Oberlandesgericht Braunschweig:
Urteil vom 12. Januar 2016
Aktenzeichen: 7 U 59/14
(OLG Braunschweig: Urteil v. 12.01.2016, Az.: 7 U 59/14)
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 30. Juli 2014 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsrechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des insgesamt aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Berufungsstreitwert: 131.986,60 €.
Gründe
I.
Der Kläger macht gegen die Beklagte Ansprüche auf Schadensersatz wegen unzutreffender Information geltend, weil ihm im Jahre 2008 bei Transaktionen auf Basis der V-Aktie an der Börse Verluste entstanden seien. Wegen des Sach- und Streitstandes sowie der Anträge der Parteien im Rechtsstreit erster Instanz wird Bezug auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils nebst Anlagen zur Entscheidung (Bl. 295-301, 319-322 d.A.) genommen. Ergänzend ist zu bemerken, dass die €Ad-hoc-Mitteilung€ und die Pressemitteilung der Beklagten vom 03.03.2008 sowie ihre weiteren Pressemitteilungen nach dem 10.03. bis einschließlich 16.09.2008 vom Kläger im erstinstanzlichen Rechtsstreit nicht zur Begründung seiner Forderung vorgetragen worden sind.
Das Landgericht Braunschweig hat die Klage mit dem angefochtenen Urteil vom 30. Juli 2014 (Bl. 294-322 d.A.) abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Dem Kläger stehe unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu. Aus §§ 37b, 37c WpHG ergebe er sich schon deshalb nicht, weil die Beklagte nicht Emittentin der streitgegenständlichen V-Stammaktien sei. Eine analoge Anwendung der Vorschriften auf andere Marktteilnehmer komme nicht in Betracht. Auch ein Anspruch aus §§ 823 Abs. 2 BGB, 20a WpHG bestehe nicht, denn nach BGH NJW 2012, 1800, 1802 sei § 20a WpHG kein Schutzgesetz i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB. Für Ansprüche aus §§ 823 Abs. 2 BGB, 263 StGB fehle es überhaupt an Klägervorbringen.
Schließlich sei auch kein Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB gegeben. Es fehle an der Sittenwidrigkeit und der Ursächlichkeit des Informationsverhaltens der Beklagten. Im Unterschied zu den bislang entschiedenen Fällen sei die Beklagte im Hinblick auf die Aktien der V AG nicht Emittentin, sondern nur Marktteilnehmerin wie der Kläger selbst, auch wenn sie die Papiere außerbörslich erworben habe; es gehe auch nicht um formelle Ad-hoc-, sondern lediglich um Pressemitteilungen, bei welchen die Maßstäbe andere seien. Sittenwidrig könne die wiederholte Verbreitung grob unrichtiger Ad-hoc-Mitteilungen sein; der bloße Gesetzesverstoß und die Verursachung eines Schadens genügten jedoch nicht. Danach sei das Verhalten der Beklagten nicht als verwerflich anzusehen.
Zudem sei die Nachricht vom 03.03.2008 nicht unrichtig, sondern allenfalls mehrdeutig. Soweit vertreten werde, bereits die Strategieplanung sei publizitätspflichtig, begründe dies ebenfalls keine Sittenwidrigkeit; der bloße Pflichtverstoß begründe sie nicht, der Kläger sei nicht vom Schutzbereich des § 15 Abs. 3 WpHG erfasst, und die Beklagte habe ihre berechtigten Interessen wahrgenommen. Aufsichtsrats- und Vorstandsbeschlüsse habe es noch nicht gegeben. Soweit der Kläger sich auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes berufe, habe dieser lediglich festgestellt, dass Kapitalmarktinformationen auch in Zwischenschritten offenlegungspflichtig sein könnten, aber nicht müssten; für den konkreten Fall ergebe sich deshalb daraus nichts. Der Gerichtshof leite seine Ansicht auch erst aus derjenigen Richtlinie her, die in § 15 Abs. 3 WpHG umgesetzt worden sei.
Die Nichtveröffentlichung einer Übernahmeabsicht zur Vermeidung von Preisaufschlägen sei nach den Gesetzesmotiven auch berechtigt. Auch hier sei zu berücksichtigen, dass die Parteien sich auf dem Wertpapiermarkt nur als Konkurrenten begegneten, für die Grundsätze wie €gegenseitige Rücksichtnahme€ und €Treu und Glauben€ bestenfalls eingeschränkt gälten; jeder Marktteilnehmer sei auf seinen Vorteil bedacht, und der Gewinn des einen führe zum Verlust des anderen. Ohnehin habe gesetzlich 2008 noch keine Veröffentlichungspflicht bestanden. Es liege auch keine Ausnutzung einer unbeabsichtigten Regelungslücke oder gar eines groben Missstandes vor, den der Gesetzgeber später mit der Neuregelung habe beseitigen wollen. Die erteilten Informationen seien auslegungsbedürftig gewesen; sie hätten mehrere Möglichkeiten offengelassen. Das gelte besonders für die Ad-hoc-Mitteilung vom 03.03.2008, die ja in den Medien denn auch Spekulationen über einen Erwerb von 75% der V-Stammaktien hervorgerufen habe. Zudem habe eine konkrete Planung der Beklagten für einen Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag mit der V AG damals schon wegen des V-Gesetzes nicht vorliegen können. Zudem habe der Vorstand der Beklagten hier nicht aus eigennützigen Motiven gehandelt; eine Eigennützigkeit des Vorstandsverhaltens sei auch kein Kriterium für die Sittenwidrigkeit.
Auch die Pressemitteilung vom 10.03.2008 begründe kein sittenwidriges Verhalten. Wenn § 20a WpHG kein Schutzgesetz i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB sei, könne diese gesetzgeberische Entscheidung nicht durch Annahme einer Sittenwidrigkeit i.S.v. § 826 BGB unterlaufen werden. Außerdem sei auch die am 10.03.2008 gegebene Information nicht falsch, sondern auf den Zeitpunkt bezogen zutreffend gewesen, habe aber auch eine Übernahmestrategie nicht kategorisch ausgeschlossen. Sie sei vielmehr von Spekulationsgerüchten provoziert worden, da die Unterlassung eines Dementis erfahrungsgemäß als Bestätigung verstanden werde. Auch wenn man die Formulierung als missverständlich betrachte, habe die Beklagte reagieren müssen. Analysten hätten übrigens trotzdem immer noch eine Fortdauer der Spekulationen registriert.
Auch aus der Nichtveröffentlichung des Vorratsbeschlusses des Aufsichtsrates vom 23.07.2008 ergebe sich keine Sittenwidrigkeit. Für das Unterlassen einer Pflichtmitteilung gelte eine nochmals erhöhte Schwelle der Sittenwidrigkeit, weil sie eine verwerfliche Gesinnung des Vorstandes voraussetze. Dazu sei hier nichts vorgetragen; die Aussicht auf Boni genüge nicht. Die sodann erfolgte Mitteilung vom 16.09.2008 sodann sei wiederum inhaltlich richtig und könne deshalb nicht sittenwidrig sein.
Für die Pressemitteilung vom 26.10.2008 gelte Ähnliches. Als deren Kern erscheine ein Zahlenwerk, das zutreffe und eventuell auch als manipulativ empfunden werden könne, tatsächlich aber jedenfalls nicht den Kern darstelle. Auf den Verkauf von Put-Optionen oder ihre eigenen wirtschaftlichen Schwierigkeiten habe die Beklagte auch nicht hinweisen müssen; sie habe vielmehr ihr berechtigtes eigenes Interesse verfolgen dürfen. Entgegen der Meinung des Klägers sei die Mitteilung auch nicht verspätet erfolgt; denn selbst wenn man unternehmerische Absichten und Planungen auf der Aufsichtsratssitzung vom 20.10.2008 überhaupt für publizitätspflichtig halte, habe der Beklagten eine Überlegungsfrist zugestanden, die jedenfalls eine Veröffentlichung vor dem 24.10.2008 nicht erfordert hätte. Soweit der Kläger schließlich meine, die Beklagte habe die Mitteilung gezielt veröffentlicht, um den Kursverfall anzuhalten, sei sie inhaltlich wiederum richtig, und die angesprochenen Verkehrskreise würden sie kaum als sittenwidrig bewerten, weil der Beklagten zur Bewältigung einer unterstellten Krise auch ungewöhnlichere Mittel zugestanden werden müssten.
