Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 26. September 1997
Aktenzeichen: 6 U 63/97
(OLG Köln: Urteil v. 26.09.1997, Az.: 6 U 63/97)
Wird bei der Gegenüberstellung zweier miteinander konkurrierender - den Markt beherrschender - Naßrasierer in einem Fernsehspot von dem Werbenden unter lobender Hervorhebung der eigenen Ware das Konkurrenzprodukt als ,herkömmlicher Rasierer" bezeichnet, versteht ein nicht unerheblicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise eine solche Apostrophierung i.S. von ,überholt", ,veraltet", ,weniger gut"; eine solche Werbung ist unter dem Gesichtspunkt der pauschalen herabsetzenden Werbung unlauter und stellt insbesondere keinen zulässigen System- oder Fortschrittsvergleich dar.
Tenor
Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das am 27. Februar 1997 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln - 81 O 16/97 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß das Unterlassungsgebot der vom Landgericht mit diesem Urteil bestätigten einstweiligen Verfügung (Beschlußverfügung) vom 24. Januar 1997 - A. Z.: 81 O 16/97 - wie folgt neu gefaßt wird:Die Antragsgegnerin hat es zwecks Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 500.000,00 DM zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs den von ihr vertriebenen Naßrasierer "G. Sensor-Excel" mit einem Film zu bewerben, dessen Bild und zeitlich dazugehörender Text wie nachstehend wiedergegeben beschrieben wird:Bild1. Geteiltes Bild; zwei Männer mit eingeseiften Wangen, die sich anschicken, sich mit ei-nem Naßrasierer zu rasieren; Texteinblendung links: "herkömmlicher Rasierer";Texteinblendung rechts: "G. Sensor Excel".2. Die rechten Arme der beiden Männer mit den beiden Ra-sierapparaten lösen sich von den jeweiligen Körpern, schweben zur anderen Bildhälfte und wachsen dem jeweilig anderen Mann an. Die rechte Bildhälfte wird zum Vollbild.3. Arm und Hand mit dem "G. Sensor Excel" des rechten Mannes, die nunmehr dem linken Mann angewachsen sind, rasieren die eingeseiften Wan-gen des Mannes links.4. Das Bild teilt sich wieder. Der rechte Mann klopft an den Bildrand.5. Der eingangs des Spots zu- sammen mit dem Hinweis"herkömmlicher Rasierer" gezeigte Rasierer erscheint - ohne Texteinblendung - in Großaufnahme, verschwindet dann aus dem Bild und wird durch "G. Sensor Excel" er-setzt.6. Der Mann rechts mit dem an- gewachsenen Arm des linken Mannes und dem "herkömmlichen Rasierer" klopft mit der Faust mit abgebrochener Rasur, die eine Wange unverändert in vollem Umfange eingeseift, gegen die Trennlinie der beiden Bildhälften, während der linke Mann mit dem Arm des rechten Mannes nach rechts schauend mit der Achsel zuckt, sich anschließend nach links abwendet und anschickt, den "G. Sensor Excel" wegzutragen.7. "G. Sensor Excel" in Großaufnahme. Ton Stimme aus dem "Off": "Entschuldigung, glauben Sie, daß Ihr Rasierer ge- nauso gut ist, wie sein 'G. Sensor Excel'€" Mann links: "Ja!" Stimme aus dem "Off": "So€ Probieren Sie doch mal den Sensor Excel. Ei- ne Rasur mit dem Sensor Excel, und wetten, Sie bleiben dabei€ Denn nur der Sensor Excel hat fei- ne, weiche Lamellen für eine erstaunlich angenehme Rasur. Wow! Und federnd gelagerte Doppelklingen für unübertroffene Gründ- lichkeit. Stellen Sie den G. Sensor Excel auf die Probe." Mann rechts: "Entschul- digung!" Stimme aus dem "Off": "Wetten, Sie bleiben dabei€" Mann rechts: "He, ich will meinen Sensor Excel zurück." Stimme aus dem "Off": "Besser, Sie geben ihn niemals aus der Hand" sowie wie nachfolgend wiedergegeben: Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen werden der Antragsgegnerin auferlegt.
