Anwaltsgerichtshof Celle:
Beschluss vom 5. Januar 2009
Aktenzeichen: AGH 7/08
(AGH Celle: Beschluss v. 05.01.2009, Az.: AGH 7/08)
Tenor
1. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller, außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
3. Die sofortige Beschwerde wird zugelassen.
4. Der Geschäftswert wird auf 25.000,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der am XX.XX.1953 geborene Antragsteller ist nach eigenen Angaben seit rund 25 Jahren im Versicherungsrecht tätig, ist seit dem 01.04.1998 bei der L-Versicherung (V.) in der Abteilung €Allgemeine Haftpflicht€ beschäftigt und bearbeitet dort in der zentralen Rechtsabteilung Großschäden und Prozesse. Seine Tätigkeit umfasse auch in erster Linie die Beratung und Prozessvertretung von bei der L-Versicherung versicherten Personen und Firmen, soweit sie von Dritten haftungsrechtlich in Anspruch genommen werden.
Seit dem 03.11.2004 ist der Antragsteller auch als Rechtsanwalt zugelassen. Neben seiner Tätigkeit für die L-Versicherung sei er auch als selbständiger Rechtsanwalt mit eigener Kanzlei tätig.
Mit seinem am 24.05.2007 bei der Antragsgegnerin eingegangenen Antrag beantragte er die Gestattung der Bezeichnung €Fachanwalt für Versicherungsrecht€. Mit Rücksicht auf die bis dahin noch nicht dreijährige Zulassung als Rechtsanwalt hatte er die Antragsgegnerin gebeten, die Entscheidung über den Antrag zunächst bis zum Ablauf der Dreijahresfrist auszusetzen.
Der Antragsteller legte mit dem Antrag das Zertifikat der Deutschen Anwaltsakademie vom 11.08.2004 über die Absolvierung des Fachlehrgangs Versicherungsrecht mit 18 Fortbildungstagen von Februar bis Juni 2004 über 120 Zeitstunden Unterricht, ferner das Klausurenzertifikat der Deutschen Anwaltsakademie vom 11.08.2004 zum Fachlehrgang Versicherungsrecht vor, wonach der Antragsteller die drei schriftlichen Aufsichtsarbeiten von je 5 Stunden Dauer allesamt bestanden habe.
Weiter überreichte der Antragsteller eine Fallliste über von ihm persönlich bearbeitete Fälle zum Versicherungsrecht, die im Teil I. insgesamt 16 gerichtliche Verfahren umfasst, im Teil II. 68 außergerichtliche Fälle. Beigefügt war ferner eine Bescheinigung eines namentlich nicht näher bezeichneten Abteilungsleiters der V.-Versicherung vom 26.06.2006, wonach der Antragsteller alle in der Fallliste aufgeführten Fälle, soweit sie die L-Versicherung bzw. die V. betrafen, allein, persönlich und weisungsfrei bearbeitet habe. Dies umfasse sowohl die gerichtlichen wie auch die außergerichtlichen Fälle. Schließlich legte der Antragsteller eine Bescheinigung der Rechtsanwältin R. S. aus G. vor, wonach der Antragsteller für sie seit über 20 Jahren die jährlichen Urlaubs- bzw. Krankheitsvertretungen durchführe und er die in der Fallliste aufgeführten Fälle Nr. 7, 5, 9, 16, 23, 24, 26, 35, 43 und 44 allein und selbständig auch gegenüber den Mandanten und im Außenverhältnis bearbeitet habe.
Zusätzlich benannte der Antragsteller noch zwei weitere außergerichtliche Fälle aus selbständiger Anwaltstätigkeit als Nr. 69 und 70 aus der Zeit vor dem 03.11.2007 und legte ferner eine Reihe von Arbeitsproben vor, die sich im Wesentlichen auf die von ihm außerhalb seines Anstellungsverhältnisses als Syndikus-Anwalt bearbeiteten Fälle beziehen.
