO ist der Amtsdirektor der gesetzliche Vertreter des Amtes in Rechts- und Verwaltungsgeschäften.
bb) Der Bürgschaftsübernahme durch die Gemeinde B€ hat der Landrat des Landkreises N€ am 12.5.1993 (Anlage K 2, Bl. 23 d.A.) die kommunalrechtliche Genehmigung erteilt. Die Bürgschaftsübernahme ist nicht deshalb unwirksam, weil die kommunalrechtliche Genehmigung zu Unrecht erteilt worden wäre.
Die kommunalrechtliche Genehmigung der Bürgschaftsübernahme ist ein Verwaltungsakt. Unabhängig davon, ob der Senat als Zivilgericht auch über diese Vorfrage entscheiden könnte, weil der Streitgegenstand selbst - die Bürgschaftsforderung - privat-rechtlicher Natur ist (Zöller-Lückemann, ZPO, 30. A., Rn. 34 zu § 13 GVG), ist der Senat an diesen rechtsgestaltenden Verwaltungsakt gebunden. Solange solche Verwaltungsakte nicht aufgehoben worden sind, können sie Geltung auch dann beanspruchen, wenn sie fehlerhaft, d.h. anfechtbar sind. Für die Prüfung der Rechtmäßigkeit von Verwaltungsakten sind jedoch die Verwaltungsgerichte zuständig, nicht die Zivilgerichte, auch nicht im Wege der Inzidenzprüfung. Verwaltungsakte haben deshalb eine Bindungswirkung für andere Gerichte und Behörden in den Grenzen ihrer Bestandskraft (vgl. Kissel/Mayer, GVG, 7. A., Rn. 24 zu § 13 GVG). Anderes gilt nur im Falle eines nichtigen Verwaltungsaktes (Kissel/Mayer, a.a.O., Rn. 27 zu § 13 GVG). Nichtigkeit ist nach allgemeiner Ansicht nur dann gegeben, wenn ein Verwaltungsakt auf so grobe Weise fehlerhaft ist, dass er gesetzlich überhaupt nicht gerechtfertigt werden kann und von jedem als rechtsunwirksam zu erkennen ist (Kissel/Mayer, a.a.O., Rn. 27). Ein solcher seltener Ausnahmefall, der von den Parteien deshalb zu Recht auch nicht problematisiert worden ist, liegt hier nicht vor.
cc) Die Bürgschaft ist nicht wegen Verstoßes gegen ein Verbotsgesetz nichtig (§ 134 BGB), insbesondere nicht wegen Verstoßes gegen § 45 Abs. 1 und 2 der Kommunalverfassung der DDR vom 17.5.1990.
(1) Da die streitgegenständliche Bürgschaft ein genehmigungsbedürftiges Geschäft ist (vgl. OLG Jena, Urteil vom 3.4.2001, 5 U 260/00, Rn. 24 - zitiert nach juris), ist für eine Anwendung von § 134 BGB schon kein Raum (MüKo-Armbrüster, ZPO, 6. A., Rn. 7 zu § 134 BGB; Palandt-Ellenberger, BGB, 73. A., Rn. 11a zu § 134 BGB).
(2) Unabhängig davon handelt es sich um ein einseitiges Verbotsgesetz. Das Verbot richtet sich nur an eine Seite, die Kommune. Dann ist das verbotswidrige Rechtsgeschäft in der Regel und so auch hier gültig. Der einseitige Gesetzesverstoß nur eines Vertragsteils genügt nur ausnahmsweise dann, wenn der Zweck des Verbotsgesetzes anders nicht erreicht und die rechtsgeschäftliche Regelung nicht hingenommen werden kann. Diese Voraussetzungen kann der Senat hier nicht annehmen. Der Zweck des Verbotsgesetzes kann schon dadurch erreicht werden, dass die Rechtsaufsichtsbehörde die erforderliche Genehmigung der Bürgschaftsübernahme verweigert. Die rechtsgeschäftliche Regelung, eine Bürgschaftsübernahme für den Kredit an eine der kommunalen Aufgabenerfüllung dienende Eigengesellschaft, ist auch ohne weiteres hinnehmbar.
