Landgericht Düsseldorf:
Urteil vom 19. Februar 2014
Aktenzeichen: 12 O 3/13 U.
(LG Düsseldorf: Urteil v. 19.02.2014, Az.: 12 O 3/13 U.)
Tenor
1.
Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr in Werbeflyern oder sonst werblich mit der Abbildung von Verpackungen zu werben, auf denen das Anwendungsgebiet lesbar ist, ohne zugleich auch den Pflicht-Text nach § 4 Abs. 3 Satz 1 HWG anzugeben,
wenn dies geschieht wie nachstehend wiedergegeben im Flyer September/Oktober 2012:
2.
Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen das unter Ziff. 1 genannte Unterlassungsgebot ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 250.000,00,- EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht.
3.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 219,35 zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.01.2013 zu zahlen.
4.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
5.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 20.000,-- €.
Tatbestand
Der Kläger ist die A e.V. in Frankfurt am Main. Die Beklagte betreibt eine Apotheke und warb im Rahmen ihrer Tätigkeit mit dem aus dem Tenor ersichtlichen Flyer.
Wegen dieses Flyers mahnte der Kläger die Beklagte mit dem als Anlage K2 beigefügten Schreiben vom 02.10.2012 ab und forderte diese erfolglos auf, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben.
Im oberen Bereich des großformatigen Flyers sind Verpackungen der Arzneimittel "P 20 mg" und "N 1 A Pharma" abgebildet. Unter der Bezeichnung "P 20 mg" findet sich auf der abgebildeten Verpackung u. a. der ohne weiteres lesbare Hinweis "Bei Sodbrennen und saurem Aufstoßen"; die abgebildete Verpackung von "N 1 A Pharma" weist den Hinweis "Bei Verstopfung" auf. Ein Pflichthinweis im Sinne von § 4 Abs. 3 Satz 1 HWG ist nicht vorhanden.
Der Kläger ist der Ansicht, dass es sich bei der Werbung für die vorgenannten Produkte um eine Arzneimittelwerbung handele, bei der die Pflichtangabe nach § 4 Abs. 3 Satz 1 HWG, hätte aufgeführt werden müssen.
Der Kläger beantragt,
zu erkennen wie geschehen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, ein Hinweis nach § 4 Abs. 3 Satz 1 HWG sei entbehrlich, da es sich um eine Erinnerungswerbung im Sinne des § 4 Abs. 6 HWG handle, bei der die Pflichtangaben nicht erforderlich seien.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die wechselseitig zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Klage ist der Beklagten am 23.01.2013 zugestellt worden.
Gründe
Die zulässige Klage ist in der Sache begründet.
Die Klägerin hat gegen den Beklagte einen Anspruch aus §§ 8 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 Nr. 2, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 4 Abs. 3 Satz 1 HWG auf Unterlassung der streitgegenständlichen Werbung; zudem hat sie einen Anspruch auf Erstattung ihrer Abmahnkosten aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG.
Die angegriffene Werbung verstößt bei der Bewerbung der Arzneimittel "P 20 mg" und "N 1 A Pharma" gegen § 4 Abs. 3 Satz 1 HWG; dies stellt eine unlautere Werbung im Sinne von §§ 3, 4 Nr. 11 UWG dar.
Der Kläger ist als rechtsfähiger Verband im Sinne des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG Anspruchsinhaber des Unterlassungsanspruch gem. § 8 Abs. 1 UWG.
Die Beklagte hat gegen eine gesetzliche Vorschrift im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG zuwidergehandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Markteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Sie hat es unterlassen, die Pflichtangaben nach § 4 Abs. 3 Satz 1 HWG "Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker" bei der Bewerbung der Produkte "P 20 mg" und "N 1 A Pharma" anzugeben. Die Pflichtangaben sind gemäß § 4 Abs.1, 1a, 3 Satz 1 HWG erforderlich, denn bei den Produkten "P 20 mg" und "N 1 A Pharma" handelt es sich um Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. lit a AMG. Sie sind nach ihrem Zweck dazu bestimmt, durch die Anwendung im menschlichen Körper die Symptome von Sodbrennen bzw. Verstopfung und somit krankhafte Beschwerde zu lindern oder zu verhüten bzw. jedenfalls um die physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen.
Die Pflichtangaben und der Informationstext nach § 4 Abs. 3 HWG waren entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht entbehrlich. Hier liegt kein Fall der Erinnerungswerbung im Sinne des § 4 Abs. 6 HWG vor, bei der der Informationstext nach § 4 Abs. 3 Satz 1 HWG nicht anzugeben ist. Eine Erinnerungswerbung ist nach der gesetzlichen Definition in § 4 Abs. 6 Satz 2 HWG dann gegeben, wenn ausschließlich mit der Bezeichnung des Arzneimittels oder zusätzlich mit dem Namen der Firma oder der Marke des pharmazeutischen Unternehmers oder dem Hinweis - Wirkstoff: - geworben wird (Bülow/Ring, HWG, 3. Aufl. 2005, § 4 Rn 133) und sich die Angaben in diesen erschöpfen.
