Bundespatentgericht:
Urteil vom 31. Mai 2005
Aktenzeichen: 1 Ni 9/04
(BPatG: Urteil v. 31.05.2005, Az.: 1 Ni 9/04)
Tenor
1.
Das deutsche Patent 38 01 617 wird für nichtig erklärt.
2.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
3.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des deutschen Patents 38 01 617 (Streitpatent), das am 21. Januar 1988 angemeldet worden ist. Das Patent führt die Bezeichnung "Notsteuereinrichtung für elektrohydraulische Ausbausteuerungen".
Die erteilten und mit der Klage sämtlich angegriffenen Patentansprüche 1 bis 12 lauten:
1. Notsteuereinrichtung für elektrohydraulische Ausbausteuerungen mit den Ausbaueinheiten zugeordneten Ventileinheiten, deren Magnetventile über eine elektrische Leitungsverbindung von einem elektronischen Steuergerät ansteuerbar sind, dadurch gekennzeichnet, dass mit der Ventileinheit
(2) oder deren Leitungsverbindung (5) das elektrische Anschlusskabel (10) eines als transportables Handsteuergerätausgebildeten, mit einer Batterie (11) versehenen Notsteuergerätes (9), das mit einem eigenen Bedienfeld (12) mit Tastatur (13) versehen ist, über ein Kupplungsstück (8) lösbar kuppelbar ist.
2.
Notsteuereinrichtung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass das Kupplungsstück (8) für die Kupplung mit dem Anschlusskabel (10) des Notsteuergerätes (9) in ein die elektrische Leitungsverbindung (5) bildendes mehradriges Versorgungskabel eingeschaltet ist, welches das baueigene elektronische Steuergerät (1) mit der Ventileinheit (2) verbindet.
3.
Notsteuereinrichtung nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass das elektrische Anschlusskabel (10) des Notsteuergerätes (9) über eine Steckkupplung mit dem Kupplungsstück (8) kuppelbar ist.
4.
Notsteuereinrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, dass das Kupplungsstück (8) aus einem T-Stück mit drei Kupplungsorganen für die mechanische und elektrische Kabelkupplung besteht.
5.
Notsteuereinrichtung nach Anspruch 4, dadurch gekennzeichnet, dass die Kupplungsorgane des als T-Stück ausgebildeten Kupplungsstücks (8) aus die Steckkupplungen bildenden Kupplungsmuffen und/oder Steckerteilen bestehen.
6.
Notsteuereinrichtung nach Anspruch 5, dadurch gekennzeichnet, dass die beiden Kupplungsorgane für die elektrische Leitungsverbindung (5) zwischen dem elektronischen Steuergerät (1) und der Ventileinheit (2) einerseits aus einer Kupplungsmuffe (16) und andererseits aus einem Kupplungsstecker (17) bestehen.
7.
Notsteuereinrichtung nach einem der Ansprüche 4 bis 6, dadurch gekennzeichnet, dass der Innenraum des als T-Stück ausgebildeten Kupplungsstücks (8) eine Vergussmasse (18) enthält.
8.
Notsteuereinrichtung nach einem der Ansprüche 4 bis 7, dadurch gekennzeichnet, dass die Kupplungsorgane in das als T-Stück ausgebildete Kupplungsstück (8) eingeschraubt sind.
9.
Notsteuereinrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 8, dadurch gekennzeichnet, dass die elektrische Leitungsverbindung (5) zwischen der Ventileinheit (2) und dem elektronischen Steuergerät (1) bildende Versorgungskabel zwei elektrische Adern für die Stromversorgung der Magnetventile (3) sowie zwei weitere elektrische Adern als Datenbus für die Einzeloder Gruppensteuerung der Magnetventile
(3) über eine mit der Ventileinheit (2) vereinigte Ansteuereinheit (6) aufweist.
10.
Notsteuereinrichtung nach Anspruch 9, dadurch gekennzeichnet, dass die Ansteuereinheit (6) aus einer Schieberegistereinheit besteht.
11.
Notsteuereinrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 10, dadurch gekennzeichnet, dass das Notsteuergerät (9) mit einem Bedienfeld (12), einer Tastatur (13) und mit einer Steuerelektronik versehen ist, die derjenigen des baueigenenelektronischen Steuergerätes (1) entspricht.
12.
Notsteuereinrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 11, dadurch gekennzeichnet, dass die Ansteuereinheit (6) der Ventileinheit (2) mit einem Kupplungsanschluss für das Anschlusskabel (10) des Notsteuergerätes (9) versehen ist.
Die Klägerin führt aus, dass die Gegenstände der angegriffenen Patentansprüche nicht neu seien, zumindest nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhten. Sie verweist hierzu u.a. auf folgende Druckschriften:
(NK1) Auszug aus: "German Longwall Mining", 1985, Verlag Glückauf, S. 89 bis 93 (NK5) deutsche Patentschrift 34 43 954 (NK6) deutsche Offenlegungsschrift 30 22 134 Die Beklagte überreichte in der mündlichen Verhandlung vom 31. Mai 2005 einen Hilfsantrag in Form eines neu formulierten Patentanspruchs 1, der folgendermaßen lautet:
1. Notsteuereinrichtung für elektrohydraulische Ausbausteuerungen mit den Ausbaueinheiten zugeordneten Ventileinheiten, deren Magnetventile über eine elektrische Leitungsverbindung von einem elektronischen Steuergerät ansteuerbar sind, dadurch gekennzeichnet, dass mit der Ventileinheit (2) oder deren Leitungsverbindung (5) das elektrische Anschlusskabel (10) eines als transportables Handsteuergerät ausgebildeten, mit einer Batterie (11) für die Stromversorgung des Notsteuergerätes und der jeweiligen Ventileinheit versehenen Notsteuergerätes (9), das mit einem eigenen Bedienfeld (12) mit Tastatur (13) versehen ist, über ein Kupplungsstück (8) lösbar kuppelbar ist.
Die Klägerin beantragt, das deutsche Patent 38 01 617 für nichtig zu erklären.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen (Hauptantrag), hilfsweise Anspruch 1 des Patents im Umfang des in der mündlichen Verhandlung überreichten Hilfsantrags aufrechtzuerhalten und die Unteransprüche auf diesen neu formulierten Anspruch zu beziehen (Hilfsantrag).
Zu weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Gründe
Die in zulässiger Weise erhobene Klage, mit der der Nichtigkeitsgrund der fehlenden Patentfähigkeit geltend gemacht wird (§ 22 Abs 1 iVm § 21 Abs 1 Nr 1 PatG), ist begründet.
I Das Streitpatent betrifft eine Notsteuereinrichtung für elektrohydraulische Ausbausteuerungen mit den Ausbaueinheiten zugeordneten Ventileinheiten, deren Magnetventile über eine elektrische Leitungsverbindung von einem elektronischen Steuergerät ansteuerbar sind. Solche elektrohydraulischen Ausbausteuerungen sind in verschiedenen Ausführungen aus dem Stand der Technik bekannt. Die Streitpatentschrift verweist in Spalte 1, Zeilen 1 bis 11, u.a. auf zwei Aufsätze in der Zeitschrift "Glückauf" der Jahrgänge 1984, Seiten 135 bis 140 (Druckschrift D 7), sowie 1986, Seiten 1183 bis 1187 (Druckschrift D 8).
Dem Streitpatent liegt die Aufgabe zugrunde, für elektrohydraulische Steuerungen der genannten Art eine Notsteuereinrichtung mit einem einfachen Hilfsgerät (Notsteuergerät) zu schaffen, mit der bzw. dem es möglich ist, bei einem Teiloder Vollversagen des elektronischen Betriebssteuersystems bzw. der betrieblichen Stromversorgung oder auch bei anderen Betriebszuständen, zum Beispiel bei der Montage, Demontage oder Umrüstung der Ausbaueinheiten, wenn das normale elektrische System nicht zur Verfügung steht, eine gezielte Ansteuerung der Ausbaueinheit von einem gesicherten Standort aus, das heißt von einem Nachbargestell aus, vornehmen zu können (siehe Sp 1, Z 54 bis 66 der Streitpatentschrift).
Diese Aufgabe soll mit einem Gegenstand mit den Merkmalen des erteilten Patentanspruchs 1 (gem Hauptantrag) bzw. des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag gelöst werden.
