Bundespatentgericht:
Beschluss vom 21. September 2000
Aktenzeichen: 25 W (pat) 206/99
(BPatG: Beschluss v. 21.09.2000, Az.: 25 W (pat) 206/99)
Tenor
Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.
Gründe I Die Bezeichnung Isoralsoll nach Einschränkung des Warenverzeichnisses zuletzt im Beschwerdeverfahren noch für "pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege (ausgenommen Antimykotika und Dermatika); diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke, Babykost; Pflaster, Verbandmaterial; Zahnfüllmittel und Abdruckmassen für zahnärztliche Zwecke; Desinfektionsmittel" in das Markenregister eingetragen werden. Die Bekanntmachung der Anmeldung ist am 27. Februar 1993 erfolgt. Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der älteren, seit 1972 international registrierten Marke IRR 394 488 NIZORAL die ua für "produits pharmaceutiques, veterinaires et hygieniques; produits dietetiques pour enfants et malades; empltres, materiel pour pansements; matières pour plomber les dents et pour empreintes dentaires; desinfectants" und weitere Waren der Klasse 1 und 3 seit 1974 auch in der Bundesrepublik Schutz genießt.
Die Anmelderin hat die Benutzung der Widerspruchsmarke für alle Waren außer "Antimykotika" bestritten. Eine über den zugestandenen Warenbereich hinausgehende Benutzung hat die Widersprechende nicht geltend gemacht.
Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Verwechslungsgefahr zwischen den Marken verneint und den Widerspruch zurückgewiesen. Auch wenn die Marken sich auf identischen Waren begegnen könnten und deshalb strenge Anforderungen an den Markenabstand gestellt würden, bestehe keine Verwechslungsgefahr. Der Übereinstimmung der Marken in dem Bestandteil "oral" am ohnehin weniger beachteten Wortende könne nur geringere Bedeutung beigemessen werden, weil der Verkehr hierin vor allem einen Hinweis auf die Darreichungsform der Präparate sehen werde. Jedenfalls im Hinblick auf die Kennzeichnungsschwäche des gemeinsamen Endbestandteils gewährleistete der deutliche Unterschied in den Anfangsbestandteilen einen in jeder Richtung ausreichend unterscheidbaren Gesamteindruck.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden, die beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und der angemeldeten Marke die Eintragung zu versagen.
Die Vergleichsmarken seien verwechselbar ähnlich. Der Widerspruchsmarke komme von Hause aus eine normale Kennzeichnungskraft zu, auch wenn "oral" ein sprechender Bestandteil sei, der auf die Applikationsform der Waren hindeute. Ausgehend davon und bei einer möglichen Begegnung der Waren auf identischen Waren, was die Anforderungen an den erforderlichen Zeichenabstand erhöhe, könne eine Verwechslungsgefahr nur bei einem ausgesprochen geringen Ähnlichkeitsgrad der Bezeichnungen verneint werden. Ein in diesem Sinne ausreichender Markenabstand sei in klanglicher Hinsicht nicht eingehalten. Bei einer "weichen" Aussprache des Buchstabens "z" der Widerspruchsmarke seien die dreisilbigen Markenwörter in den beiden letzten Sprechsilben nahezu identisch. Die beiden Anfangssilben unterschieden sich nur durch den in der Widerspruchsmarke vorhandenen schwachen Nasallaut "N".
Die Anmelderin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Durch die im Beschwerdeverfahren vorgenommene Beschränkung des Warenverzeichnisses könnten die Marken sich nicht mehr auf identischen, sondern nur noch auf ähnlichen Waren begegnen. Verwechslungen in entscheidungserheblichem Umfang seien dabei ausgeschlossen. Die Markenwörter unterschieden sich am stark beachteten Wortanfang unverkennbar und stimmten lediglich in der beschreibend wirkenden Endung "ORAL" überein.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Beschluß der Markenstelle sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.
II Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig, insbesondere statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt, § 66 Abs 1 Satz 1, Abs 2 MarkenG.
