Oberlandesgericht München:
Beschluss vom 31. Juli 2014
Aktenzeichen: 31 Wx 274/14
(OLG München: Beschluss v. 31.07.2014, Az.: 31 Wx 274/14)
Eine durch Zeitablauf gegenstandslos gewordene Regelung über eine bedingte Kapitalerhöhung kann im Wege der Fassungsänderung durch den Aufsichtsrat aus der Satzung einer Aktiengesellschaft gestrichen werden. Anderes kann dann gelten, wenn dadurch konkret bestehende Auseinan-dersetzungen hinsichtlich der wirksamen Ausübung der Bezugsrechte tangiert werden würden.
Tenor
Der Beschluss des Amtsgerichts München - Registergericht - vom 19.5.2014 wird aufgehoben und das Amtsgericht angewiesen, die Anmeldung vom 25.2.2014 zu vollziehen.
Gründe
I.
Die Gesellschaft schuf mit Beschluss der Hauptversammlung vom 18.4.2012 ein bedingtes Kapital in Höhe von 135.083 €, wobei das Bezugsrecht für den Zeitraum vom 1.1.2013 bis 28.2.2013 beschränkt wurde. In die Satzung wurde ein neuer § 5 Abs. 4 eingefügt, der wie folgt gefasst ist:
€(4) Das Grundkapital ist um bis zu EUR 135.083, eingeteilt in bis zu 135.083 auf den Inhaber lautende Stückaktien bedingt erhöht. Die bedingte Kapitalerhöhung dient der Gewährung von Umtauschrechten an die Gläubiger der Wandelschuldverschreibungen aus der Wandelanleihe 2012. Der Aufsichtsrat wird ermächtigt, die Fassung von § 5 Abs. 1, 2 und 4 der Satzung entsprechend dem Umfang der Ausgabe von Bezugsaktien zu ändern.€
Mit Antrag vom 25.12.2014 wurde vom Aufsichtsrat die Ausgabe von 132.844 Bezugsaktien, der satzungsändernde Beschluss betreffend das Grundkapital sowie den ersatzlosen Wegfall von § 5 Abs. 4 zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet.
Mit Beschluss vom 19.5.2014 wies das Registergericht die Anmeldung zurück, da die Streichung des § 5 Abs. 4 eine Aufhebung des betragsmäßig noch verbleibenden bedingten Kapitals bedeute. Von einer sog. €Fassungsänderung€ sei unzweifelhaft die Anpassung der Satzung wegen der ausgeübten Bezugsrechte umfasst. Das gelte aber nicht für die nicht ausgeübten Bezugsrechte. Der Aufsichtsrat habe insoweit nicht nur über die sprachliche Form der Fassung der Satzung entschieden, sondern auch über die inhaltliche Frage, ob die nicht ausgeübten Bezugsrechte noch bestünden oder nicht. Diese Entscheidung sei allein der Hauptversammlung vorbehalten.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Zu Unrecht ist das Registergericht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Voraussetzungen für die beantragte Eintragung der Anmeldung nicht vorliegen. Der Senat teilt die Auffassung des Registergerichts nicht, dass die Beschlussfassung des Aufsichtsrats betreffend die Streichung des § 5.4 der Satzung deshalb unwirksam ist, weil diese in § 179 Abs. 1 Satz 2 AktG keine Grundlage findet.
1. Gemäß § 179 Abs. 1 Satz 1 AktG bedarf jede Satzungsänderung eines Beschlusses der Hauptversammlung; allein dieser ist die Regelungszuständigkeit zugewiesen. Diese Vorschrift ist Ausfluss des Grundsatzes, dass die Aktionäre die eigentlichen Träger der Verbandsautonomie sind und ihnen daher die Abänderung der Satzung als normative Grundordnung der Gesellschaft vorbehalten ist (vgl. Seibt in: K. Schmidt/Lutter AktG 2. Auflage <2010> § 179 Rn. 1). § 179 Abs. 1 Satz 2 AktG macht von dieser Grundregel insofern eine Ausnahme, als die Hauptversammlung die Befugnis, Änderungen, die nur die €Fassung€ betreffen, dem Aufsichtsrat übertragen kann. Solche Fassungsänderungen betreffen nur die sprachliche Form der Satzung, nicht aber deren Inhalt (Hüffer/Koch AktG 11. Auflage <2014> § 179 Rn. 11). Insoweit beschränkt sich der Regelungsgehalt des § 179 Abs. 1 Satz 2 AktG auf die redaktionelle Berichtigung der Satzung, so z.B. wegen der Streichung von Klauseln, die durch Gesetzesänderung unwirksam geworden sind, aber auch durch Änderung der tatsächlichen Verhältnisse. Unter letztere fällt nach Auffassung der Literatur auch die Streichung obsolet gewordener Satzungsregelungen. Genannt wird etwa eine durch Zeitablauf unwirksam gewordene Ermächtigung zur Ausgabe genehmigten Kapitals im Sinne des § 202 AktG (vgl. Hüffer/Koch a.a.O. § 179 Rn. 11; Seibt in: K. Schmidt/Lutter a.a.O. § 179 Rn. 24 m.w.N.; MüKoAktG/Stein 3. Auflage <2011> § 179 Rn. 163 m.w.N.).
2. Der Senat teilt die in der Literatur vertretene Auffassung. Entgegen der Meinung des Registergerichts stellt die von der Beschwerdeführerin zur Eintragung angemeldete Satzungsänderung zu § 5.4 nicht nur hinsichtlich des Umfangs der ausgeübten Bezugsrechte, sondern auch wegen der Streichung der Regelung insgesamt eine Fassungsänderung im Sinne des § 179 Abs. 1 Satz 2 AktG dar. Denn diese ist aufgrund Fristablaufs obsolet geworden. Der Aufsichtsrat hat über die nicht ausgeübten Bezugsrechte aber nicht inhaltlich entschieden. Die Unterscheidung des Registergerichts zwischen ausgeübten und nicht ausgeübten Bezugsrechten überzeugt nicht. Denn der Anmeldung ist zunächst auch die Frage nach der wirksamen Ausübung der Bezugsrechte vorgeschaltet. Maßgebliches Kriterium für das Vorliegen einer Fassungsänderung kann daher nur sein, ob der Aufsichtsrat im konkreten Einzelfall Gestaltungsmöglichkeiten (vgl. hierzu Seibt in: K. Schmidt/Lutter a.a.O. § 179 Rn. 24) wahrgenommen hat (dann inhaltliche Fassung) oder sich lediglich darauf beschränkt hat, den im Nachgang zur bedingten Kapitalerhöhung eingetretenen Rechtsfolgen Rechnung zu tragen und registerrechtlich abzubilden (Fassungsänderung). Letzteres ist vorliegend der Fall. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass über die Ausübung von Bezugsrechten im Sinne des § 5.4 der Satzung Streit besteht, liegen nicht vor. Deshalb hat der Aufsichtsrat durch die Anmeldung auch nicht konkludent über deren Bestehen bzw. Nichtbestehen entschieden.
OLG München:
Beschluss v. 31.07.2014
Az: 31 Wx 274/14
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