Bundespatentgericht:
Beschluss vom 5. Februar 2001
Aktenzeichen: 10 W (pat) 3/00

(BPatG: Beschluss v. 05.02.2001, Az.: 10 W (pat) 3/00)

Tenor

Auf die Beschwerde des Anmelders wird der Beschluß des Deutschen Patent- und Markenamts - Prüfungsstelle für Klasse F 21 S - vom 24. Juni 1999 aufgehoben.

Gründe

I.

Beim Deutschen Patentamt ist am 31. Januar 1996 durch den Anmelder ein Patent mit der Bezeichnung "Variables Versorgungssystem in Gebäuden" angemeldet werden.

Mit Bescheid vom 6. Mai 1998 hat das Patentamt den Anmelder benachrichtigt, daß die Anmeldung als zurückgenommen gelte, wenn die 3. Jahresgebühr mit dem Zuschlag in Höhe von insgesamt 110,-- DM nicht innerhalb einer Frist von vier Monaten nach dem Ablauf des Zustellmonats gezahlt werde.

Am 1. Oktober 1998 ist ausweislich des Kontoblatts des Patentamts für die Patentanmeldung ein Betrag von 110,-- DM als "4. Jahresgebühr" gezahlt worden. Die Zahlung ist durch Scheck erfolgt, den das Patentamt in der Scheckliste A Eingangstag 1. Oktober 1998 eingetragen hat. Dieser Betrag ist im Einverständnis mit dem Anmelder im November 1998 zugunsten der 3. Jahresgebühr umgebucht worden.

Auf die Mitteilung des Patentamts vom 18. Dezember 1998, daß die 3. Jahresgebühr mit dem Zuschlag zu spät gezahlt worden und der Betrag daher rückzuerstatten sei, hat der Anmelder am 28. Januar 1999 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und gleichzeitig die - vom Patentamt am 20. Januar 1999 rückerstattete - 3. Jahresgebühr mit dem Zuschlag gezahlt. Zur Begründung hat er zunächst vorgetragen, die rechtzeitige Zahlung der 3. Jahresgebühr mit dem Zuschlag sei unterblieben, weil die in der Kanzlei seiner anwaltlichen Vertreters mit der Einzahlung der Jahresgebühren beauftragte Sekretärin vom 16. September 1998 bis 3. Oktober 1998 wegen einer Erkrankung nicht im Büro gewesen sei.

Durch Beschluß vom 24. Juni 1999 hat die Prüfungsstelle für Klasse F21S die Wiedereinsetzung abgelehnt.

Gegen den am 27. Juli 1999 zugestellten Beschluß wendet sich der Anmelder mit der Beschwerde. Er beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben.

Nachdem der Anmelder zunächst seinen Antrag auf Wiedereinsetzung weiterverfolgt hatte, macht er nunmehr geltend, die 3. Jahresgebühr mit dem Zuschlag sei rechtzeitig gezahlt worden. Sein anwaltlicher Vertreter habe sich wegen der Erkrankung der für die Zahlung zuständigen Sekretärin selbst um die Angelegenheit gekümmert und am 30. September 1998 gegen 22 Uhr persönlich den Scheck über 110,-- DM für die 3. Jahresgebühr zusammen mit einem Begleitschreiben in einem Umschlag in den Nachtbriefkasten des Patentamts eingeworfen. Von dem Begleitschreiben habe er eine Kopie, die er als Beweis vorlege. Leider sei auf dem Scheck irrtümlich vermerkt worden, daß er für die 4. Jahresgebühr bestimmt sei, während in dem Begleitschreiben mitgeteilt worden sei, daß mit dem Scheck die Zahlung der 3. Jahresgebühr erfolgt sei. Es sei nicht auszuschließen, daß der Scheck und das Begleitschreiben herausgefallenen und als Irrläufer in verschiedene Datumsfächer gelangt seien. Nach seiner langjährigen Erfahrung komme es ohnehin nicht selten vor, daß im Patentamt eingegangene Schriftstücke nicht zu den Akten gelangten. Für die Behauptung des Einwurfs des Schecks am 30. September 1998 hat der Anmelder Beweis angeboten durch Vernehmung seines anwaltlichen Vertreters als Zeugen. Auch Herr Dr. H..., der den anwaltlichen Vertreter auf der Fahrt zu dem Nachtbriefkasten des Patentamt begleitet habe, könne den Einwurf des Briefumschlags bezeugen.

