Bundespatentgericht:
Beschluss vom 1. Februar 2007
Aktenzeichen: 6 W (pat) 352/03

(BPatG: Beschluss v. 01.02.2007, Az.: 6 W (pat) 352/03)

Tenor

Das Patent 199 82 494 wird in vollem Umfang aufrechterhalten.

Gründe

I.

Gegen das am 22. Mai 2003 veröffentlichte Patent 199 82 494 mit der Bezeichnung "Anordnung und Ausführung von Synchronringen als spanlos geformte Blechteile" ist am 19. August 2003 Einspruch erhoben worden. Der Einspruch ist mit Gründen versehen und auf die Behauptung gestützt, der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 und des nebengeordneten Anspruchs 8 sei nicht neu und beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

In der Einspruchsbegründung verweist die Einsprechende neben den bereits im Prüfungsverfahren berücksichtigten Druckschriften DE 35 19 811 C2 DE 34 12 779 C1 DE 197 13 304 A1 DE 27 22 103 A1 EP 08 21 175 A1 EP 07 17 212 A1 noch auf die DE 35 19 810 C2 (E1). Weiterhin überreicht sie in der mündlichen Verhandlung einen Auszug aus "Dubbel, Taschenbuch für den Maschinenbau", 16. Aufl., 1987, S. Q5.

Die Einsprechende beantragt, das Patent 199 82 494 zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt, das Patent 199 82 494 in vollem Umfang aufrechtzuerhalten.

Sie ist der Auffassung, dass der Einspruch mangels Substantiierung unzulässig sei und dass darüber hinaus der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 und des nebengeordneten Anspruchs 8 sowohl neu als auch erfinderisch sei.

Der erteilte Anspruch 1 lautet:

"Synchronisiereinrichtung für ein Schaltgetriebe miteinem auf einer Getriebewelle in Umfangsrichtung der Getriebewelle verdrehfest angeordneten Synchronkörper, einer auf dem Synchronkörper entlang der Längsmittelachse der Getriebewelle verschiebbar angeordneten Schiebemuffe, mindestens einem auf der Getriebewelle drehbar gelagerten und an den Synchronkörper anschließenden Gangrad, das mit einem Kupplungskörper verbunden oder mit einer Kupplungsverzahnung versehen ist und über den Kupplungskörper oder die Kupplungsverzahnung mittels der Schiebemuffe mit dem Synchronkörper kuppelbar ist, mindestens einem mit dem Gangrad in Verbindung stehenden Reibkörperund mindestens einem zum Synchronkörper in Verbindung stehenden sowie mit einer Verdrehsicherung versehenen äußeren Synchronring, wobei der äußere Synchronring durch einen im Wesentlichen konisch ausgebildeten Ringkörper gebildet ist, dessen Stirnseite mit dem größten Durchmesser dem Gangrad, sowie dessen Stirnseite mit dem kleinsten Durchmesser dem Synchronkörper zugewandt ist, der an seiner Außenmantelfläche mit einer radial nach außen gerichteten Verzahnung versehen ist, und dessen Innenmantelfläche als eine Reibfläche ausgebildet ist, die mit dem Reibkörper zusammenwirkt, dadurch gekennzeichnet, dass der äußere Synchronring (1, 6, 10, 19) ein einstückiger, dünnwandiger und spanlos geformter Blechring ist, an dessen Stirnseite mit dem größten Durchmesser die Verzahnung (2) und an dessen Stirnseite mit dem kleinsten Durchmesser (3a) ein radial nach außen gerichteter Bord (3, 8) ausgebildet ist."

Der erteilte nebengeordnete Anspruch 8 lautet:

"Synchronisiereinrichtung nach dem Oberbegriff des Anspruchs 1, dadurch gekennzeichnet, dassder Reibkörper ein Zwischenring (18) mit einer zur Getriebewelle konisch verlaufenden äußeren Reibfläche (20) sowie einer zur Getriebewelle konisch verlaufenden inneren Reibfläche (22) ist, der Zwischenring (18) über seine äußere Reibfläche (20) mit der Reibfläche (23) des äußeren Synchronringes (1, 6, 19) eine erste Reibpaarung (20) bildet und über seine innere Reibfläche (22) mit einem inneren Synchronring (21) zusammenwirkt, der innere Synchronring (21) mit einer zur Getriebewelle konisch verlaufenden weiteren äußeren Reibfläche und der inneren Reibfläche des Zwischenringes (18) eine zweite Reibpaarung (22) bildet, der innere Synchronring (21) mit dem Synchronkörper (13) in Verbindung steht, der innere Synchronring (21) und der Zwischenring (18) als im Umformverfahren gefertigte Blechteile ausgebildet sind, und dass der äußere Synchronring (1, 6, 10, 19) ein einstückiger, dünnwandiger und spanlos geformter Blechring ist, an dessen Stirnseite mit dem größten Durchmesser die Verzahnung (2) sowie an dessen Stirnseite mit dem kleinsten Durchmesser (3a) ein radial nach außen gerichteter Bord (3) ausgebildet ist und mindestens eine in den Bord (3) eingebrachte Aussparung (19a) die Verdrehsicherung bildet."

