Bundespatentgericht:
Beschluss vom 29. November 2005
Aktenzeichen: 8 W (pat) 328/02

(BPatG: Beschluss v. 29.11.2005, Az.: 8 W (pat) 328/02)

Tenor

Das Patent 40 42 672 wird widerrufen.

Gründe

I.

Das Patent 40 42 672 mit der Bezeichnung "Bordcomputersystem für landwirtschaftliche Maschinen- und/oder Gerätekombinationen" ist durch Teilung aus der Patentanmeldung P 40 16 603.1 entstanden. Die Stammanmeldung ist am 23. Mai 1990 beim Patentamt angemeldet worden. Mit Beschluss vom 15. April 2002 erging die Erteilung des Patents, die am 8. August 2002 veröffentlicht wurde.

Gegen dieses Patent haben die Firmen I. D... in M... (für D... in M..., U...)

am 4. November 2002 und II. H... GmbH und Co. KG in D..., am 5. November 2002 Einspruch erhoben.

Die Einsprechenden verweisen auf druckschriftlichen Stand der Technik und machen geltend, dass der Patentgegenstand demgegenüber nicht neu sei bzw nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

Sie verweisen ua auf die folgenden Druckschriften:

- Clarence E. Johnson, Robert L. Schäfer, Steven C. Young; Controlling Agricultural Machinery Intelligently, Proceedings of the First International Conference on Robotics and Intelligent Machines in Agriculture; October 2 - 4, 1983, Seite 114 - 118 (E2)

- DE 39 00 223 A1 (E3)

- DE 36 17 302 A1 (E4)

- US 4 015 366 (E8).

Die Einsprechenden tragen darüber hinaus schriftsätzlich noch vor, dass die im Anspruch 4 wiedergegebene Lehre nicht ausführbar und nicht gewerblich anwendbar sei, weil Ultraschallsensoren zwar zur Entfernungsmessung, nicht aber zur Bestimmung von Pflanzeninhaltsstoffen geeignet seien (E I), bzw wie und auf welche Weise die Signale der Pflanzen ermittelt werden, nicht angegeben sei (E II).

Mit Schriftsatz vom 5. Juni 2003 hat die Einsprechende I ihren Einspruch zurückgenommen.

Die im Verfahren verbleibende Einsprechende II macht in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundespatentgericht weiterhin geltend, dass der Patentgegenstand durch den Stand der Technik nach der E2 neuheitsschädlich vorweggenommen werde und berührungslose Sensoren aus dem Stand der Technik nach E3 und E8 bekannt seien - auch im Hinblick auf die Erfassung des Habitus der Pflanzen - und daher der Patentgegenstand gegenüber dem Stand der Technik nach E2 und E8 bzw E3 und E8 nicht mehr auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

Die Einsprechende beantragt, das Patent in vollem Umfang zu widerrufen.

Die Patentinhaberin widerspricht dem Vorbringen der Einsprechenden. Sie rügt den Einspruch der Einsprechenden II zunächst als unzulässig, weil der Patentgegenstand nicht nur berührungslos arbeitende Sensoren betreffe, auf die der Einspruch der Einsprechenden II abstelle, sondern auch eine Kombination derartiger Sensoren mit weiteren Merkmalen betreffe, auf die der og Einspruch nicht eingehe. Somit gehe der Einspruch nach ihrer Auffassung nicht auf die Funktion und den technischen Zusammenhang aller im Patentanspruch 1 angegebenen Merkmale ein und sei somit unzulässig, weil lediglich ein Teilaspekt der unter Schutz gestellten Lehre im Einspruchsschriftsatz behandelt werde.

Der Einspruch sei nach Auffassung der Patentinhaberin auch nicht begründet, weil der Stand der Technik nach der E2 keinen Hinweis auf berührungslos arbeitende Sensoren im patentgemäßen Zusammenhang gebe, und da beim Stand der Technik nach der E3 lediglich das "Vorhandensein" bzw "nicht Vorhandensein" einer Pflanze mittels berührungslos arbeitendem Sensor detektiert werde, ohne hierdurch Rückschlüsse auf den Pflanzenzustand zu ziehen. Der Stand der Technik nach der E4 wiederum zeige nach Auffassung der Patentinhaberin zwar alle Merkmale des Patentanspruchs 1, jedoch ohne den berührungslos arbeitenden Sensor, so dass dort nur auf die Bodenbeschaffenheit abgestellt werde.

Die Patentinhaberin beantragt, den Einspruch als unzulässig zu verwerfen und das Patent mit den erteilten Unterlagen unter Streichung des Anspruchs 4 aufrechtzuerhalten.