Auf Nachfrage des Senats hat das Patentamt eine Kopie der Vorderseite des Schecks übersandt und mitgeteilt, daß von der Rückseite mit dem darauf angebrachten Eingangsstempel keine Kopie erstellt worden sei. Das Einzahlungsdatum werde nur in der Scheckliste vermerkt. Das Begleitschreiben sei nicht vorhanden. Das Patentamt hat ferner darauf hingewiesen, daß der Nachtbriefkasten in der Regel - ausgenommen etwa drei Defekte pro Jahr - einwandfrei funktioniere. Das "Karussel" in Ketten stelle sich automatisch um 00 Uhr um und die Post werde sehr sorgfältig aus dem Briefkasten entnommen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Patentanwalts Dr. S... als Zeugen.

Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme und der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten und die Sitzungsniederschrift vom 5. Februar 2001 verwiesen.

II.

Die Beschwerde ist begründet. Der Anmelder hat die 3. Jahresgebühr mit dem Zuschlag gemäß § 17 Abs 3 Satz 3 PatG rechtzeitig gezahlt.

Die Nachricht des Patentamts, daß die 3. Jahresgebühr mit dem Zuschlag in Höhe von insgesamt 110,-- DM innerhalb von vier Monaten nach Ablauf des Zustellmonats zu entrichten ist (§ 17 Abs 3 Satz 3 PatG), hat dem Anmelder unbestritten im Mai 1998 erhalten. Die Gebühr war damit spätestens am 30. September 1998 zu zahlen.

Der von dem Anmelder eingereichte Scheck über einen Betrag von 110,-- DM mit der Angabe des Aktenzeichens 196 03 452.3 und dem Vermerk "4. Jahresgebühr" ist vom Patentamt unter dem Eingangsdatum vom 1. Oktober 1998 in die Scheckliste A eingetragen worden. Bei der für jeden Eingangstag erstellten Scheckliste handelt es sich um eine öffentliche Urkunde, die in entspechender Anwendung des § 418 Abs 1 ZPO den Beweis dafür erbringt, daß der Scheck an dem betreffenden Tag beim Patentamt eingegangen ist (vgl Thomas/Putzo, ZPO, 22. Aufl, § 418 Rdn 1; Zöller, ZPO, 22. Aufl, § 418 Rdn 1). Der vom Patentamt zunächst auf der Rückseite der eingehenden Schecks angebrachte Eingangsstempel scheidet wegen der folgenden Einlösung der Schecks bei der Bank für die Beurkundung des Eingangstages aus.

Der durch die Eintragung in der Scheckliste behördlich bezeugte Eingangstag des Schecks kann gemäß § 418 Abs 2 ZPO zulässigerweise durch Gegenbeweis entkräftet werden, der allerdings die volle Überzeugung des Senats von der rechtzeitigen Zahlung der 3. Jahresgebühr mit dem Zuschlag erfordert (vgl zum Gegenbeweis bei Eingangsstempeln BGH VersR 1991, 896; 1995, 1467; NJW 2000, 2280). Der Anmelder hat für seine Behauptung, der Scheck sei am 30. September 1998 in den Nachtbriefkasten des Patentamts eingeworfen worden, Beweis angetreten durch Benennung seines anwaltlichen Vertreters als Zeugen. Der Senat hatte dem Beweisantritt nachzugehen, weil die Frage des Zeitpunkts der Zahlung der 3. Jahresgebühr entscheidungserheblich ist. Dem steht nicht entgegen, daß in dem Scheck als Bestimmungszweck die Zahlung der 4. Jahresgebühr angegeben ist. Diese Erklärung stellt bei verständiger Würdigung der Gesamtumstände des Falles eindeutig eine Falschbezeichnung dar, die analog § 133 BGB als Zahlung der 3. Jahresgebühr mit dem Zuschlag in Höhe von 110,-- DM auszulegen ist. Nach § 19 PatG bestand für den Anmelder am 30. September 1998 zwar bereits die Möglichkeit einer Vorauszahlung der 4. Jahresgebühr. Diese Gebühr hätte aber nach § 1 PatGebG Anl GebVerz Nr 112 104 nur 100,-- DM betragen. Es war daher offensichtlich, daß entsprechend dem Rechtsgrundsatz des § 366 Abs 2 BGB mit dem genannten Betrag von 110,-- DM die bereits fällige 3. Jahresgebühr mit dem Zuschlag und nicht die nur erfüllbare 4. Jahresgebühr gezahlt werden sollte.