Jedenfalls fehle es nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung an einer konkreten Kausalität des Verhaltens der Beklagten für dasjenige des Klägers. Dieser habe in seiner Anhörung selbst ausgeführt, seine Verkaufsentscheidung habe allein auf dem Sinken des Kurses der V-Aktie beruht, ein spezielles Vertrauen in irgendeine der Presseinformationen vor dem 24.10.2008 habe er nicht behauptet. Das entspreche auch dem generellen Investitionsverhalten des Klägers als eines €Day-Traders€. Er habe ohnehin innerhalb von 2 Börsentagen die leerverkauften Aktien liefern müssen, also spätestens am 28.10.2008 seine Short Position schließen müssen. Das Vertrauen in die ordnungsgemäße Entwicklung von Börsenkursen werde anders als im amerikanischen Recht nicht geschützt. Die Mitteilung vom 26.10.2008 könne schon deshalb nicht ursächlich für das Handeln des Klägers geworden sein, weil er seine Verkaufsentscheidung bereits zwei Tage zuvor getroffen habe. Insoweit komme es nur auf die Eröffnung der Position, nicht aber auf die Schließung an, die letztlich nur die Folge eines dem Verkäufer ungünstigen Verlaufs sei. Schließlich sei es nach dem eigenen Vorbringen des Klägers der Beklagten auch nicht darum gegangen, durch Informationen eine Anlagestimmung im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu schaffen. Wegen der weiteren Begründung im Einzelnen wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen (S. 8-25, Bl. 301-318 d.A.).
Gegen dieses Urteil des Landgerichts, welches dem Kläger am 01. August 2014 zugestellt worden ist, richtet sich dessen Berufung, bei Gericht eingegangen am 29. August 2014 und innerhalb der bis Samstag, dem 08. November 2014 antragsgemäß verlängerten Berufungsbegründungsfrist auch begründet. Der Kläger wiederholt ausführlich den Inhalt des angefochtenen Urteils und beanstandet daran sodann Hinweis- und materielle Rechtsfehler.
Er meint zunächst, §§ 37b, 37c WpHG seien jedenfalls analog anwendbar. Es liege eine planwidrige Regelungslücke vor; der Gesetzgeber habe sich bewusst nur gegen die Einbeziehung der verantwortlichen Organmitglieder entschieden; nur insoweit sei die Rechtsfortbildung unzulässig, nicht aber im Übrigen. Der Gesetzgeber habe auch in § 15 Abs. 6 S. 1, 2 WpHG zu erkennen gegeben, dass er eine Haftung nur in den vom Tatbestand erfassten Fallgruppen zulassen wolle, um sie nicht ausufern zu lassen; deswegen sei aber eine analoge Anwendung der §§ 37b, 37c WpHG nicht ausgeschlossen.
Zu Unrecht habe das Landgericht auch einen Schadenersatzanspruch aus § 826 BGB verneint.
Der Hinweis auf die Rechtsprechung zur Emittentenhaftung treffe zu; wenn das Landgericht dann aber deren Definition der sittenwidrigen Beeinflussung verwende, verwende es zur Bestätigung ein Argument, das das Ergebnis nicht beweise. Nicht nachvollziehbar sei ferner die Schlussfolgerung, die Grundsätze zur Verwerflichkeit sittenwidrigen Handelns seien möglicherweise auf bloße Pressemitteilungen nicht anzuwenden. Eine Pressemitteilung sei sehr wohl geeignet, ein verwerfliches Ziel zu verfolgen oder eine verwerfliche Gesinnung zu offenbaren; dazu treffe das Landgericht aber keine Feststellungen.
Soweit es anführe, der Kläger habe sich außerhalb des Schutzbereichs des § 15 WpHG befunden und eine grobe Verletzung der Publizitätspflicht liege nicht vor, treffe beides nicht zu. Der unmittelbare Emittentenbezug könne darin bestehen, dass die Information den Emittenten selbst oder die von ihm emittierten Finanzinstrumente betreffe. Ad hoc zu publizieren seien insbesondere Insiderinformationen in Bezug auf Umstände und Ereignisse, die nicht im Tätigkeitsbereich des Emittenten lägen, ihn aber beträfen. Da § 15 WpHG damit dem Schutz des Anlegerpublikums als Gesamtheit der potentiellen Anleger diene, sei auch der Kläger geschützt.
Die Beklagte habe auch kein überwiegendes Interesse am Aufschub der Information gem. § 15 Abs. 3 S. 1 WpHG i.V.m. § 6 S. 2 Nr. 1 WpAIV gehabt. Denn dieses Interesse decke nicht die fehlerhafte Information des Sekundärmarktpublikums durch die Beklagte, um Marktgerüchten entgegenzutreten. Zudem habe das Landgericht die Voraussetzungen des § 6 S. 2 Nr. 1 WpAIV gar nicht festgestellt, ein solcher Fall sei nicht vorgetragen und habe auch nicht vorgelegen.
Es könne auch keine Rede davon sein, dass Kläger und Beklagte gleichwertige Marktteilnehmer im Wettbewerb um V-Stammaktien seien. Die Beklagte habe im Gegensatz zum Beklagten die Möglichkeit, dem Kapitalmarkt Informationen zukommen zu lassen, und verfüge über erheblich mehr finanzielle Möglichkeiten. Die Frage der Gleichberechtigung der Parteien sei ohnehin kein taugliches Kriterium für das Unwerturteil der Sittenwidrigkeit i.S.v. § 826 BGB.
Fehlerhaft sei auch die Annahme, die Beklagte dürfe mehrdeutige Informationen herausgeben. Sie habe selbst eingeräumt, auf Marktspekulationen reagiert zu haben, sie beabsichtige die Aufstockung ihrer Anteile an der V AG auf 75%. Gerade dies sei aber trage der Kläger vor. Aus einem Beschluss des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 26.08.2014 - 1 Ws 68/14 - in der parallelen Strafsache gegen die damaligen Vorstandsmitglieder der Beklagten Dr. W und H ergebe sich, dass Aufsichtsrat und Vorstand am 03.03.2008 gleichlautende Beschlüsse gefasst hätten, wonach der Vorstand die Beteiligung an der V AG erhöhen dürfe. Das Oberlandesgericht Stuttgart sei zutreffend davon ausgegangen, dass der Beteiligungserhöhung damit der Weg geebnet worden sei; schon früh habe eine beratende Anwaltskanzlei einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag befürwortet und eine Strategie dafür entwickelt. Der Beklagten könne nicht erlaubt sein, eine enttarnte Strategie durch Falschinformationen zu verschleiern.
Soweit die Kammer ausführe, es habe im März 2008 wegen des sog. V-Gesetzes gar keine Planung für eine Übernahme der V AG geben können, habe der Kläger das nicht behauptet, während umgekehrt die Beklagte selbst eingeräumt habe, am 26.10.2008 den Beschluss zur Erhöhung der V-Beteiligung auf 75% gefasst zu haben. Folge man der Argumentation des Landgerichts, so müsse auch die Information vom 26.10.2008 falsch gewesen sein. Dass der Vorstand nicht aus eigennützigen Motiven gehandelt habe, überzeuge nicht. Darauf komme es auch nicht an, denn der Kläger habe nicht den Vorstand der Beklagten, sondern diese verklagt. Die Feststellung, die gesetzgeberische Entscheidung für § 20a WpHG als reinen Gefährdungstatbestand könne nicht mit Hilfe von § 826 BGB unterlaufen werden, überzeuge auch nicht.