Der erteilte Patentanspruch 1 lautet:

Bordcomputersystem für landwirtschaftliche Maschinen- und/oder Gerätekombinationen, bestehend aus einem Ackerschlepper (13) und an diesem angekoppelten und als Düngerstreuer und/oder Feldspritzen ausgebildeten landwirtschaftlichen Verteilmaschinen (4, 5, 6, 7, 8), wobei über das Bordcomputersystem (1) der Ackerschlepper (13) und/oder die angekoppelten Verteilmaschinen (4, 5, 6, 7, 8) über in dem Bordcomputersystem (1) eingespeicherte und/oder eingegebene Einstellwerte einstell-, steuer- und/oder regelbar sind, wobei das Bordcomputersystem (1) zumindest ein mit dem Bordcomputer zusammenwirkendes Sensorelement (18) aufweist, welches Informationen über die zu bestreuende Fläche (21) liefert, dadurch gekennzeichnet, dass das Sensorelement (18) als berührungsloser Sensor ausgebildet ist und durch berührungsloses Abtasten der auf der zu bestreuenden Fläche (21) befindlichen Pflanzen (20) Informationen über die Beschaffenheit und den Zustand des Pflanzenbewuchses (20) aktuell erfasst und diese Informationen an den Bordcomputer übermittelt, dass aufgrund der von dem Sensorelement an den Bordcomputer übermittelten Daten der Bordcomputer aktuell den Nährstoffbedarf und/oder die Nährstoffversorgung der Pflanzen (20) mittels eines eingespeicherten Auswerteprogramms ermittelt und dass aufgrund des derart ermittelten Nährstoffbedarfes die unmittelbare Ansteuerung der Dosierorgane durch den Bordcomputer erfolgt.

Wegen des Wortlauts der nachgeordneten verbleibenden Ansprüche 2, 3 und 5 sowie der Einzelheiten im Übrigen wird auf die Akten verwiesen.

II.

1. Der form- und fristgerecht erhobene Einspruch der Einsprechenden II ist zulässig, denn er ist substantiiert auf den Einspruchsgrund der fehlenden Patentfähigkeit gestützt.

Maßgeblich zur Beurteilung dieses Sachverhalts ist der innerhalb der Einspruchsfrist am 7. November 2002 eingegangene Einspruchsschriftsatz mit Datum vom 5. November 2002. Dort wird auf der Seite 2 unter "Begründung" und "I" der Patentanspruch 1 des angegriffenen Patents vollständig wiedergegeben und zwar in einer strukturierten Weise derart, dass zuerst der Oberbegriff, von dem ausgegangen wird, niedergeschrieben ist (S 2, 2. Abs), dann die Nennung der patentgemäßen Aufgabe erfolgt (S 1, 3. Abs) und schließlich die Lösung dieser Aufgabe durch die Wiedergabe des kennzeichnenden Teils des Patentanspruchs 1 angegeben ist (S 2, 4. Abs). Damit ist in exakter Weise angegeben und kenntlich gemacht, welcher technischer Gegenstand streitig gestellt ist.

Auf Seite 3 unter "II" des Einspruchsschriftsatzes erfolgt zunächst die Auflistung der entgegengehaltenen Druckschriften, welche mit "E1" bis "E9" bezeichnet sind. Im nächstfolgenden Textabsatz (vorletzter Abs) ist angegeben, dass nach der Entgegenhaltung E1 bis E3 alle Merkmale des Oberbegriffes des Anspruchs 1 des Streitpatents bekannt seien, ebenso das Merkmal des kennzeichnenden Teils "eines berührungslosen Sensors". Die Einsprechende kommt dann zu dem Schluss, dass dem Streitpatent die Neuheit fehle.

Im darauf folgenden Absatz (letzter Abs) wird dann noch darauf hingewiesen, dass es nach der Entgegenhaltung E1 (S 12) bzw E2 (S 116) zum anwendungsbereiten Wissen eines Fachmanns auf diesem Gebiet gehöre, einen Sensor einzusetzen, der die Daten des Nährstoffbedarfs bzw des Pflanzenzustandes erfasst.