Die Antragsgegnerin hat - nach vorheriger Anhörung des Antragstellers zum Votum des Fachausschusses - mit Bescheid vom 29.02.2008 - F 6180-2/2007 - den Antrag des Antragstellers auf Gestattung der Bezeichnung €Fachanwalt für Versicherungsrecht€ abgelehnt. Der Antragsteller erfülle zwar die formalen Voraussetzungen für den Antrag, habe auch die besonderen theoretischen Kenntnisse ausreichend nachgewiesen, nicht jedoch in ausreichendem Maße die besonderen praktischen Erfahrungen. Aus den äußerst kurzen Angaben zur versicherungsrechtlichen Problematik in der Fallliste ergebe sich nicht genau, in welchem Umfang der Antragsteller die jeweilige anwaltliche Tätigkeit entfaltet habe. Die Anforderung zur Vorlage von Handakten zur Feststellung des Umfangs der eigenverantwortlichen Tätigkeit habe er abgelehnt, lediglich einige Arbeitsproben vorgelegt, aus denen keine hinreichende Anzahl von Fällen hervorgehe, die er als selbständiger Rechtsanwalt bearbeitet habe. Auf der Grundlage der Erläuterungen des Antragstellers könne lediglich der Fall Nr. 7 aus Teil I. für gerichtliche Fälle als außerhalb des Anstellungsverhältnisses bearbeitet gewertet werden, alles in allem habe der Antragsteller lediglich 12 Fälle außerhalb seines Dienstverhältnisses bearbeitet. Dies reiche unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht aus. Von 80 erforderlichen Fällen habe der Antragsteller nur einen Gerichtsfall als Rechtsanwalt und 11 außergerichtliche Fälle als Rechtsanwalt bearbeitet, damit fehle es an der erforderlichen Mehrheit der Fälle, die der Antragsteller selbständig gemäß § 5 FAO als Rechtsanwalt bearbeitet habe.
Gegen diesen, ihm am 01.03.2008 zugestellten Bescheid richtet sich der am 31.03.2008 eingegangene Antrag auf gerichtliche Entscheidung des Antragstellers. Der Antragsteller macht geltend, der Bescheid der Antragsgegnerin werde insbesondere von der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 25.10.2006 AnwZ (B) 80/05 nicht gedeckt. Er meint, die nachgewiesene Bearbeitung von 12 Mandaten außerhalb des Anstellungsverhältnisses, die 15 % der 80 insgesamt geforderten Fälle ausmache, stelle eine erhebliche Zahl im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dar. Soweit die Kammer eine überwiegende Anzahl bearbeiteter Fälle außerhalb des Anstellungsverhältnisses gefordert habe, weiche dies von der Rechtsansicht anderer Rechtsanwaltskammern ab. Die forensische Erfahrung eines Anwalts könne nicht nur als selbständiger Rechtsanwalt vor dem Landgericht oder dem Amtsgericht erworben werden, dies sei vielmehr auch möglich durch Tätigkeit als Syndikus-Anwalt im Rahmen des Anstellungsverhältnisses. Die Tätigkeit des Antragstellers habe sich keineswegs auf ein Wirken im Hintergrund beschränkt, der Antragsteller habe sämtliche Fälle persönlich und unabhängig bearbeitet, habe keiner Weisung unterlegen und an den Gerichtsverhandlungen nicht nur persönlich teilgenommen, sondern sie auch persönlich geführt. Dazu erläutert der Antragsteller seine Tätigkeit ergänzend in 7 exemplarischen gerichtlichen Fällen (Teil I. der Liste, Fälle Nr. 2, 3, 6, 10, 11, 13 und 14).
Der Antragsteller beantragt,
den Bescheid der Antragsgegnerin vom 29.02.2008 - Az: F 6180-2/2007 - aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, dem Antragsteller zu gestatten, die Bezeichnung €Fachanwalt für Versicherungsrecht€ zu führen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Die Antragsgegnerin vertritt nach wie vor die Auffassung, die vom Antragsteller benannten 12 Fälle, die er außerhalb des Anstellungsverhältnisses bearbeitet habe, stellten keine erhebliche Anzahl im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dar. Die von ihm vorgelegten auszugsweisen Arbeitsproben ergäben keinen hinreichenden Aufschluss über die entscheidende Frage, inwieweit der Antragsteller eine hinreichende Anzahl von Fällen nicht unbedeutender Art weisungsfrei bearbeitet habe. Vielmehr ließen sie erahnen, dass eine unbedeutende Anzahl von Mandaten in den benannten Fällen gegeben sei. Teilweise hätten die Bearbeitungen nur einen Tag Bearbeitungszeit aufgewiesen, außerdem habe es sich um einen einzigen gerichtlichen und 11 außergerichtliche Fälle gehandelt.