Soweit die Kammer darauf abstelle, dass am 10.03.2008 noch kein Vorstandsbeschluss der Beklagten auf Erwerb von 75% der V-Aktien existiert habe, sei das nur ein formales Argument; es könne nicht sein, dass man einen offiziellen Beschluss unterlassen dürfe, um dessen Publizitätsanforderungen zu vermeiden. Im Übrigen habe § 6 S. 2 Nr. 2 WpAIV hier nicht den Aufschub der Veröffentlichung gestattet. Die Beklagte räume selbst ein, dass es am 18./19.10.2008 ein Familientreffen gegeben habe, wo es um den Erwerb von bis zu 75% an der V AG gegangen sei und Herr Dr. P klar den entsprechenden Kurs der Beklagten unterstützt habe. Bereits am 18./19.10.2008 habe ihr Plan mithin festgestanden.
Die Kausalität sei entgegen der Auffassung der Kammer gegeben. Der Kläger behaupte, er hätte die streitgegenständliche Position nicht eröffnet, wenn die Beklagte wahrheitsgemäß über ihre Strategie berichtet hätte.
Im Übrigen bezieht sich der Kläger auf sein erstinstanzliches Vorbringen. Er beantragt auch die Aussetzung des Rechtsstreits mit Rücksicht auf das mit dem genannten Beschluss des Oberlandesgerichts Stuttgart eröffnete Strafverfahren. Das Gericht habe eine Verurteilung der damaligen Vorstandsmitglieder der Beklagten Dr. W und H für denkbar gehalten. Falls die Strafkammer eine vorsätzliche Marktmanipulation feststelle, beeinflusse dies den hiesigen Rechtsstreit im Hinblick auf die Verwerflichkeit des Handelns der Beklagten.
In der Hauptsache beantragt der Kläger,
unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger 131.986,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 31. Dezember 2011 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt
Zurückweisung der Berufung.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und meint zunächst, das Landgericht habe zu Recht einen Anspruch aus §§ 37b, 37c WpHG in entsprechender Anwendung verneint. Beide Vorschriften setzten ein Geschäft des Anspruchstellers mit Finanzinstrumenten des pflichtwidrig Handelnden voraus; Geschäfte mit Finanzinstrumenten Dritter seien von ihnen nicht erfasst. Insofern komme ohnehin nur die Ad-hoc-Mitteilung vom 03.03.2008 in Betracht; auf Pressemitteilungen sei § 37c WpHG nicht anwendbar. Denn soweit der Kläger eine doppelte Analogie fordere, fehle es an einer planwidrigen Regelungslücke. Der Gesetzgeber habe bewusst nur die Haftung des jeweiligen Emittenten selbst und für fehlerhafte oder unterlassene Ad-hoc-Mitteilungen normiert; der weitergehende Regelungsvorschlag sei nicht Gesetz geworden.
Der Kläger räume die strengen Voraussetzungen der Haftung für sittenwidriges Handeln durchaus ein. Ihr Vorliegen habe aber das Landgericht gemäß der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu Recht verneint. Danach hafte nur derjenige aus § 826 BGB, der als Emittent das Sekundärmarktpublikum vorsätzlich durch wiederholte grob unrichtige Ad-hoc-Mitteilungen verletzt habe. Dabei behaupte der Kläger schon grobe Unrichtigkeit der Informationen nicht, ebensowenig gehe es um Aktien der Beklagten selbst und erst recht handele es sich nicht um Ad-hoc-Mitteilungen. Ein Missbrauch eines Rechtsinstituts, wie ihn die Rechtsprechung voraussetze, habe nicht stattgefunden. Vielmehr gebe es für Pressemitteilungen keine gesetzliche Vorgaben, und ihnen werde auch nur geringes Vertrauen entgegengebracht. Missverständliche oder nur Reaktionen auf Gerüchte darstellende Pressemitteilungen könnten ohnehin nicht den Vorwurf der Sittenwidrigkeit begründen.
Der Kläger könne auch nicht den Schutzbereich des § 15 WpHG in Anspruch nehmen, weil es eben nicht um Aktien der Beklagten gehe. Zu Recht habe die Kammer ferner festgestellt, dass beide Parteien Marktteilnehmer seien. Aktionär und AG dagegen seien gesellschaftsrechtlich verbunden; es wiege ungleich schwerer, wenn der Emittent seine eigenen Aktionäre täusche. Dafür streite die vom Kläger selbst angeführte Literaturmeinung ebenfalls.
Zu Recht meine die Kammer, maßgeblich sei die Beschlusslage der Organe der Beklagten, da diese den der juristischen Person zuzurechnenden Willen bildeten. Es könne also nur um die beiden Vorstandsbeschlüsse vom 03.03. und 26.10.2008 und die Aufsichtsratsbeschlüsse vom 03.03. und 23.07.2008 gehen, während Treffen der Eigentümerfamilien kein Organ der Beklagten darstellten. Die beiden Vorstandsbeschlüsse seien vor dem Hintergrund des V-Gesetzes gefasst worden, wobei sich im Oktober 2008 abgezeichnet habe, dass die Europäische Kommission dagegen vorgehen werde. Zudem habe in den der einschlägigen Rechtsprechung zugrundeliegenden Sachverhalten jeweils der Vorstand aus eigennützigen Motiven gehandelt, hier dagegen im Interesse der Gesellschaft.
Auch die Kausalität des behaupteten Handelns der Beklagten habe die Kammer zu Recht verneint. Substantiierter Vortrag dazu, dass der Kläger sich habe von fehlerhaften oder pflichtwidrig unterlassenen Mitteilungen habe leiten lassen, sei nicht vorhanden. Die kursorischen Ausführungen in der Berufungsbegründung genügten ohnehin nicht den Anforderungen.
Soweit der Kläger sein Vorbringen durch den Eröffnungsbeschluss des OLG Stuttgart vom 26.08.2014 bestätigt sehe, bestätige dieser die Position des Klägers nicht. Den Angeschuldigten sei informationsgestützte Marktmanipulation durch insgesamt 5 Erklärungen zwischen dem 10.03. und dem 02.10.2008, in denen die Absicht der Beteiligungserhöhung geleugnet worden sei, vorgeworfen worden. Die Strafkammer habe die Eröffnung aus tatsächlichen Gründen zunächst insgesamt abgelehnt. Das Oberlandesgericht Stuttgart habe diesen Nichteröffnungsbeschluss zwar aufgehoben, aber nicht unter Feststellung der Strafbarkeit des Handelns der Vorstandsmitglieder, sondern nur, weil eine sog. verdeckte Beschlusslage schon vor dem 26.10.2008 in Betracht kommen könne. Die pauschale Bezugnahme auf die Strafakte reiche ohnehin nicht aus.
Die vom Kläger angeführten Indizien trügen die Behauptung der schon früher bestehenden Erwerbsabsichten auch nicht. Zunächst gebe die interne Kommunikation von 2006 mit einer Anwaltskanzlei nichts her, und die Beklagte habe sich seinerzeit gerade deshalb genehmigtes Kapital geschaffen, weil die Entscheidung über die Kapitalerhöhung noch nicht gefallen sei. Soweit in Planungen ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag erwogen worden sei, sei dieser unter den gegebenen Unwägbarkeiten (u.a. im Hinblick auf die Geltung des V-Gesetzes) nicht durchführbar und opportun erschienen. Deshalb sei erst am 26.10.2008 beschlossen worden, bei passenden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen eine Erhöhung der Beteiligung auf 75% anzustreben.
Der erneute Aussetzungsantrag sei zurückzuweisen. Die Durchführung und das Ergebnis der Hauptverhandlung hätten keinen Einfluss auf die Entscheidung des Rechtsstreits. § 20a WpHG sei kein Schutzgesetz i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB; beim Schadensersatz gehe es um andere Tatbestandsmerkmale; der Eröffnungsbeschluss des Oberlandesgerichts Stuttgart beziehe sich weder auf die Pressemitteilung vom 26.10.2008 noch auf eine angeblich pflichtwidrig unterlassene Ad-hoc-Mitteilung. Eine Erledigung des Strafverfahrens sei auch nicht binnen eines Jahres zu erwarten.