(3) Überdies verstößt die Übernahme der Bürgschaft durch die Gemeinde B€ nicht gegen § 45 Abs. 1 und 2 Kommunalverfassung der DDR vom 17.5.1990, weil sie der Besicherung eines Kredites an eine Eigengesellschaft der Gemeinde diente, die wiederum ausschließlich kommunale Aufgaben der Gemeinde erfüllte.
b) Auch für die Frage, ob der Klägerin durch die unterlassene Klageerhebung im Jahr 2008 ein Vermögensschaden entstanden ist, kommt es entgegen der zunächst vom Senat vertretenen Auffassung € die Abkehr von dieser Sichtweise hat der Senat im Termin am 19.3.2014 ausführlich erläutert - auf die unter den Parteien umstrittene Frage, wie die Bürgschaftserklärung richtig auszulegen ist und mithin auch auf die Frage, ob nach Auffassung des Senates der Vorprozess richtig oder falsch entschieden worden ist, nicht an.
aa) Um die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung eines Rechtsanwalts für den geltend gemachten Schaden festzustellen, ist zu prüfen, welchen Verlauf die Dinge bei pflichtgemäßem Verhalten genommen hätten. Ist im Haftpflichtprozess die Frage, ob dem Mandanten durch eine schuldhafte Pflichtverletzung des Rechtsanwalts ein Schaden entstanden ist, vom Ausgang eines anderen Verfahrens (im Folgenden: Vor- oder Ausgangsprozess) abhängig, muss das Regressgericht selbst prüfen, wie jenes Verfahren bei pflichtgemäßem Verhalten des Rechtsanwalts richtigerweise zu entscheiden gewesen wäre. Welche rechtliche Beurteilung das mit dem Vorprozess befasste Gericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hätte, ist ohne Belang. Vielmehr ist die Sicht des Regressgerichts maßgeblich. Dies gilt selbst dann, wenn feststeht, welchen Ausgang das frühere Verfahren bei pflichtgemäßem Verhalten des Anwalts genommen hätte (BGH, Urteil vom 15.11.2007, IX ZR 44/04, Rn. 9 - zitiert nach juris). Wie bereits ausgeführt hätte die Klägerin bei pflichtgemäßem Verhalten des Beklagten noch im Jahr 2008 Klage erhoben. Dann wäre die Bürgschaftsforderung nach beiden Rückfallvarianten nicht verjährt gewesen.
(1) Die Bürgschaftsforderung war nach der ersten Ausfallvariante bereits bei Mandatierung des Beklagten durch die Klägerin im Jahr 2008 nicht verjährt, auch nicht teilweise im Umfang von etwa 100.000,00 €.
Entgegen der Auffassung des Beklagten war die Bürgschaftsforderung im Umfang von etwa 100.000,00 € nicht schon mit Einleitung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Hauptschuldnerin nach der ersten definierten Ausfallvariante fällig geworden. Die Voraussetzungen nach dieser Ausfallvariante lagen bei Einleitung des Insolvenzverfahrens auch nicht im Umfang von etwa 100.000,00 € vor. Es fehlte jedenfalls an der hierfür erforderlichen Voraussetzung, dass €aus der Verwertung des sonstigen Vermögens des Kreditnehmers nennenswerte Erlöse nicht mehr zu erwarten sind.€ Diese Formulierung stellt nicht darauf ab, dass absehbar ist, dass nach einer Verwertung der wesentlichen Vermögensbestandteile eine Restforderung des Bürgschaftsgläubigers verbleiben wird und ein Ausfall eintritt mit der Folge, dass in Höhe der Differenz zwischen Gläubigerforderung und absehbarem Verwertungserlös dann nennenswerte Erlöse nicht mehr zu erwarten seien. Nennenswert sind nicht nur solche Erlöse, die zur vollständigen Befriedigung der Forderungen der Klägerin gegen den Kreditnehmer ausreichen. Vielmehr müssen - wie bei Ausfallbürgschaften im Allgemeinen - aus der Verwertung des Vermögens des Kreditnehmers keine nennenswerten Erlöse mehr zu erzielen sein. Damit ist der Gläubiger gehalten, vor einer Inanspruchnahme des Ausfallbürgen das gesamte Vermögen des Kreditnehmers zu verwerten und dies dem Ausfallbürgen nachzuweisen. Der Ausfallbürge ist so dementsprechend auch vor einer teilweisen Inanspruchnahme durch den Bürgschaftsgläubiger geschützt, bevor dieser nicht im Interesse des Bürgen das gesamte Vermögen des Hauptschuldners verwertet hat. Den Schutz des Ausfallbürgen vor Inanspruchnahme nur von einer Prognoseentscheidung hinsichtlich der Verwertungsaussichten auch und vor allem im Hinblick auf den Umfang der zu erwartenden Erlöse dergestalt abhängig zu machen, dass diese absehbar ausreichten, die gesamte Hauptschuld zu erfüllen, würde den Zeitpunkt der möglichen (Teil-)Inanspruchnahme des Ausfallbürgen einseitig zugunsten des Bürgschaftsgläubigers vorverlagern. Vor diesen Unsicherheiten soll der Ausfallbürge jedoch geschützt sein. Dafür, dass die Klägerin und die Gemeinde B€ etwas anderes gewollt hätten, gibt es weder im Wortlaut der Bürgschaftserklärung, noch sonst einen Anhalt. Unstreitig war die Klägerin durch eine auf dem Betriebsgrundstück der Hauptschuldnerin lastende Grundschuld gesichert und war das Betriebsgrundstück noch nicht verwertet. Unstreitig war der Wert des Betriebsgrundstücks im Insolvenzeröffnungsgutachten auf 50.000,00 € geschätzt worden. Der danach zumindest in dieser Höhe zu erwartende Verwertungserlös kann jedenfalls nicht als €nicht nennenswert€ bezeichnet werden.