Eine der Lösung der genannten Aufgabe dienende Notsteuereinrichtung im Sinne des Streitpatents kommt demnach -darüber besteht Einvernehmen zwischen den Parteien -nur bei besonderen Betriebszuständen der Ausbaueinheit (dh im Ausnahmefall) zum Einsatz, bei denen die einzelnen Funktionen der Ausbaueinheit durch gezielte manuelle Ansteuerung der Ventileinheiten gesteuert werden müssen. Diese besondere Einzelsteuerung wird nach dem unwidersprochenen Vortrag der Klägerin im Bergbau üblicherweise als Reparatursteuerung bezeichnet.
Kern der erfindungsgemäßen Notsteuereinrichtung ist ein transportables Handsteuergerät (Notsteuergerät), das mit einer Batterie und eigenem Bedienfeld mit Tastatur versehen und über ein elektrisches Anschlusskabel mit der Ventileinheit koppelbar ist. Dabei ist der Gegenstand nicht etwa so eng auszulegen, dass das Steuergerät mit der Batterie zu einer Einheit verbunden sein müsste, die von einem Bergmann tragbar und von diesem in der Hand gehalten bedienbar wäre. Der Gegenstand umfasst vielmehr auch ein Steuergerät, das -evtl. sogar unter Zuhilfenahme von geeigneten Transport(hilfs)mitteln -im Streb bewegt werden kann, das über die Tastatur von Hand bedienbar ist und das von einer Batterie stromversorgt wird.
II 1. Zum Hauptantrag:
1.1. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag (= erteilte Fassung) ist unstrittig gewerblich anwendbar. Er mag auch neu sein, er stellt jedoch nicht das Ergebnis einer erfinderischen Tätigkeit dar, weil er sich für den Fachmann -einen Dipl.-Ing. der Fachrichtung Elektrotechnik mit mehrjähriger Erfahrung auf dem Gebiet der Steuerungen im Bergbau -am Anmeldetag des Streitpatents in nahe liegender Weise aus dem Stand der Technik ergab.
Der Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag kann entsprechend der von der Beklagten vorgelegten Anlage B2 wie folgt gegliedert werden:
(1)
Notsteuereinrichtung für elektrohydraulische Ausbausteuerung mit den Ausbaueinheiten zugeordneten Ventileinheiten.
(2)
Die Magnetventile der Ventileinheiten sind über eine elektrische Leitungsverbindung von einem elektronischen Steuergerät ansteuerbar.
(3)
Die Notsteuereinrichtung umfasst ein Notsteuergerät.
(3.1) Das Notsteuergerät ist als transportables Handsteuergerät ausgebildet.
(3.2) Das Notsteuergerät ist mit einer Batterie versehen.
(3.3) Das Notsteuergerät ist mit einem eigenen Bedienfeld mit Tastatur versehen.
(4.1.1) Das Notsteuergerät ist mit der Ventileinheit kuppelbar; oder
(4.1.2) das Notsteuergerät ist mit der Leitungsverbindung der Ventileinheit kuppelbar.
(4.2) Die Kupplung erfolgt mittels eines elektrischen Anschlusskabels
(4.3) über ein Kupplungsstück.
(4.4) Die Kupplung ist lösbar.
1.2 Aus dem in der Streitpatentschrift gewürdigten Stand der Technik sind elektrohydraulische Ausbausteuerungen in verschiedenen Ausführungen bekannt. Diese verfügen über den einzelnen Ausbaueinheiten zugeordnete Ventileinheiten, deren Magnetventile über elektrische Leitungsverbindungen vom baueigenen Steuergerät elektrisch geschaltet werden (siehe Sp 1 Z 12 bis 37 der Streitpatentschrift). Aus der deutschen Patentschrift 34 43 954 (Druckschrift NK5) sind dem Fachmann tragbare Funkfernsteuergeräte für elektrohydraulische Ausbausteuerungen hinlänglich bekannt, mit denen ein Bediener bei aufgetretenen Störungen an einer Ausbaueinheit Handsteuerbefehle an die Ausbausteuerung der Ausbaueinheit aus sicherer Entfernung übertragen kann. Diese bekannten Funkfernsteuergeräte dienen folglich als Notsteuergeräte im Sinne des Streitpatents. Sie sind mit eigenem Bedienfeld mit Tastatur ausgestattet und verfügen üblicherweise über eine Batterie, die die erforderliche elektrische Energie zur Erzeugung der Funksignale liefert (siehe Sp 4, Z 30 bis 54 in NK5). Die Merkmale 1 bis 3.3 der Gliederung (B2) sind damit aus der Druckschrift NK5 bekannt. Die für die Funktion der Magnetventile erforderliche elektrische Energie wird offenbar von der normalen betrieblichen Stromversorgung an der Ausbaueinheit bereitgestellt.
