Landgericht Düsseldorf:
Urteil vom 18. April 2012
Aktenzeichen: 34 O 198/11

(LG Düsseldorf: Urteil v. 18.04.2012, Az.: 34 O 198/11)

Tenor

1.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.000,00 € nebst Zinsen i. H.v. 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.07.2011zu bezahlen.

2.

Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für den Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an der Geschäftsführerin der Beklagten, zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs in Zeitungen und/oder Zeitschriften für neue Personenkraftwagen, die noch nicht zu einem anderen Zweck als dem Weiterverkauf oder der Auslieferung verkauft wurden (im Sinne des § 2 Nr. 1 der Verordnung über Verbraucherinformationen zu Kraftstoffverbrauch und CO-2-Emissionen neuer Personenkraftwagen), der Fabrikmarke T2 mit Angaben zur Motorisierung zu werben oder werben zu lassen, ohne in dieser Werbung Angaben über deren offiziellen Kraftstoffverbrauch und deren offiziellen spezifischen CO-2-Emissionen (§ 2 Nr. 5 und 6 Pkw EnVKV in Verbindung mit Abschnitt I der Anlage 4 Pkw EnVKV) zu machen, die auch bei flüchtigem Lesen gut lesbar und nicht weniger hervorgehoben sind als der Hauptteil der Werbebotschaft, wie geschehen in einer Werbeanzeige der Beklagten in der Zeitung XY vom 29.01.2011, die wie folgt wiedergegeben ist:

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsteits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 32.000 € vorläufig vollstreckbar.

Streitwert: 32.000,-- €

Tatbestand

Der Kläger ist ein Umwelt- und Verbraucherschutzverband, der in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 Unterlassungsklagegesetz eingetragen ist.

Die Beklagte betreibt in Düsseldorf ein Autohaus als Servicepartner und Vertragshändler für Neufahrzeuge des Fabrikates T2. Ihre Rechtsvorgängerin, die Z GmbH, hatte sich auf eine Abmahnung der Klägerin vom 09.05.2007 in einer Unterlassungserklärung mit Vertragsstrafeversprechen vom 14.06.2007 gegenüber der Klägerin verpflichtet,

bei Meidung einer "Konventionalstrafe in Höhe von 2.000,00 € es künftig zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs bei dem Erstellen, erstellen lassen, Weitergeben oder auf andere Weise verwenden von Werbeschriften (oder in elektronischer Form verbreitetes Werbematerial oder Werbung durch elektronische, magnetische oder optische Speichermedien) nicht sicherzustellen, dass darin Angaben über den offiziellen Kraftstoffverbrauch und die offiziellen spezifischen CO-2-Emissionen der betreffenden Modelle neuer Personenkraftwagen im Sinne der Pkw-Energieverbrauchskennzeichnungsverordnung (Pkw-EnVKV) in ihrer jeweils geltenden Fassung gemacht werden."

Die Beklagte bewarb in der Ausgabe der Zeitung XY vom 29.01.2011 ein Leasingangebot eines T2 fortwo coupé wie im Tenor abgebildet. Mittig wird in einer Tabelle der Kaufpreis, die Leasing Sonderzahlung, die Laufzeit, die Gesamtlaufleistung und die Monatliche All - in Leasingrate in 11-Punkt-Schriftgröße dargestellt.

Unter der Tabelle befindet sich ein Fließtext in Schriftgröße Punkt 6, in dem die CO2-Emission angeben ist.

Der Kläger ist der Ansicht, dass die Pflichtangaben zum offiziellen Kraftstoffverbrauch und zu den offiziellen spezifischen CO-2 Emissionen der beworbenen neuen Pkw in der streitgegenständlichen Werbeanzeige nicht korrekt gem. Ziff. 2 Abschnitt I der Anlage 4 zu § 5 Pkw-EnVKV angegeben seien, da sie zu klein und weniger hervorgehoben als der Hauptteil der Werbebotschaft und bei flüchtigem Lesen nicht gut lesbar seien.

