Bundespatentgericht:
Beschluss vom 20. August 2008
Aktenzeichen: 29 W (pat) 39/07
(BPatG: Beschluss v. 20.08.2008, Az.: 29 W (pat) 39/07)
Tenor
1.
Der Beschluss der Markenabteilung 3.4. des Deutschen Patentund Markenamts vom 7. März 2007 wird aufgehoben, soweit die Löschung der Marke 302 28 832 angeordnet wurde für die Waren
"Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien, soweit in Klasse 16 enthalten; Buchbinderartikel; Fotografien; Drucklettern; Druckstöcke; Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen".
2.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Wortmarke 302 28 832 Cross Marketing Produktionwurde am 25. November 2002 für die Waren und Dienstleistungen Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien soweit in Klasse 16 enthalten; Druckereierzeugnisse; Buchbinderartikel; Photographien; Drucklettern; Druckstöcke; Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen; Werbung; Geschäftsführung;
in das Register eingetragen.
Mit Antrag vom 19. Januar 2006 hat die Beschwerdegegnerin die Löschung der Marke beantragt. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, dass die Marke entgegen bestehender absoluter Schutzhindernisse eingetragen worden sei. Bei "Cross Marketing" handele es sich um einen lexikalisch belegten Begriff, der nicht unterscheidungskräftig und zudem freihaltebedürftig sei.
Die Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patentund Markenamts hat dem Löschungsantrag mit Beschluss vom 7. März 2007 stattgegeben und die Löschung der Marke angeordnet. Der Eintragung hätten die Schutzhindernisse der fehlenden Unterscheidungskraft und eines Freihaltebedürfnisses entgegen gestanden, die im Zeitpunkt der Entscheidung über den Löschungsantrag fortbestünden. Der Begriff "Cross Marketing" bezeichne eine Unterform des Marketing, nämlich sowohl die Mehrfachvermarktung von Produkten als auch die Verknüpfung von Waren und Dienstleistungen aus unterschiedlichen Branchen. Bei "Marketing Produktion" handele es sich um einen häufig verwendeten Begriff, der das Erstellen sämtlicher Marketingunterlagen für die Produkte oder Dienstleistungen eines Unternehmens beschreibe. Der Marke in ihrer Gesamtheit entnehme das angesprochene Publikum daher lediglich den Sachhinweis, dass die so gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen entsprechende Marketingunterlagen darstellten oder auf deren Erstellen ausgerichtet seien. Auch das Interesse der Mitbewerber an der ungehinderten Verwendung der Wortfolge könne nicht verneint werden.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Markeninhaberin. Sie vertritt im Wesentlichen die Auffassung, dass die Marke als Kombination des englischen Begriffs "Cross Marketing" und des deutschen Wortes "Produktion" einen Phantasiebegriff darstelle, dem sich für die eingetragenen Waren und Dienstleistungen kein klarer und eindeutiger Aussagegehalt zuordnen lasse. Der Marke könne daher die erforderliche Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden.
Die Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben.
Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin hat keinen Antrag gestellt und sich auch in der Sache nicht geäußert.
II.
Die nach § 66 Abs. 1 und 2 MarkenG zulässige Beschwerde hat in der Sache nur teilweise Erfolg. Für die Waren und Dienstleistungen "Druckereierzeugnisse; Werbung; Geschäftsführung" steht der Eintragung der Marke sowohl bezogen auf den Zeitpunkt der Eintragung als auch im Zeitpunkt der Entscheidung über den Löschungsantrag das absolute Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen (§ 50 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 MarkenG).
1. Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende konkrete Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die angemeldeten Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden. Sie entspricht der Hauptfunktion der Marke, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten. Die Beurteilung der Unterscheidungskraft hat sich daher einerseits an den beanspruchten Waren und Dienstleistungen und andererseits an der Auffassung der angesprochenen Verkehrskreise zu orientieren (vgl. EuGH GRUR 2008, 608, Rn. 66 f. EUROHYPO; GRUR 2004, 674, Rn. 34 POSTKANTOOR; BGH GRUR 2005, 417, 418 -BerlinCard; GRUR 2006, 850, Rn. 18 -FUSSBALL WM 2006). Enthalten die Wortbestandteile einer Bezeichnung einen beschreibenden Begriffsinhalt, den das angesprochene Publikum für die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen ohne weiteres erfasst, ist der angemeldeten Bezeichnung die Eintragung als Marke wegen Fehlens jeglicher Unterscheidungskraft zu versagen (vgl. BGH GRUR 2001, 1153 -anti KALK; GRUR 2001, 1151, 1152 -marktfrisch; a. a. O. Rn. 19 -FUSSBALL WM 2006). Bei einer aus mehreren Wortelementen zusammengesetzten Marke, die für sich genommen nicht unterscheidungskräftig sind, weist die Kombination dieser Bestandteile nur dann die erforderliche Unterscheidungskraft auf, wenn das Zeichen in seiner Gesamtheit eine Bedeutung erlangt, die über die Summe der einzelnen Elemente hinausgeht (vgl. EuGH GRUR 2008, 608, Rn. 69 -EUROHYPO; GRUR 2006, 1012, Rn. 34, 37 -BioID; BGH GRUR 2001, 162, 163 -RATIONAL SOFTWARE CORPORATION). Nach diesen Grundsätzen fehlte der angegriffenen Marke für die Waren und Dienstleistungen "Druckereierzeugnisse; Werbung; Geschäftsführung" bereits im Zeitpunkt der Entscheidung die erforderliche Unterscheidungskraft.
