Bundespatentgericht:
Beschluss vom 1. Juni 2005
Aktenzeichen: 32 W (pat) 16/03

(BPatG: Beschluss v. 01.06.2005, Az.: 32 W (pat) 16/03)

Tenor

I. Auf die Beschwerde der Widersprechenden werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 19. März 2001 und vom 19. November 2002 aufgehoben.

II. Die Marke 399 03 878 ist zu löschen.

Gründe:

I Gegen die am 18. Februar 1999 für "Schokoladen" angemeldete und am 18. Mai 1999 eingetragene Wortmarke 399 03 878 Knickerhat die Widersprechende Widerspruch eingelegt aus ihrer am 1. April 1996 angemeldeten und u. a. für "Schokolade, Schokoladenerzeugnisse" eingetragenen Wortmarke EU 1587:

SNICKERS.

Die Markenstelle hat den Widerspruch mit Beschluss vom 19. März 2001 und die Erinnerung der Widersprechenden mit Beschluss vom 19. November 2002 zurückgewiesen.

Dazu ist ausgeführt, trotz identischer Waren und der billigen Güter, welche die Verbraucher ohne größere Sorgfalt erwürben, liege selbst bei unterstellter Steigerung der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke keine Verwechslungsgefahr vor.

Die besonders beachteten Wortanfänge unterschieden sich deutlich. Zu einer englischen Aussprache des angegriffenen Zeichens [nicker] führe weder dessen Charakter noch der der unter dem Zeichen angebotenen Waren. Die Zischlaute am Anfang und Ende der Widerspruchsmarke prägten deren Gesamtklangbild, das sich von dem der angegriffenen Marke deutlich abhebe. Dazu trage auch der Sinngehalt der angegriffenen Marke bei.

Visuell unterschieden sich S und K deutlich; außerdem sei die Widerspruchmarke länger.

Allein ein übereinstimmender Wortbestandteil führe nicht zu einer Verwechslungsgefahr durch gedankliche Verbindung.

Dagegen hat die Widersprechende am 19. Dezember 2002 Beschwerde eingelegt. Sie ist der Auffassung, die beiden Marken wiesen einen parallelen von "nicker" mit dem betonten ersten Vokal geprägten Klangrhythmus auf. Den unterschiedlichen Wortanfängen dürfe man keine große Bedeutung beimessen, weil sie jeweils unbetont seien. Die unterschiedlichen Anfangsbuchstaben der Marken gewährleisteten so - insbesondere bei gleicher Vokalfolge - keine sichere Differenzierung; bei weniger prononcierter Aussprache komme dieser Unterschied nicht zum Tragen. Das gelte auch für das zusätzliche S am Ende der Widerspruchsmarke, da solche Endungen beim Sprechen häufig verschluckt würden. Zudem sähen die Verbraucher in diesem Buchstaben eine Pluralbildung, die auch in KNICKERS auftrete, wenn man zwei oder mehr Süßigkeiten erwerben wolle. Bei englischer Aussprache gehe das K unter; der Verbraucher sei daran gewöhnt, Süßwaren englisch zu sprechen, wie LIONS, BOUNTY, SMARTIES, NUTS oder MILKY WAY.

Es sei zweifelhaft, ob der Verbraucher bei "Knicker" an einen Geizhals denke; eher vermute er in dem Wort eine Ableitung von "knicken". Selbst ein eindeutiger Sinngehalt könnte aber eine klangliche Verwechslungsgefahr nicht kompensieren.

Im Schriftbild überwögen die Übereinstimmungen; die marginalen Unterschiede verhinderten eine Verwechslungsgefahr nicht.

Die Widerspruchsmarke verfüge über eine erhöhte Kennzeichnungskraft, wie die vorgelegten Nachweise zeigten.

Die Widersprechende beantragt sinngemäß, die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 19. März 2001 und vom 19. November 2002 aufzuheben und die Marke 399 03 878 zu löschen.

Demgegenüber beantragt die Inhaberin der angegriffenen Markedie Beschwerde zurückzuweisen.

Sie stellt darauf ab, dass die Wortanfänge die Marken prägten. Die Anlaute seien markant. Es sei nicht lebensnah, "Knicker" auf die englisch ausgesprochene Version [nicker] zu verkürzen. Die Betonung liege auf den jeweils ersten Silben der zweisilbigen Wörter, die sich damit noch deutlicher unterschieden. Auch bei einer Bestellung von mehreren Knicker, verwende der Verbraucher keine Pluralform; er kaufe nicht zwei "Niveas" oder "Coca-Colas".