Gründe
Die Berufung der Antragsgegnerin ist zulässig, aber
unbegründet.
Die Antragstellerin nimmt die Antragsgegnerin auch nach dem
zweitinstanzlichen Vorbringen der Parteien mit Erfolg im Wege der
einstweiligen Verfügung auf Unterlassung des beanstandeten
Werbefilms für den Naßrasierer "G. Sensor-Excel" in Anspruch. Die
Beschlußverfügung des Landgerichts vom 24. Januar 1997 war deshalb
lediglich dem von der Antragstellerin im Berufungstermin neu
formulierten Antrag anzupassen, der ohne Veränderung des
ursprünglichen Rechtsschutzziels der Antragstellerin die
beanstandete Wettbewerbshandlung der Antragsgegnerin konkreter
beschreibt. Dabei war zugleich eine geringfügige, ausschließlich
sprechliche Ànderung des Unterlassungsgebots gegenüber dem von der
Antragstellerin im Termin vom 27. August 1997 gestellten
Unterlassungsantrag vorzunehmen.
Bedenken gegenüber der Zulässigkeit des Verfügungsantrags der
Antragstellerin bestehen nicht, auch nicht aus § 253 Abs. 2 Ziff. 2
ZPO. Der Verfügungsantrag stellt in seiner jetzigen Fassung die
beanstandete Wettbewerbshandlung der Antragsgegnerin und damit -
insoweit unter zusätzlicher Einbeziehung der nachfolgenden
Erwägungen zu den Gründen, die diese Wettbewerbshandlung als
unlauter ausweisen - auch den Inhalt und Umfang des gegen die
Antragsgegnerin ausgesprochenen Unterlassungsgebots ausreichend
deutlich dar.
Das von der Antragstellerin mit dem Verfügungsantrag geltend
gemachte Unterlassungsbegehren ist gemäß § 1 UWG unter dem
Gesichtspunkt der herabsetzenden vergleichenden Werbung ebenfalls
begründet.
Der Tatbestand der herabsetzenden vergleichenden Werbung setzt
voraus, daß die Werbung sich auf einen oder mehrere Mitbewerber
bezieht, die namentlich nicht genannt zu sein brauchen, nach den
ganzen Umständen jedoch für die mit der Werbung angesprochenen
Verkehrskreise hinreichend erkennbar sein müssen (vgl. BGH
"Cola-Test" GRUR 1987/49, 50 m.w.N.). Dabei kann in Ausnahmefällen
sogar ohne erkennbaren Bezug auf einen Mitbewerber eine
vergleichende Werbung als wettbewerbswidrig angesehen werden, wenn
zum Beispiel die Hervorhebung der eigenen Leistung auf Kosten einer
pauschalen Herabsetzung der (ungenannten) Mitbewerber erfolgt (vgl.
dazu BGH "Großer Werbeaufwand" GRUR 1985/982, 983; BGH "Preistest"
WRP 1996/1097, 1098, Köhler/Pieper, UWG § 1 Rdnr. 146, 152, jeweils
m.w.N.). Der angegriffene Werbefilm der Antragsgegnerin erfüllt
diese Voraussetzungen. Ein bestimmter Mitbewerber der
Antragsgegnerin oder ein konkretes mit dem G. Sensor-Excel
konkurrierendes Produkt werden dort zwar nicht genannt. In
Óbereinstimmung mit dem Landgericht ist aber davon auszugehen, daß
der Werbefilm von den angesprochenen Verkehrskreisen als pauschale
Abwertung sämtlicher mit dem G. Sensor-Excel in Wettbewerb
stehenden Produkte, damit angesichts des von beiden Parteien mit
Marktanteilen von insgesamt ca. 96 % beherrschten Gesamtmarktes der
Naßrasierer (wobei die Antragstellerin bei den Einwegrasierern
einen Anteil von mehr als 2/3 des Gesamtmarktes innehat und die
Anteile der Parteien bei dem Marktsegment der Systemklingenrasierer
wie auch bezogen auf den Gesamtmarkt in etwa gleich groß sind)
insbesondere als pauschale Abwertung der von der Antragstellerin
angebotenen Naßrasierer verstanden wird.