1.1. Die angegriffene Marke besteht aus der Kombination der englischsprachigen Wortfolge "Cross Marketing" mit dem deutschen Wort "Produktion". Eine beschreibende Verwendung des Gesamtbegriffs lässt sich nach der Recherche des Senats nicht feststellen. Der Ausdruck "Cross Marketing" ist aber für den deutschen Sprachgebrauch lexikalisch belegt als Fachbegriff des Marketings für eine "Methode zur Mehrfachvermarktung eines [erfolgreichen] Produkts in Form von verschiedenen Medien, z. B. als Computerspiel, Buch, Fernsehserie" (vgl. Duden, Das Fremdwörterbuch, 9. Aufl. 2007 [CD-ROM]). Mit dieser Bedeutung war der Begriff auch bereits vor Eintragung der Marke im Jahr 2002 in der allgemeinen Medienberichterstattung gebräuchlich, z. B. Frankfurter Allgemeine (FAZ) vom 4. Mai 1993 -Im Dutzend billiger: "Dieses "Cross-Marketing" hat allerdings nicht funktioniert [...]"; FAZ vom 13. August 2005 -Das Auto gehört zum Film: "Man habe lediglich einen Vertrag über das sogenannte "Cross-Marketing" geschlossen, [...]"; Süddeutsche Zeitung (SZ) vom 20. Februar 2000 -Allianz für Kabelfernsehen und Internet: "In den Unterlagen ist von einem "crossmarketing" zwischen Fernsehen und Internet die Rede."; SZ vom 14. Oktober 2000 -Nur ja kein Mittelmaß: "Cross-Marketing nennen es die Experten, wenn man die neuen Kleider gleich im neuen Auto nach Hause fährt."; SZ vom 31. Dezember 2001 -Alles Bio: "Außerdem versprechen die Fernseh-Biografien [...] somit gute Möglichkeiten für das sogenannte Cross-Marketing."; SZ vom 7. Januar 2003 -Bügeln à la carte: "Cross-Marketing nennen das Experten, und dieser Trend kommt -wie so viele -aus den USA."; SZ vom 20. September 2004 -Schluss mit dem Discount-Studium€: "Cross-Marketing" nennt sich das, mit Handys von Siemens, wüstentauglichen Geländewagen aus Stuttgart und Hightech-Studium in Deutschland."; SZ vom 3. Mai 2005 -Vater unser to go: "So funktioniert erfolgreiches Cross-Marketing.". Im Sinne einer speziellen Vermarktungsmethode ist das Thema Cross-Marketing außerdem Gegenstand der Fachliteratur, z. B. Meyer/Schade, Cross-Marketing -Allianzen, die stark machen: Mit Partnern schneller erfolgreich werden, Göttingen 2007; Muszalik u. a., Cross-Marketing im Food-Sektor, Wissenschaftliche Studie, 2004.
Ebenfalls belegt ist nach der vom Senat durchgeführten Recherche der Begriff "Marketingproduktion", der die Herstellung von Katalogen, Prospekten, Preislisten usw. bezeichnet, die im Marketing zur Kommunikation von Produktdaten benötigt werden, z. B. www. competencesite.de -"Media Asset Management für effiziente Marketing-Produktionsabläufe. [...] Die Produktion von Marketingmaterialien wird hauptsächlich aus Kreativität und Inspiration genährt."; www.reinisch.de -Weniger Produktionsund Prozesskosten durch automatisierte Marketingproduktion."; www.softguide.de -"Die Software ist speziell auf die Bedürfnisse von kleinen und mittelständischen Unternehmen zugeschnitten, die aus einer Datenquelle automatisierte Marketingproduktion betreiben wollen."; www.infolox.de -"Automatisierte Marketingproduktion bei JUNKERS! infolox automatisiert Katalogerstellung bei JUNKERS und verpasst dem Katalog gleichzeitig ein neues Gesicht".
