Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 23. Juni 2005
Aktenzeichen: 4 U 62/05

(OLG Hamm: Urteil v. 23.06.2005, Az.: 4 U 62/05)

Tenor

Die Berufung der Antragstellerin gegen das am 1. März 2005 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Paderborn wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Antragsgegnerin verbreitete im Januar 2005 einen großformatigen mehrseitigen Werbeprospekt, in dem verschiedene Einrichtungsgegenstände beworben wurden. Die Werbung enthielt nachstehend abgelichteten Aufdruck

- Fotokopie von Bl. 33 d.A. Schwarzklammer -

- auf Abdruck wurde verzichtet -

Die Antragstellerin hält den Aufdruck für wettbewerbswidrig, und zwar unter dem Gesichtspunkt der unlauteren Behinderung der Wettbewerber gem. § 4 Nr. 10 UWG, § 4 Nr. 9 UWG und auch allgemein unter dem Aspekt des § 3 UWG. In nahezu allen Segmenten des Möbelhandels lasse sich der Kunde bei der Anschaffung langlebiger und teurer Einrichtungsgegenstände eingehend beraten. Mit der Herstellung des Angebots falle für den Möbelhändler ein erheblicher Beratungsaufwand an. Das dem Kunden unterbreitete Angebot beruhe auf einer für den Möbelhändler schützenswerten Arbeitsleistung. Diese arbeits- und kostenintensive Planungs- und Beratungstätigkeit ihrer Mitbewerber nutze die Antragsgegnerin in unlauterer Weise aus, wenn sie die Kunden auffordere, sich von ihr ein besseres Angebot machen zu lassen.

Das Landgericht hat durch Urteil vom 1. März 2005 das Verbotsbegehren der Antragstellerin entsprechend dem Antrag der Antragsgegnerin als unbegründet zurückgewiesen. Eine gezielte Behinderung eines Mitbewerbers liege nicht vor, da die Werbung allgemein die wettbewerbsrechtliche Entfaltungsmöglichkeit von nicht näher genannten oder näher bestimmbaren Mitbewerbern betreffe. Im Übrigen sei eine Preisunterbietung durch einen Nachahmer grundsätzlich auch wettbewerbsgemäß. Die Angebote seien keine schutzwürdigen Leistungsergebnisse. Jeder Möbelhändler müsse damit rechnen, daß der Kunde mit dem Angebot zu einem Mitbewerber gehe, um sich ein alternatives Angebot unterbreiten zu lassen.

Gegen dieses Urteil hat die Antragstellerin form- und fristgerecht Berufung eingelegt, mit der sie ihr Verbotsbegehren aus erster Instanz weiterverfolgt.

Unter Ergänzung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages ist die Antragstellerin der Ansicht, daß das Landgericht verkannt habe, daß eine gezielte Behinderung keineswegs erfordere, daß sich die Wettbewerbsmaßnahme ganz konkret an einen benannten oder jedenfalls bestimmbaren Mitbewerber richten müsse. Entscheidend sei, daß Umstände vorliegen müßten, die die Unlauterkeit begründeten. Bei der Frage der Preisunterbietung durch Übernahme eines fremden, schutzwürdigen Leistungsergebnisses sei das Landgericht u.a. zu Unrecht davon ausgegangen, daß das Leistungsergebnis stets wettbewerbliche Eigenart aufweisen müsse. Das Landgericht habe den generalklauselartigen Charakter der Regelbeispiele in § 4 UWG verkannt und zu Unrecht auch nicht auf § 3 UWG abgestellt.

Bei zutreffender Würdigung hätte das Landgericht eine unlautere Behinderung von Mittbewerbern bejahen müssen. Die Werbung zeige das Bestreben der Antragsgegnerin, selbst das Geschäft zu machen und anderen die Arbeit zu überlassen. Derart erstellte Angebote seien auch dann schutzfähig, wenn ihnen eine wettbewerbliche Eigenart nicht zukomme. Wenn die Antragsgegnerin in der beanstandeten Werbung den Kunden auffordere, mit den Angeboten von Mitbewerbern zu ihr zu kommen, schiebe sich die Antragsgegnerin systematisch in eine schon einigermaßen verfestigte Kundenbeziehung hinein. Die Werbung fordere den Kunden damit geradezu auf, die Mitbewerber zu täuschen. Diese erbrächten ihre Leistungen nämlich in der Erwartung eines Geschäftsabschlusses, während es dem Kunden in Wahrheit nur darum gehe, den errechneten Preis von der Antragsgegnerin unterboten zu bekommen.

Die Antragstellerin beantragt,

1.

der Antragsgegnerin zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs in der an den Letztverbraucher gerichteten Werbung für den Absatz von Möbeln zu werben wie nachfolgend eingelichtet

- auf Abdruck wurde verzichtet -

und/oder entsprechend zu verfahren.

2.

Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen das Verbot gemäß Ziffer 1. wird der Antragsgegnerin ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten angedroht, wobei die Ordnungshaft am Geschäftsführer der Antragsgegnerin zu vollziehen ist.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin behauptet unter Ergänzung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages, daß sich ihre Werbung nicht gegen bestimmte Mitbewerber richte. Sie stelle lediglich ihre besondere Preisgünstigkeit heraus. Die Angebote der Mitbewerber stellten auch keine schützenswerte Leistung dar, die von ihr ausgenutzt werde. Im Vordergrund des Möbelkaufs stehe das Möbelstück, das sie nicht nachahme, und nicht eine Planungs- und Beratungstätigkeit, die häufig auch überhaupt nicht anfalle.