Aus den vorgelegten Arbeitsproben ergebe sich auch nicht durchweg, dass der Antragsteller die Bearbeitung persönlich vorgenommen habe, da sie ja unter dem Briefkopf der Rechtsanwältin R. S. verfasst seien und nicht in jedem Falle die persönliche Unterschrift des Antragstellers trügen. Die Antragsgegnerin habe nicht feststellen können, dass der Antragsteller außerhalb seines Anstellungsverhältnisses eine erhebliche Anzahl nicht unbedeutender Mandate weisungsfrei und unabhängig auf seinem eigenen Briefpapier bearbeitet habe. Der Antragsteller habe vielmehr in seiner Antragsschrift hervorgehoben, er sei seit dem 01.04.1998 bei der L-Versicherung (V.) angestellt und bearbeite in dieser Eigenschaft in der zentralen Rechtsabteilung Haftpflichtschäden, wobei die Ansprüche aus den Haftpflichtversicherungsverträgen im Außenverhältnis den Anspruchsteller gegen den Versicherungsnehmer beträfen. Der Schwerpunkt der Tätigkeit des Antragstellers liege also in der Tätigkeit als Syndikus für den Arbeitgeber und nicht in der selbständigen Arbeit als Rechtsanwalt.
Der Senat hat die Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin über den Antrag des Antragstellers Nr. F 6180-2/2007 beigezogen; sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
II.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig, insbesondere rechtzeitig gestellt. Er bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg.
Die Antragsgegnerin hat mit dem angefochtenen Bescheid vom 29.02.2008 dem Antragsteller die Führung der Bezeichnung €Fachanwalt für Versicherungsrecht€ zu Recht versagt, weil der Erwerb besonderer praktischer Erfahrungen als Rechtsanwalt nicht in ausreichendem Maße festzustellen ist.
1. Gemäß § 43 c I BRAO kann dem Rechtsanwalt durch die Rechtsanwaltskammer, der er angehört, die Befugnis verliehen werden, eine Fachanwaltsbezeichnung zu führen. Dazu gehört nach § 1 Fachanwaltsordnung (FAO) auch die Fachanwaltsbezeichnung €Versicherungsrecht€.
Voraussetzung der Verleihung sind gemäß § 2 FAO besondere theoretische Kenntnisse und besondere praktische Erfahrungen. Diese Voraussetzungen liegen vor, wenn die Fähigkeiten des Antragstellers auf dem Fachgebiet erheblich das Maß desjenigen überschreiten, das üblicherweise durch die berufliche Ausbildung und praktische Erfahrung im Beruf vermittelt wird (§ 2 II FAO).
Die besonderen theoretischen Kenntnisse gemäß § 4 FAO hat der Antragsteller nachgewiesen durch Vorlage der Zertifikate der Deutschen Anwaltsakademie über die Absolvierung des Fachlehrganges Versicherungsrecht über 120 Zeitstunden Unterricht von Februar bis Juni 2004 und ferner den Nachweis des Bestehens von drei schriftlichen Aufsichtsarbeiten von je 5 Stunden Dauer zum Fachlehrgang Versicherungsrecht.
Der Erwerb besonderer theoretischer Kenntnisse des Antragstellers auf dem Fachgebiet Versicherungsrecht ist zwischen den Parteien auch außer Streit.
2. Der Erwerb besonderer praktischer Erfahrungen im Versicherungsrecht setzt gemäß § 5 S. 1 lit. h) FAO voraus, dass der Antragsteller innerhalb der letzten 3 Jahre vor der Antragstellung 80 Fälle, davon mindestens 10 gerichtliche Verfahren, persönlich und weisungsfrei bearbeitet hat. Diese müssen sich auf mindestens drei verschiedene Bereiche des § 14 a FAO beziehen, dabei auf jeden dieser drei Bereiche mindestens 5 Fälle.
Diese Anforderungen hat der Antragsteller nach der Überzeugung des Senats im Ergebnis nicht erfüllt.
a. Der Antragsteller hat insgesamt 86 Fälle aufgelistet, die er persönlich und weisungsfrei bearbeitet habe, davon entfallen 12 auf anwaltliche Tätigkeit außerhalb seines Anstellungsverhältnisses, die überwiegende Zahl - 74 - auf Tätigkeit als Syndikus für die L-Versicherung.