(2) Nach der zweiten Ausfallvariante war die Verjährung € wie bereits unter Nr. 2 lit. b dargelegt € infolge des Verjährungsverzichts der Bürgin erst mit Ablauf des 31.12.2008 eingetreten.
bb) Der Schaden, der der Klägerin durch die ihr nicht mögliche gerichtliche Durchsetzung der Bürgschaftsforderung entstanden ist, ist dem Beklagten zuzurechnen. Das gilt selbst dann, wenn die Bürgschaftserklärung vom 3. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts falsch ausgelegt worden und darauf gestützt eine falsche gerichtliche Entscheidung im Vorprozess ergangen wäre.
(1) Beruht ein Schaden haftungsrechtlich auf mehreren Ursachen, die von verschiedenen Personen gesetzt worden sind, so haften diese grundsätzlich als Gesamtschuldner. Zivilrechtlich wird in diesen Fällen nicht danach unterschieden, ob einzelne Ursachen wesentlicher sind als andere. Das gilt grundsätzlich auch, wenn eine Ursache für sich allein den Schaden nicht herbeigeführt hat, es dazu vielmehr des Hinzutretens weiterer Ursachen im Sinne einer kumulativen Gesamtkausalität bedurfte. Demgemäß ist auch derjenige Schaden zu ersetzen, der letztlich erst durch das Eingreifen eines Dritten, hier des Gerichts des Vorprozesses, eintritt (BGH, a.a.O., Rn. 11).
(2) Die Zurechenbarkeit fehlt in derartigen Fällen jedoch, wenn das Eingreifen des Dritten den Geschehensablauf so verändert, dass der Schaden bei wertender Betrachtung in keinem inneren Zusammenhang zu der vom Rechtsanwalt zu vertretenden Vertragsverletzung steht (BGH, a.a.O., Rn. 12).
Der Zurechnungszusammenhang zwischen der Pflichtverletzung des Anwalts und dem eingetretenen Schaden kann insbesondere dann ausnahmsweise unterbrochen sein, wenn dem Gericht des Vorprozesses ein Fehler unterläuft (BGH, a.a.O., Rn. 13). Demgegenüber ist der Anwalt allerdings verpflichtet, seinen Mandanten vor Fehlentscheidungen der Gerichte zu bewahren (vgl. § 1 Abs. 3 BORA). Soweit sich deshalb in der gerichtlichen Fehlentscheidung das allgemeine Prozessrisiko verwirklicht, das darin liegt, dass das Gericht bei ordnungsgemäßem Vorgehen trotz des Anwaltsfehlers richtig hätte entscheiden können und müssen, ist dem Anwalt der Urteilsschaden haftungsrechtlich zuzurechnen. Das gilt erst recht, wenn die gerichtliche Fehlentscheidung maßgeblich auf Problemen beruht, deren Auftreten der Anwalt durch sachgemäßes Arbeiten gerade hätte vermeiden müssen (BGH, a.a.O., Rn. 15).
Eine Unterbrechung des Kausalverlaufes kommt daher nur in eng umgrenzten Ausnahmefällen in Betracht, in denen der Fehler des Gerichts den für die Zurechnung zu fordernden inneren Zusammenhang des Schadens mit der Pflichtverletzung des Anwalts entfallen lässt (BGH, a.a.O., Rn. 16).
Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Denn der Beklagte war vertraglich verpflichtet, durch seine Beratung vermeidbare Nachteile für seine Auftraggeberin zu verhindern, die Verjährung der Bürgschaftsansprüche zu prüfen und dafür zu sorgen, dass die Bürgschaftsansprüche nicht verjährten. Damit lag es auch im Pflichtenkreis des Beklagten, das Risiko einer unrichtigen gerichtlichen Entscheidung zur Auslegung der Bürgschaftserklärung und daran anknüpfend zur Verjährung der Bürgschaftsforderung auszuschließen.
f) Der Klägerin steht der Schadensersatzanspruch in dem geltend gemachten Umfang zu.
aa) Der Zahlungsanspruch in Höhe von insgesamt 153.824,47 € setzt sich zusammen aus dem mit dem Kündigungsschreiben der Klägerin gegenüber der Darlehensnehmerin mit 125.921,27 € bezifferten Kündigungssaldo sowie weiterer ausgerechneter Verzugszinsen bis zum 20.10.2011 in Höhe von 6.273,92 €, der Kosten des Rechtsstreits gegen die Bürgin im ersten Rechtszug in Höhe von 6.990,88 €, der Kosten des Rechtsstreits gegen die Bürgin im zweiten Rechtszug in Höhe von 4.224,00 € und der Kosten der Nichtzulassungsbeschwerde in Höhe von 10.414,40 €.
bb) Im Berufungsverfahren erhebt der Beklagte als solche allein Einwendungen gegen die Richtigkeit und Nachvollziehbarkeit der rückständigen Darlehensforderung. Diese Einwendungen sind unbegründet.
(1) Der Betrag von 125.921,27 € setzt sich ausweislich des Kündigungsschreibens der Klägerin gegenüber der Gemeinde (Bl. 25) zusammen aus 125.465,93 € Hauptforderung zuzüglich 440,00 € Darlehenszinsen für die Zeit vom 1. bis zum 25.7.2003 zuzüglich einer Kündigungsgebühr von 15,34 €. Die Hauptforderung von 125.465,93 € deckt sich mit dem Jahreskontoauszug 2003, den die Klägerin auf das Bestreiten der Beklagten hin zur Akte gereicht hat (Bl. 196). Darin ist der Verlauf nachvollziehbar dargestellt, die monatliche Zinsbelastung und die monatlich gezahlten Raten sind in die Berechnung eingestellt. Diese geht von einem noch offenen Tilgungsbetrag von 131.852,99 € zum Jahresbeginn 2003 aus, der sich bis zum 30.6.2003 durch sechs monatliche Tilgungsleistungen von 1.064,51 € auf 125.465,93 € reduzierte. Am 29.7.2003 erfolgte aufgrund der ausgesprochenen Kündigung die Umbuchung auf ein Abwicklungskonto mit - zuzüglich 440,00 € Zinsen per 30.7.2003 - entsprechender Gutschrift auf dem Darlehenskonto.
(2) Auf diesen Jahreskontoauszug ist der Beklagte nicht näher eingegangen, sondern hat zunächst lediglich seine Einwände aus der Klageschrift aufrecht erhalten. Diese richteten sich gegen die Forderungsberechnung gemäß Anlage K 34 (Bl. 143 d.A.), welche die Fortsetzung des Jahreskontoauszuges 2003 beinhaltet, indem die Klägerin den Verlauf des Abwicklungskontos darstellt. Dabei geht die Berechnung von demjenigen offenen Darlehenssaldo aus, mit dem das Darlehenskonto geschlossen worden war, nämlich 125.921,27 €, das entspricht 125.465,93 € zuzüglich 440,00 € Zinsen für die Zeit vom 1.bis zum 25.7.2003 zuzüglich 15,34 € Kündigungsgebühr (Bl. 35 d.A.). Verzugszinsen in Höhe von jeweils fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz sind nachvollziehbar eingestellt und summieren sich unter Berücksichtigung des aus der Versteigerung des Betriebsgrundstücks erzielten Erlöses auf den geltend gemachten Betrag von 6.273,92 €.
(3) Soweit der Beklagte den Kündigungssaldo vom 1.7.2003 in Höhe von 125.465,93 € mit der Begründung in Zweifel zieht, dieser Saldo sei angesichts dessen, dass keine Darlehensraten rückständig gewesen seien, nicht nachvollziehbar, ist seine Einwendung unerheblich.
