Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 21. Mai 2004
Aktenzeichen: AnwZ (B) 67/02
(BGH: Beschluss v. 21.05.2004, Az.: AnwZ (B) 67/02)
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des 1. Senats des Schleswig-Holsteinischen Anwaltsgerichtshofs vom 15. August 2002 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen und der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 50.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller ist seit 1981 zur Rechtsanwaltschaft und als Rechtsanwalt bei dem Landgericht K. zugelassen. Mit Verfügung vom 8. August 2001 hat die Antragsgegnerin die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO widerrufen und durch weitere Verfügung vom 7. August 2002 die sofortige Vollziehung des Widerrufs angeordnet. Den Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat der Anwaltsgerichtshof zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers.
II.
Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 42 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4 BRAO), bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg.
Die Voraussetzungen für einen Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO sind in dem angefochtenen Beschluß und in der zugrunde liegenden Widerrufsverfügung zutreffend dargetan.
Zum Zeitpunkt der Widerrufsverfügung befand sich der Rechtsanwalt in Vermögensverfall. Zwar konnte sich diese Annahme nicht auf einen gegen ihn erlassenen Haftbefehl vom 6. August 2001 zur Erzwingung der eidesstattlichen Versicherung stützen, weil dieser alsbald wieder aufgehoben worden ist (Forderung des Herrn D. in Höhe von 100.000,--DM gegen den Rechtsanwalt als Gesamtschuldner), nachdem der Gläubiger nach Zahlung eines Teilbetrags den Antrag zurückgenommen hatte. Allerdings kam es wegen der fortbestehenden Restforderung in der Folge zu weiteren Zwangsvollstreckungsmaßnahmen. Soweit ersichtlich fand diese Forderung erst im Jahre 2003 ihre Erledigung. Zu Recht führt die Widerrufsverfügung der Antragsgegnerin jedoch weitere Verbindlichkeiten des Antragstellers an. So war wegen einer Forderung von 1.600.000,--DM bereits ein Antrag auf Zwangsversteigerung für im Grundbuch von Ke. und Ka. eingetragene Grundstücke gestellt worden -insoweit ruhte das Verfahren für sechs Monate bis zum 17. Januar 2002 -, für ein weiteres Grundstück in K. war auf Antrag der Grundschuldgläubigerin, der Sparkasse K. , wegen einer Forderung von 1.000.000,--DM Zwangsverwaltung angeordnet worden. Durch Bescheid vom 24. August 2001 des Ministeriums für Justiz, Frauen, Jugend und Familie des Landes Schleswig-Holstein wurde der Antragsteller auch seines Amtes als Notar vorläufig enthoben.
Daß zum Zeitpunkt der Widerrufsverfügung ein Vermögensverfall bei dem Antragsteller vorlag, wird auch durch die weitere Entwicklung bestätigt. Eine Konsolidierung seiner Vermögensverhältnisse durch Veräußerung eines Teils seines nicht unbedeutenden, aber hoch belasteten Grundbesitzes und ein von dem Antragsteller zum Termin vor dem Anwaltsgerichtshof angestrebtes Moratorium seiner Gläubigerbanken kamen nicht zustande. Zwar ist die in der Widerrufsverfügung aufgeführte Forderung in Höhe von 1.600.000,-DM noch im Jahre 2001 nach Abschluß eines Vergleichs erledigt worden, hingegen kam es aber während des laufenden Verfahrens gegen den Antragsteller zu einer Vielzahl von weiteren Vollstreckungsmaßnahmen. Im einzelnen wird auf die Auflistung der Antragsgegnerin vom 26. Mai 2003 verwiesen. Insbesondere wurden weitere Anträge auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung gestellt, gegen die der Antragsteller teilweise -erfolglos -Widerspruch bzw. sofortige Beschwerde eingelegt hat. Die Techniker Krankenkasse hatte mit Schreiben von 26. August 2002 Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens wegen rückständiger Gesamtsozialversicherungsbeiträge von 3.443,57 Euro gestellt, der allerdings wieder aufgehoben wurde, nachdem die Gläubigerin die Sache für erledigt erklärt hatte. Haftbefehle zur Erzwingung der eidesstattlichen Versicherung wurden erlassen in Sachen Sparkasse O. -20 M 1484/02 -am 8. April 2002 (70.000 Euro), in Sachen C. bank AG -20 M 1609/02 -am 16. September 2002 (78.000 Euro), in Sachen H. krankenkasse -20 M 4529/02 -am 18. Oktober 2002 und -20 M 5287/02 -am 3. Dezember 2002 (Forderung 11.494,14 Euro), in Sachen H. Sparkasse -20 M 5286/02 -am 3.12.2002 -, in Sachen B. bank -20 M 5285/02 -am 3. Dezember 2002 (Forderung 8.038,98 Euro), in Sachen Rechtsanwalt Dr. B. /H. M. Tankschutz -20 M 5288/02 -am 31. Oktober 2003 und in Sachen Notarkammer -20 M 4508/02 -am 25. Juni 2003 (3.159,83 Euro). Am 12. Dezember 2002 hat der Antragsteller die eidesstattliche Versicherung abgegeben.
