Landgericht Bonn:
Urteil vom 27. Februar 2013
Aktenzeichen: 1 O 371/12

(LG Bonn: Urteil v. 27.02.2013, Az.: 1 O 371/12)

1. Erstellen Dritte aus allgemein verfügbaren Informationen einen Branchenverzeichniseintrag mit wettbewerbswidrigem Inhalt, haftet der eingetragene nicht auf Unterlassung, wenn er an der Entstehung des Eintrags nicht mitgewirkt hat und ihn auch keine Abwendungspflicht trifft.

2. Eine Abwendungspflicht folgt nicht allein daraus, dass der Eingetragene Kenntnis von dem wettbewerbswidrigen Eintrag erhält.

3. Da es an einem Unterlassungsanspruch gegen den Eingetragenen fehlt, haftet er auch nicht gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG auf den Ersatz von Abmahnkosten.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Berufung wird nicht zugelassen.

Gründe

Die Klägerin ist die berufsständige Vertretung der Steuerberater im Bereich der (ehemaligen) Oberfinanzdirektion L.

Der Beklagte ist Inhaber eines Restaurants in C und war in der Vergangenheit unter der Adresse des Restaurants auch als Wirtschaftsberater tätig. Die Bezeichnung "Wirtschaftsberater" ist rechtlich nicht geschützt. Als Wirtschaftsberater war und ist der Kläger auch im Telefonbuch eingetragen. Die Bezeichnung "Steuerberater" darf der Beklagte nicht führen.

Im Oktober 2011 erlangte die Klägerin Kenntnis davon, dass der Beklagte auf der Internetseite www.T.de unter der Rubrik "Steuerberater und Wirtschaftsprüfer" in C geführt wird. Dabei heißt es, wenn man nach dem Namen des Beklagten in der Rubrik Steuerberater & Wirtschaftsprüfer sucht:

"C2 führen wir unter Steuerberater, worunter auch Wirtschaftsprüfer, Steuer, Steuererklärung, Lohnsteuer, Einkommenssteuer, Buchhaltung oder Abgaben auftaucht und in C, in der Nähe von E2 und L2. Steuerberater wie C2 sind Experten für Steuer und Finanzen mit langjähriger Erfahrung. C, wo sie gerade nach Steuerberater und insbesondere C2 suchen, liegt am Übergang des Rheinischen Schiefergebirges zur Niederrheinischen Tiefebene in Nordrhein-Westfalen. Die Bundesstadt C, wo man Steuerberater und natürlich auch C2 findet, ist eine kreisfreie Großstadt im Regierungsbezirk L und Teil des Landschaftsverbands Rheinland."

(orthographische, grammatikalische und sprachliche Fehler im Original)

Ferner wurde der Beklagte auch auf der Internetseite "www.C3.de" unter der Rubrik "Steuerberater in C" geführt.

Die Klägerin teilte dies den Finanzbehörden mit, woraufhin das Finanzamt C-Innenstadt den Beklagten über die Einträge informierte.

Mit Schreiben vom 27.12.2011 mahnte die Klägerin den Beklagten ohne anwaltliche Hilfe ab und forderte ihn zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Dies ließ der Beklagte mit Schriftsatz vom 05.01.2012 anwaltlich zurückweisen. Er habe die Einträge nicht veranlasst und sehe keine Handhabe für ihn selbst, die Löschung der Einträge zu erlangen.

Die Klägerin beauftragte daraufhin ihren jetzigen Prozessbevollmächtigten mit der Klageerhebung, falls der Beklagte auf eine nochmalige außergerichtliche anwaltliche Aufforderung nicht mit einer strafbewehrten Unterlassungserklärung reagiere. Diese weitere anwaltliche Abmahnung erfolgte mit Schreiben vom 13.03.2012.

Der Beklagte entgegnete mit Schreiben vom 29.03.2012, dass er die Betreiber der Seiten unter Fristsetzung zur Löschung der Einträge aufgefordert habe. Die Löschung ist dann auch erfolgt, womit sich die Klägerin zufrieden gab.

Die Klägerin forderte daraufhin den Beklagten zur Zahlung der Kosten für die zweite, anwaltliche Abmahnung in Höhe von 546,69 € auf. Der Beklagte lehnte Zahlung ab.