Der Patentanspruch 1 enthält in der erteilten Fassung keine explizite Angabe darüber, dass durch die Batterie, mit der das Notsteuergerät versehen ist, auch die Stromversorgung der jeweiligen Ventileinheit erfolgt. Die Beklagte leitet diese Funktion der patentgemäßen Vorrichtung aus dem Begriff "Notsteuerung" ab. Laut ihrem Vortrag in der mündlichen Verhandlung wisse der Bergmann sofort, dass eine Notsteuerung dann zum Einsatz komme, wenn die Stromversorgung durch das normale elektrische System unterbrochen sei und er hierfür Ersatz benötige. Die Klägerin hingegen vertritt die Auffassung, der Begriff "Notsteuereinrichtung" selbst besage dies nicht. Aus der dem Streitpatent zugrunde liegenden Aufgabe ergebe sich, dass die patentierte Notsteuereinrichtung im Ausnahmefall zum Einsatz kommen solle. Eine unterbrochene betriebliche Stromversorgung sei dabei nur einer von vielen genannten Ausnahmefällen. Dieser Meinungsstreit braucht im vorliegenden Zusammenhang nicht entschieden zu werden, da keine der beiden Auslegungen die erforderliche Erfindungshöhe zu begründen vermag.
1.2.1. Folgt man der Auffassung der Klägerin, wird also als Gegenstand des Patentanspruchs 1 in seiner erteilten Fassung die Notsteuerung ohne die Stromversorgung der Ventileinheit durch die Batterie des Notsteuergeräts verstanden, so unterscheidet er sich von dem Stand der Technik nach der Druckschrift NK5 noch durch die Merkmale 4.1 bis 4.4 der Gliederung (B2). Diese Merkmale beschreiben lediglich die Verbindung des Handsteuergeräts mit der Ventileinheit über ein elektrisches Anschlusskabel mit rein handwerklichen Maßnahmen, wie die lösbare Kupplung über ein Kupplungsstück, und stellen die dem Fachmann bspw. aus der deutschen Offenlegungsschrift 30 22 134 (Druckschrift NK6) zur Funkfernsteuerung hinlänglich bekannte Alternative einer Kabelfernsteuerung dar, in deren Austausch der Senat daher keine erfinderische Tätigkeit erkennen kann (siehe auch Fig 2 und zugehörige Beschreibung in NK6).
1.2.2. Dem Fachmann sind auch Ausbausteuerungen mit eigenen elektronischen Steuergeräten an jeder Ausbaueinheit bekannt. Der von der Klägerin als Anlage NK1 vorgelegte Auszug aus: "German Longwall Mining", 1985, Verlag Glückauf, Seiten 89 bis 93, ist eine englische Übersetzung des Aufsatzes von Buschmann "Elektrohydraulische Ausbausteuerungen bei der Bergbau AG Niederrhein", der in der Zeitschrift Glückauf, 1984, Seiten 135 bis 140 (Druckschrift D 7), erschienen ist und in der Streitpatentschrift bereits gewürdigt wurde. Dieser Aufsatz von Buschmann beschreibt verschiedene Steuereinrichtungen für elektrohydraulische Ausbausteuerungen, beispielsweise das System "Panzermatic E", bei dem jedem Schild (= Ausbaueinheit) im Streb ein elektronisches Einzelsteuergerät mit einem Mikroprozessor zugeordnet ist. Das Einzelsteuergerät des Systems "Panzermatic E" ist bekanntermaßen ein autarkes Steuergerät mit integriertem Bedienund Anzeigefeld. Das Gerät ist steckbar (= lösbar kuppelbar), wobei über die Stecker (= Kupplungsstück) u.a. die Signale der Sensoren zugeführt, die Ventile angesteuert und die Stromversorgung angeschlossen werden (siehe auch Seite 1184, li Sp, Abs 3 in Glückauf, 1986 (Druckschrift D 8)). Das System "Panzermatic E" sieht in jedem Schild eine eigene eigensichere Stromversorgung vor, womit verhindert werden soll, dass