Der Antragsteller hat durch Bescheinigung der Rechtsanwältin S. nachgewiesen, dass er die von ihm aufgeführten 12 Fälle allein und selbständig auch gegenüber den Mandanten und im Außenverhältnis bearbeitet habe. Dabei kommt es nicht darauf an, dass der Antragsteller hier nicht unter eigenem Briefkopf den Schriftverkehr geführt hat, sondern ausschließlich unter dem Briefkopf der Rechtsanwältin R. S. Soweit die Urheberschaft des Rechtsanwalts etwa im Schriftverkehr aus dem Diktatzeichen und/oder der verantwortlichen Unterschrift nicht hervorgeht, was hier bei einigen der vorgelegten Arbeitsproben der Fall ist (vgl. z. B. Verwaltungsakten Blatt 108 bis 109, auch 113 und 114), ist die vorgelegte Bescheinigung der Rechtsanwältin R. S. ausreichend; sie gibt zu Zweifeln keinen Anlass.
Die in einem Falle dargelegte Eigenvertretung (Fall II. 69. [Verwaltungsakte Blatt 128 bis 129]) ist ausreichend (BGH Beschluss vom 06.03.2006 - AnwZ [B] 36/05, BRAK-Mitteilungen 2006, 131 [133]). Alles in allem hat der Antragsteller danach außerhalb des Anstellungsverhältnisses 11 außergerichtliche Fälle bearbeitet und einen gerichtlichen Fall. Das reicht im Ergebnis auch unter Berücksichtigung der dargelegten weiteren 74 Fälle - davon 15 gerichtliche Fälle -, die der Antragsteller im Rahmen des Anstellungsverhältnisses bearbeitet hat, nicht aus.
27b. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann das Erfordernis einer weisungsfreien Bearbeitung von Fällen als Rechtsanwalt im Sinne von § 5 S. 1 FAO nicht allein durch eine unabhängige Bearbeitung als Rechtsanwalt in einem ständigen Dienstverhältnis (so genannter Syndikus-Anwalt) erfüllt werden. Solche Fallbearbeitungen können dazu zwar berücksichtigt werden. Es bedarf aber nach wie vor zusätzlich noch der Bearbeitung einer erheblichen Anzahl nicht unbedeutender Mandate außerhalb des Anstellungsverhältnisses und einer abschließenden Bewertung und Gewichtung der von dem Antragsteller jeweils vorgelegten Fälle aus beiden beruflichen Bereichen (BGH, Beschluss vom 25.10.2006 - AnwZ [B] 80/05, BRAK-Mitteilungen 2007, 27 [28] Rz 12).
Der Bundesgerichtshof hat in dieser Entscheidung bekräftigt, dass die in § 5 S. 1 FAO verlangte praktische Erfahrung im Rahmen einer weisungsfreien und unabhängigen Tätigkeit als Syndikus-Anwalt einer persönlichen und weisungsfreien Fallbearbeitung als Rechtsanwalt nicht gleichstehe. Begründet worden ist dies damit, dass der selbständige, wie der bei einem anderen Rechtsanwalt angestellte Rechtsanwalt die ihm übertragenden Mandate nicht nur unabhängig und weisungsfrei zu bearbeiten habe. Dabei seien vielmehr auch die wechselnden Perspektiven des jeweiligen Mandanten anzunehmen, was gerade die in § 5 S. 1 FAO geforderte praktische Erfahrung präge. Eine solche Erfahrung lasse die Führung einer Fachanwaltsbezeichnung bei dem anwaltliche Beratung und Vertretung suchenden Publikum auch erwarten. Sie könne bei einem Rechtsanwalt, der nur im Rahmen seines Anstellungsverhältnisses als Syndikus-Anwalt tätig wird, auch dann nicht vorausgesetzt werden, wenn die Fallbearbeitung weisungsfrei und unabhängig ist. Denn er nimmt hierbei nach dem Zweck seiner Anstellung allein die Perspektive seines Arbeitgebers oder - bei einem Verbandssyndikus - die Perspektive der Mitglieder seines Arbeitgebers ein und muss deshalb zusätzliche praktische Erfahrung außerhalb seines Anstellungsverhältnisses nachweisen (BGH a. a. O., Rz 13).
Der Antragsteller hat in diesem Zusammenhang behauptet, er habe alle Fälle im Rahmen seines Anstellungsverhältnisses persönlich, allein und weisungsfrei bearbeitet. Zum Nachweis hat er sich auf eine Bescheinigung der V.-Versicherungen bezogen (Verwaltungsakte Blatt 17).