Die Kennzeichnungspflicht bestehe auch im Interesse der Verbraucher, da sie schon in der Werbung Informationen über umweltrelevante Faktoren des beworbenen Fahrzeugs erhielten.

Das beanstandete Verhalten der Beklagten sei geeignet, den Wettbewerb zum Nachteil der Verbraucher nicht nur unerheblich zu beinträchtigen, da deren gesetzlich geschützten Informationsinteressen nach der PKW EnVKV verletzt seien.

Mit der streitgegenständlichen Werbeanzeige sei das Vertragsstrafeversprechen aus der Unterlassungserklärung vom 14.06.2007 verwirkt. Die Unterlassungserklärung beziehe sich nicht nur auf Verstöße gegen die PKW-EnVKV, bei denen die notwendigen Pflichtangaben vollständig fehlten, sondern auch bei Verwendung einer unleserlichen und weniger hervorgehobenen Schrift.

Der Kläger beantragt,

wie tenoriert.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, sie habe ihren Geschäftsbetrieb zum 01.05.2011 vollständig eingestellt, nämlich mit Vertrag vom 29.04.2011 die gesamten sachlichen Betriebsmittel und den Kundenstamm verkauft und den Mietvertrag beendet. Die Beklagte und ihre Gesellschafter hätten sich gegenüber der Käuferin des Geschäftsbetriebes zu einem Wettbewerbsverbot verpflichtet. Deshalb bestehe keine Wiederholungsgefahr.

Die Werbeanzeige verstoße nicht gegen § 5 Pkw-EnVKV i.V.m. Ziff. 2 Abschnitt I der Anlage 4, da der Hauptteil der Werbebotschaft im unteren Fließtext liege, so dass der Verbraucher auch bei flüchtigem Lesen zwingend auf die nach der Pkw-EnVKV geforderten Angaben stoße. Die Angabe des Modells samt Motorleistung sei in der gleichen Schriftgröße dargestellt wie die Pflichtangaben. Wenn der Verbraucher die Angaben zum Modell und zur Motorleistung lese, müsse er auch auf die in gleicher Schriftgröße gehaltenen Pflichtangaben aufmerksam werden.

Es fehle jedenfalls an der wettbewerbsrechtlichen Spürbarkeit des Verstoßes, weil der durchschnittliche Verbraucher Pflichtangaben zum Kraftstoffverbrauch und zur CO2 Emission wahrnehmen könne und wisse, dass die Verbrauchs- und Emissionswerte eines Kraftfahrzeugs von Bedeutung seien.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Akte nebst Anlagen verwiesen.

Gründe

Die Klage hat in der Sache umfassend Erfolg.

1.

Der nach § 4 UKlaG klagebefugte Kläger kann von der Beklagten Unterlassung im tenorierten Umfang gemäß §§ 8 Abs. 1 und 3 Nr. 3, 3 Abs. 1, 4 Nr. 11 UWG, §§ 1 Abs.1, 5 Abs. 1 i.V.m. Anlage 4 Abschnitt I Nr. 2 Pkw-EnVKV verlangen. Die streitgegenständliche Werbung stellt eine unlautere geschäftliche Handlung im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG dar.

Die den Herstellern und Händlern in § 1 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Pkw-EnVKV auferlegte Verpflichtung sicherzustellen, dass die von ihnen verwendeten Werbeschriften Angaben über den offiziellen Kraftstoffverbrauch und die offiziellen spezifischen CO-2-Emissionen der betreffenden Modelle neuer Personenkraftwagen nach Maßgabe von Abschnitt I der Anlage 4 enthalten, wird als Marktverhaltensregelung angesehen (BGH Urteil vom 04.02.2010, WRP 2010, 1143, 1144 Rdn. 16 - Gallardo Spyder).

Die Beklagte hat mit der streitgegenständlichen Werbung gegen § 5 Pkw-EnVKV i.V.m. Anlage 4 Abschnitt I Nr. 2 verstoßen.