Gründe

Die Berufung der Antragstellerin ist unbegründet.

Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Verbotsantrag nicht schon zu weit gefaßt ist. Denn er paßt nicht zur Begründung der Antragstellerin für die begehrte einstweilige Verfügung. Die Begründung ist auf den Verkauf von Einbauküchen und solchen Möbelstücken zugeschnitten, denen eine Planungstätigkeit zugrunde liegt. Der beanstandete Garantiestempel soll aber im Zusammenhang mit dem Verkauf von Möbeln schlechthin verboten werden, also auch im Zusammenhang mit solchen Möbeln, die ohne größere Beratungstätigkeit gekauft werden.

Ebenfalls dahingestellt bleiben kann die Frage, ob die Antragstellerin klagebefugt nach § 8 Abs. 3 Ziff. 2 UWG ist, soweit sie sich auf Wettbewerbsverstöße stützt, die ausschließlich Interessen bestimmter Mitbewerber verletzen (vgl. zu diesem Problemkreis Baumbach/Hefermehl/Köhler Wettbewerbsrecht 23. Aufl. § 8 UWG Rz. 3.5 m.w.N.).

Denn die beanstandete Werbung ist unter den von der Antragstellerin aufgeführten Gesichtspunkten nicht als wettbewerbswidrig zu beanstanden.

Eine gezielte Behinderung nach § 4 Nr. 10 UWG scheidet schon deshalb aus, weil kein bestimmter Mitbewerber mit der beanstandeten Werbung angesprochen wird. Die Zielrichtung einer Behinderung kann sich zwar auch aus der örtlichen Marktsituation ergeben. § 20 Abs. 4 GWB ist ein solcher Beispielsfall, wenn also ein Unternehmen mit überlegener Marktmacht unter Einstandspreis anbietet. Dafür hat die Antragstellerin aber keine Anhaltspunkte vortragen können. Eine gezielte Behinderung kann dann denkbar sein, wenn ein begrenzter Markt vorliegt und die Preiswerbung dazu dienen soll, die Konkurrenten vom Markt zu drängen. Davon könnte bei einem marktstarken Unternehmen ausgegangen werden, wenn es mit Preisen operiert, die erkennbar auf die Dauer nicht durchgehalten werden können. Eine solche Marktsituation hat die Antragstellerin aber nicht vortragen können.

Der Antragstellerin ist im Ansatz beizupflichten, daß unlauterer Wettberwerb nach § 3 UWG denkbar ist, auch wenn ein Regelbeispiel nicht erfüllt ist. So wird man die allgemeine Marktstörung als von § 3 UWG erfaßt ansehen können (Baumbach/Hefermehl/Köhler a.a.O. § 4 UWG Rz. 12.1; 12.14). Auch für eine solche allgemeine Marktstörung fehlt es aber an jedwedem Vortrag der Antragstellerin.

Es liegt auch kein Fall der wettbewerbswidrigen Leistungsübernahme nach § 4 Ziff. 9 UWG vor. Denn die Antragsgegnerin bringt kein nachgeahmtes Produkt auf den Markt, das billiger ist als das Original. Es geht nicht um eine Leistungsübernahme, sondern nur darum, daß sich die Antragsgegnerin Vorarbeiten der Konkurrenz zunutze macht. Das kann ihr aber nicht verwehrt werden. Die Konkurrenz muß es nämlich hinnehmen, daß die Kunden mit den ihnen überlassenen Unterlagen machen, was sie wollen. Wollen die Mitbewerber das hindern, müssen sie ihre Kunden binden, indem sie die Planungen und arbeitsintensiven Angebote entweder nur gegen Entgelt erbringen, das, wie bei Kostenvoranschlägen auch, beim Zuschlag verrechnet wird. Ein weiterer Weg wäre es, daß die Konkurrenz dem Kunden nur rudimentäre Angebotsunterlagen überläßt, so daß die Antragsgegnerin damit nicht viel anstellen kann. Ohne das Eingreifen von Sonderrechtsschutz kann es die Konkurrenz nicht verhindern, daß ihre Unterlagen als Grundlage für ein Konkurrenzangebot dienen.

Soweit in der beanstandeten Werbung eine Preisgarantie gesehen werden kann, die nach § 5 UWG als irreführend zu werten wäre, wenn die Antragsgegnerin sie nicht wahr hielte, so hat die Antragstellerin diesen wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkt nicht aufgegriffen.

Das gleiche gilt für einen möglichen Verstoß gegen § 4 Nr. 1 UWG unter dem Gesichtspunkt der fehlenden Preistransparenz, wenn nämlich die Preisgarantie für den Verbraucher deshalb nur schwer zu verwirklichen wäre, weil die Konkurrenz vergleichbare Angebote nicht macht und das Preisversprechen deshalb leerliefe. Auch dieser wettbewerbsrechtliche Gesichtspunkt ist von der Antragstellerin nicht aufgegriffen worden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Ziff. 10 ZPO.






OLG Hamm:
Urteil v. 23.06.2005
Az: 4 U 62/05


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