Dem Einwand der Patentinhaberin, wonach hierdurch lediglich ein Teilaspekt der Lehre des Patentanspruchs 1 behandelt sei, indem zum kennzeichnenden Teil nur auf das Vorhandensein eines berührungslosen Sensors im genannten Stand der Technik verwiesen werde, kann nicht gefolgt werden. Die im Oberbegriff des Patentanspruchs 1 beschriebene Verknüpfung eines Sensorelements mit einem regelnden und steuernden Bordcomputersystem mit eingespeicherten oder eingegebenen Werten wird im Kennzeichen des Anspruchs 1 lediglich sinngemäß und bezogen auf einen berührungslos arbeitenden Sensor wiederholt. Hinzu kommt im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 lediglich noch der Hinweis, dass durch den berührungslos arbeitenden Sensor der Zustand des Pflanzenbewuchses erfasst werden könne. Im letzten Absatz auf Seite 3 des Einspruchsschriftsatzes werden aber die vorher abgehandelten Entgegenhaltungen erneut genannt (E1, E2) und zu diesen jeweils Seitenzahlen angegeben (S 12 bzw 116), in denen der Einsatz von Sensoren, welche ua die Daten des Nährstoffbedarfes bzw des Pflanzenzustandes erfassen, beschrieben seien. Bereits damit ist der Einspruch hinreichend substantiiert, weil insoweit ersichtlich zur gesamten Lehre des Patentanspruchs 1 vorgetragen worden ist. Dass der Vortrag die subjektive Sicht der Einsprechenden wiedergibt, ist für die Frage der Substantiierung ohne Belang.

Denn für die Zulässigkeit des Einspruchs kommt es nicht auf die Begründetheit des Einspruchvorbringens an. Entscheidend ist vielmehr, dass die Einspruchsschrift den an sie zu stellenden Anforderungen zur Begründung des Einspruchs genügt. Sie muss die für die Beurteilung der behaupteten Widerrufsgründe maßgeblichen Umstände so vollständig darlegen, dass der Patentinhaber und insbesondere das Patentamt bzw hier das Patentgericht daraus abschließende Folgerungen für das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines Widerrufsgrundes ziehen können (BGH, GRUR 1987, 513 f - Streichgarn). Aus den oben dargelegten Gründen genügt hier der Inhalt der Einspruchsschrift noch diesen Anforderungen.

Die von der Patentinhaberin angeführte Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu den Anforderungen an die Einspruchsbegründung nach § 59 PatG (BGH BlPMZ 1988, 298 II 2 - Messdatenregistrierung) steht dem nicht entgegen. Sie ist schon von dem maßgeblichen, deutlich unterschiedlichen Sachverhalt her mit dem vorliegenden Einspruchsverfahren nicht vergleichbar. Der Gegenstand des Streitpatents betraf dort ein kompliziertes Zusammenwirken der verschiedenen, den einzelnen Bauelementen zugewiesenen Funktionen für die Nutzung der Datenübertragung in einer Vorrichtung zur digitalen Erfassung, Speicherung und Verarbeitung von Messdaten, bei der ein Prozessor ohne Benutzung eines übermäßigen Speicherraumes nur relativ kurz in Anspruch genommen wird. Demgegenüber sind Funktion und technischer Zusammenhang des berührungslos arbeitenden Sensors zur Erfassung des Pflanzenbewuchses und des daraus resultierenden Nährstoffbedarfs mit den übrigen Merkmalen des angegriffenen Patents als solche ohne weiteres ersichtlich. Vor diesem Hintergrund versetzt die Einspruchsbegründung den Senat und die Patentinhaberin in die Lage, die Behauptung der Einsprechenden, es liege ein Widerrufsgrund vor, anhand der mitgeteilten Umstände nachzuprüfen.

Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass wegen des ursprünglich zulässig erhobenen Einspruchs der Einsprechenden I nach dessen Rücknahme auch bei Unzulässigkeit des vorliegenden Einspruchs das Verfahren ohnehin vom Amts wegen ohne die Einsprechende I zur Prüfung des von ihr dargelegten Widerrufsgrunds fehlender erfinderischer Tätigkeit fortgesetzt werden müsste (§ 147 Abs 3 Satz 2 iVm § 61 Abs 1 Satz 2 PatG).

2. Der Einspruch ist begründet und führt somit zum Widerruf des angegriffenen Patents.

Der Anspruch 1 des Streitpatents mag zwar die erforderliche Neuheit und gewerbliche Anwendbarkeit aufweisen. Er beruht jedoch aus den nachfolgend dargelegten Gründen nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

2.1 Gegenstand des Streitpatents ist nach Anspruch 1 ein Bordcomputersystem für landwirtschaftliche Maschinen- und/oder Gerätekombinationen, bestehend aus einem Ackerschlepper und an diesem angekoppelten und als Düngerstreuer und/oder Feldspritzen ausgebildeten landwirtschaftlichen Verteilmaschinen. Über das Bordcomputersystem sind Ackerschlepper und/oder die angekoppelten Verteilmaschinen über eingespeicherte und/oder eingegebene Einstellwerte einstell-, steuer- und/oder regelbar.