Gemäß Abschnitt I der Anlage 4 Nr. 2 zu § 5 Pkw EnVKV müssen in Werbeschriften die Angaben über den offiziellen Kraftstoffverbrauch und die offiziellen spezifischen CO2-Emissionen auch bei flüchtigem Lesen leicht verständlich, gut lesbar und nicht weniger hervorgehoben sein als der Hauptteil der Werbebotschaft.

Den Hauptteil der streitgegenständlichen Werbung stellt die obere Hälfte der Anzeige dar, weil dort der Text in 14-Punkt-Schrift, 12-Punkt-Schrift und 11-Punkt-Schrift abgefasst und die Angaben durch eine Tabelle besonders anschaulich dargestellt sind. Der durchschnittliche Verbraucher wird den in der unteren Hälfte der Werbeanzeige nur in einer 6-Punkt-Schrift abgefassten Fließtext demgegenüber nicht als den Hauptteil der Werbebotschaft betrachten. Denn der durchschnittliche Verbraucher wendet seine Aufmerksamkeit zunächst auf den Teil einer Werbeanzeige, der in der größten Schrift abgefasst ist. Hier erwartet er die für ihn wichtigsten Informationen, während die Passagen in einer kleineren Druckschrift ihm eher als unwichtig erscheinen.

Da sich die Angaben über den Kraftstoffverbrauch und die CO-2-Emissionen in der 14. Zeile eines einzeilig über 22 Zeilen in 6-Punkt-Schrift abgefassten Textes finden, sind diese zwar noch auffindbar, aber jedenfalls weniger hervorgehoben als der Hauptteil der Werbebotschaft und wegen des engzeiligen Drucks auch nicht gut lesbar. Dies beruht zum einen auf dem einzeilig in 6-Punkt-Schrift abgedruckten Fließtext und zum anderen auf der mittig innerhalb des Fließtextes angebrachten Information. Die Pflichtangabe zum Kraftstoffverbrauch und der CO2-Emission ist vom Gesamtbild her bei flüchtigem Lesen nicht gut lesbar.

Die Beklagte ist auch nicht gemäß § 5 Pkw-EnVKV i.V.m. Anlage 4 Abschnitt I Nr. 3 von den Pflichtangaben über Kraftstoffverbrauch und CO-2-Emissionen befreit, weil auch die Angabe über die Motorleistung in Schriftgröße 6 dargestellt ist. Zwar gilt eine Befreiung nach Nr. 3, wenn die streitgegenständliche Werbung keine Angabe zum beworbenen Modell und zur Motorleistung macht. Diese liegt hier jedoch vor. Denn die Angabe zur Motorleistung befindet sich direkt über der Angabe des Kaufpreises und ist daher augenscheinlicher als eine Angabe, die sich innerhalb des kleingedruckten Fließtextes befindet. Außerdem ist in der Anlage 4 Abschnitt I zu § 5 PkwEn-VKV nicht bestimmt, dass die Angabe des Modells und der Motorleistung ebenfalls gut lesbar, leicht verständlich und nicht weniger hervorgehoben sein soll als der Hauptteil der Werbebotschaft. Ziff. 2 der Anlage 4 Abschnitt I zu § 5 PkwEn-VKV bezieht sich nach Wortlaut und Systematik nur auf die Pflichtangaben zum Kraftstoffverbrauch und zu den CO-2-Emissionen.

Die beanstandete Werbung der Beklagten ist auch geeignet, die durch die § 1 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Pkw-EnVKV geschützten Interessen von Verbrauchern und sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen und diese damit zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die sie andernfalls nicht getroffen hätten (§ 3 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 UWG, BGH Urteil vom 04.02.2010, WRP 2010, 1143, 1144 Rdn. 20 - Gallardo Spyder).