beim Ausfall eines Gerätes der gesamte Streb stillgesetzt wird. Ventileinheit und Steuergerät eines Schildes werden also von der eigenen Stromversorgung des Schildes mit elektrischer Energie versorgt. Das Bedienfeld des Einzelsteuergeräts verfügt über eine Tastatur, deren Bedienungstasten jeweils einer Funktion zugeordnet sind, und kann zusammen mit dem Steuergerät, in das das Bedienfeld integriert ist, auch räumlich getrennt vom Hydraulikblock verwendet werden. Die elektrischen Verbindungen sind in Form von Kabeln hergestellt (siehe S 139, li Sp und Bild 4 in D 7). Die in dem Aufsatz von Buschmann (D 7) beschriebenen Anforderungen an elektrohydraulische Ausbausteuerungen umfassen neben anderen Betriebsarten auch bereits die Betriebsart "Reparatursteuerung", die im Ausnahmefall die Einzelsteuerung der Funktionen im Schild durch Betätigung der Bedienungstasten durch den Bediener gestattet (siehe S 136 in D 7) und damit (abgesehen von der von der Beklagten vorgetragenen Stromversorgung der Ventileinheiten) einer Notsteuerung im Sinne des Streitpatents entspricht. Jedes Einzelsteuergerät des Systems "Panzermatic E" ist daher als eine Notsteuereinrichtung entsprechend dem Oberbegriff des Patentanspruchs 1 des Streitpatents verwendbar, verfügt über ein eigenes Bedienfeld mit Tastatur und ist mit der Ventileinheit über ein elektrisches Anschlusskabel verbindbar, wobei derartige elektrische Verbindungen üblicherweise über Steckkupplungen hergestellt werden, so dass das Steuergerät mit der Ventileinheit lösbar kuppelbar ist. In der vom Hydraulikblock räumlich getrennten Verwendung des Steuergerätes entspricht das System "Panzermatic E" einer Kabelfernsteuerung. Das Einzelsteuergerät des Systems "Panzermatic E" ist von seinen Dimensionen her ohne weiteres transportierbar, kann von einem Bediener von Hand betätigt werden und stellt daher ein transportables Handsteuergerät dar.
Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der erteilten Fassung unterscheidet sich von der bekannten Steuerung "Panzermatic E" noch dadurch, dass das Notsteuergerät mit einer Batterie versehen ist.
Aus dem Hinweis auf Seite 1184 der D 8, wonach das Einzelsteuergerät des Systems "Panzermatic E ein autarkes (= unabhängiges, sich selbst versorgendes) Steuergerät ist, entnimmt der Fachmann, dass dieses Gerät auch unabhängig von der betrieblichen Stromversorgung eingesetzt werden kann. Die Versorgung eines autarken elektronischen Geräts mit der für seinen Betrieb erforderlichen elektrischen Energie durch eine Batterie ist eine Maßnahme, die über das fachübliche Wissen des Fachmanns nicht hinausgeht.
Im Falle eines Versagens des einem Schild zugeordneten Einzelsteuergerätes wird der Fachmann, um den Betriebsablauf im Streb nicht lange aufzuhalten, so schnell als möglich ein zur Reparatursteuerung (= Notsteuerung) geeignetes Steuergerät (Notsteuergerät) zu dem betroffenen Schild verbringen und an Stelle des defekten Gerätes mit der Ventileinheit des Schildes elektrisch verbinden. Bei dem System "Panzermatic E" kann dies ein mit dem defekten Einzelsteuergerät baugleiches Gerät sein, da dieses zur Reparatursteuerung geeignet ist. In diesem Fall ist eine Stromversorgung der Ventileinheit durch eine andere Energiequelle als die normale betriebliche Stromversorgung nicht erforderlich, da diese nicht unterbrochen ist.