Wegen der auf den Anspruch 1 bzw. 8 rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 7 bzw. 9 bis 14 sowie wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

1. Das Bundespatentgericht ist für die Entscheidung über den Einspruch nach § 147 Abs. 3 PatG in der bis zum 30. Juni 2006 geltenden Fassung i. V. m. § 99 Abs. 1 PatG, § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO und § 17 Abs. 1 GVG entsprechend zuständig.

2. Der frist- und formgerecht erhobene Einspruch ist ausreichend substantiiert und auch im Übrigen zulässig.

Der Vorhalt der Patentinhaberin, der Einspruch sei mangels ausreichender Substantiierung unzulässig, vermag nicht zu greifen.

Die Patentinhaberin hat vorgetragen, die Einsprechende habe den Zusammenhang zwischen dem Streitgegenstand und den entgegengehaltenen Druckschriften nicht ausreichend klar dargelegt und sich darüber hinaus auch nicht mit allen Einzelmerkmalen des erteilten Anspruchs 1 bzw. des nebengeordneten Anspruchs 8 auseinandergesetzt.

Die Einsprechende hat jedoch zusammengefasst ausgeführt, dass sich der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 und des nebengeordneten Anspruchs 8 aus einer Zusammenschau von EP 0 717 212 A1 und DE 35 19 810 C2 ergebe, da aus diesen beiden Druckschriften sämtliche Merkmale der fraglichen Ansprüche bekannt seien. Folglich ist die Begründung der Einsprechenden so abgefasst, dass ein Fachmann sie ohne unzumutbaren Aufwand richtig verstehen kann, wobei ihm ein gewisser Interpretationsaufwand durchaus zuzumuten ist.

Auch der Vorhalt der Patentinhaberin, die Einsprechende habe sich nicht im Einzelnen mit allen Merkmalen der fraglichen Ansprüche auseinandergesetzt, vermag eine Unzulässigkeit des Einspruchs nicht zu begründen. Denn eine Auseinandersetzung mit dem eigentlichen Kern der patentierten Lehre ist in der Regel ausreichend, und dies hat die Einsprechende in ihrem Einspruchsschriftsatz getan. In einem solchen Fall ist es aber unschädlich, wenn die Begründung nicht alle Merkmale des Anspruchs im einzelnen behandelt.

3. Der Gegenstand des angefochtenen Patents stellt eine patentfähige Erfindung im Sinne der §§ 1 bis 5 PatG dar.

a. Die erteilten Ansprüche 1 bis 14 sind zulässig, da sie den ursprünglichen Ansprüchen entsprechen.

Die Zulässigkeit der erteilten Ansprüche ist im Übrigen seitens der Einsprechenden auch nicht bestritten worden.

b. Der zweifelsfrei gewerblich anwendbare Synchronisiereinrichtung nach dem erteilten Anspruch 1 ist neu.

Dies ist seitens der Einsprechenden ausschließlich hinsichtlich der DE 35 19 810 C2 bestritten worden.

Die DE 35 19 810 C2 zeigt neben den im Oberbegriff des erteilten Anspruchs 1 angegebenen Merkmalen auch noch die Merkmale, wonach der äußere Synchronring ein einstückiger, dünnwandiger und spanlos geformter Blechring ist, an dessen Stirnseite mit dem größten Durchmesser die Verzahnung ausgebildet ist (vgl. insbes. Sp. 2, Z. 11 bis 25 sowie Fig. 2 bis 6).

Als Unterschied dem gegenüber verbleibt jedoch, dass an dem Außensynchronring an dessen Stirnseite mit dem kleinsten Durchmesser ein radial nach außen gerichteter Bord ausgebildet ist.

Denn unter einem "Bord" wird im allgemeinen Sprachgebrauch ein Rand oder eine Einfassung mit einer relativ geringen Dicke verstanden. Dies ergibt sich auch aus der Tatsache, dass der äußere Synchronring als dünnwandiger Blechring ausgebildet sein soll (vgl. Sp. 9, Z. 1 bis 3 der Streitpatentschrift) und dass folglich auch der Bord "dünnwandig" sein muss.