Es liegt auch eine Wiederholungsgefahr gemäß § 8 Abs. 1 UWG vor. Die Aufgabe jeder Geschäftstätigkeit lässt die Wiederholungsgefahr nur entfallen, wenn es auszuschließen ist, dass der Verletzer dieselbe Tätigkeit wieder aufnimmt (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 29. Aufl. 2011, § 8 Rn. 1.40). Auch die Behauptung der Beklagten als wahr unterstellt, die sachlichen Betriebsmittel des Autohauses verkauft und sich gegenüber der Käuferin verpflichtet zu haben, keine Fahrzeuge der Marke T2 in einem Umkreis von 50 Km vom Standort der Beklagten in Düsseldorf und vom ehemaligen Standort der Beklagten in Mönchengladbach zu vertreiben, lässt eine Wiederholungsgefahr nicht entfallen. Denn die Beklagte wäre aufgrund der Wettbewerbsvereinbarung nicht gehindert, unzulässige Werbeanzeigen für die Marke T2 in Regionen zu verbreiten, in denen sie sich keinem Wettbewerbsverbot unterworfen hat. Der Umstand, dass die Beklagte momentan keinen Handel mit T2-Neufahrzeugen betreibt, lässt eine Wiederholungsgefahr nicht entfallen, da nicht ausgeschlossen ist, dass ein solcher Handel künftig in einer anderen Region wieder aufgenommen wird.

2.

Der Kläger kann von der Beklagten gemäß § 339 S. 2 BGB in Verbindung mit der Unterlassungserklärung mit Vertragsstrafeversprechen vom 14.06.2007 Zahlung von 2.000,-- € verlangen.

Die Vertragsstrafe ist verwirkt, weil die Beklagte schlecht lesbare und weniger als der Hauptteil hervorgehobene Angaben zu den CO2-Emissionen gemacht hat. Die Unterlassungserklärung vom 14.06.2007 bezog sich nicht lediglich auf Werbungen, in denen die Pflichtangaben nach der Pkw EnVKV vollständig fehlten. Denn in der Erklärung heißt es, dass es unterlassen werden soll "in Werbeschriften (oder in elektronischer Form verbreitetes Werbematerial oder Werbung durch elektronische, magnetische oder optische Speichermedien) nicht sicherzustellen, dass darin Angaben über den offiziellen Kraftstoffverbrauch und die offiziellen spezifischen CO-2- Emissionen der betreffenden Modelle neuer Personenkraftwagen im Sinne der Pkw- Energieverbrauchskennzeichnungsverordnung (Pkw-EnVKV) in ihrer jeweils geltenden Fassung gemacht werden."

Nach den allgemein für Verträge geltenden Auslegungsregeln (vgl. Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 29. Aufl., § 12 Rn. 1.121) ist auch bei einem Unterlassungsvertrag nicht am Erklärungswortlaut festzuhalten, sondern die Interessenlage zu berücksichtigen. Der Zweck eines Unterlassungsvertrages besteht darin, die Einleitung oder die Fortsetzung eines gerichtlichen Verfahrens entbehrlich zu machen und zwar nicht nur bei identischen Verletzungsformen, sondern bei allen im Kern gleichartigen Verletzungsformen. Anlass der Unterlassungserklärung vom 14.06.2007 war eine Werbeanzeige der Beklagten, in der die Pflichtangaben nach der Pkw EnVKV vollständig fehlten. Wenn in der Unterlassungserklärung auf Angaben im Sinne der Pkw EnVKV verwiesen wird, sind davon auch die Anforderungen in Anlage 4 Abschnitt I zu § 5 Pkw EnVKV umfasst. Hätte die Beklagte Verstöße gegen Anlage 4 Abschnitt I zu § 5 Pkw EnVKV mit der von ihr abgegebenen Unterlassungserklärung nicht erfassen wollen, hätte das ausdrücklich geregelt werden müssen.

Der Zinsanspruch ist aus §§ 288 Abs. 1, 291 BGB begründet.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.

Dr. T






LG Düsseldorf:
Urteil v. 18.04.2012
Az: 34 O 198/11


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