Bundespatentgericht:
Beschluss vom 31. März 2010
Aktenzeichen: 26 W (pat) 76/09
(BPatG: Beschluss v. 31.03.2010, Az.: 26 W (pat) 76/09)
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I Für die Waren und Dienstleistungen
"Klasse 04: Brennstoffe, insbesondere gasförmige Brennstoffe, insbesondere Erdgas Klasse 09: Apparate und Instrumente zum Leiten, Schalten, Umwandeln, Speichern, Regeln und Kontrollieren von Elektrizität, Mess-, Erfassungsund Überwachungsgeräte (soweit in Klasse 09 enthalten), insbesondere Stromund Gaszähler, Geräte und daraus bestehende Systeme zur automatischen und/oder drahtlosen Erfassung von Energieverbrauch einschließlich Empfängereinheiten; Stromund Gasausrüstungen (Teile) für Fernmesssteuergeräte, soweit in Klasse 09 enthalten Klasse 35: Organisatorische und betriebswirtschaftliche Beratung beim Kauf und Verkauf von Mess-, Erfassungsund Überwachungsgeräten, insbesondere Stromund Gaszähler, Geräte und daraus bestehende Systeme zur automatischen und/oder drahtlosen Erfassung von Energieverbrauch einschließlich von Empfängereinheiten; Ableseund Abrechnungsdienste für den mit derartigen Geräten gemessenen Verbrauch; Betriebswirtschaftliche und organisatorische Beratung von Energieverteilern bei Netznutzungsfragen im Stromund Gasbereich; Organisatorische und betriebswirtschaftliche Betriebsführung von Energieerzeugungsund Energieverteilungsanlagen; Energiedatenmanagement, nämlich Bereitstellung und Auswertung von Daten hinsichtlich der Energieverbräuche Klasse 37: Bau, Wartung und Instandhaltung von Energieerzeugungsund Energieverteilungsanlagen, insbesondere von Anlagen des Stromund Gasnetzes, Installation von Netzanschlüssen zur Stromund Gasversorgung (soweit in Klasse 37 enthalten); Dienstleistungen eines Bauträgers, nämlich technische Vorbereitung von Bauvorhaben, Baulanderschließung (Bauarbeiten); Errichtung, Wartung und Instandhaltung von Stromund Gasleitungen Klasse 39: Transport, Lieferung und Verteilung von elektrischer Energie und Gas sowie Versorgung mit Energie durch Anlieferung, insbesondere mit Strom und Brennstoffen, insbesondere mit gasförmigen Brennstoffen, insbesondere mit Erdgas; Speicherung dieser Brennstoffe, insbesondere in unterirdischen Kavernen und Porenspeichern Klasse 40: Erzeugung von Energie, insbesondere von Strom und Gas Klasse 42: Technische Beratung von Kunden in Fragen zur Energieverteilung und des Energieanschlusses; Entwicklung von Energiekonzepten in technischer Hinsicht; technische Beratung, Planung und technische Überwachung von Energieerzeugungsund Energieverteilungsanlagen; Technische Beratung von Energieweiterverteilern in Fragen zur Netznutzung im Stromund Gasbereich; Energiemanagement, nämlich Durchführung von Beratungen auf dem Gebiet der Energieeinsparung; technische Beratung hinsichtlich des Einsatzes energiesparender Technik; Regelung und Steuerung von Stromund Gasverteilungsnetzen; Contracting von Energieversorgungsanlagen"
ist die Wortmarke 307 39 206 Verteilnetzbetreiber (VNB) Rhein-Main-Neckarzur Eintragung angemeldet worden.
In zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, hat die Markenstelle für Klasse 39 die Anmeldung wegen eines der Eintragung entgegenstehenden Freihaltebedürfnisses im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, "Verteilnetzbetreiber" beschreibe lediglich die Tätigkeit der Anmelderin. Der Bestandteil "VNB" stelle sich für den angesprochenen Verkehr als Abkürzung des vorangestellten Begriffs "Verteilnetzbetreiber" dar. "Rhein-Main-Neckar" sei eine glatt beschreibende geografische Angabe. Die angemeldete Marke weise sowohl in ihren Einzelbestandteilen, als auch in ihrer Gesamtheit lediglich auf die Art und die Bestimmung der solchermaßen gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen sowie den Ort ihrer Erbringung hin. Der Verbraucher verbinde mit dem verfahrensgegenständlichen Zeichen das Produktund Dienstleistungsangebot eines Verteilnetzbetreibers im Raum Rhein-Main-Neckar. An der freien Verwendbarkeit dieser Wortfolge bestehe ein der Anmeldung entgegenstehendes schutzwürdiges Interesse der Allgemeinheit und der Mitbewerber der Anmelderin. Ob der Eintragung auch das Schutzhindernis mangelnder Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) entgegenstehe, könne dahinstehen.