Visuell unterschieden sich die Wörter durch die unterschiedlichen Buchstaben am Anfang und Ende.

Der Sinngehalt der angegriffenen Marke, "knicken" oder "Geizhals", verhindere eine Verwechslungsgefahr noch weiter.

Die Widerspruchmarke erfülle nicht die Voraussetzungen einer berühmten Marke.

Zur Ergänzung des Parteivorbringens wird auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen Bezug genommen; wegen sonstiger Einzelheiten auf den Akteninhalt.

II Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden hat in der Sache Erfolg; es besteht nach Auffassung des Senats eine klangliche Verwechslungsgefahr.

Nach § 9 Abs. 1 Nr. 2, § 42 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die Eintragung einer Marke im Falle eines Widerspruchs zu löschen, wenn wegen ihrer Ähnlichkeit mit einer eingetragenen Marke älteren Zeitrangs und der Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht. Für deren Beurteilung sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Europäischen Gerichtshofs alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, wobei eine Wechselwirkung zwischen den Faktoren Ähnlichkeit der Marken und der mit ihnen gekennzeichneten Waren, Kennzeichnungskraft der älteren Marke sowie Aufmerksamkeit des Publikums besteht. So kann ein höherer Grad an Ähnlichkeit der Waren oder eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke einen geringeren Grad an Ähnlichkeit der Marken ausgleichen und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. BGH GRUR 2002, 626 - IMS; EuGH GRUR Int. 2000, 899, 901 (Nr. 40) - MARCA / ADIDAS).

a) Die Widerspruchsmarke ist überdurchschnittlich kennzeichnungskräftig. Die Widersprechende hat zum Beleg ihres Vortrags, ihre Marke sei sehr bekannt in der mündlichen Verhandlung Umfrageergebnisse vorgelegt, nach denen die Widerspruchsmarke einen Bekanntheitsgrad von 81 % hat und damit nur wenig unter den Werten liegt, den Marken erreichen, deren Bekanntheit der Senat als liquide bekannt ansieht (z. B. MARS).

Gründe: für eine dem entgegenstehende Minderung der Kennzeichnungskraft sind nicht ersichtlich.

b) Ausgehend von der Registerlage stehen sich identische Waren gegenüber.

c) Unter Berücksichtigung der dargelegten Umstände sind strenge Anforderungen an den erforderlichen Markenabstand zu stellen. Damit reichen die Abweichungen am Wortanfang (Kn / Sn), das Endungss in SNICKERS sowie der Sinngehalt der angegriffenen Marke nicht aus, um die Gefahr einer klanglichen Verwechslungsgefahr hinreichend sicher auszuschließen.

Den unterschiedlichen Wortanfängen kommt keine so große Bedeutung zu, da sich die eigentlich durchaus divergierenden Konsonanten S und K jeweils in Konsonantenfolgen SN bzw. KN, einfügen, die klanglich nicht besonders einprägsam sind. Die meisten Verbraucher werden das K in "Knicker" sprechen und nicht - einer englischen Aussprache angenähert - weglassen.

Das zusätzliche S am Ende von SNICKERS kann eine Verwechslungsgefahr nicht verhindern. Solche Endungen werden am unbetonten Wortende leicht "verschluckt", zumal es sich bei [ers] um eine gebräuchliche Wortendung handelt.

Der Sinngehalt der angegriffenen Marke, der vor allem in dem Anklang an "knicken" liegt und etwas auch in der Bedeutung "Geizhals", kann eine klangliche Verwechslungsgefahr nicht verhindern, da er bei einem Verhören gar nicht zum Tragen kommt.

Bei alle dem ist zu berücksichtigen, dass die Verbraucher, oft auch Kinder und Jugendliche, die Waren in Situationen erwerben, in denen sie sich nur flüchtig mit den entsprechenden Angeboten befassen. Deshalb werden sie die gegebenen Unterschiede kaum wahrnehmen.

Demgegenüber sind die Übereinstimmungen in der Lautfolge [nicker], in Betonung und Vokalfolge geeignet, eine Verwechslungsgefahr zu begründen. Die übereinstimmende Lautfolge [ik] ist dabei besonders prägnant.

Dr. Albrecht Kruppa Merzbach Hu






BPatG:
Beschluss v. 01.06.2005
Az: 32 W (pat) 16/03


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