Bundespatentgericht:
Beschluss vom 30. Oktober 2003
Aktenzeichen: 10 W (pat) 709/03
(BPatG: Beschluss v. 30.10.2003, Az.: 10 W (pat) 709/03)
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts (Musterregister) vom 4. Dezember 2002 aufgehoben.
2. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.
Gründe
I.
Am 13. Dezember 1995 wurde beim Patentamt die Musteranmeldung mit der Bezeichnung "Kaffeemaschine" durch die E... Gebr. St... (im folgenden: Geschmacksmusterinhaberin) eingereicht und anschließend eingetragen. Die Schutzdauer wurde auf 10 Jahre verlängert. Seit August 2000 firmiert die Geschmacksmusterinhaberin unter E... GmbH & Co. KG.
Am 20. Juni 2002 zeigte der Insolvenzverwalter Rechtsanwalt Dr. K... (im folgenden: Antragsgegner) an, dass am 1. Juni 2002 das Insolvenzverfahren gegen die Geschmacksmusterinhaberin eröffnet worden sei. Er beantragte, dass bis auf Widerruf das Schutzrecht weder umgeschrieben noch übertragen werden dürfe.
Mit Schriftsatz vom 9. Juli 2002 beantragte der Antragsteller beim Patentamt die Umschreibung des Geschmacksmusters auf sich und legte die Kopie von schriftlichen Erklärungen vor, nämlich der Geschmacksmusterinhaberin vom 23. Oktober 2000 und des Antragstellers vom 26. Oktober 2000. Wegen der Einzelheiten wird auf die als "Übertragungsvereinbarung" bzw "Annahmeerklärung" bezeichneten schriftlichen Erklärungen verwiesen (Bl 22 der Patentamtsakte).
Mit Schriftsatz vom 23. September 2002 widersprach der um Stellungnahme gebetene Antragsgegner dem Umschreibungsantrag. Ihm lägen Anhaltspunkte vor, dass verschiedene Übertragungserklärungen möglicherweise rückdatiert worden seien. Die erfolgte Übertragung werde aufgrund der §§ 130/131 bzw 133 InsO angefochten. Es werde beantragt, die Umschreibung des Schutzrechts so lange auszusetzen, bis das Insolvenzverfahren abgeschlossen sei. Dem Antragsteller wurde im Verfahren vor dem Patentamt weder dieser Schriftsatz des Antragsgegners noch dessen Schriftsatz vom Juni 2002 zur Kenntnis gebracht.
Durch Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts (Musterregister) vom 4. Dezember 2002 ist der Antrag auf Umschreibung auf den Antragsteller zurückgewiesen worden. Zur Begründung wird ausgeführt, im Umschreibungsverfahren beschränke sich das Patentamt grundsätzlich auf eine formale, summarische Prüfung der von den Beteiligten vorgelegten Nachweise, ohne über die materiellrechtliche Wirksamkeit der Übertragung abschließend zu entscheiden. Bereits diese formelle Prüfung habe hier zu dem Ergebnis geführt, dass erhebliche Zweifel an der Wirksamkeit der Übertragung bestünden bzw erhebliche Zweifel an der Einwilligung der Geschmacksmusterinhaberin zur Umschreibung gegeben seien. Der Antrag auf Umschreibung des Schutzrechts sei erst fast eindreiviertel Jahre nach der Übertragungsvereinbarung eingegangen. Der Antragsgegner habe zudem nicht nur schon vor Eingang des Umschreibungsantrages gebeten, die Umschreibung nicht vorzunehmen, sondern auch den "Umschreibungsantrag widerrufen". Fehle der Umschreibungsantrag oder die Umschreibungsbewilligung des eingetragenen Rechtsinhabers, bestehe von Haus aus Anlass zu Zweifeln an der Wirksamkeit der rechtsgeschäftlichen Übertragung des Schutzrechts (unter Hinweis auf BPatG BlPMZ 2001, 354, 355). Dies gelte umso mehr, als die Übertragungsvereinbarung zusätzlich gemäß §§ 130, 131 bzw 133 InsO angefochten worden sei.
Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit der Beschwerde. Er trägt vor, das ihm zu gewährende rechtliche Gehör sei verletzt worden, denn die Korrespondenz des Patentamts mit dem Antragsgegner bzw der Geschmacksmusterinhaberin (Schriftsätze vom Juni und September 2002) seien ihm erst im Beschwerdeverfahren übermittelt worden. Diese Korrespondenz hätte er unter Hinweis auf das Schreiben der Geschmacksmusterinhaberin vom 23. Oktober 2000 widerlegen können. Im übrigen habe die Geschmacksmusterinhaberin auch nur die Aussetzung der Umschreibung beantragt. Das Patentamt sei über diesen Antrag hinausgegangen und habe die Umschreibung endgültig verweigert, so dass unnötigerweise eine gebührenpflichtige Beschwerde notwendig geworden sei. Es wäre vernünftiger gewesen, in nur einem Fall Beschluss zu fassen und alle anderen Verfahren ruhen zu lassen, bis das Gericht in dem einen Fall Beschluss gefasst hätte.
Der Antragsteller beantragt, den Beschluss des Musterregisters des Deutschen Patent- und Markenamts vom 4. Dezember 2002 aufzuheben, sowie die Beschwerdegebühr zurückzuerstatten.
Seitens des Antragsgegners liegt kein förmlicher Antrag vor. Er hat lediglich Angaben zur Firmierung der Geschmacksmusterinhaberin gemacht und auf sein an das Patentamt gerichtete Schreiben vom 27. Mai 2003 hingewiesen. Mit diesem Schreiben hat der Antragsgegner dem Patentamt mitgeteilt, dass er keine Einwendungen mehr gegen die Übertragung der Geschmacksmusterrechte auf den Antragsteller habe.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die Voraussetzungen für die Umschreibung des Geschmacksmusters auf den Antragsteller sind nunmehr gegeben.
1. Das Verfahren vor dem Patentamt leidet, wie der Antragsteller zu Recht geltend macht, an einem wesentlichen Mangel, denn ihm ist kein ausreichendes rechtliches Gehör gewährt worden.
Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs beinhaltet, dass die Entscheidung nur auf Gründe gestützt werden darf, zu denen Gehör gewährt worden ist (vgl Schulte, PatG, 6. Aufl, vor § 34 Rdn 214). Er gilt im Verfahren vor dem Patentamt nicht nur dort, wo der Anspruch darauf ausdrücklich im Patentgesetz noch einmal wiederholt worden ist (zB §§ 42 Abs 3 Satz 2, 48 Satz 2 PatG), sondern rechtliches Gehör ist vor allen Entscheidungen, die Rechte Beteiligter berühren können, zu gewähren (vgl Schulte, aaO, vor § 34 Rdn 203), mithin auch vor der Zurückweisung eines Umschreibungsantrages. Das Patentamt hat zwar der im Musterregister Eingetragenen den Umschreibungsantrag zugestellt (vgl zum Anspruch auf rechtliches Gehör des im Register Eingetragenen BPatG BlPMZ 1999, 370), es hat aber seine Entscheidung zur Zurückweisung des Umschreibungsantrages maßgeblich darauf gestützt, dass der Antragsgegner der Umschreibung widersprochen hatte, zunächst vorsorglich und dann nochmals, nachdem ihm der Umschreibungsantrag bekannt war, sowie darauf, dass der Antragsgegner die Insolvenzanfechtung erklärt hatte. Diese Umstände waren dem Antragsteller sämtlich nicht bekannt, da ihm die Stellungnahmen des Antragsgegners zu seinem Umschreibungsantrag nicht zur Kenntnisnahme übermittelt worden waren. Dem Antragsteller hätte aber Gelegenheit gegeben werden müssen, sich zu den geltend gemachten Gründen, die einer Umschreibung entgegenstehen, zu äußern. Er muss prüfen können, ob diese Gründe zutreffen und ob er gleichwohl am Umschreibungsantrag festhält. Für den Antragsteller stellte sich der Beschluss als Überraschungsentscheidung dar.
Dieser Verfahrensmangel führt hier aber nicht zur Zurückverweisung gemäß §§ 10a Abs 1 GeschmMG, 79 Abs 3 Nr 2 PatG. Da der Sachverhalt geklärt und die Sache entscheidungsreif ist, hat der Senat das vom Gesetz in § 79 Abs 3 PatG eingeräumte Ermessen dahingehend ausgeübt, selbst in der Sache zu entscheiden.