Diese Bescheinigung begegnet grundsätzlichen Bedenken: Sie trägt das Datum des 26.06.2006, kann also eine Reihe der nach diesem Datum bearbeiteten und in der Liste aufgeführten Fälle nicht erfassen, die immerhin bis weit in das Jahr 2007 hinreichen. Darüber hinaus bezieht sich die Bescheinigung auf €alle in der Fallliste aufgeführten Fälle€. Der inhaltliche Bezug ist nicht eindeutig. Die Bescheinigung ist isoliert vorgelegt worden. Sie ist weder auf der Fallliste selbst enthalten noch fest mit ihr verbunden. Der objektive Aussagewert dieser Bescheinigung ist also gering. Hinzukommt, dass der Name des Ausstellers in Klartext ebenso fehlt wie dessen genaue Funktionsbeschreibung; die Unterschrift lässt die Entzifferung eines Namenszuges nicht zu. Die Mindestanforderungen an den Nachweis gemäß § 6 FAO sind unter diesen Umständen nicht erfüllt.
c. Selbst wenn eine derartige Bescheinigung, die den Anforderungen genügt, noch vorgelegt würde, würde sie in diesem Falle allein nicht ausreichend sein. Die vorgelegte Fallliste lässt aus sich heraus und im Zusammenhang mit den weiteren Erläuterungen des Antragstellers nämlich gleichwohl nicht ausreichend erkennen, ob die aufgeführten Fälle tatsächlich Berücksichtigung finden könnten. Denn die weisungsfreie und unabhängige Tätigkeit muss deutlich abgegrenzt werden von einem bloßen €Wirken im Hintergrund€ (BGH a. a. O. Rz 8). Es muss erkennbar werden, inwieweit auch bei Vertretung des Arbeitgebers in gerichtlichen Verfahren eine den Aufgaben des Rechtsanwalts vergleichbare Tätigkeit erfolgte, die der Antragsteller ja nun gerade nominell als Anwalt für den Arbeitgeber wegen § 46 I BRAO nicht ausüben durfte. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist nicht jede praktische Erfahrung ausreichend für die Zulassung als Fachanwalt, sondern eine solche, die als Rechtsanwalt erworben wurde.
Fallbearbeitungen im Rahmen des Anstellungsverhältnisses müssten also mindestens der Tätigkeit eines Rechtsanwalts nahe kommen, wenn sie ein namhaftes Defizit an Fällen aus dem Bereich der externen Bearbeitungen kompensieren sollen.
Die Angaben des Antragstellers zu den einzelnen Fällen im Rahmen seines Anstellungsverhältnisses sind außerordentlich knapp. Erläuterungen über Art und Tätigkeit fehlen größtenteils. Wie ausführlich diese sein müssen, richtet sich nach den konkreten Anforderungen im Einzelfall. Gerade bei Tätigkeiten, die außerhalb typischer Anwaltstätigkeit liegen, muss über die bloße Behauptung und Bescheinigung hinaus erkennbar und nachprüfbar sein, ob und inwieweit etwa der jeweilige Antragsteller Schriftsätze selbst und eigenverantwortlich verfasst und ob er Termine selbst und eigenverantwortlich wahrgenommen hat, und dass auch im Übrigen die inhaltliche und organisatorische Bearbeitung derjenigen eines Rechtsanwaltes weitgehend entspricht.
Für Außenstehende, wie insbesondere auch die Mitglieder des Fachausschusses, aber auch den Senat, ist die interne Aufgabenverteilung des Arbeitgebers eines Syndikus-Anwalts ebenso begrenzt nachprüfbar, wie die Sachbearbeitung des angestellten Anwalts im Einzelnen selbst. Schon im Verwaltungsverfahren waren vom Berichterstatter des Fachausschusses offenbar Bedenken gegen die bisherigen Kurzerläuterungen gegenüber dem Antragsteller vorgebracht worden (vgl. Berichterstattervotum vom 29.10.2007, S. 2, Verwaltungsakte Blatt 145). Darauf hat der Antragsteller allein zu Fall I. 16. eine Arbeitsprobe vorgelegt (Verwaltungsakte Blatt 131 bis 133). Diese lässt durchaus Ansatzpunkte einer zu dem selbständigen Rechtsanwalt vergleichbaren Arbeitsweise bei Abfassung des Schriftsatzes erkennen, genügt aber nicht für ein Gesamtbild. Hier könnten weitere Arbeitsproben und detaillierte Beschreibungen typischer Arbeitsabläufe entsprechende Feststellungen insgesamt erlauben. Es müsste dabei gegebenenfalls z. B. die Informationsbeschaffung, die Büroorganisation, die Fristennotierung und Fristenkontrolle transparent werden. Wenn schon die Vergütungsabrechnung bei internen Fällen entfällt, müssen praktische Erfahrungen auch im Hinblick auf den Umgang mit gegnerischen Kostenfestsetzungsgesuchen oder Vergütungsansprüchen etwa im Rahmen von Schadensersatzforderungen erkennbar sein (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 06.03.2006 - AnwZ [B] 37/05, BRAK-Mitteilungen 2006, 134, 136). Denn all diese Gesichtspunkte charakterisieren eine anwaltstypische Bearbeitung von Fällen. Gerade auch auf solchen Gebieten muss Erfahrung bestehen, die Rechtsuchende bei einem Fachanwalt erwarten (dürfen). Soweit aber solche praktischen Erfahrungen durch die Tätigkeit im Rahmen eines Anstellungsverhältnisses nicht vermittelt werden (können), müssen sie durch entsprechende Fallbearbeitung außerhalb des Anstellungsverhältnisses erworben worden sein.