1.2. Als Kombination bekannter und ohne weiteres verständlicher Begriffe erschöpft sich die Angabe "Cross Marketing Produktion" in Verbindung mit den Waren "Druckereierzeugnisse" in dem Sachhinweis auf Waren, die sich thematisch mit der Cross Marketing Produktion befassen oder das Ergebnis einer solchen Produktion sind. Denn dieser Oberbegriff umfasst neben Büchern und Zeitschriften auch Prospekte, Kataloge und sonstige gedruckte Marketingmaterialien. Hinsichtlich der Dienstleistungen "Werbung; Geschäftsführung", die sowohl das Erbringen von Marketingdienstleistungen als auch die Produktkommunikation im Rahmen der Geschäftsführung umfassen, erkennt der angesprochene Fachverkehr lediglich den beschreibenden Hinweis auf Dienstleistungen, die auf die Marketingproduktion im Rahmen des Cross Marketing ausgerichtet sind und versteht das Zeichen auch insoweit nicht als betrieblichen Herkunftshinweis. Dass sich der Anordnung der einzelnen Bestandteile nicht eindeutig entnehmen lässt, ob sich der Begriff "Marketing" auf das Wort "Cross" oder auf "Produktion" bezieht, steht der Annahme einer beschreibenden Bedeutung nicht entgegen. Es genügt, dass die Wortfolge in einer ihrer möglichen Bedeutungen einen beschreibenden Aussagegehalt aufweist (vgl. EuGH GRUR 2004, 680, Rn. 38 -BIO-MILD; GRUR 2004, 146, Rn. 32 -DOUBLEMINT). Auch die Art der Zeichenbildung durch Kombination eines englischen Ausdrucks mit dem eingedeutschten Wort "Produktion" führt zu keinem anderen Ergebnis. Zum einen ist der Unterschied zu dem entsprechenden englischen Wort "Production" so gering, dass er von der Mehrzahl der angesprochenen Verbraucher überhaupt nicht oder jedenfalls nicht als regelwidrig wahr genommen wird. Zum anderen ist das Publikum im Bereich der Werbesprache aufgrund der Vielzahl englischsprachiger Fachbegriffe an derartige Kombinationen gewöhnt, wie z. B. Direct Marketing, Flyererstellung, Media Planung usw..
1.3.
Das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft bestand auch bereits im Zeitpunkt der Eintragung der Marke im November 2002. Die erste ermittelte Verwendung des Begriffs "Cross Marketing" datiert, wie oben ausgeführt, aus dem Jahr 1993, weitere Verwendungen sind für die Jahre 2000 bis 2005 dokumentiert. Für die Allgemeinsprache ist der Begriff jedenfalls ab dem Jahr 2005 lexikalisch belegt (vgl. Duden, Fremdwörterbuch, 2005). Berücksichtigt man die Tatsache, dass nur solche Begriffe zu einem lexikalischen Eintrag führen, die sich im Sprachgebrauch nachweisen lassen, und die Veröffentlichung eines Wörterbuchs einen zeitlichen Vorlauf erfordert, so ist davon auszugehen, dass das angesprochene Publikum den Begriff auch schon im Jahr 2002 als reine Sachangabe erfasst hat. Für den Bestandteil "Marketing Produktion" lässt sich der Zeitpunkt einer erstmaligen Verwendung nicht belegen. Bei der Zusammensetzung zweier so gängiger Begriffe wie "Marketing" und "Produktion" sieht der Senat aber keine Anhaltspunkte für einen Bedeutungsgehalt, der den Verkehr von der Vorstellung eines Sachhinweises wegführen könnte.
2.
Hingegen lässt sich der Wortfolge für die Waren "Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien, soweit in Klasse 16 enthalten; Buchbinderartikel; Fotografien; Drucklettern; Druckstöcke; Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen" kein im Vordergrund stehender Begriffinhalt zuordnen. Es handelt sich dabei um Waren, die weder einen thematischen Inhalt aufweisen noch üblicherweise Gegenstand der Marketingproduktion im oben beschriebenen Sinne (s. Ziffer 1.1.) sind. Selbst unter Berücksichtigung der Tatsache, dass insbesondere Papierwaren, Bekleidungsstücke und Kopfbedeckungen im Rahmen des Cross Marketing als Werbeträger eingesetzt werden können, bleibt der Bedeutungsgehalt unklar. Denn es lässt sich nicht feststellen, dass die Herstellung derartiger Werbeträger mit dem Begriff "Marketingproduktion" beschrieben wird, so dass es am engen beschreibenden Bezug zwischen diesen Waren und dem Bedeutungsgehalt des Zeichens fehlt (vgl. BGH a. a. O. Rn. 19 -FUSSBALL WM 2006). Bezüglich dieser Waren war der Beschluss der Markenstelle daher aufzuheben.
3.
Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst (§ 71 Abs. 1 MarkenG).
Grabrucker Fink Dr. Mittenberger-Huber Hu
BPatG:
Beschluss v. 20.08.2008
Az: 29 W (pat) 39/07
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