Zwar war das Darlehen von 800.000,00 DM nach dem ursprünglichen Darlehensvertrag vom 4.5.1993 (Anlage K 42, Bl. 188 d.A.) in vierteljährlichen Raten, beginnend ab dem 1.6.1993 mit jährlich 80.000,00 DM zu tilgen. Die Parteien des Darlehensvertrages haben jedoch im Zusammenhang mit dem Ablauf der Zinsbindungsfrist zum 30.4.1998 im März/April 1998 (Anlagen K 43 € K 45, Bl. 190 ff. d.A.) gleichzeitig mit einer Reduzierung des Zinssatzes auf 5,05 % eine Verlängerung der Restlaufzeit des Darlehens auf 15 Jahre bis zum 30.3.2013 vereinbart. Daraus erklärt sich der ausweislich des Schreibens der Klägerin vom 11.3.1998 (Anlage K 43, Bl. 190 d.A.) zugrunde gelegte Restsaldo in Höhe von 394.474,05 DM. Nach dem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen der Klägerin hatte die Hauptschuldnerin die Restschuld durch vertragsgemäße Darlehensratenzahlungen zum 30.6.2003 auf 245.390,05 DM verringert, wie sich aus dem von der Klägerin vorgelegten Tilgungsplan vom 8.2.2000 ergibt (Anlage K 46, Bl. 194 f. d.A.). Auch der Darlehens-Jahreskontoauszug vom 1.1.2003 bis zum 31.12.2003 (Anlage K 47, Bl. 196 d.A.) stimmt mit den Zahlungen laut Zahlungsplan überein. Er weist einen Kontostand per 1.1.2003 in Höhe von 131.852,29 € aus, das entspricht der im Zahlungsplan ausgewiesenen Restschuld in Höhe von 257.882,05 DM zum 30.12.2002.
cc) Der Beklagte wendet schließlich ohne Erfolg einen Verstoß gegen das Verbot der Fremddisposition (§ 767 Abs. 1 S. 3 BGB) ein. Insbesondere liegt ein solcher Verstoß nicht in der die Zinskonditionen und die Restlaufzeit abändernden Vereinbarung zwischen der Klägerin und der Hauptschuldnerin im März / April 1998 (vgl. dazu BGH, Urteil vom 3.11.2005, IX ZR 181/04; Urteil vom 6.4.2000, IX ZR 2/98; Urteil vom 15.7.1999, IX ZR 243/98 € jeweils zitiert nach juris). Denn die Gemeinde B€ hat als Bürgin dieser Abänderung in der Form des § 766 BGB schriftlich zugestimmt, nämlich auf dem Schreiben der Klägerin vom 21.9.2000 (Anlage K 45, Bl. 193 d.A.). Dieses Schreiben gibt exakt diejenigen Konditionen wieder, die im Schreiben der Klägerin vom 11.3.1998 an die Hauptschuldnerin (Anlage K 43, Bl. 190 d.A.) als Variante 2 angegeben und durch Schreiben der Hauptschuldnerin vom 6.4.1998 (Anlage K 44, Bl. 192 d.A.) akzeptiert worden sind; nämlich 15 Jahre Restlaufzeit, d.h. planmäßige Tilgung bis zum 30.3.2013 bei einem Zinssatz von 5,05 % p.A. nominal fest bis zum 30.4.2008. In diesem Schreiben der Klägerin vom 21.9.2000 ist zudem sogar ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass sich durch diese Vereinbarung die Rückzahlung des Darlehens gegenüber der ursprünglichen Vereinbarung verlängert.
Die Zustimmung der Bürgin zu einer Veränderung der Konditionen des Darlehensvertrages ist wirksam. Sie bedurfte, anders als dies bei Begründung der Bürgschaftsschuld oder bei Abgabe einer neuen Bürgschaftserklärung der Fall gewesen wäre, keiner erneuten Genehmigung durch die Kommunalaufsichtsbehörde. Kommunalrechtlich ist insoweit entscheidend, dass sich durch die Verlängerung der Laufzeit der Bürgschaft der Haftungsrahmen für die bürgende Gemeinde nicht verändert hat.
dd) Die vom Landgericht zuerkannten Freistellungsansprüche sowie der Zinsanspruch sind ebenfalls begründet; insoweit hat der Beklagte keine eigenständigen Einwände erhoben.
III.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.
Brandenburgisches OLG:
Urteil v. 02.07.2014
Az: 4 U 137/12
Link zum Urteil:
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