Der Beklagte hat hier neben Bezeichnung der Produkt "P 20 mg" und "N 1 A Pharma" zusätzlich mit "Bei Sodbrennen und saurem Aufstoßen" bzw. "Bei Verstopfung" auf der Abbildung der jeweiligen Original-Umverpackung der Produkte im Werbeflyer geworben.
Die über die offiziellen Bezeichnungen hinausgehenden Angaben "Bei Sodbrennen und saurem Aufstoßen" bzw. "Bei Verstopfung" schließen das Vorliegen einer Erinnerungswerbung aus. § 4 Abs. 6 Satz 2 HWG ist keiner analogen Erweiterung zugänglich, denn bei den in der Vorschrift aufgeführten Zusätzen handelt es sich um eine enumerative Aufzählung. Hierfür sprechen sowohl der echte Ausnahmecharakter der Norm, als auch der Wortlaut ("ausschließlich") (Doepner, aaO., Rn 71). Neben den in § 4 Abs. 6 S. 2 HWG aufgezählten Angaben sind nur Werbeaussagen ohne gesundheitlichen, insbesondere medizinischpharmakologischen Gehalt zulässig (Doepner, aaO.). Alle Angaben und Abbildungen mit einem gesundheitlichen Aussagegehalt, die auf das beworbene Produkt jenseits derjenigen, die in § 4 Abs. 6 Satz 2 HWG genannt werden, konkret bezogen sind, stehen der Annahme einer Erinnerungswerbung entgegen. Dies gilt insbesondere für Hinweise auf Anwendungsgebiete und deren Erläuterungen, es sei denn, dass das Anwendungsgebiet bereits Bestandteil der Bezeichnung des Arzneimittels ist (Doepner, aaO. Rn 72). Bei den Angaben "Bei Sodbrennen und saurem Aufstoßen" bzw. "Bei Verstopfung" handelt es sich gerade um Hinweise auf das Anwendungsgebiet, welches nicht Teil der Bezeichnung des Arzneimittels im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 2 HWG bzw. § 10 Abs. 1 Nr. 2 AMG ist.
Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung des Urteils des OLG Oldenburg. Der Senat ging dort davon aus, dass der Zusatz "Antiallergikum" nicht die Qualität als Erinnerungswerbung im Sinne des § 4 Abs. 6 HWG ausschließe. Begründet wurde dies insbesondere damit, dass der Zusatz "Antiallergikum" kaum lesbar gewesen sei und der angesprochene Verbraucherkreis diesem Zusatz keine Beachtung schenken würde (OLG Oldenburg GRUR-RR 2008, 201 ff). Dies trifft auf den hier zu entscheidenden Sachverhalt nicht zu, da die Zusätze gut lesbar sind. Auch werden die Pflichtangaben bei Vorliegen einer Erinnerungswerbung deshalb nicht als notwendig erachtet, weil Verbraucher angesprochen werden, denen das beworbene Produkt bereits bekannt ist. Denn der Gesetzgeber geht davon aus, dass Verbraucher, die sich von dieser Art der Werbung ansprechen lassen, überwiegend das Produkt und somit den gesundheitlichen und wirtschaftlichen Nutzen eines derart beworbenen Arzneimittels kennen, so dass bei einer Werbung, die allein von der Erinnerung des Publikums profitieren möchte, die Gefahr einer unzutreffenden oder irreführenden Einschätzung des beworbenen Arzneimittels durch den Werbeadressaten aufgrund unvollständiger oder lückenhafter Information regelmäßig ausgeschlossen ist (Doepner, aaO. Rn 70). Bei den Angaben "Bei Sodbrennen und saurem Aufstoßen" bzw. "Bei Verstopfung" wird indes gerade auf die spezifische medizinischpharmakologische Wirkungsweise hingewiesen. Hierdurch werden nicht nur Verbraucher angesprochen, die das Produkt bereits kennen und an dieses erinnert werden, sondern es fällt so in den Blick des angesprochenen Verkehrs, dass auch Verbraucher aufgrund der Wirkungsweise angesprochen werden, die das Produkt bisher nicht benutzten.
Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich nicht um einen Bagatellverstoß.
Die durch den festgestellten Verstoß begründete Wiederholungsgefahr hat die Beklagte nicht ausgeräumt.
Da nach dem Vorgesagten die Abmahnung berechtigt war, steht der Klägerin ein Anspruch auf Zahlung der Kosten der Abmahnung aus § 5 UKlaG, § 12 Abs. 1 S. 2 UWG zu. Die Kosten sind gemäß § 287 ZPO auf der Grundlage der Kostenermittlung der Klägerin sowie der in vergleichbaren Verfahren bekannt gewordenen Kostenermittlung der Höhe nach gerechtfertigt.
Der Zinsanspruch ist aus § 291 BGB begründet.
Die Ordnungsmittelandrohung hat ihre gesetzliche Grundlage in § 890 Abs. 2 ZPO.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
Streitwert: 15.000,00 €
LG Düsseldorf:
Urteil v. 19.02.2014
Az: 12 O 3/13 U.
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