Im Übrigen bezieht sich auch die Beklagte auf ihr erstinstanzliches Vorbringen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird ergänzend auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze und ihre Erklärungen zu Protokoll der mündlichen Verhandlungen erster und zweiter Instanz verwiesen.
II.
Die Berufung ist statthaft und zulässig. Sie ist insbesondere fristgerecht i.S.v. § 517 ZPO eingegangen und innerhalb der verlängerten Frist des § 520 Abs. 2 ZPO auch begründet worden. Sie ist jedoch unbegründet; das Landgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Ansprüche gegen die Beklagte auf Schadensersatz i.H.v. 131.986,60 €.
1. Ein Schadensersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagte unter dem Gesichtspunkt aus entsprechender Anwendung der §§ 37b, 37c WpHG scheidet bereits aus den vom Landgericht genannten Gründen aus, auf welche zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird (Urteil S. 8, Bl. 301 d.A.). Ergänzend bemerkt der Senat:
a) Der Kläger räumt in der Berufungsbegründung selbst ein, der Gesetzgeber habe in § 15 Abs. 6 S. 1, 2 WpHG eine Haftung nur in den vom Tatbestand erfassten Fallgruppen zulassen wollen. Ist jedoch ein derartiger Wille des Gesetzgebers erkennbar, so bleibt schon denknotwendig kein Raum für eine Gesetzesanalogie zur Erfassung anderer Fallgruppen. Dies muss dann aber auch für die zugehörigen Sanktionen in §§ 37b, 37c WpHG gelten.
b) Das Landgericht hat aber auch zu Recht festgestellt, dass eine direkte Haftung der Beklagten aus §§ 37b, 37c WpHG aus zwei Gründen nicht in Betracht kommt, nämlich weil eine bloße Pressemitteilung nicht die Anforderungen einer €Insiderinformation€ i.S.d. Vorschrift, also der sog. Ad-hoc-Mitteilung, erfüllt und weil die Beklagte nicht Emittentin der V-Aktien ist.
Der Kläger stützt seine Klage im Wesentlichen auf die beiden Pressemitteilungen der Beklagten vom 10.03. und 26.10.2008, nicht dagegen auf die - ansonsten unstreitigen - weiteren Informationen der Beklagten durch förmliche Ad-hoc-Mitteilung vom 03.03.2008 und Pressemitteilung vom 16.09.2008. Er behauptet jedoch, wie der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung und nochmals im nachgelassenen Schriftsatz vom 03.12.2015 (S. 2, Bl. 505 d.A.) hervorgehoben hat, dass seit dem 03.03.2008 bei der Beklagten die eindeutige Planung bestanden habe, die Beteiligung bei der V AG jedenfalls auf 75% aufzustocken, und meint, vor diesem Hintergrund seien die beanstandeten Pressemitteilungen vom 10.03. und 26.10.2008 zu beurteilen. Die Beklagte habe damit jeweils ihre wahren Absichten verschleiert.
Bei diesen Pressemitteilungen handelt es sich jedoch schon nach Bezeichnung, Adressatenkreis und Veröffentlichungsform nicht um Ad-hoc-Mitteilungen i.S.v. § 15 WpHG (BGHZ 192, 90 - in Juris Rz. 16f m.w.N. -). Abgesehen davon verpflichten § 37b, 37c WpHG nur den Emittenten der gehandelten Finanzinstruments zum Ersatz (vgl. OLG Stuttgart 26.03.2015 - 2 U 104/14, WM 2015, 875, in Juris Rz. 166 - i.V.m. LG Stuttgart 17.03.2014 - 28 O 183/13, ZIP 2014, 726, in Juris Rz. 137 -; OLG Frankfurt/M OLGR 2008, 738 - in Juris Rz. 74 -). Das war hier unstreitig nicht die Beklagte. Der Short Position des Klägers vom 24.10.2008 lagen Aktien der V AG zugrunde; die Beklagte war nicht Emittentin.
c) Aber auch eine Haftung der Beklagten aus einer Gesetzesanalogie zu §§ 37b, 37c WpHG kommt nicht in Betracht. Denn wie erwähnt, scheidet eine Analogie aus, wenn der Gesetzgeber zu erkennen gegeben hat, dass er die von ihm getroffene Regelung abschließend meint. Hier hat er sich dadurch ausdrücklich gegen eine allgemeine Haftung für die Information des Kapitalmarktes ausgesprochen, dass er den Entwurf eines allgemeinen Kapitalmarktinformations-Haftungsgesetzes im Gesetzgebungsverfahren, der eine weitergehende Informationspflicht in dem von dem Kläger gemeinten Sinne enthielt, nicht hat Gesetz werden lassen. Der Entwurf ist zurückgezogen worden (BGHZ 192, 90 - in Juris Rz. 16f m.w.N. -; OLG Stuttgart a.a.O. - in Juris Rz. 166 -; LG Stuttgart a.a.O. - in Juris Rz. 137 -).
d) Damit ist zwar noch nicht die Haftung des Emittenten eines Wertpapiers für die pflichtwidrige Unterlassung einer Ad-hoc-Information ausgeschlossen, die auch im Falle der Veröffentlichung einer Pressemitteilung gegeben sein kann, eben weil keine formelle Ad-hoc-Mitteilung erfolgt ist (BGHZ 192, 90 - in Juris Rz. 30-33 -; OLG Stuttgart a.a.O. - in Juris Rz. 169 -). Das Landgericht hat aber auch insoweit zutreffend ausgeführt, dass die Haftung aus §§ 37b Abs. 1 Nr. 1 und 2 und 37c Abs. 1 Nr. 1 und 2 WpHG an die Veröffentlichungspflichten aus § 15 WpHG des Emittenten eben derjenigen Papiere anknüpft, die der Geschädigte im Vertrauen auf die Richtigkeit einer erfolgten oder das Fehlen einer Insiderinformation erworben oder veräußert hat (Urteil S. 8 Bl. 301 m.N. aus der Literatur).
Das ergeben schon die Gesetzesmotive zu § 15 WpHG, die durchweg nur von dem Emittenten der gehandelten Papiere sprechen (BT-Drucks. 15/3174, S. 34f). Dem entspricht die Definition der Insiderinformation in § 13 Abs. 1 WpHG als einer konkreten Information, die sich auf einen oder mehrere Emittenten von Insiderpapieren oder auf diese selbst bezieht. Der Wortlaut der Vorschrift enthält keinen Anhaltspunkt dafür, dass auch Fälle betroffen sein sollen, in denen die Papiere nicht von den Emittenten stammen, sondern von Dritten. Entsprechend setzt auch die Haftungsvorschrift des § 37b Abs. 1 WpHG voraus, dass der Dritte einen Schaden dadurch erlitten haben muss, dass er infolge der Unterlassung des Emittenten eben dessen Wertpapiere erworben bzw. veräußert hat (BGHZ 192, 90 - in Juris Rz. 17 -; OLG Frankfurt/M OLGR 2008, 738 - in Juris Rz. 74 -).
Die gegenteilige, vom Kläger bevorzugte Auslegung des § 37b WpHG hätte den Widerspruch zur Folge, dass mit dem Begriff der €Finanzinstrumente€ in § 37b Abs. 1 Hs. 1 etwas anderes gemeint wäre als mit demjenigen in § 37b Abs. 1 letzter Hs. Nr. 1 u. 2 WpHG. Denn danach wären zuerst generell alle Finanzinstrumente gemeint, die von irgendeinem Emittenten herausgegeben worden sind, und damit richtete sich die Vorschrift auch an alle Emittenten; am Ende des Satzes wären dagegen nur diejenigen Finanzinstrumente gemeint, durch deren Erwerb bzw. Veräußerung der Schaden entstanden ist. Es liegt auf der Hand, dass ein derartiger Doppelsinn desselben Begriffes innerhalb derselben Vorschrift vom Gesetzgeber nicht gemeint gewesen sein kann und der Dritte einen Schadensersatzanspruch nach §§ 37b, 37c WpHG nur gegen den Emittenten derjenigen Papiere haben soll, die er im Vertrauen auf die Informationslage erworben oder veräußert hat.