In der Sache hat die Beschwerde jedoch keinen Erfolg. Der Widerspruch ist von der Markenstelle zu Recht gemäß §§ 152, 43 Abs 2 Satz 2 MarkenG zurückgewiesen worden. Es besteht auch nach Auffassung des Senats keine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG, der nach §§ 152, 158 Abs 2 Satz 2, 42 Abs 2 Nr 1 MarkenG Anwendung findet.
Nachdem die Inhaberin der angegriffenen Marke die Benutzung der Widerspruchsmarke für alle Waren mit Ausnahme von "Antimykotika" wirksam bestritten hat und die Widersprechende eine weitergehende Benutzung auch nicht geltend gemacht hat, ist auf Seiten der Widerspruchsmarke von diesen Waren auszugehen, § 43 Abs 1 Satz 1 und 3 MarkenG. Es besteht kein Anlaß, im Rahmen der Integrationsfrage der Entscheidung einen weitergehenden Warenbereich zugrundezulegen. Bei unstreitiger oder glaubhaft gemachter Benutzung nur für eine Spezialware legt der Senat zur Vermeidung übermäßiger Einschränkungen in der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit zugunsten der Widersprechenden regelmäßig eine Benutzung der Widerspruchsmarke ganz allgemein für Waren der entsprechenden Hauptgruppe der Roten Liste zugrunde (vgl dazu BPatG Mitt 1979, 223 - Mastu; GRUR 1995, 488 - APISOL/Aspisol; vgl allgemein zur Integrationsfrage BGH GRUR 1990, 39 ff - Taurus in einem Löschungsverfahren; vgl ferner BGH GRUR 1999, 164, 165 letzter Absatz, 166 - JOHN LOBB). Soweit die Inhaberin einer angegriffenen Marke - wie vorliegend - von vornherein einen entsprechend weiten Warenbereich von der Einrede ausnimmt, gibt es keinen sachlichen Grund, von einem darüber hinausgehenden Warenbereich auszugehen, zumal ein über die konkret benutzte Ware hinausgehender erweiterter Warenbereich häufig in Kenntnis der Rechtsprechung zur Integrationsfrage zugestanden wird.
Ausgehend davon stehen den zu berücksichtigenden "Antimykotika" der Widerspruchsmarke die "pharmazeutischen und veterinärmedizinischen Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege (ausgenommen Antimykotika und Dermatika)" als vom Warenähnlichkeitsgrad am stärksten angenäherte Warengruppe der angemeldeten Marke gegenüber. Insoweit können die Marken sich nicht mehr auf identischen Waren begegnen. Diese Vergleichswaren sind als pharmazeutische Erzeugnisse zwar ähnlich im Sinne des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG, der Indikationsabstand wirkt sich aber in gewissem Umfang verwechslungsmindernd aus. Da die Anmelderin sich bei den "pharmazeutischen Erzeugnissen" nicht auf eine spezielle Warengruppe mit Indikationsabstand zu den Widerspruchswaren festgelegt hat, sondern nur einen Ausnahmevermerk in Bezug auf zwei Indikationsgruppen in das Warenverzeichnis ihrer Marke aufgenommen hat, wodurch nur Warenidentität und allerengste Warenähnlichkeit ausgeschlossen sind, können die Vergleichswaren sich allerdings nach wie vor noch relativ nahe kommen. Zwischen den zu berücksichtigenden "Antimykotika" der Widerspruchsmarke und den weiteren Waren der Anmeldung ist aber ein vergleichsweise größerer Warenabstand gegeben.
Es ist bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher abzustellen, dessen Aufmerksamkeit allerdings je nach Art der Ware unterschiedlich hoch sein kann (vgl EuGH WRP 1999, 806, 809 Tz 26 - Lloyd/Loint's; BGH MarkenR 2000, 140, 144 ATTACHÉ/TISSERAND), wobei der Verkehr erfahrungsgemäß gerade bei Waren, die den Gesundheitssektor betreffen, eine gesteigerte Aufmerksamkeit aufbringt (vgl dazu BGH GRUR 1995, 50, 53 - Indorektal/Indohexal).