Der Werbespot der Antragsgegnerin wird eingeleitet durch ein
geteiltes Bild, auf dessen rechter Seite der "G. Sensor-Excel"
abgebildet ist mit einem Texthinweis, der den Produktnamen
wiedergibt. Auf der linken Seite des Bildes wird ein Naßrasierer
wiedergegeben, der in dem dort eingeblendeten Texthinweis als
"herkömmlicher Rasierer" bezeichnet wird. Dieses geteilte Bild mit
den gegenübergestellten Produkten und den großen, gut lesbaren
Texthinweisen erscheint - wie die Inaugenscheinnahme des Werbespots
in der Berufungsverhandlung demonstriert hat - ausreichend lange
auf dem Bildschirm, um selbst bei der zumeist nur üblichen
flüchtigen Betrachtung derartiger Werbung wahrgenommen zu werden.
Daß es sich bei dem auch im weiteren Verlauf des Werbespots nicht
näher konkretisierten "herkömmlichen Rasierer" um ein eigenes
Produkt der Antragsgegnerin handelt, werden allerdings nur wenige
kundige Verbraucher erkennen. Die weitaus meisten Verbraucher
werden lediglich feststellen, daß auf der linken Seite des
Doppelbildes ein Naßrasierer wiedergegeben ist, und ihre
Aufmerksamkeit auf den bereits erwähnten Texthinweis "herkömmlicher
Rasierer" richten. Weder dort noch in den späteren Bildern und
Texthinweisen des Werbefilms wird aber der mit dem "G. Sensor
Excel" verglichene "herkömmliche Rasierer" näher beschrieben oder
namentlich konkretisiert. Wird jedoch in einer Werbung - wie in dem
beanstandeten Werbespot der Antragsgegnerin - nicht deutlich darauf
hingewiesen, daß das dort angepriesene Produkt lediglich mit den
eigenen Produkten des Werbenden verglichen werden soll, liegt es
auf der Hand, daß sich eine solche Gegenüberstellung aus der Sicht
der angesprochenen Verkehrsteilnehmer insbesondere auch, wenn nicht
sogar in erster Linie gegen die Produkte der Konkurrenz richtet.
Nach alledem werden somit die Verbraucher durch die Eingangssequenz
des beanstandeten Werbespots darauf eingestimmt, daß es dabei um
einen Vergleich des "G. Sensor Excel" mit sämtlichen anderen
Naßrasierern, vor allem denen der Wettbewerber, geht. Zugleich wird
ihnen eingangs des Werbespots in einprägsamer Kurzform
nahegebracht, wie diese anderen Naßrasierer ungeachtet ihrer
individuellen Besonderheiten im Verhältnis zum "G. Sensor-Excel" zu
charakterisieren und bewerten sind, nämlich als "herkömmliche
Rasierer".
Der Begriff "herkömmlich" kann je nach dem Kontext, in dem er
steht, eine unterschiedliche Bedeutung haben und muß nicht zu einer
Abqualifizierung der mit diesem Begriff beschriebenen Produkte
führen. Im Streitfall besteht jedoch kein Zweifel daran, daß hier
"herkömmlich" von den Betrachtern des Werbespots nicht in einem
positiven Sinn von "traditionellbewährt" verstanden wird, sondern
im Sinne von "überholt", "veraltet" und "weniger gut". Bereits in
dem geteilten Bild, das den Werbefilm einleitet, wird die
Vorstellung des Verkehrs dahin gelenkt, daß es im folgenden darum
geht, die Óberlegenheit des "G. Sensor Excel" gegenüber allen
anderen als "herkömmlich" etikettierten Rasierern zu demonstrieren.