Das Bordcomputersystem weist zumindest ein mit diesem zusammenwirkendes Sensorelement auf, welches Informationen über die zu bestreuende Fläche liefert. Das Sensorelement ist dabei als berührungsloser Sensor ausgebildet und erfasst durch berührungsloses Abtasten der auf der zu bestreuenden Fläche befindlichen Pflanzen Informationen über die Beschaffenheit und den Zustand des Pflanzenbewuchses aktuell und übermittelt diese Informationen an den Bordcomputer.

Aufgrund der vom Sensorelement übermittelten Daten ermittelt der Bordcomputer aktuell den Nährstoffbedarf und/oder die Nährstoffversorgung der Pflanzen mittels eines eingespeicherten Auswerteprogramms.

Aufgrund des derart ermittelten Nährstoffbedarfs erfolgt die unmittelbare Ansteuerung der Dosierorgane durch den Bordcomputer.

2.2 Die DE 36 17 302 A1 (E4) offenbart ein Bordcomputersystem (Sp 13, Z 25 ff) für landwirtschaftliche Maschinen - und/oder Gerätekombinationen, bestehend aus einem Ackerschlepper (5) und einer an diesem angekoppelten und als Düngerstreuer (1) ausgebildeten Verteilmaschine (Fig 1), wobei über das Bordcomputersystem (13) der Ackerschlepper (5) und/oder die angekoppelte Verteilmaschine über in dem Bordcomputersystem eingespeicherte und/oder eingegebene Einstellwerte einstell-, steuer- und/oder regelbar sind (vgl Wegaufnehmer 28; Schieber 22; elektronische Einstellvorrichtung 11; Fahrgeschwindigkeitssensor 19), wobei das Bordcomputersystem (13) zumindest ein mit dem Bordcomputer zusammenwirkendes Sensorelement (d.i. ein in den Boden eingreifender Fühler zur Ermittlung des Nährstoffbedarfs, vgl Sp 19, Z 52 bis 64) aufweist, welches Informationen über die zu bestreuende Fläche liefert. Aufgrund der von dem Sensorelement an den Bordcomputer (13) übermittelten Daten ermittelt dieser aktuell den Nährstoffbedarf (vgl Sp 19, Z 52 bis 56) der Pflanzen mittels eines eingespeicherten Auswerteprogramms (vgl Sp 19, Z 55 "aussagefähige Signale an den Mikroprozessor (13)") und es erfolgt aufgrund des derart ermittelten Nährstoffbedarfs die unmittelbare Ansteuerung der Dosierorgane durch den Bordcomputer (Sp 19, Z 56 bis 64).

Demgemäss arbeitet das entgegengehaltene System bereits mit Datenerfassung und Düngerausbringung in einem Arbeitsvorgang, also "onthego", wie es in dem lange vor dem Zeitrang des Streitpatents erschienen Artikel gemäß der E2 als zukunftsweisende Technik bereits gefordert wurde.

Anders als beim Patentgegenstand arbeitet das Sensorelement des entgegengehaltenen Systems nach der E4 nicht berührungslos, sondern ein Fühler greift in den Boden ein. Damit detektiert dieses System den Zustand (Nährstoffgehalt) des Bodens und nicht den Zustand und die Beschaffenheit des Pflanzenbestands. Somit besteht der wesentliche Unterschied zum Stand der Technik nach der E4 in der Art des verwendeten Sensors und mithin auch in dessen Wirkungsweise.

Berührungslos arbeitende Sensoren zur Gewinnung agrarbiologisch relevanter Daten sind aber bereits durch den Stand der Technik nach der US 4 015 366 (E8) bekannt (vgl Sp 17, Z 64 ff "Indirect Sensing"). Zwar werden diese dort beschriebenen indirekt, also berührungslos arbeitende Sensortypen nicht auf einer über das Feld fahrenden Maschine mitgeführt, sondern sind in stationäre Anlagen wie zB Beobachtungstürme in den Pflanzenbeständen oder an Fesselballonen über diesen integriert. Alternativ können sie allerdings auch in Flugzeugen oder Satelliten Verwendung finden (vgl Sp 18, Z 1 bis 6). Dabei werden die entsprechenden Signale ("signature"), welche die indirekten Sensoren liefern, an einen Rechner weitergeleitet, der diese Signale dann zum Zwecke der Auswertung mit gespeicherten Standardwerten vergleicht (Sp 31, Z 26 bis 29 und Z 42 bis 48). Darüber hinaus ist auch die Anwendung dieser berührungslosen Sensoren zur Erfassung des Zustandes des Pflanzenbewuchses, insbesondere auch im Hinblick auf die Ermittlung des Nährstoffbedarfs und/oder der Nährstoffversorgung der Pflanzen beschrieben.