Einen solchen "dünnwandigen" Bord zeigt die DE 35 19 810 C2 aber gerade nicht. Dort weist der Synchronring vielmehr drei, sich nahezu über die gesamte axiale Höhe des Synchronrings erstreckende Anschläge 7 auf, welche gleichmäßig am Umfang verteilt sind. Diese Anschläge bilden aber keinen radial nach außen gerichteten "dünnwandigen" Bord, sondern allenfalls drei einzelne, sich radial nach außen erstreckende Nasen, und sie sind auch nicht an der Stirnseite mit dem kleinsten Durchmesser vorgesehen, sondern erstrecken sich über fast die gesamte Höhe des sich radial erstreckenden Ringkörpers des Synchronrings.

Die übrigen Entgegenhaltungen zeigen ebenfalls keine Synchronisiereinrichtungen mit sämtlichen Merkmalen des erteilten Anspruchs 1, wie sich auch aus den nachfolgenden Ausführungen ergibt.

c Die Synchronisiereinrichtung gemäß dem erteilten Anspruch 1 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Die EP 0 717 212 A1 wurde zur Bildung des Oberbegriffs des erteilten Anspruchs 1 herangezogen (vgl. Sp. 1, Z. 42/43 der Streitpatentschrift) und offenbart demgemäß die dort angegebenen Merkmale.

Weiterhin offenbart sie zusätzlich noch die ersten beiden Merkmale des kennzeichnenden Teils des erteilten Anspruchs 1, wonach der äußere Synchronring ein einstückiger, dünnwandiger und spanlos geformter Blechring ist, an dessen Stirnseite mit dem größten Durchmesser die Verzahnung ausgebildet ist (vgl. insbes. Sp. 4, Z. 7 bis 13 sowie Fig. 2 und 3, Pos. 18, 19).

Als Unterschied gegenüber der aus der EP 0 717 212 A1 bekannten Synchronisiereinrichtung verbleibt somit noch, dass an dem Außensynchronring an dessen Stirnseite mit dem kleinsten Durchmesser ein radial nach außen gerichteter Bord ausgebildet ist.

Dieses Merkmal ist aus dieser Schrift nicht bekannt, und es kann von dort mangels entsprechender Hinweise auch keine Anregung zu einer solchen Ausgestaltung ausgehen.

Eine solche Anregung vermag auch der übrige Stand der Technik nicht zu geben.

Denn wie bereits beim Neuheitsvergleich ausgeführt worden ist, erläutert die DE 35 19 810 C2 keinen Synchronring, der an der Stirnseite mit dem kleinsten Durchmesser einen radial nach außen gerichteten Bord aufweist. Eine solche Ausgestaltung kann auch der Literaturstelle "Dubbel" nicht entnommen werden.

Der übrige im Prüfungsverfahren berücksichtigte und von der Einsprechenden nicht mehr aufgegriffene Stand der Technik zeigt ebenfalls keinen Synchronring, an dessen Stirnseite mit dem kleinsten Durchmesser ein radial nach außen gerichteter Bord ausgebildet ist.

Somit vermag selbst eine Zusammenschau des gesamten nachgewiesenen Standes der Technik nicht zum Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 zu führen.

Der erteilte Anspruch 1 ist somit bestandsfähig.

Das Gleiche gilt auch für den nebengeordneten Anspruch 8.

Der nebengeordnete Anspruch 8 enthält u. a. ebenfalls die Merkmale, wonach an dem Synchronringan dessen Stirnseite mit dem kleinsten Durchmesser ein radial nach außen gerichteter Bord ausgebildet ist.

Wie bereits im Zusammenhang mit dem erteilten Anspruch 1 ausgeführt, sind diese Merkmale jedoch weder durch die DE 35 19 810 C2 noch durch eine der übrigen Entgegenhaltungen bekannt oder nahegelegt, so dass selbst eine Zusammenschau des gesamten zu berücksichtigenden Standes der Technik keine zum Gegenstand des nebengeordneten Anspruchs 8 führenden Hinweise geben kann.

e. Zusammen mit dem Anspruch 1 bzw. dem nebengeordneten Anspruch 8 sind auch die auf sie rückbezogenen Unteransprüche gewährbar, da sie nicht platt selbstverständliche Ausgestaltungen des Synchronisiereinrichtung nach Anspruch 1 bzw. 8 betreffen.






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Beschluss v. 01.02.2007
Az: 6 W (pat) 352/03


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