Bundespatentgericht:
Beschluss vom 19. Februar 2004
Aktenzeichen: 17 W (pat) 10/02

(BPatG: Beschluss v. 19.02.2004, Az.: 17 W (pat) 10/02)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluß der Prüfungsstelle für Klasse G 06 F des Deutschen Patent- und Markenamts vom 10./17. September 2001 aufgehoben und das Patent erteilt.

Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zugrunde:

Patentansprüche 1 - 7, Beschreibung und 4 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 - 4, allesamt überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 19. Februar 2004.

Gründe

I.

Die vorliegende Patentanmeldung wurde von der Prüfungsstelle für Klasse G 06 F des Deutschen Patent- und Markenamts zurückgewiesen. In den Gründen ist ausgeführt, daß für einen Gegenstand Schutz begehrt werde, der durch ein Programm verwirklicht werden könnte, und somit keine technische Lehre vorliege.

Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.

Sie stellt den Antrag, den Zurückweisungsbeschluß aufzuheben und das nachgesuchte Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

Patentansprüche 1 - 7, Beschreibung und 4 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 - 4, allesamt überreicht in der mündlichen Verhandlung am 19. Februar 2004.

Der geltende Patentanspruch 1 lautet:

"Elektronisches Mitteilungssystem, umfassend:

ein erstes Gerät (10), welches in der Lage ist, eine elektronische Mitteilung zu senden;

ein zweites Gerät (22), welches in der Lage ist, die elektronische Mitteilung für einen Empfänger zu empfangen;

ein Weitverkehrsnetz (14) eines Online-Informationsdienstes, welches in der Lage ist, die elektronische Mitteilung direkt oder indirekt von dem ersten Gerät (10) zu empfangen und diese an das zweite Gerät (22) oder an ein Computernetzwerk, welches mit dem zweiten Gerät verbunden ist, zu senden; undeine Speichereinheit zum Speichern einer Gruppe von Regeln, welche von dem Empfänger der Mitteilung definiert sind und welche festlegen, ob die elektronische Mitteilung zum zweiten Gerät (22) weitergeleitet werden soll;

dadurch gekennzeichnet, dass ein Verteiler (18), welcher mit dem, Weitverkehrsnetz (14) verbunden ist, die Gruppe von empfängerdefinierten Regeln aus der Speichereinheit ausliest und auf die von dem ersten Gerät (10) an den Empfänger ausgesendete elektronische Mitteilung schon bei Ankunft der elektronischen Mitteilung im Weitverkehrsnetz (14) anwendet."

Der Anmeldung liegt nach der geltenden Beschreibung die Aufgabe zugrunde, ein elektronisches Mitteilungssystem bereitzustellen, welches sich dadurch auszeichnet, daß Verzögerungszeiten, welche sich bei der Verwaltung von elektronischen Mitteilungen auf Grundlage von benutzerdefinierten Ausfallkriterien ergeben, verringert werden (Seite 4a, Absatz 1).

Die Anmelderin sieht im Patentanspruch 1 eine technische Lehre, da er sich nicht auf einen Computer mit herkömmlichem Programm, sondern ein Netzwerk mit eigenen Komponenten beziehe. Es werde auch durch verbesserte Verzögerungszeiten ein technischer Effekt erzielt. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 beziehe sich auf ein Weitverkehrsnetz, bestehend aus einer Vielzahl von Servern, und könne nicht durch die vorliegenden Druckschriften nahegelegt werden, die sich auf LAN's bezögen.

II.

Die Beschwerde ist frist- und formgerecht eingereicht. Sie hat auch Erfolg, da der Gegenstand des Patentanspruchs 1 patentfähig ist, insbesondere eine technische Lehre enthält und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht (§§ 1 und 4 PatG).

Bei der vorliegenden Anmeldung geht es darum, elektronische Mitteilungen, z.B. E-Mails, durch ein Weitverkehrsnetz eines Online-Informationsdienstes zu befördern. Speziell soll durch das System die Übertragung verbessert werden, wenn der adressierte Empfänger nicht empfangs- oder lesebereit ist. Dazu kann der Empfänger bestimmen, was in diesen Fällen mit der Nachricht geschehen soll. Diese Regel wird nicht erst bei Ankunft beim Empfänger ausgeführt, sondern in einem Speicher, der im Weitverkehrsnetz angeordnet ist, abgespeichert. Bereits bei Ankunft der Nachricht im Weitverkehrsnetz wird in einem Verteiler erkundet, ob eine Regel für den Empfänger vorliegt. Die Nachricht muß nicht erst zum Empfänger und dann weitergeleitet werden, sondern wird direkt zu der Ausweichadresse gesendet.