Die Klägerin ist der Ansicht, der Beklagte hafte für die Abmahnkosten, da er als Störer anzusehen sei. Spätestens nach Erhalt der Mitteilung des Finanzamtes C-Innenstadt habe der Beklagte reagieren und die Betreiber der Internetseiten zur Löschung auffordern müssen. Ferner habe er durch seinen Telefonbucheintrag als Wirtschaftsberater die Branchenverzeichniseinträge auch willentlich und zurechenbar herbeigeführt.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 546,69 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.05.2012 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet, er habe die Einträge nicht veranlasst. Diese seien vielmehr von den Betreibern der Seiten selbständig aus frei verfügbaren Quellen wie dem Telefonbuch erstellt worden. Hierbei sei er auch fehlerhaft - offenbar wegen der Eigenbezeichnung als Wirtschaftsberater - in die Rubrik Steuerberater einsortiert worden. Dieser Fehler sei ihm nicht zuzurechnen. Auch habe er schon aufgrund der Mitteilung des Finanzamtes selbst versucht, eine Löschung der Einträge zu erreichen. Die Löschung der Einträge habe er aber erst erreichen können, nachdem er anwaltliche Hilfe in Anspruch genommen habe. Ferner ist er der Ansicht, dass ihm kein Anspruch gegen die Betreiber der Seiten auf Löschung der fehlerhaften Einträge zugestanden habe. Eine solchen habe jedoch die Klägerin gehabt. Diese hätte daher selbst gegen die Seiten vorgehen können und müssen.

Rechtliche Würdigung:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I.

Der Klägerin steht ein Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung der begehrten 546,69 € nicht zu. Ein solcher folgt insbesondere nicht aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG. Nach dieser Norm kann Ersatz der Aufwendungen für eine berechtigte Abmahnung gefordert werden. Dass die Klägerin zur Abmahnung berechtigt war, hat sie jedoch nicht schlüssig dargelegt. Die Voraussetzungen eines zur Abmahnung berechtigenden Unterlassungsanspruchs lagen nach dem Sach- und Streitstand nicht vor.

Ein solcher Unterlassungsanspruch folgt insbesondere nicht aus §§ 8 Abs. 1 Satz 1, 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 132 Abs. 1 Nr. 2 StGB. Die Klägerin hat die Voraussetzungen eines solchen Unterlassungsanspruches nicht schlüssig dargelegt.

Eine Haftung des Beklagten auf Unterlassen als Täter oder Teilnehmer der streitgegenständlichen wettbewerbswidrigen Einträge hat die Klägerin nicht schlüssig dargelegt. Eine solche Haftung als Täter oder Teilnehmer setzt die vorsätzliche Mitwirkung an einem eigenen oder fremden Wettbewerbsverstoß voraus (vgl. BGH GRUR 2007, 890 Rn 21). Dass der Beklagte die Einträge selbst veranlasst hätte, hat die Klägerin nicht dargelegt. Hierfür spricht auch keine tatsächliche Vermutung. Die sprachlich, grammatikalisch und auch inhaltlich hanebüchene Formulierung des Eintrags auf der Internetseite www.T.de lässt vielmehr vermuten, dass der Eintrag über den Beklagten aus allgemein zugänglichen Quellen automatisiert zusammengestellt worden ist, wie der Beklagte es auch behauptet. Anhaltspunkte, die auf eine Veranlassung des Eintrags auf der Seite www.C3.de durch den Beklagten schließen ließen, liegen ebenfalls nicht vor.

Der Beklagte haftet ferner auch nicht als Störer. Die Rechtsfigur der Störerhaftung hat der BGH im Lauterkeitsrecht für den Bereich des Verhaltensunrechts aufgegeben (vgl. BGH GRUR 2011, 152 Rz. 48). Dem schließt sich die Kammer ausdrücklich an.

Auch nach der früheren Rechtsprechung des BGH setzte eine Störerhaftung voraus, dass der Inanspruchgenommene an dem Wettbewerbsverstoß des Dritten in der Weise beteiligt war, dass er in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal an der Herbeiführung der rechtswidrigen Beeinträchtigung mitwirkte (vgl. BGH GRUR 2002, 618 f.). Eine solche willentliche und adäquat kausale Mitwirkung des Beklagten hat die Klägern nicht dargelegt. Sie kann insbesondere nicht in der Selbstbezeichnung des Beklagten in dem von ihm veranlassten Telefonbucheintrag als Wirtschaftsberater gesehen werden. Bei der Wahl dieser rechtlich nicht geschützten Bezeichnung ist als regelmäßige Folge nicht damit zu rechnen, dass Dritte den die Bezeichnung Führenden in ein Verzeichnis aufnehmen und als Steuerberater bezeichnen. Im Hinblick auf den rechtlichen Schutz, den die Bezeichnung Steuerberater in Deutschland genießt, war dies nicht zu erwarten. Erst recht ist nicht davon auszugehen, dass eine solche Einordnung dem Willen des Beklagten entsprach.