Hiergegen wendet sich die Anmelderin mit ihrer Beschwerde. Ihrer Auffassung nach habe die Markenstelle verkannt, dass der Verkehr Marken in ihrer Gesamtheit zur Kenntnis nehme und nicht in ihre Einzelteile aufspalte. Bei der Marke handle es sich um eine sprachliche Neuschöpfung, die lexikalisch nicht nachweisbar sei und vom Verkehr auch nicht in nennenswerter Weise verwendet werde. Dies zeige etwa die geringe Trefferzahl im Online-Suchdienst google beim Aufruf des Begriffs "Verteilnetzbetreiber". Auch begründe bereits die Abkürzung "VNB" für sich genommen die Eintragungsfähigkeit des Prüfzeichens. Aus der Sicht des Verkehrs stehe nämlich "VNB" nicht für "Verteilnetzbetreiber", sondern werde im Internet als Abkürzung für diverse Bezeichnungen unterschiedlichster Art verwendet. "VNB" sei mehrdeutig interpretierbar und stelle sich weder als Oberbegriff für die angemeldeten Waren und Dienstleistungen der Anmelderin dar, noch diene "VNB" der Beschreibung der beanspruchten Waren und Dienstleistungen. Überdies sei auf die Eintragungspraxis des Deutschen Patentund Markenamts in vergleichbaren Fällen hinzuweisen.
Da "Verteilnetzbetreiber (VNB) Rhein-Main-Neckar" kein gebräuchliches Wort der deutschen Sprache sei und durch die schutzfähige Buchstabenkombination "VNB" einen fantasievollen Überschuss aufweise, sei die Anmeldemarke auch hinreichend unterscheidungskräftig im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.
Die Anmelderin beantragt sinngemäß, die Beschlüsse der Markenstelle vom 30. Januar 2008 und vom 17. November 2008 aufzuheben.
II Die zulässige Beschwerde der Anmelderin ist unbegründet. Die Feststellung des Deutschen Patentund Markenamts, das angemeldete Zeichen "Verteilnetzbetreiber (VNB) Rhein-Main-Neckar" sei freihaltebedürftig im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, ist frei von Rechtsfehlern. Die hiergegen von der Anmelderin vorgebrachten Einwände verhelfen ihrer Beschwerde nicht zum Erfolg.
Nach der Bestimmung des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind von der Eintragung solche Zeichen und Angaben ausgeschlossen, die im Verkehr zur Bezeichnung von Merkmalen der Waren oder Dienstleistungen, wie z. B. ihrer Art, Beschaffenheit oder Bestimmung, dienen können. Die Regelung des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, die in Umsetzung von Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der EU Markenrechtsrichtlinie ergangen ist, verfolgt das im Allgemeininteresse liegende Ziel, unmittelbar warenbeschreibende Angaben für alle zur freien, von Zeichenrechten Dritter ungehinderten Verfügung zu halten. Die Monopolisierung einer solchen Angabe zu Gunsten eines einzigen Unternehmens ist deshalb nicht zulässig (EuGH GRUR 1999, 723, 725 -Chiemsee).
Die angemeldete Wortfolge "Verteilnetzbetreiber (VNB) Rhein-Main-Neckar" ist eine Angabe, die im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG im Verkehr zur Bezeichnung der Bestimmung der beanspruchten Waren und Dienstleistungen dienen kann. Der Begriff "Verteilnetzbetreiber" ist ein beschreibender Hinweis auf das Tätigkeitsfeld des Zeichenverwenders im Sinne eines mit der Weiterleitung und Verteilung von Energie (z. B. Strom, Gas) befassten Warenund Dienstleistungspakets. "VNB" stellt sich für den Durchschnittsverbraucher erkennbar als Abkürzung der vorstehenden Bezeichnung "Verteilnetzbetreiber" dar. Dies ergibt sich zum einen aus dem sich offensichtlich auf "Verteilnetzbetreiber" beziehenden Klammerzusatz "(VNB)", zum anderen unter Einbeziehung der für das Prüfzeichen beanspruchten Waren und Dienstleistungen (HABM PAVIS PROMA R0327/04-2 -CERTIFIED SENIOR ADVISOR (CSA).