2. Obwohl grundsätzlich der Zeitpunkt der Widerrufsverfügung maßgeblich ist, kann im Verfahren über den Antrag auf gerichtliche Entscheidung noch berücksichtigt werden, daß der Widerrufsgrund nachträglich zweifelsfrei weggefallen ist (BGHZ 75, 356; st. Rspr.). Eine solche zwischenzeitlich erfolgte zweifelsfreie Konsolidierung seiner Vermögensverhältnisse hat der Antragsteller nicht nachgewiesen. Allerdings hat der Antragsteller, nachdem ihm in der mündlichen Verhandlung im Beschwerdeverfahren eine Frist zur Regelung seiner Vermögensverhältnisse eingeräumt worden war, in der Folge die in der Aufstellung der Antragsgegnerin aufgeführten gegen ihn geltend gemachten Forderungen mit Mitteln aus einem "Familienkredit", der ihm nach seinen Angaben für fünf Jahre zinsund tilgungslos zur Verfügung gestellt worden ist, im wesentlichen vergleichsweise erledigt. Von den im Schuldnerverzeichnis eingetragenen acht Haftbefehlen hat der Antragsteller in fünf Fällen die Löschung der Eintragung beantragt. In einem weiteren Fall (20 M 1609/02 -Haftbefehl vom 16. April 2002) hat er nachgewiesen, daß er mit der C. bank H. als Gläubigerin einen Vergleich geschlossen und den vereinbarten Betrag von 15.000 Euro gezahlt hat. Soweit zwei Haftbefehle auf Grund von Forderungen der H. krankenkasse bestehen (20 M 4529/02 vom 18. Oktober 2002 und 20 M 5287/02 v. 8. Dezember 2002), hat er die Berechtigung dieser Forderungen bestritten. Insoweit war er durch Urteil des Landgerichts H. vom 8. Februar 2002 als faktischer Geschäftsführer für vorenthaltene Arbeitnehmerbeitragsanteile zur Zahlung von 10. 675,67 Euro an die H. krankenkasse verurteilt worden. Wegen Vorenthaltens von Arbeitsentgelt als faktischer Geschäftsführer der Fa. TS GmbH war gegen den Antragsteller auch bereits 2002 ein Strafbefehl des Amtsgerichts O. über eine Geldstrafe von 108.000 Euro ergangen, der aber nicht rechtskräftig und -soweit ersichtlich -bisher auch nicht verhandelt ist. Wegen eines vergleichbaren Sachverhalts hat auch die AOK N. Ansprüche gegen den Antragsteller klageweise geltend gemacht. Der Antragsteller will, soweit er verurteilt ist, Restitutionsklage erheben mit der Begründung, er sei keinesfalls faktischer Geschäftsführer der Gesellschaft gewesen. Auch wenn danach diese beiden Haftbefehle nicht ohne weiteres dafür herangezogen werden können, daß die Vermutung des Vermögensverfalls fortbesteht, so bestehen doch weiterhin Unklarheiten über die Vermögensverhältnisse des Antragsstellers. So ist zwar vorgetragen worden, daß das im Grundbuch K. Bl. 20753 eingetragene Grundstück (B 125/01 der Aufstellung der Antragsgegnerin vom 25. Juni 2003) verwertet ist, die Sparkasse aus dem Erlös befriedigt sei und dem Antragsteller sogar noch Zahlungsansprüche gegen die Sparkasse K. in Höhe von 500.000 Euro zuständen. Unterlagen sind insoweit -trotz Aufforderung -nicht vorgelegt worden. Auch für die Verwertung des im Grundbuch K. Blatt 274 eingetragenen Grundstücks (SH 1b der Aufstellung) liegt kein Nachweis vor. Soweit der Antragsteller auf Kenntnisse der Antragsgegnerin verweist, die sie durch ihr Vorstandsmitglied erhalten habe, hat diese solche Kenntnisse bestritten. Auch die Vorgänge um die Verwertung des Grundstücks im Grundbuch F. 222 (SH 1c der Aufstellung) sind nur unvollständig eingereicht worden, insbesondere ist nicht belegt, daß die eingetragenen Belastungen vom Antragsteller zum Erlöschen gebracht sind. Die Löschungsbewilligungen für die Sicherungshypotheken für die Landesbank Girozentrale in M. liegen ebenfalls nicht vor (B 2/02 der Aufstellung). Der Antragsteller hat sich insoweit darauf beschränkt, eine Erklärung seines Steuerberaters einzureichen, nach der sämtliche Immobilien veräußert sind bzw. die Immobilien K. , Z. 29, und M. , R. straße 26 noch 2004 veräußert werden und Restschulden daraus nicht entstanden sind bzw. nicht entstehen werden. Dies kann aber die geforderte Vermögensaufstellung nicht ersetzen, zumal sich aus den eingereichten Unterlagen selbst Hinweise auf weitere Verbindlichkeiten ergeben. So hat der Antragsteller etwa in der Klagesache Landeshauptstadt M. gegen ihn (Klagesache Nr. 11 der Aufstellung der Antragsgegnerin vom 25. Juni 2003 -78.402,01 Euro €) ein notarielles Schuldanerkenntnis (in welcher Höhe€) abgegeben. Soweit er sich Gegenforderungen berühmt, hat er diese nicht belegt.
Danach ist jedenfalls ein z w e i f e l s f r e i e r Wegfall des Vermögensverfalls, der zur Vermeidung eines weiteren Verfahrens, das ohne weiteres und sofort zur erneuten Zulassung des Rechtsanwalts führen müßte, zu berücksichtigen wäre, nicht nachgewiesen. Dem Antragsteller bleibt die Möglichkeit, in einem Wiederzulassungsverfahren seine Vermögensverhältnisse weiter aufzuklären.
Anhaltspunkte dafür, daß eine Gefährdung für die Rechtsuchenden ausnahmsweise nicht gegeben ist, liegen nicht vor.
Die Beteiligten haben sich im Termin vom 29. September 2003 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
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BGH:
Beschluss v. 21.05.2004
Az: AnwZ (B) 67/02
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