Schließlich bestand ein Unterlassungsanspruch auch nicht im Hinblick darauf, dass der Beklagte es nach dem Klägervortrag zunächst unterließ, auf eine Beseitigung der Einträge hinzuwirken, nachdem er vom Finanzamt C-Innenstadt auf diese hingewiesen worden war. Zur Beseitigung der nach dem Sachstand ohne seine Mitwirkung entstandenen Einträge war der Beklagte nicht verpflichtet. Sein Unterlassen ist daher nicht pflichtwidrig. Nur für ein pflichtwidriges Unterlassen kommt jedoch eine lauterkeitsrechtliche Haftung in Betracht. Pflichtwidrig ist ein Unterlassen dabei immer dann, wenn eine Pflicht zur Abwendung des wettbewerbswidrigen Erfolgs besteht und die dazu erforderliche Handlung dem Pflichtigen möglich und zumutbar ist. Die Abwendungspflicht kann sich hierbei aus Gesetz oder gefahrbegründendem, vorangegangenem Tun ergeben (vgl. BGH GRUR 2001, 82 f.). Vorliegend ist eine gesetzliche Pflicht des Beklagten, zu überwachen, ob Dritte mit seinen Adressdaten fehlerhafte Branchenverzeichniseinträge erstellen und auf die Beseitigung solcher Einträge hinzuwirken, nicht ersichtlich. Eine solche Pflicht würde auch zu einer unbilligen Belastung führen, denn regelmäßig dürften solche nicht selbst veranlassten Einträge für den Normalbürger nur mit erheblichem Aufwand und ggf. anwaltlicher Hilfe zu beseitigen sein.

Ebenso fehlt es an einem gefahrbegründenden, vorangegangenen Tun des Beklagten. Ein solches kann insbesondere nicht in dem unstreitig veranlassten Telefonbucheintrag als Wirtschaftsberater gesehen werden. Hierdurch hat der Beklagte keine ihm zurechenbare Gefahr eines fehlerhaften Branchenverzeichniseintrags als Steuerberater gesetzt. Mit einem solchen musste er schon aufgrund des gesetzlichen Schutzes der Bezeichnung Steuerberater nicht rechnen, als er den Eintrag als Wirtschaftsberater veranlasste.

Aus dem mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 15.02.2013 der Klägerin vorgelegten Urteil des Landgerichts E vom 13.05.2011, Az. ... O ...#/..., folgt im Übrigen nichts Anderes. Das Urteil betrifft zwar einen vergleichbaren Fall. Das Landgericht E stützt die Haftung auch ausdrücklich darauf, dass die dortige Klägerin nichts unternommen habe, den streitgegenständlichen Eintrag zu beseitigen, nachdem sie auf diesen hingewiesen worden war. Eine rechtlich nachvollziehbare Argumentation, warum die dortige Klägerin für das Verhalten Dritter haften solle, enthält das Urteil jedoch nicht. Die Haftung wird lediglich postuliert. Die Kammer vermag daher der in dem Urteil vertretenen Rechtsauffassung nicht zu folgen.

Schließlich scheitert der geltend gemachte Ersatzanspruch auch daran, dass die Klägerin die Kosten für eine zweite, anwaltliche Abmahnung geltend macht. Die Kosten einer solchen zweiten Abmahnung können nach § 12 Abs. 1 S. 2 UWG nicht verlangt werden. Der gesetzliche Kostenerstattungsanspruch rechtfertigt sich daraus, dass die Abmahnung auch im Interesse des Schuldners liegt. Hat der Gläubiger den Schuldner bereits durch eine erste Abmahnung auf die Möglichkeit der Streitbeilegung durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung hingewiesen, kann eine zweite Abmahnung diese Aufgabe nicht mehr erfüllen. Die Kosten einer solchen zweiten Abmahnung sind daher nicht mehr erforderlich im Sinne von § 12 Abs. 1 S. 1 UWG (vgl. BGH GRUR 2010, 354 f.).

II.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

Die Berufung war nicht gemäß § 511 Abs. 4 ZPO zuzulassen. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung; die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Berufungsgerichts. Die zu entscheidenden Rechtsfragen sind durch die zitierte höchstrichterliche Rechtsprechung hinreichend geklärt.






LG Bonn:
Urteil v. 27.02.2013
Az: 1 O 371/12


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