Der Senat ist aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme zu der Überzeugung gelangt, daß der anwaltliche Vertreter des Anmelders den Scheck über 110,-- DM am 30. September 1998 in den Nachtbriefkasten des Patentamts geworfen und die 3. Jahresgebühr mit dem Zuschlag damit rechtzeitig gezahlt hat (§ 3 Nr 2 PatGebZV). Nach der Aussage des Patentanwalts Dr. S... war dessen Sekretärin gegen Ende des Monats September 1998 krank geworden, so daß er die anfallenden Büroarbeiten selbst erledigen mußte. Bei der Kontrolle des Fristenbuchs hat er dann festgestellt, daß die Zahlung der 3. Jahresgebühr für die vorliegende Patentanmeldung noch nicht erledigt war. Er hat daher am Abend des 30. September 1998 selbst einen Scheck über 110,-- DM ausgestellt und ein Begleitschreiben gefertigt. Wie er bekundet, hat er Scheck und Anschreiben, ohne die beiden Unterlagen miteinander zu verbinden, lose in einen schon benutzten DIN A4 Briefumschlag mit Sichtfenster getan, weil die Schränke in seinem Büro zu dieser Zeit schon geschlossen waren und er mangels Schlüssel keinen Zugang mehr hatte. Den Umschlag hat er dann selbst im Auto zum Patentamt gebracht und in den Nachtbriefkasten geworfen.

Der Senat hat keinen Anlaß, an der Richtigkeit der Aussage des Zeugen oder an seiner Glaubwürdigkeit zu zweifeln. Der Zeuge hat die Vorgänge am Abend des 30. September 1998 plausibel und ohne sich persönlich in Widersprüche zu verwickeln geschildert. Für sein genaues Erinnerungsvermögen über den immerhin mehr als zwei Jahre zurückliegenden Zeitraum hinweg spricht die von ihm bekundete Tatsache, daß er von einem ehemaligen Studienkollegen begleitet worden ist, der im übrigen auch als Zeuge für den Einwurf des offenen Briefumschlags in den Nachtbriefkasten benannt worden ist. Schließlich hat der Zeuge im Rahmen der zunächst beantragten Wiedereinsetzung als anwaltlicher Vertreter keine Tatsachen vorgetragen, die irgendeinen Widerspruch zu seiner nunmehrigen Aussage als Zeuge erkennen lassen. Nach seinem Bekunden hat er nur deshalb zunächst Wiedereinsetzung beantragt, weil er befürchtet hat, der volle Beweis für den rechtzeitigen Einwurf des Schecks könne ihm mißlingen.

Der Senat hält es für glaubhaft, daß die Sekretärin des Zeugen, Frau K..., in der Zeit vom 16. September bis 3. Oktober 1998 wegen Krankheit nicht im Büro war, wie diese auch eidesstattlich versichert hat. Der Zeuge hat daher das Fristenbuch selbst überwacht und noch am Abend des 30. September 1998 den Scheck für die 3. Jahresgebühr ausgestellt hat, dessen Ausstellungsdatum durch die vom Patentamt übersandte Kopie der Vorderseite des Schecks bestätigt wird. Der Senat hat auch keine Zweifel, daß der Zeuge gleichzeitig das in Kopie vorliegende laienhaft mit Tippfehlern und überschrittenem Zeilenrand geschriebene Begleitschreiben verfaßt hat, dessen Original im Patentamt nicht vorhanden ist.