2. Der Antrag auf Umschreibung ist begründet. Gemäß § 13 Abs 3 GeschmMG sind dem Antrag auf Eintragung der Änderung in der Person des Anmelders oder Inhabers im Musterregister schriftliche Nachweise beizufügen. Hierbei sind die zum Patentregister entwickelten Grundsätze anwendbar (vgl Eichmann/v. Falckenstein, GeschmMG, 2. Aufl, § 8 Rdn 8). Das Patentamt ist danach nicht verpflichtet, die materiellrechtliche Wirksamkeit der Rechtsübertragung in jeder Richtung zu prüfen. Dem Wesen des Registerverfahrens entspricht es vielmehr, den Rahmen der rechtlichen Nachprüfung nicht allzu weit zu ziehen. Führt diese Prüfung zu Zweifeln an der Rechtswirksamkeit der Bewilligung oder der Verfügungsbefugnis des Bewilligenden bzw der Rechtswirksamkeit der Übertragung und lassen sich diese Zweifel nicht durch Beweismittel beheben, die für das Registerverfahren tauglich erscheinen, muss das Patentamt die Umschreibung versagen (vgl BGH BlPMZ 1969, 60, 63 - Marpin; BPatG BlPMZ 1999, 370, 371; BlPMZ 2001, 354, 355; Schulte, aaO, § 30 Rdn 26).
Es kann dahingestellt bleiben, ob der Umschreibungsantrag im angefochtenen Beschluss zu Recht zurückgewiesen worden ist, wofür zwar im Hinblick auf die auch im Beschluss genannte Senatsentscheidung (BlPMZ 2001, 354) einiges spricht, der Zurückweisungsbeschluss ist allerdings zu einem Zeitpunkt ergangen, als die Sache wegen des nicht gewährten rechtlichen Gehörs noch nicht entscheidungsreif war. Denn jedenfalls sind nach dem Schriftsatz des Antragsgegners vom 27. Mai 2003 berechtigte Zweifel im oben genannten Sinne nicht mehr gegeben. Der Antragsteller hat seinem Umschreibungsantrag ausreichende schriftliche Nachweise beigefügt. Er hat die Kopie einer Übertragungsvereinbarung, die zugleich eine Umschreibungsbewilligung der Geschmacksmusterinhaberin enthält, vorgelegt, wobei die Umschreibung zu einem Zeitpunkt bewilligt wurde, der vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens lag, die Geschmacksmusterinhaberin mithin die Verfügungsbefugnis hatte. Demgegenüber sind Umstände, die gegen die Wirksamkeit der Bewilligung sprechen, vor dem Hintergrund, dass der Antragsgegner seine noch vor dem Patentamt gemachten Einwendungen ausdrücklich nicht mehr aufrechterhalten hat, nicht ersichtlich.
3. Hinsichtlich der Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Senat gemäß §§ 10a Abs 1 GeschmMG, 80 Abs 1 PatG davon abgesehen, einem der Beteiligten die Kosten aufzuerlegen. In Umschreibverfahren wird es zwar regelmäßig für billig erachtet, dem Unterliegenden die Kosten aufzuerlegen (vgl BPatG BlPMZ 2001, 354, 356), hier gebietet es aber die Billigkeit, dem formal unterlegenen Antragsgegner die Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht aufzuerlegen. Denn es ist nicht auszuschließen, dass das Beschwerdeverfahren insgesamt nur aufgrund der Verletzung des rechtlichen Gehörs nötig wurde.
4. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr ist begründet. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr gemäß §§ 10a Abs 1 GeschmMG, 80 Abs 3 PatG ist dann billig, wenn bei ordnungsgemäßer und angemessener Sachbehandlung der Erlass eines Zurückweisungsbeschlusses nicht in Betracht gekommen wäre und damit die Beschwerde sowie die Einzahlung der Beschwerdegebühr hätten vermieden werden können (vgl Schulte, aaO, § 73 Rdn 144, 154). Ein derartiger Billigkeitsgrund liegt vor. Der angefochtene Beschluss erging unter Verletzung des rechtlichen Gehörs des Antragstellers. Es ist nicht ausschließen, dass der Beschluss ohne diesen Verfahrensmangel gar nicht ergangen wäre. Denn ohne ihn hätte der Antragsteller auf die Einwendungen des Antragsgegners entgegnen und sie möglicherweise entkräften können, insbesondere den Vorwurf der Rückdatierung. Dagegen vermag der vom Antragsteller genannte Grund, dass nämlich zunächst nur einer von den insgesamt neun Umschreibungsanträgen hätte beschieden werden sollen, die Rückzahlung nicht zu rechtfertigen, schon weil die rechtlichen Voraussetzungen für eine Aussetzung entsprechend § 148 ZPO nicht vorlagen.
Schülke Knoll Püschel Pr
BPatG:
Beschluss v. 30.10.2003
Az: 10 W (pat) 709/03
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/809abf7ac6e0/BPatG_Beschluss_vom_30-Oktober-2003_Az_10-W-pat-709-03