Die Beklagte weist insofern auch zutreffend auf die besondere Verbindung zwischen aktuellem oder potentiellem Aktionär und Aktiengesellschaft hin, welche die vorrangige Schutzbedürftigkeit des ersteren rechtfertigt. Wie die Zurückziehung des Entwurfs eines allgemeinen Kapitalmarktinformations-Haftungsgesetzes zeigt, hat der Gesetzgeber eine Analogie dazu nicht gewollt; der Gesetzgeber hat sich gegen eine Ausweitung der Haftungsvorschriften ausgesprochen, damit gibt es keine Lücke im Gesetz (s.o.; vgl. BGHZ 192, 90 - in Juris Rz. 17 -; OLG Stuttgart a.a.O. - in Juris Rz. 166 -).
Im Übrigen würde die Gesetzesanalogie auch eine gleichartige Interessenlage voraussetzen, die ein Regelungsbedürfnis auch zu Lasten anderer Marktteilnehmer als allein der Emittenten erkennen lassen würde. Aber auch insoweit fehlt es an konkretem Tatsachenvortrag des Klägers dazu, warum die Stellung der Beklagten in Bezug auf die V-Aktie derjenigen der Emittentin, der V AG, vergleichbar sei und deshalb ihre Handlungen ausnahmsweise dennoch dieselbe rechtliche Beurteilung erfahren müssten.
2. Soweit das Landgericht Schadensersatzansprüche aus §§ 823 Abs. 2 BGB, 20a WpHG und §§ 823 Abs. 2 BGB, 263 StGB abgelehnt hat (S. 9, Bl. 302 d. A.), ist der Kläger den ablehnenden Ausführungen der Kammer im angefochtenen Urteil zu beiden Anspruchsgrundlagen in der Berufungsinstanz nicht mehr entgegengetreten. Der Senat teilt auch insoweit die Auffassung der Kammer (die von ihr zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 13.12.2011 ist die bereits angeführte in BGHZ 192, 90 - in Juris Rz. 20-26 -; vgl. ferner OLG Stuttgart a.a.O. - in Juris Rz. 164f -; LG Stuttgart a.a.O. - in Juris Rz. 129ff -).
3. Dem Kläger steht auch kein Schadensersatzanspruch aus §§ 826 i.V.m. 31 BGB gegen die Beklagte zu (vgl. OLG Stuttgart a.a.O. - in Juris Rz. 172-263 -; LG Stuttgart a.a.O. - in Juris Rz. 140-170 -).
a) Die Vorschrift des § 826 BGB über die Schadensersatzpflicht wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung spielt im Deliktsrecht im Wesentlichen die Rolle eines Auffangtatbestandes für von anderen Anspruchsgrundlagen nicht oder nicht vollständig erfasste Tatbestände. Sie erlaubt über den Begriff der €guten Sitten€ eine Anpassung an herrschende Wertvorstellungen (Palandt/Sprau, BGB, 74. Aufl., Rz. 1 zu § 826), erfordert sie aber auch. Denn Maßstab ist die im Zeitpunkt der Handlung herrschende Sozialmoral für den jeweiligen Lebenskreis; bei der Beurteilung von Handlungen, die nur in bestimmten sozialen Kreisen vorkommen, ist vom allgemeinen Anstandsgefühl eben dieser Kreise auszugehen. Die vom Kläger angeführte generelle Formulierung, sittenwidrig sei, was gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstoße (RGZ 80, 219, 221 m.w.N.; BGHZ 10, 232 - in Juris Rz. 8 -; BGHZ 160, 149 - in Juris Rz. 48 -), gilt deshalb nur bezogen auf die jeweiligen Verkehrskreise, für den Fall eines börsenrelevanten Verhaltens also nur in Bezug auf den Kreis der am Börsenhandel Beteiligten.
Die in diesem Bereich beanstandete Handlung muss mithin objektiv in Kreisen von Anlegern, börsennotierten Unternehmen und Börsenhändlern als sittenwidrig angesehen werden, und es muss nach dortiger allgemeiner Geschäftsmoral und nach dem dort als €anständig€ Geltenden die besondere Verwerflichkeit des Verhaltens feststellbar sein (BGHZ 10, 232 - in Juris Rz. 8 a.E. -; 160, 149 - in Juris Rz. 49 -; BGH NJW 2014, 383 - in Juris Rz. 9f -; BGH NJW-RR 2013, 550 - in Juris Rz. 25 -; Palandt/Sprau, BGB, 75. Aufl., Rz. 4 u. 6 zu § 826 i.V.m. 2 zu § 138). Überdies genügt, wie sonst auch, für den Ausspruch des Unwerturteils der Sittenwidrigkeit weder der behauptete Gesetzesverstoß noch die Tatsache des Schadenseintritts; vielmehr muss sich die besondere Verwerflichkeit des Verhaltens aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben, wobei eine Gesamtbetrachtung aller Umstände erforderlich ist (Urteil S. 10 Abs. 3 Bl. 303; BGHZ 192, 90 - in Juris Rz. 28 -; 160, 149 - in Juris Rz. 49 -; BGH NJW-RR 2013, 550 - in Juris Rz. 25 -; OLG Stuttgart a.a.O. - in Juris Rz. 175-177 -; OLG Düsseldorf WM 2009, 1655 - in Juris Rz. 32 -; LG Stuttgart ZIP 2014, 726 - in Juris Rz. 142 a.E. -). Das hat die Kammer zutreffend ausgeführt.
In diesem Zusammenhang geht im Übrigen der Einwand des Klägers fehl, das Landgericht habe den Kläger und die Beklagte als börsennotiertes Unternehmen gleichermaßen als Marktteilnehmer behandelt; die Beklagte stelle eine ganz andere Marktmacht dar als der Kläger. Dass letzteres zutrifft, steht außer Frage; es ändert aber nichts an der Richtigkeit des Arguments der Kammer. Ihr ging es ersichtlich allein um die Differenzierung zwischen dem Verhältnis der Parteien zueinander auf dem Wertpapiermarkt zu demjenigen zwischen der Beklagten und ihren Aktionären. In Bezug auf die V-Aktie waren beide Parteien in der Tat nur allgemeine €Marktteilnehmer€, denn sie begegneten sich außerhalb der Reichweite der §§ 15, 37b, 37c WpHG allein als Käufer und Verkäufer im Börsenhandel um V-AG-Aktien und nicht um Anteile an der Beklagten.
Insgesamt liegt nach alledem die Schwelle für die Annahme einer sittenwidrigen Handlung ausgesprochen hoch; es ist ein strenger Maßstab anzulegen. Insoweit haben Rechtsprechung und Literatur Fallgruppen gebildet, in welchen eine Anwendung des § 826 BGB in Betracht kommt.
b) Die Fallgruppe des bewussten Täuschens eines Vertragspartners zur Bewirkung des Vertragsschlusses (Nachweise aus der Rspr. bei Palandt/Sprau a.a.O. Rz. 20 zu § 826) scheidet aus, da unstreitig keine vertragliche Beziehung zwischen den Parteien bestand. In Betracht kommt vielmehr nur, wie das Landgericht zu Recht festgestellt hat, die Fallgruppe der Informationsdeliktshaftung des Vorstandes einer Aktiengesellschaft durch vorsätzliche unlautere Beeinflussung von Anlageinteressenten mittels grob unrichtiger Information. Damit ist ein das Kauf- und Verkaufsverhalten beeinflussendes wiederholtes Verbreiten grob falscher Ad-hoc-Mitteilungen an die Marktteilnehmer gemeint (BGHZ 160, 134 - in Juris Rz. 33ff -; 160, 149 - in Juris Rz. 33ff -; BGH NJW 2008, 76 - in Juris Rz. 10 -; BGH NJW-RR 2008, 1004 - in Juris Rz. 9ff -; BGH WM 2008, 395 - in Juris Rz. 9ff -; OLG Düsseldorf WM 2009, 1655 - in Juris Rz. 32f -; Palandt/Sprau a.a.O. Rz. 35a zu § 826), aber auch die Verbreitung sonstiger grob falscher Informationen, die zu einer Anlageentscheidung führen, wie etwa die Vorspiegelung einer aktienrechtlich nicht gegebenen Kündigungsmöglichkeit. Die Aktiengesellschaft kann dafür gem. § 31 BGB in Anspruch genommen werden (BGH NJW 2005, 2450 - in Juris Rz. 15 -; OLG Stuttgart WM 2008, 1368 - in Juris Rz. 28ff, 62 -; Palandt/Sprau a.a.O.).