Die sich an das Eingangsbild anschließende Frage des
"Sensor-Excel"-Benutzers an den Benutzer des "herkömmlichen
Rasierers", ob dieser glaube, daß sein Rasierer "genauso gut sei"
wie der "G. Sensor-Excel" mit der Prognose, daß der Benutzer des
"herkömmlichen Rasierers" nach einem Ausprobieren des Sensor Excel
bei diesem bleiben werde (wie sich dann auch gegen Ende des
Werbefilms zeigt), bestätigt sodann, daß der Hinweis "herkömmlich"
in dem Werbespot in dem angeführten negativen Sinne gemeint ist. Im
weiteren Ablauf des Werbespots wird dieses Verständnis des
Verbrauchers von den "herkömmlichen Rasierern" aufrechterhalten und
weiter verstärkt. Die dort angeführten Eigenschaften des "G. Sensor
Excel" ("feine, weiche Lamellen für eine erstaunlich angenehme
Rasur" und "federnd gelagerte Doppelklingen für unübertroffene
Gründlichkeit") werden vom Verkehr entgegen der Ansicht der
Antragsgegnerin nicht als eine in Bezug auf diese Eigenschaften
isoliert zu sehende Berühmung einer Spitzenstellung angesehen,
sondern als Erläuterungen zu der angeblichen "Herkömmlichkeit" der
anderen Rasierer gegenüber dem mit diesen Eigenschaften als
überlegen dargestellten "G. Sensor Excel" verstanden. Dabei mag die
Antragsgegnerin im vorliegenden Verfahren glaubhaft gemacht haben,
daß ihr streitgegenständliches Produkt eine "unübertroffene
Gründlichkeit" der Rasur gewährleisten kann. Wieso aber diese
Eigenschaft und insbesondere auch die für den "G. Sensor Excel" in
Anspruch genommenen "feine(n), weiche(n) Lamellen für eine
erstaunlich angenehme Rasur" die anderen Rasierer als "herkömmlich"
im Sinne von überholt abstempelt, erfährt der Verbraucher aus dem
Werbespot nicht, abgesehen davon, daß selbst die Antragsgegnerin
ausweislich ihres Vortrags in der Berufungsinstanz nicht behauptet,
daß nicht zum Beispiel auch die Spitzenprodukte der Antragstellerin
eine "erstaunlich angenehme Rasur" garantieren können, wie es in
dem beanstandeten Werbespot allein für den "G. Sensor Excel" in
Anspruch genommen wird.
Der in Rede stehende Werbespot für den "G. Sensor-Excel" kann
danach entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin nicht als
zulässiger Systemvergleich bewertet werden, denn die
Antragsgegnerin vergleicht in ihrer Werbung gerade nicht die Vor-
und Nachteile zweier oder mehrerer Systeme, sondern nimmt vielmehr
bei der Hervorhebung ihres Produktes pauschal auf die
Konkurrenzprodukte ungeachtet deren individuellen Unterschiede
Bezug (vgl. dazu Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 19. Aufl., §
1 UWG Rdnr. 343). Auch kann keine Rede davon sein, daß die
Antragsgegnerin in ihrem Werbespot in zulässiger Weise einen
konkreten technischen Fortschritt oder die eigene Weiterentwicklung
bewerbe (vgl. dazu Baumbach-Hefermehl, aaO., § 1 UWG Rdnr. 380,
383, 384). Vielmehr ist in Óbereinstimmung mit dem Landgericht
davon auszugehen, daß dem Verbraucher durch den beanstandeten
Werbefilm der pauschale, weil letztlich nicht erläuterte Eindruck
vermittelt wird, alle anderen Rasierer seien im Verhältnis zum "G.
Sensor-Excel" ungeachtet ihrer individuellen Gestaltung und
Besonderheiten veraltet und deshalb weniger gut. Mit einer solchen
pauschalen Abwertung der Konkurrenz den Wettbewerb des eigenen
Produktes zu fördern, verstößt jedoch gegen die guten Sitten im
Wettbewerb und ist daher gemäß § 1 UWG unlauter.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Das Urteil ist gemäß § 545 Abs. 2 ZPO mit der Verkündung
rechtskräftig.
OLG Köln:
Urteil v. 26.09.1997
Az: 6 U 63/97
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/821f04472d41/OLG-Koeln_Urteil_vom_26-September-1997_Az_6-U-63-97