Bei seiner Entscheidung geht der Senat von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft und damit einem normalen Schutzumfang der Widerspruchsmarke aus, da entgegenstehende Anhaltspunkte nicht ersichtlich sind.
Angesichts dieser Umstände sind an den zur Vermeidung von Verwechslungen erforderlichen Markenabstand auch im Bereich pharmazeutischer Erzeugnisse, in dem die Waren sich relativ nahe kommen können, jedenfalls keine ganz strengen Anforderungen mehr zu stellen, die noch erfüllt sind. Die Ähnlichkeit der Marken ist nach Auffassung des Senats in keiner Richtung derart ausgeprägt, daß unter Berücksichtigung sämtlicher maßgeblichen Faktoren die Gefahr von Verwechslungen im Sinne des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG zu bejahen wäre.
In schriftbildlicher Hinsicht heben sich die Vergleichswörter in allen verkehrsüblichen Wiedergabeformen aufgrund der markant unterschiedlichen Buchstaben in den Anfangsbestandteilen "Iso" gegenüber "Nizo" bzw "ISO" gegenüber "NIZO" auch im Gesamteindruck deutlich voneinander ab. Dies wird von der Widersprechenden wohl selbst so gesehen, da sie ihre Beschwerde nur mit der klanglichen Nähe der Marken begründet hat.
Klanglich sind die Annäherungen zwischen den Marken zwar stärker ausgeprägt als im Schriftbild. Aber auch insoweit kommen sie sich nicht verwechselbar nahe. Sie stimmen zwar bei gleicher Silbenzahl und ähnlichem Sprechrhythmus in der Vokalfolge und in der Endsilbe "ral" überein. Demgegenüber unterscheiden sie sich aber in den Wortanfangsbestandteilen "Iso" gegenüber "Nizo" relativ deutlich, wobei die Marken auch eine differierende Struktur in der Abfolge von Vokalen und Konsonanten aufweisen. Aufgrund dieser Unterschiede heben sich die Marken nach Auffassung des Senats auch im Gesamteindruck noch ausreichend deutlich voneinander ab. Auch wenn der allein in der Widerspruchsmarke vorhandene Anfangskonsonant "N" für sich betrachtet kein klangstarker Laut sein mag, kommt er am Wortanfang hier noch deutlich genug zum Tragen. Auch die gegenüberstehenden konsonantischen Laute "s" und "z" werden regelmäßig als eigenständige und unterschiedliche Laute wahrgenommen, wobei der Buchstabe "z" ähnlich wie "ts" artikuliert wird. Von wesentlicher Bedeutung ist bei der vorliegenden Fallgestaltung, daß der Verkehr Wortanfänge erfahrungsgemäß stärker zu beachten pflegt als nachfolgende Wortteile (vgl hierzu Althammer/Ströbele MarkenG, 5. Aufl, § 9 Rdn 83 mit weitergehenden Rechtsprechungsnachweisen) und deshalb hier sogar weniger starke Abweichungen eher wahrnimmt als im Wortinnern.
Soweit die Übereinstimmung der Marken in der Lautfolge "oral" als solche wahrgenommen werden sollte, kommt dem weniger eine die Verwechslungsgefahr fördernde, sondern eher eine sie mindernde Wirkung zu, da der Begriff "oral" bei isolierter Betrachtungsweise als glatt beschreibender Begriff über die Art der Verabreichung der Arzneimittel keine kennzeichnende Bedeutung hat und deshalb die Aufmerksamkeit der entsprechenden Verkehrsbeteiligten um so stärker auf die Anfangsbestandteile und die dort vorhandenen Unterschiede gelenkt würde.
Nach alledem konnten die Beschwerde der Widersprechenden keinen Erfolg haben.
Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlaß, § 71 Abs 1 MarkenG.
Kliems Brandt Knoll Pü
BPatG:
Beschluss v. 21.09.2000
Az: 25 W (pat) 206/99
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