Indessen sind praktische Fälle der vorsätzlichen sittenwidrigen Unterlassung richtiger Ad-hoc-Mitteilungen bisher, soweit ersichtlich, von der Rechtsprechung nicht entschieden, sondern nur theoretisch erörtert worden (Möllers, Die unterlassene Ad-hoc-Mitteilung als sittenwidrige Schädigung gem. § 826 BGB, WM 2003, 2393ff). Das ist deshalb nicht weiter überraschend, weil die - wie ausgeführt - ohnehin strengen Voraussetzungen einer Haftung aus § 826 BGB in diesen Fällen nochmals gesteigert sind durch das weitere Erfordernis, dass ein Unterlassen infolge einer Handlungspflicht dem Handeln gleichzusetzen sein muss: Zu handeln, muss in der konkreten Situation einem sittlichen Gebot entsprochen haben; der Mitteilungspflichtige muss Kenntnis von der offenbarungspflichtigen Tatsache gehabt haben; schließlich muss die Veröffentlichungsbedürftigkeit der fraglichen Tatsache offenkundig gewesen sein (Möllers a.a.O. S. 2394f). Auch insoweit bedarf es stets, wie bereits unter a) ausgeführt, der Gesamtbetrachtung aller Umstände (BGHZ 192, 90 - in Juris Rz. 28 -; OLG Stuttgart a.a.O. - in Juris Rz. 181 -; OLG Düsseldorf WM 2009, 1655 - in Juris Rz. 32 -; LG Stuttgart ZIP 2014, 726 - in Juris Rz. 142 a.E. -).
c) Dass das Klägervorbringen sowohl hinsichtlich der Behauptung einer Falschinformation durch die Pressemitteilung der Beklagten vom 10.03.2008 als auch hinsichtlich derjenigen einer verspäteten und überdies falschen weiteren Pressemitteilung am 26.10.2008 den strengen Voraussetzungen für eine Haftung der Beklagten aus § 826 BGB nicht genügt, hat das Landgericht im Ergebnis zu Recht festgestellt.
Dabei kommt es auf die Ausführungen der Kammer zu der Ad-hoc-Mitteilung vom 03.03.2008, zum Vorratsbeschluss des Vorstandes der Beklagten vom 23.07.2008 und zu der Pressemitteilung vom 16.09.2008 (Urteil S. 10-16, 18-20, Bl. 303-309, 311-313 d.A.) nur insoweit an, als die dabei erfolgte Einordnung in den Gesamtzusammenhang bestätigt, dass die vom Kläger beanstandete Pressemitteilung der Beklagten vom 10.03.2008 in der konkreten damaligen Situation nicht grob unrichtig und gleichzeitig interpretationsfähig war, ihre weitere Pressemitteilung vom 26.10.2008 rechtzeitig und sachlich richtig war, wie vom Landgericht auf S. 16-18 und 20f des Urteils ausgeführt (Bl. 309-311, 313f d.A.), und beide auch unter Berücksichtigung des gesamten Ablaufs und der weiteren Marktinformationen der Beklagten nicht das Gesamtbild einer vorsätzlich falschen Marktinformation zur Verfolgung eines verwerflichen Zwecks entstehen ließen. Davon ist auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens des Klägers auszugehen, wie im Senatstermin eingehend erörtert.
(1) Soweit der Kläger gegen den Hinweis des Landgerichts auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (Urteil S. 10, Bl. 303) argumentiert, es handele sich um einen logischen Fehlschluss, ist dem nicht zu folgen. Das Landgericht hat der Sache nach zu Recht gemeint, eine vorsätzliche Falschinformation durch wiederholt grob unrichtige Ad-hoc-Mitteilungen liege schon deshalb nicht vor, weil die beanstandeten Informationen der Beklagten ab dem 10.03.2008 eben keine förmlichen Ad-hoc-Mitteilungen mehr gewesen seien, worauf es möglicherweise aber auch nicht ankomme, da sie außerdem einschließlich der vorangegangenen Ad-hoc-Mitteilung vom 03.03.2008 sämtlich nicht inhaltlich grob falsch gewesen seien, sondern im Kern richtig und allenfalls einen Interpretationsspielraum zulassend (Urteil S. 10-21, Bl. 303-314 d.A.).
Soweit die Kammer zusätzlich auf die fehlende Emittenteneigenschaft der Beklagten verwiesen hat, handelt es sich dabei um ein argumentum a maiore ad minus, also ein €Erst-recht-Argument€: Da die höchstrichterliche Rechtsprechung die an das Verhalten einer Emittentin zum Aktionär anzulegenden Maßstäbe beschreibe, die Beklagte aber nicht einmal Emittentin der streitbefangenen V-Aktien sei, kann sie mit ihrem Verhalten die Voraussetzungen der genannten Entscheidungen erst recht nicht erfüllt haben. Auch dies ist nicht zu beanstanden. Denn letztlich kann nach den vorstehenden Ausführungen unter c) die Schwelle zur Sittenwidrigkeit des Handelns nur höher liegen, wenn es nicht um das Verhältnis von Aktionär und Aktiengesellschaft geht, sondern nur um dasjenige zweier sonstiger Marktteilnehmer.
(2) Soweit der Kläger es für nicht nachvollziehbar hält, dass die Kammer die Prüfung von Pressemitteilungen auf Sittenwidrigkeit allgemein in Frage gestellt hat, hilft auch dies nicht weiter. Im Ansatz können sich naturgemäß auch bloße Pressemitteilungen als zum Schadensersatz verpflichtende sittenwidrige Handlungen darstellen. Das ist auch abgesehen von der Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart (WM 2008, 1368ff - in Juris Rz. 32 -), die lediglich eine Falschinformation durch den Emittenten selbst betrifft, in der Rechtsprechung nicht weiter strittig; indessen sind auch Pressemitteilungen im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung aller Umstände an den - wie oben ausgeführt, ausgesprochen strengen - Kriterien des § 826 BGB zu messen (BGHZ 192, 90 - in Juris Rz. 28f -; OLG Stuttgart a.a.O. - in Juris Rz. 181ff -; LG Stuttgart ZIP 2014, 726 - in Juris Rz. 142 -).