Ohne Erfolg beruft sich die Anmelderin darauf, dass die Abkürzung "VNB" für sich genommen bereits eintragungsfähig wäre. Zwar mag es zutreffen, dass das Kürzel "VNB" bei isolierter Betrachtungsweise verschiedene Bedeutungen erlangen kann. Allerdings ist eine Angabe vom Schutz bereits dann ausgeschlossen, wenn sie jedenfalls mit einer Bedeutung zur Beschreibung der beanspruchten Waren/Dienstleistungen dienen kann, unabhängig davon, ob ihr noch andere Bedeutungen zukommen (vgl. EuGH GRUR 2004, 680, 681 -BIOMILD; GRUR 2004, 674, 678 -POSTKANTOOR; GRUR 2004, 146, 147 f. -DOUBLEMINT; dieser Grundsatz gilt auch für Abkürzungen, vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl. 2009, § 8 Rn. 265 m. w. N.). Demnach kann von der schutzbegründenden Ungenauigkeit einer Abkürzung nur dann ausgegangen werden, wenn eine derartige begriffliche Ungenauigkeit erreicht ist, dass die fragliche Angabe zur konkreten Beschreibung der betreffenden Waren/Dienstleistungen nicht mehr geeignet erscheint (vgl. Ströbele/Hacker a. a. O.). Vorliegend ist eine isolierte Betrachtungsweise der Abkürzung "VNB" zur Beurteilung der Schutzfähigkeit des Gesamtzeichens "Verteilnetzbetreiber (VNB) Rhein-Main-Neckar" nicht angezeigt, da die Hinzufügung der Sachangabe "Verteilnetzbetreiber" und der Klammerzusatz dazu führen, dass die Buchstabenfolge "VNB" als beschreibende Angabe erkennbar wird (vgl. BGH GRUR 2008, 719, 722 -idw Informationsdienst Wissenschaft; BPatGE 50, 155, 163/164 -TRM Tenant Relocation Management; Ströbele/Hacker a. a. O, § 8 Rn. 264).
Beim weiteren Zeichenbestandteil "Rhein-Main-Donau" handelt es sich, was die Anmelderin in ihrer Beschwerdebegründung nicht angreift, um eine geografische Herkunftsbzw. Bestimmungsangabe. "Rhein-Main-Donau" beschreibt demnach unmittelbar als Hinweis auf einen der bedeutendsten Wirtschaftsräume im Zentrum Europas insbesondere den Ort der Erbringung der beanspruchten Waren und Dienstleistungen.
Die Kombination der nach Vorstehendem für sich genommen schutzunfähigen Wortbestandteile "Verteilnetzbetreiber (VNB)" und "Rhein-Main-Neckar" führt zu keinem über die Zusammenfügung der beschreibenden Einzelelemente hinausgehenden Gesamteindruck (vgl. EuGH a. a. O. -POSTKANTOOR, S. 678; EuGH a.
a. O. -BIOMILD, S. 681; EuGH GRUR 2006, 229, 231 -BioID; Ströbele/Hackera.
a. O., § 8 Rn. 342), sondern verstärkt diesen sogar noch und ist daher nicht geeignet, das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zu überwinden.
Die Anmelderin kann sich auch nicht darauf berufen, dass es sich bei der angemeldeten Wortfolge um eine sprachliche Neuschöpfung handle, die lexikalisch nicht nachweisbar sei. Dieser Umstand ist für sich genommen nicht ausreichend, um die Eintragungsfähigkeit der Prüfmarke zu begründen. Der Verkehr ist nämlich daran gewöhnt, im Geschäftsleben ständig mit neuen Begriffen konfrontiert zu werden, durch die ihm sachbezogene Informationen lediglich in einprägsamer Form übermittelt werden sollen. Auch bisher noch nicht gebräuchliche, gleichwohl verständliche Bezeichnungen eignen sich zur Verwendung als beschreibende Angabe (vgl. Ströbele/Hacker a. a. O., § 8 Rn. 117).
Der von der Anmelderin angeführte Hinweis auf ähnlich gelagerte Voreintragungen von "Energiemarken" mit geografischen Zusätzen vermag nach der Rechtsprechung (vgl. EuGH MarkenR 2009, 201, 203 -Schwabenpost; BPatG PAVIS PROMA 24 W (pat) 142/05; 25 W (pat) 65/08; 27 W (pat) 220/09) eine anderweitige Beurteilung nicht zu rechtfertigen. Die Entscheidung über die Eintragungsfähigkeit einer angemeldeten Marke hat anhand der harmonisierten Normen des Markenrechts ohne Ermessensoder Beurteilungsspielraum zu erfolgen. Aus dem Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 GG kann daher im markenrechtlichen Verfahren im Hinblick auf vorhergehende Eintragungen oder Zurückweisungen kein Anspruch auf Eintragung oder auf Löschung abgeleitet werden (vgl. EuGH a. a. O. -Schwabenpost).
Dr. Fuchs-Wissemann Reker Lehner Bb
BPatG:
Beschluss v. 31.03.2010
Az: 26 W (pat) 76/09
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