Die vom Antragsteller im Rahmen der Begründung seines Antrages auf gerichtliche Entscheidung ergänzten Erläuterungen zu sieben ausgewählten gerichtlichen Fällen reichen nicht aus. Denn hier erläutert der Antragsteller allein das spezifisch versicherungsrechtliche Problem des jeweiligen Falles. Darum allein geht es jedoch bei der Frage, ob Anwaltstätigkeit vorliegt, nicht.
Solange aus der Fallliste des Antragstellers, der vorgelegten Arbeitsprobe und den ergänzenden Erläuterungen nicht ausreichend erkennbar und nachprüfbar ist, dass die selbständige und unabhängige Fallbearbeitung derjenigen eines Rechtsanwalts nahe kommt, müssen die besonderen Erfahrungen der Anwaltstätigkeit auch auf dem Fachgebiet durch entsprechende spezifische Anwaltstätigkeit nachgewiesen werden. Es gibt also keinen Anlass, von der Forderung abzuweichen, dass neben den Fallbearbeitungen im Rahmen des Anstellungsverhältnisses noch die Bearbeitung einer erheblichen Anzahl nicht unbedeutender Mandate außerhalb des Anstellungsverhältnisses nachgewiesen wird. Die vom Bundesgerichtshof vorgegebene abschließende Bewertung und Gewichtung der vom Antragsteller jeweils vorgelegten Fälle aus beiden beruflichen Bereichen kann hier nach Überzeugung des Senats nicht zu der Feststellung führen, dass der Antragsteller in erforderlichem Umfang besondere praktische Erfahrungen erworben hat.
d. Die von ihm dargelegten Fälle außerhalb der Syndikus-Tätigkeit reichen bei weitem nicht aus, die Annahme einer erheblichen Anzahl nicht unbedeutender Mandate außerhalb des Anstellungsverhältnisses zu rechtfertigen. Die vom Antragsteller in diesem Rahmen bearbeiteten 12 Fälle stellen gerade einmal 15 % der insgesamt geforderten 80 Fälle dar. Bezogen auf die Zahl der gerichtlichen Verfahren liegt die Quote nur bei 10 % (ein Fall von 10 geforderten Fällen).