Das Landgericht hat die Frage der Anwendung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Sittenwidrigkeit von Ad-hoc-Mitteilungen auf bloße Pressemitteilungen deshalb auch nicht etwa verneint, sondern zutreffend offengelassen und gleichzeitig ebenso zutreffend festgestellt, dass im vorliegenden Falle jedenfalls die Sittenwidrigkeit der Pressemitteilungen der Beklagten nicht festgestellt werden kann. Darauf beziehen sich die gesamten Ausführungen auf S. 10-21 des angefochtenen Urteils (Bl. 303-314 d.A.). Dabei ist festzustellen, dass der Kläger auch im Berufungsrechtsstreit und angesichts der vom Landgericht vorgenommenen Gesamtbetrachtung unter Einbeziehung der weiteren Informationen der Beklagten vom 03.03. und 16.09.2008 und des Vorstandsbeschlusses vom 23.07.2008 nicht einmal maßgeblich darauf abstellt, dass die beiden von ihm beanstandeten Pressemitteilungen vom 10.03. und 26.10.2008 zu einer Serie vorsätzlich grob falscher und deshalb sittenwidriger Äußerungen der Beklagten gehörten. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes belegt nur die wiederholte vorsätzliche Falschinformation (des Emittenten) im eigennützigen Interesse des Vorstandes mit dem Unwerturteil der Sittenwidrigkeit. So ging es in dem u.a. in BGHZ 160, 134 - in Juris Rz. 3 -; BGH NJW 2008, 76 - in Juris Rz. 3 -; BGH NJW-RR 2008, 1004 - in Juris Rz. 3 - abgehandelten €COMROAD€-Komplex um mehr als 40 Ad-hoc-Mitteilungen. Dagegen hat der Bundesgerichtshof die Haftung aus § 826 BGB in einem Falle nur zweier bewusster Ad-hoc-Falschmeldungen ausdrücklich abgelehnt (In BGHZ 160, 134 - in Juris Rz. 33ff - BGH a.a.O. - in Juris Rz. 36 i. V. m. 39 -).
Hier hat dagegen der Kläger nicht substantiiert vorgetragen, dass die von ihm angeführten zwei Pressemitteilungen vom 10.03. und 26.10.2008, beide noch dazu mit gegenläufigen Grundaussagen zur künftigen Beteiligung der Beklagten an V, bereits wiederholte vorsätzliche grobe Falschinformationen dargestellt hätten. Zu Unrecht wendet sich der Kläger deshalb auch gegen eine angenommene Auffassung des Landgerichts, die Beklagte sei berechtigt, mehrdeutige Mitteilungen herauszugeben.
Denn die Kammer hat zu Recht die beiden Pressemitteilungen vom 10.03. und 26.10.2008 als von der Grundaussage her nicht grob falsch, sondern allenfalls missverständlich oder einen Interpretationsspielraum zulassend angesehen. Die Mitteilung vom 10.03.2008 dementierte die Absicht der Beklagten, eine 75%ige Beteiligung an der V AG anzustreben, diejenige vom 26.10.2008 gab die gegenteilige Absicht bekannt (Urteil S. 16-21, Bl. 309-314).
Gegen die Ausführungen der Kammer, die Aussagen seien im Kern angesichts der Beschlusslage des Vorstandes der Beklagten zutreffend gewesen, insbesondere die Meldung vom 10.03.2008 habe aber die Möglichkeit einer weiteren Erhöhung der Beteiligung ohne komplette Übernahme des Unternehmens nicht definitiv ausgeschlossen, wendet sich der Kläger nicht dezidiert. Es ist vielmehr unstreitig, dass die Beklagte ausweislich ihrer Ad-hoc-Mitteilung vom 03.03.2008 lediglich bekanntgegeben hatte, eine Beteiligung von mehr als 50% an der V AG anzustreben (vgl. Anlagenband Kläger Anlage K2), wodurch sie offenließ, wie hoch die Beteiligung oberhalb von 50% beabsichtigt war. Die Kammer hat dazu zutreffend festgestellt, für einen Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag über die V AG, also für deren Übernahme zu 100%, habe es damals bekanntlich angesichts des sog. V-Gesetzes ohnehin keine Basis gegeben (Urteil S. 15 Bl. 308). Dies traf zu jener Zeit zu und tat es auch weiterhin, wenn die Beklagte in der Folgezeit eine bis zu 75%ige Beteiligung erwog. Denn das sog. V-Gesetz sicherte dem Land Niedersachsen lediglich eine Sperrminorität von 20,1%, die rein rechnerisch einer 100%igen, nicht aber einer 75%igen Übernahme entgegenstand.
Schon in der ersten vom Kläger beanstandeten Pressemitteilung vom 10.03.2008 (Anlagenband Kläger Anlage K3) ging es ersichtlich deshalb auch nur noch darum, Spekulationen über die Absicht einer 75%igen Beteiligung der Beklagten an V entgegenzutreten. Die Mitteilung enthielt ein Dementi von Marktgerüchten, es sei eine Aufstockung bis auf 75% geplant; diese nicht konkret zu planen oder auch nur eventuell anzustreben, hatte die Beklagte damit keineswegs erklärt. Das ergibt sich - entgegen der im nachgelassenen Schriftsatz vom 03.12.2015 geäußerten Ansicht des Klägervertreters (S. 3, Bl. 506 d.A.) - auch nicht aus dem Wortlaut der Mitteilung. Schon der erste Satz der Pressemitteilung enthält nicht etwa die Erklärung, die Beklagte
€beabsichtige nicht, ihren V-Anteil auf 75 Prozent aufzustocken€,
sondern nur die deutlich gewundenere, die Beklagte
€weist Medienberichte zurück, wonach das Unternehmen beabsichtige, seinen V-Anteil auf 75 Prozent aufzustocken€.
Abgesehen davon, dass damit der Sinn der Aussage in erster Linie in der Zurückweisung von Medienberichten liegt und nur indirekt daraus geschlossen werden kann, dass die Beklagte die in den Medien behauptete Ansicht nicht habe, kann dieser Satz auch nicht ohne den Textzusammenhang, nämlich ohne die folgenden Erläuterungen gelesen werden. Denn die beiden folgenden Sätze erläutern nur, dass der Erwerb einer 75%igen Beteiligung angesichts der Mitbeteiligung des Landes Niedersachsen und des restlichen Streubesitzes von Aktien der V AG objektiv schwierig wäre. Das besagte aber nichts Eindeutiges über die subjektive Sicht und die Planungen der Beklagten selbst und war deshalb auch dem Sinn nach ein eher schwaches Argument.
Das Landgericht hat zudem zutreffend, insoweit auch von der Berufung nicht weiter angegriffen, auf den geringen Wert von Dementis im öffentlichen Leben hingewiesen (Urteil S. 17f, Bl. 310f d.A.). Darüber hinaus lag angesichts der vielen Einflussfaktoren für Anlageentscheidungen auf der Hand, dass die Pressemitteilung vom 10.03.2008 ohnehin nur zeitlich begrenzte Bedeutung haben konnte und damit den Erwerb von 75% der V-Anteile keineswegs dauerhaft ausschloss.
Daran haben weder der Vorratsbeschluss des Vorstandes der Beklagten vom 23.07.2008 noch etwa die Pressemitteilung vom 16.09.2008 Wesentliches geändert, bis die Beklagte schließlich die Pressemitteilung vom 26.10.2008 herausgab. Bereits das Landgericht hat zu Recht zum sog. Vorratsbeschuss ausgeführt, dieser ändere nichts (Urteil S. 18f, Bl. 311f d.A.); dem ist auch der Kläger nicht weiter entgegengetreten.
(3) Zu Recht hat die Kammer auch berücksichtigt, dass die Beklagte bei Veröffentlichung der Pressemitteilung vom 10.03.2008 davon ausgehen durfte, dass ein Schweigen in ihrer konkreten Lage möglicherweise als Bestätigung der Gerüchte gewertet worden wäre und deshalb ihre Information jedenfalls wegen der Marktgerüchte nicht als vorsätzlich und wiederholt grob falsch im eigennützigen Interesse ihres Vorstandes angesehen werden kann (Urteil S. 15, 17f Bl. 308, 310f d.A.; vgl. LG Stuttgart a.a.O. - in Juris Rz. 149ff -). Den Gedanken, dass die Beklagte nicht Emittentin der V-Stammaktien gewesen sei (Urteil S. 13f Bl. 306f d.A.), hat die Kammer ebenfalls zutreffend als gegen eine Sittenwidrigkeit sprechend angesehen, weil die Emittentin eines börsengehandelten Papiers eben, wie oben zu §§ 15, 37b, 37c WpHG ausgeführt, viel weitergehende Pflichten treffen als jeden anderen Marktteilnehmer (LG Stuttgart a.a.O. Rz. 153). Weiterhin kann auch nicht außer Betracht bleiben, dass es indiziell eher gegen die Sittenwidrigkeit der Falschinformation spricht, wenn es sich bei den dadurch verursachten Geschäftsabschlüssen (zur Kausalität s. noch gesondert unten) um - ohnehin bewusst hochriskante - Kurswetten in einem von reinen Stimmungsschwankungen außerordentlich abhängigen (volatilen) Anlageumfeld handelte. Insoweit ist zu Lasten des Klägers zu berücksichtigen, dass sein Geschäftsmodell des Leerverkaufs anders als bei gewöhnlichem Aktienkauf allein darauf beruht, dass er Marktteilnehmer findet, die die künftige Marktentwicklung falsch einschätzen, und deshalb einer Wette nahesteht, welche vertragliche Verbindlichkeiten gem. § 762 Abs. 1 BGB nicht begründet (OLG Stuttgart a.a.O. - in Juris Rz. 211 -; LG Stuttgart a.a.O. - in Juris Rz. 158 -).