Bei Ausfall (auch) der betrieblichen Stromversorgung eines Schildes, dessen Magnetventile beispielsweise mit einer Spannung von 5,5 V bzw. 12 V betrieben werden, ist es für den Fachmann nahe liegend, die am Schild benötigte elektrische Energie kurzfristig (bis der Schaden behoben ist) durch eine Batterie bereitzustellen. Der Bergmann selbst weiß laut Vortrag der Beklagten, dass bei Ausfall der betrieblichen Stromversorgung am Schild hierfür Ersatz benötigt wird, und dem Fachmann sind die Alternativen der elektrischen Versorgung durch Netzstrom oder Batteriestrom hinlänglich bekannt. Weil für den Betrieb des transportablen Steuergerätes elektrische Energie erforderlich ist, die wie vorstehend ausgeführt bei einem autarken Gerät ohnehin durch eine Batterie bereitgestellt und mit dem Gerät an den Einsatzort verbracht wird, ist es daher nahe liegend, als Ersatz für die ausgefallene betriebliche Stromversorgung auf diese, nunmehr am Einsatzort schon vorhandene Batterie zurückzugreifen und die Notsteuerung damit grundsätzlich mit einer Batterie zu betreiben, die die Stromversorgung des Steuergeräts und im Bedarfsfall auch der Ventileinheit übernehmen kann.
1.2.3. Unabhängig davon, wie der Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung verstanden wird, ob entsprechend dem Verständnis der Beklagten durch die Batterie des Notsteuergerätes auch die Stromversorgung der Ventileinheit erfolgt oder ob dies nicht der Fall ist, beruht der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 aus den oben dargelegten Gründen nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit und ist daher nicht patentfähig.
1.3.
Die Patentansprüche 2 bis 12 in der hauptsächlich verteidigten Fassung bedürfen hier keiner weiteren Prüfung, weil die Beklagte für den Fall, dass der erteilte Anspruch 1 keinen Bestand hat und damit der hauptsächlich verteidigte Anspruchssatz nicht vollständig gewährt werden kann, das Streitpatent mit dem Anspruchssatz gemäß Hilfsantrag verteidigt.
2.
Zum Hilfsantrag:
2.1. Der Patentanspruch 1 des Hilfsantrags ist zulässig beschränkt durch die Aufnahme eines unbestritten sowohl in den ursprünglichen Unterlagen als auch in der Streitpatentschrift offenbarten Merkmals. Danach ist die Batterie des Notsteuergerätes zwingend für die Stromversorgung des Notsteuergerätes und der jeweiligen Ventileinheit vorgesehen.
Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Hilfsantrags unterscheidet sich jedoch nicht von dem Gegenstand des Patentanspruchs 1 der erteilten Fassung nach dem Verständnis der Beklagten und ist daher aus den unter Ziffer 1.2.2. dargelegten Gründen ebenfalls mangels erfinderischer Tätigkeit nicht patentfähig.
2.2. Die Gegenstände der Unteransprüche 2 bis 12 vermögen keinen Beitrag zu einer erfinderischen Tätigkeit zu leisten. Die Merkmale der Ansprüche 2 bis 8 und 10 bis 12 beinhalten entsprechend dem Vortrag der Klägerin fachmännische Selbstverständlichkeiten, elektrotechnische Standardausbildungen bzw. fachlich übliche Maßnahmen; die Beklagte hat diesem Vortrag nicht widersprochen. Die Merkmale des Anspruchs 9, der die Ausgestaltung der elektrischen Leitungsverbindung mit zwei elektrischen Adern für die Stromversorgung und zwei weiteren elektrischen Adern als Datenbus zur Übertragung von Steuersignalen betrifft, sind dem Fachmann aus dem einschlägigen Stand der Technik nach der deutschen Offenlegungsschrift 30 22 134 (Druckschrift NK6) hinlänglich bekannt. Das dort beschriebene Verbindungskabel 20 dient mit den darin enthaltenen zwei Leitern 29, 30 der Stromversorgung elektrisch gesteuerter Ventile und mit dem Leiter 31 der Übertragung codierter Signale. Die Ausbildung des Leiters 31 als einfacher Leiter ist jedoch nur beispielhaft angegeben, so dass der Fachmann eine Ausbildung der Leitung zur Signalübertragung mit mehr als einer Ader mitliest (siehe S 15, Zeilen 23 bis 31 in NK6).
Die Gegenstände der auf den Patentanspruch 1 des Hilfsantrags unmittelbar oder mittelbar rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 12 sind aus diesen Erwägungen nicht patentfähig.
III Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG in Verbindung mit § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 PatG in Verbindung mit § 709 Satz 1 und 2 ZPO.
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BPatG:
Urteil v. 31.05.2005
Az: 1 Ni 9/04
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