38Eine schematische Festlegung, welche Anzahl von Fällen in diesem Sinne €erheblich€ ist, lässt sich für alle in Betracht kommenden Fallgruppen der verschiedenen Fachanwaltschaften kaum treffen. Dazu sind die Tätigkeitskonstellationen im Einzelfall möglicherweise zu unterschiedlich, wie die Beispiele aus der Rechtsprechung erkennen lassen (vgl. BGH vom 25.10.2006, BRAK-Mitteilungen 2007, 27 einerseits und BGH vom 06.03.2006, BRAK-Mitteilungen 2006, 134 andererseits). Stellt man jedoch die vom Bundesgerichtshof zur Begründung seiner Rechtsprechung vorgebrachten Gesichtspunkte in den Vordergrund, so könnte dies den Gedanken nahe legen, dass jedenfalls in Fällen der vorliegenden Art für den Fachanwalt für Versicherungsrecht möglicherweise sogar eine Quote von über 50 % in Betracht zu ziehen sein könnte, wenn es gerade darum geht, bei dem rechtsuchenden Publikum Vertrauen in die spezifische Qualifikation eines Fachanwalts zu erwecken, die eben nicht nur durch die Perspektive eines im festen Anstellungsverhältnis tätigen Rechtsanwalts geprägt ist. Eine abweichende Gewichtung erscheint nur dann möglicherweise vertretbar, wenn der Antragsteller schlüssig und nachprüfbar darlegt, dass auch die im Rahmen des Anstellungsverhältnisses erfolgte Fallbearbeitung derjenigen eines Rechtsanwalts mit Ausnahme der auf den Arbeitgeber bezogenen Perspektive tatsächlich sehr weitgehend nahe kommt. Es können deshalb im vorliegenden Falle im Wesentlichen die externen Fallbearbeitungen und diejenigen im Rahmen des Anstellungsverhältnisses nur zahlenmäßig zueinander ins Verhältnis gesetzt werden. Diese hier rein schematisch vorgenommene Gewichtung kann nach Überzeugung des Senats unter keinen Umständen dazu führen, dass die außerhalb des Anstellungsverhältnisses erworbenen praktischen Erfahrungen ein solches Maß erreicht hätten, dass die Annahme besonderer praktischer Erfahrungen des Antragstellers spezifisch in seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt gerechtfertigt wäre. Dabei unterstellt der Senat zu Gunsten des Antragstellers vorläufig, dass alle der dargelegten 12 Fälle nicht nur unbedeutender Art waren, woran bei einzelnen Fällen auf den ersten Blick nach Inhalt und Aufwand durchaus Zweifel bestehen könnten. Diese Bedenken können hier dahinstehen.
e. Der gegen die Auffassung des Bundesgerichtshofs vorgebrachten Kritik (Kleine-Cosack, Bundesrechtsanwaltsordnung, 5. Auflage 2008, Anhang I. 2., Rz 42 zu § 5 FAO) schließt sich der Senat nicht an. Ein zweifelsfrei formulierter Wille der Satzungsversammlung, es sollten mit der Neufassung des § 5 S. 1 FAO die Syndikus-Anwälte den niedergelassenen Anwälten völlig gleichgestellt werden, lässt sich nicht feststellen. Die neue Formulierung des § 5 S. 1 FAO folgt in der Diktion nur der früheren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei Auslegung des ursprünglichen Erfordernisses einer €selbständigen Bearbeitung€; solche war nur anzunehmen, wenn sie weisungsfrei und unabhängig war.
Mit der Neufassung des § 5 S. 1 FAO, die eine persönliche und weisungsfreie Bearbeitung fordert, ist inhaltlich keine substantielle Herabsetzung der praktischen Anforderungen an den Erwerb der Berechtigung zum Führen einer Fachanwaltsbezeichnung verbunden; diese sind im Kern gleich geblieben. Bislang entspricht es allgemeiner Auffassung, dass nicht jede praktische Erfahrung für die angestrebte Fachanwaltsbezeichnung ausreichen soll, sondern nur die spezifisch praktische Erfahrung als Rechtsanwalt (BGH vom 25.10.2006, BRAK-Mitteilungen 2007, 27 [28], Rz 11). Das allein entspricht dem (berechtigten) Erwartungshorizont des rechtsuchenden Publikums. Es nützt dem Rechtsuchenden unter Umständen nicht viel, dass der Anwalt auf dem betreffenden Fachgebiet als solchem zwar hoch kompetent ist, wenn ihm auf der anderen Seite gleichzeitig eine ausreichende Erfahrung in praktischer Anwaltstätigkeit vielleicht fehlt. Die von Kleine-Cosack offenbar vertretene pauschale Gleichsetzung der Tätigkeiten des (weisungsfreien) Syndikus-Anwalts mit der des niedergelassenen Anwalts lässt sich nach Einschätzung des Senats nicht ohne weiteres rechtfertigen; das Tätigkeitsbild, die Aufgabenverteilung und die Fallbearbeitung des Syndikus können je nach Arbeitgeber und Fachgebiet höchst unterschiedlich sein. Kleine-Cosack räumt an anderer Stelle (Rz 64 zu § 7 BRAO) selbst ein, der Begriff €Syndikus-Anwalt€ sei schillernd, da sich dahinter die unterschiedlichsten Formen juristischer Tätigkeit verbergen.