So wird gemäß Sp 31, Z 6 ff das breite Anwendungsfeld indirekter Sensoren zB zur Erfassung der Temperatur der Pflanzen, Identifikation unerwünschter Pflanzenarten, zB Unkräuter, Erkennung von Schadinsekten und Krankheiten usw dargestellt. In diesem Zusammenhang wird gemäß Sp 31, Z 11, 12 auch die Verwendung derartiger Sensoren zur Erfassung des Ernährungszustandes beschrieben ("determination of some chemical deficiencies or chemical excesses"). Damit war es vor dem Zeitrang des Streitpatents bereits bekannt, berührungslose Sensoren auch zu dem im Streitpatent angegebenen Zweck, nämlich der Ermittlung des Nährstoffbedarfs und/oder der Nährstoffversorgung der Pflanzen einzusetzen.

Daher war es einem Fachmann, einem Agraringenieur oder Ingenieur der allgemeinen Verfahrenstechnik mit mehrjähriger Erfahrung in der Entwicklung von Bordcomputersystemen für landwirtschaftliche Maschinen- und/oder Gerätekombinationen, vor dem Zeitrang des Streitpatents möglich, den in den Boden eingreifenden Fühler an einem System nach der E4 durch einen berührungslos arbeitenden, den Ernährungszustand der Pflanzen erfassenden Sensor nach der E8 zu ersetzen. Veranlasst zu diesem Schritt war der Fachmann einmal im Zuge der allgemeinen Weiterentwicklung derartiger Systeme im Hinblick auf eine Minimierung oder Vermeidung von Verschleiß und Störanfälligkeit. Ein berührungslos arbeitender Sensor ist hier gegenüber einem in den Boden eingreifenden Fühler im Vorteil. Des weiteren ist das eigentlich pflanzenbauliche Zielobjekt nicht der Boden, sondern die Pflanzen bzw der Pflanzenbestand, so dass deren bzw dessen Beurteilung mit geeigneten Sensoren aus produktionsbiologischer Sicht die sinnvollste Variante darstellt.

Auch war der maßgebliche Fachmann nicht - wie die Patentinhaberin meint - gehindert, die gemäß E8 beschriebenen berührungslosen Sensoren, welche beim entgegengehaltenen System auf Türmen und ähnlichen stationären Einrichtungen angebracht sind, auch an über das Feld fahrenden Maschinen und Fahrzeugen vorzusehen. So wird zB durch die DE 39 00 223 A1 (E3) ein berührungslos arbeitender Pflanzenprofil-Sensor zum Erfassen der Größe und Form von sich in der Nähe befindlichen Pflanzen beschrieben, welcher (in Mehrzahl) auf einer schleppergezogenen Feldspritze angebracht ist (vgl auch Fig 1, 2). Diese Entgegenhaltung (E3) soll in diesem Zusammenhang lediglich zur Dokumentation des allgemeinen Fachwissens herangezogen werden und deutlich machen, dass es bereits vor dem Zeitrang des Streitpatents zum Fachwissen des Durchschnittsfachmanns gehörte, berührungslose Sensoren auch auf landwirtschaftlichen Fahrzeugen und Arbeitsmaschinen anzuordnen.

Nach alledem war es einem Fachmann zum Zeitrang des Streitpatents bereits ohne erfinderische Tätigkeit möglich, ein Bordcomputersystem nach der E4 im Zuge einer routinemäßigen Verbesserung unter Zuhilfenahme seines allgemeinen Fachwissens mit einem berührungslos arbeitenden Sensor zur Erfassung des Ernährungszustandes nach der E8 auszustatten und den in den Boden eingreifenden Fühler nach der E4 hierdurch zu ersetzen.

Somit beruht der Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit und hat daher keinen Bestand.

Auch die auf diesen Hauptanspruch rückbezogenen, antragsgemäß verbleibenden erteilten Ansprüche 2, 3 und 5 haben nach Wegfall des tragenden Hauptanspruchs keinen Bestand.

Kowalski Dr. Huber Pagenberg Gießen Cl






BPatG:
Beschluss v. 29.11.2005
Az: 8 W (pat) 328/02


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