Glaubhaft ist auch die Schilderung des Zeugen, daß die Schränke in seiner Kanzlei abends schon geschlossen waren und er daher nur einen schon benutzten aufgeschlitzen DIN A4-Briefumschlag zur Hand hatte, in den er den Scheck und das Begleitschreiben lose ohne Verbindung miteinander gesteckt hat. Den Briefumschlag hat er dann unverschlossen in den Nachtbriefkasten geworfen. Dieses Vorgehen zeugt zwar von geringer Vorsicht, wenn nicht Nachlässigkeit, ist bei einem Anwalt, der abends noch die Büroarbeiten seiner Sekretärin miterledigen und in Eile alles tun muß, um die Versäumung einer Frist zu vermeiden, jedoch nachvollziehbar.

Ein Widerspruch sieht der Senat allerdings darin, daß in dem Scheck als Bestimmungszweck die 4. Jahresgebühr angegeben ist, während in dem gleichzeitig verfaßten Begleitschreiben die Überreichung eines Schecks für die 3. Jahresgebühr mitgeteilt wird. Insoweit war jedoch zu berücksichtigen, daß die in Kopie vorgelegte Seite des Fristenbuchs in der Zeile vom 30. September 1998 mehrere handschriftliche Einträge enthält, wobei sich unmittelbar neben der vorliegenden Fristensache gekennzeichnet durch "KL 2030 (= Anwaltszeichen) 3.J.Geb" ein Eintrag befindet, der als 4. Jahresgebühr gelesen werden kann. Der Senat hält es daher für glaubhaft, daß sich der Zeuge bei der Orientierung an dem Fristenkalender in der Eile vertan und beim Scheck versehentlich die 4. Jahresgebühr angegeben hat.

Die Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen wird auch nicht dadurch erschüttert, daß das Patentamt den Scheck erst unter dem Datum vom 1. Oktober 1998 in die Scheckliste eingetragen hat und daß gleichzeitig das Begleitschreiben im Patentamt nicht auffindbar ist. Es ist zwar kaum wahrscheinlich, daß in ein und demselben Fall sowohl ein - nach Auskunft des Patentamts nur ca dreimal jährlich vorkommender - Defekt des Nachtbriefkastens auftritt, dessen "Karussell" sich normalerweise automatisch um 00 Uhr umstellt, als auch ein Schriftstück verloren geht. Der Senat hält es jedoch für naheliegend, daß der Scheck, den der Zeuge nach seinem Bekunden lose ohne Verbindung mit dem Begleitschreiben in einen offenen Briefumschlag getan hat, schon beim Einwurf in den Nachtbriefkasten aus dem Umschlag herausgefallen ist und daher entweder bei der Leerung des - ordnungsgemäß umgestellten - Nachtbriefkastens übersehen worden ist oder - trotz Leerung - als einzelnes kleines Schriftstück übersehen worden und daher erst mit der am 1. Oktober 1998 geleerten Post bearbeitet worden ist. Der benutzte aufgerissene Umschlag kann bei der Annahmstelle zu der Vorstellung geführt haben, der Inhalt - hier: das Begleitschreiben - sei bereits entnommen und der Umschlag daher wegzuwerfen. Dem Senat ist zudem bekannt, daß - wenn auch seltener - innerhalb des Amts Schriftstücke, auch Wichtige verloren gehen.

Nachdem sich der Senat davon überzeugt hat, daß der Anmelder die Frist des § 17 Abs 3 PatG zur Zahlung der 3. Jahresgebühr mit dem Zuschlag nicht versäumt hat, ist der von dem Anmelder gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung gegenstandslos. Der entsprechende Beschluß des Patentamts war auzuheben.

Bühring Dr. Schermer Schuster Hu






BPatG:
Beschluss v. 05.02.2001
Az: 10 W (pat) 3/00


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/8144996327c8/BPatG_Beschluss_vom_5-Februar-2001_Az_10-W-pat-3-00




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share