Damit ergibt sich zugleich, dass auch von sachwidriger Ungleichbehandlung - Verstoß gegen Art. 3 I GG - zwischen Syndikus-Anwälten und niedergelassenen Anwälten nicht die Rede sein kann, so lange noch signifikante Unterschiede in deren Arbeitsweise möglich sind und die einseitige Perspektive des Syndikus-Anwalts in der Regel stark im Vordergrund steht. Damit ist weiter mit der hier vertretenen Auslegung des § 5 S. 1 FAO auch ein gewisser Eingriff in die Berufsfreiheit (Art. 12 I GG) des Syndikus-Anwalts im besonderen Interesse des Gemeinwohls geboten und gerechtfertigt.
f. Der Ansicht des vom Antragsteller zur Stützung seiner Auffassung herangezogenen Entscheidung des AGH Nordrhein-Westfalen vom 14.07.2005 - 1 ZU 46/04, Anwaltsblatt 2005, 649 f., es genüge für den Nachweis praktischer Erfahrung nur eine Quote von 8 % (nur 4 externe Fälle von 50 insgesamt), vermag der Senat nicht beizutreten. Die genannte Entscheidung ist auf den vorliegenden Sachverhalt auch nicht ohne weiteres übertragbar.
Dort ging es um die Verleihung der Bezeichnung €Fachanwalt für Steuerrecht€, ebenso wie in der Entscheidung des BGH vom 06.03.2006 AnwZ (B) 37/05, BRAK-Mitteilungen 2006, 134 ff. Beide Entscheidungen zeigen, dass die Tätigkeit eines Syndikus in einer Versicherung mit der eines Syndikus in einer Wirtschaftsprüfer-/Steuerberatergesellschaft nicht unmittelbar vergleichbar ist. Letzterer bearbeitet typischerweise Fälle von Mandanten, während der Syndikus bei der Versicherung - wie hier der Antragsteller - letztlich im Wesentlichen Fälle für den Arbeitgeber bearbeitet, mag es dabei auch vordergründig gegebenenfalls um Schadensfälle des Versicherungsnehmers gehen. Der in der Steuerberaterpraxis angestellte Rechtsanwalt steht damit in dieser Konstellation dem völlig externen, selbständigen Rechtsanwalt näher als der etwa bei einer Versicherung angestellte Syndikus. Das allein mag eine geringere Zahl an völlig externen Mandaten ausreichend erscheinen lassen. Im Übrigen geht aus den veröffentlichten Entscheidungsgründen nicht im Einzelnen hervor, weshalb dort nur 4 externe von 50 Fällen insgesamt ausreichend sein sollen. Die Fälle werden weder nach Umfang noch nach Bedeutung in irgendeiner Weise beschrieben. Mit den hier vorangestellten, tragenden Erwägungen des Bundesgerichtshofs in der Entscheidung vom 25.10.2006, BRAK-Mitteilungen 2007, 27 ff., die sich zudem spezifisch mit einem bei einer Versicherung angestellten Syndikus befasst, ist die Entscheidung des AGH Nordrhein-Westfalen jedenfalls für den vorliegenden Fall nicht vereinbar.
3. Der Senat hat die sofortige Beschwerde zugelassen, weil über Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden war, § 223 III S. 2 BRAO. Zwar gibt die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 25.10.2006 in weiten Teilen bereits die Leitlinien vor, die für die vorliegende Entscheidung bestimmend waren. Abweichend von dem dort entschiedenen Fall steht hier aber im Vordergrund die Darstellung des Antragstellers, er sei im Wesentlichen nicht im Hintergrund, sondern unmittelbar nach außen hin weisungsfrei auch im Rahmen seines Anstellungsverhältnisses tätig geworden; in diesem Zusammenhang geht es um die Anforderungen an die Darlegung und den Nachweis dieser Umstände. Im Übrigen erscheint die Frage von grundsätzlicher Bedeutung, welche Anzahl von Mandaten ein angestellter Rechtsanwalt außerhalb des Anstellungsverhältnisses bearbeitet haben muss und welche Bedeutung diese Mandate haben müssen, um ihm im Rahmen einer Gesamtwertung und Gewichtung sämtlicher Fälle aus beiden Bereichen die Bezeichnung €Fachanwalt für Versicherungsrecht€ gestatten zu können, gegebenenfalls in Abgrenzung zu anderen Fachanwaltsgebieten.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 201 I BRAO. Anlass, die Erstattung außergerichtlicher Kosten anzuordnen, bestand nicht (§§ 40 IV BRAO, 13 a I S. 1 FGG). Die Bemessung des Geschäftswerts entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats in vergleichbaren Fällen.
AGH Celle:
Beschluss v. 05.01.2009
Az: AGH 7/08
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