Das System nach dem Patentanspruch 1 enthält die Anweisung, wie die benötigte Hardware konfiguriert sein muß, insbesondere sind ein spezieller Speicher und ein Verteiler vorgesehen. Mit diesen beiden Komponenten liegt eine Hardwarekonfiguration vor, so daß schon dadurch die Technizität gegeben ist. Auch die weiteren Angaben, wie die Nachrichten bereits vor dem Empfänger, also im Weitverkehrsnetz umgeleitet werden, erfordern technische Überlegungen.

Stand der Technik Im Prüfungsverfahren wurden folgende Druckschriften genannt:

1. EP 0 597 691 A1 2. US 5 283 856 3. US 5 276 869 4. US 5 088 032 5. Readme vom 10.02.1995 aus dem Paket /Slack/N2/Smailcfg.tgz der CD001 der S.u.S.E. Linux Distribution April 1995 6. deliver.8.gz vom 19.03.1995 aus dem Paket /Slack/N2/Sendmail.tgz der CD001 der S.u.S.E. Linux Distribution April 1995 7. procmail.1 vom 03.10.1994 /http:/www.neuronet.pitt.edu/ ~donbon/contrib/man- html/procmail.html)(rech. am 10.04.2001).

Druckschrift 7 wurde am 10.04.2001, also nach dem Anmeldetag, über das Internet ermittelt und ausgedruckt. Von der Prüfungsstelle wurde kein Hinweis gegeben, ob dieser Inhalt auch vor dem Prioritätstag zugänglich war. Diese Veröffentlichung hat somit außer Betracht zu bleiben (vgl. BPatG GRUR 2003, 323, 324 f "Computernetzwerk-Information").

In der mündlichen Verhandlung wurden die Druckschriften 2 sowie 5 und 6 in Betracht gezogen. Sie vermögen weder für sich noch gemeinsam den Gegenstand des Patentanspruchs 1 nahelegen.

Aus der US 5 283 856 ist ein "Ereignisgesteuertes Regelbasiertes System" für elektronische Mails bekannt. Durch einen eventmanager 24 werden in einem host Regeln ausgeführt, wie mit eingehenden Mails zu verfahren ist (vgl. insb. Spalte 7, Zeilen 21 bis 49).

Druckschrift 5 (Readme vom 10.02.1995 aus dem Paket /Slack/N2/Smailcfg.tgz der CD001 der S.u.S.E. Linux Distribution April 1995) und Druckschrift 6 (deliver.8.gz vom 19.03.1995 aus dem Paket /Slack/N2/Sendmail.tgz der CD001 der S.u.S.E. Linux Distribution April 1995) sind Programmbeschreibungen aus einer Linux-CD. Sie beschreiben zusammen ein Mailprogramm, wie es in einem lokalen Netzwerk eingesetzt werden kann. Dabei wird das Programm "deliver" (Druckschrift 6) bei dem Mail-Programm "sendmail" (Druckschrift 5) verwendet. Bei "deliver" kann der Empfänger Regeln festlegen, wie mit den mails, die durch "deliver" gesammelt werden, umzugehen ist. Diese Regeln sind in einem einzigen Rechner (host) im lokalen Netzwerk hinterlegt.

Keine dieser Druckschriften gibt dem Fachmann einen Hinweis, wie er in einem Weitverkehrsnetz eines Online-Informationsdienstes verfahren soll, nämlich daß er die elektronische Nachricht bereits bei Ankunft im Weitverkehrsnetz, die an verschiedenen Punkten sein kann, auf das untersucht, was mit ihr geschehen soll. Dazu sind nach dem Patentanspruch 1 eine Speichereinheit zum Speichern einer Gruppe von Regeln und ein Verteiler vorgesehen. Der Verteiler, der Teil des Weitverkehrsnetzes ist, liest aus der Speichereinheit empfängerdefinierte Regeln aus, die dann auf diese Nachricht durch den Verteiler angewendet werden.

Die übrigen Druckschriften kommen dem Anmeldungsgegenstand nicht näher, wie eine Überprüfung durch den Senat ergeben hat.

Der Patentanspruch 1 ist somit gewährbar. Die auf ihn rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 4 enthalten nicht selbstverständliche Ausgestaltungen des Systems nach Patentanspruch 1 und sind ebenfalls gewährbar.

Bertl Dr. Schmitt Dr. Kraus Prasch Ko






BPatG:
Beschluss v. 19.02.2004
Az: 17 W (pat) 10/02


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