Der Kammer ist ferner darin beizutreten, dass Pressemitteilungen mit den unterschiedlichsten Motivationen veröffentlicht werden und deshalb grundsätzlich weniger vertrauenswürdig sind als formelle Ad-hoc-Mitteilungen, die immerhin gem. §§ 13, 15 WpHG unter bestimmten Voraussetzungen vorgeschrieben sind und deren Missbrauch die Schadensersatzfolgen der §§ 37b, 37c WpHG hat (Urteil S. 16, 17f, Bl. 309, 310f d.A.).
Das OLG Stuttgart hat schließlich in dem von ihm entschiedenen Parallelfall zutreffend hervorgehoben, auch wenn die Beklagte zunächst Übernahmepläne aus gegebenem Anlass dementiert habe, habe sich niemand darauf verlassen können, dass sie solche zukünftig nicht fassen werde oder gefasste Pläne nicht ändern werde; Mitteilungen gäben deshalb stets nur den aktuellen Stand wieder (OLG Stuttgart a.a.O. Rz. 179-214).
Hinsichtlich der Pressemitteilung vom 26.10.2008 hat die Kammer zu Recht darauf abgestellt, dass diese jedenfalls inhaltlich nicht falsch - schon gar nicht grob falsch - war und darüber hinaus nach den streitgegenständlichen Leerverkäufen stattfand (Urteil S. 19f Bl. 312f d.A.; vgl. OLG Stuttgart a.a.O. - in Juris Rz. 213 -; LG Stuttgart a.a.O. - in Juris Rz. 165-168 -). Es ist unstreitig, dass die Beklagte sich jedenfalls ab dem 26.10.2008 bemüht hat, eine Beteiligung von 75% an der V AG zu erlangen. Zudem kann eine Pressemitteilung zwei Tage nach der Verkaufsentscheidung des Klägers vom 24.10.2008 für diese schon aus zeitlichen Gründen nicht mehr ursächlich geworden sein.
(4) Zudem fehlt auch substantiierter Vortrag des Klägers dazu, dass der Vorstand der Beklagten die beiden Pressemitteilungen vom 10.03. und 26.10.2008 allein im eigennützigen Interesse i.S. der Rechtsprechung und nicht in demjenigen der Beklagten herausgegeben habe. Auch dies hat das Landgericht auf S. 19 des angefochtenen Urteils zutreffend ausgeführt (Bl. 312 d.A.;). Soweit der Kläger meint, es komme auf ein eigennütziges Vorstandsinteresse nicht an, geht sein Vortrag daran vorbei, dass das eigennützige Interesse des Handelnden nach der Rechtsprechung eines der maßgeblichen subjektiven Kriterien für die Beurteilung des Verhaltens als verwerflich und damit sittenwidrig ist (vgl. BGH II ZR 402/02 - in Juris Rz. 49f -; OLG Düsseldorf BB 2011, 2446 - in Juris Rz. 176, 181 -; OLG Düsseldorf WM 2009, 1655 - in Juris Rz. 32 -).
Es ist auch nicht substantiiert dargetan, die Beklagte habe gewusst, dass die beanstandeten Pressemitteilungen Entscheidungen für die Durchführung von Leerverkäufen in V-Stammaktien verursachen würden. Insoweit reicht auch die Darlegung, es sei allgemein bekannt, dass Leerverkäufe ständig stattfinden, nicht aus (OLG Stuttgart a.a.O. - in Juris Rz. 215-228, insbes. 221-223 -).
(5) Der Kläger hat nach alledem erst recht eine sittenwidrige Unterlassung gebotener Ad-hoc-Mitteilungen nicht substantiiert darlegen können. Denn selbst wenn angesichts der vorstehenden Erwägungen davon auszugehen wäre, dass die Beklagte eine solche spätestens Mitte Oktober 2008 hätte herausgeben müssen, wären bis zur Anlageentscheidung des Klägers am 24.10.2008 nur wenige Tage verstrichen, in denen eine wiederholte Unterlassung nach den o.a. Kriterien nicht angenommen werden kann.
(6) Soweit der Kläger die Schutzwirkung des § 15 WpHG in Bezug auf Handlungen der Beklagten, die nicht ihre eigenen Aktien betreffen, zumindest als Gesichtspunkt für die Sittenwidrigkeit des Handelns der Beklagten in Anspruch nehmen möchte, widerspricht dies auch hier seiner eigenen Rechtsansicht von der begrenzten Reichweite der Vorschrift; abgesehen davon hat das Landgericht auch zutreffend ausgeführt, dass § 15 WpHG nur die Emittentin eines Papiers dem eigenen aktuellen oder potentiellen Aktionär verpflichtet. Das ist bereits oben unter 1.c) ausgeführt.
(7) Soweit der Kläger rügt, die Voraussetzungen eines Aufschubs der Marktinformation gem. §§ 15 Abs. 3. Nr. 1 WpHG, 6 S. 2 Nr. 1 WpAIV seien weder Streitgegenstand gewesen noch vom Landgericht festgestellt worden, geht dies ins Leere. Die Kammer hat an der beanstandeten Stelle ihres Urteils (S. 13, Bl. 306 d.A.) ersichtlich nur erläutern wollen, dass selbst Emittenten gegenüber ihren Aktionären nicht jederzeit sofort nach den Vorschriften des WpHG informationspflichtig sind, mithin die Schwelle der Sittenwidrigkeit nicht immer bereits dann als überschritten angesehen werden kann, wenn eine Ad-hoc-Mitteilung der Emittentin nicht sogleich erfolgt, und dass die Beklagte sich in einer dem § 6 S. 2 Nr. 1 WpAIV vergleichbaren Lage befand. Dagegen ist aus Sicht des Senats nichts zu erinnern.
(8) Soweit der Kläger meint, das Fehlen der Voraussetzungen einer Haftung aus §§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. 20a WpHG (mangels Schutzgesetzcharakters) stehe einer Haftung aus § 826 BGB nicht entgegen, tritt der Senat aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung der gegenteiligen Auffassung des Landgerichts auch insoweit bei (Urteil S. 16 Bl. 309 d.A.). Der Kläger führt dazu neue Gesichtspunkte auch in der Berufungsinstanz nicht mehr an.
(9) Soweit der Kläger schließlich im Unterschied zu seinen Ausführungen im erstinstanzlichen Termin nunmehr insbesondere für eine Haftung aus § 826 BGB darauf abstellen möchte, dass die Entscheidung der Beklagten, eine 75%-Beteiligung bei V anzustreben, bereits auf einem Treffen der Eigentümerfamilie P am 18./19.10.2008 gefallen sei, fehlt es angesichts des Bestreitens der Beklagten schon an substantiiertem Vorbringen, dass damit die Entscheidung bei der Beklagten definitiv gefallen war. Zum einen war die Familie P mit dem Vorstand der Beklagten nicht identisch; diesem gehörten auch Nichtmitglieder der Familie an wie etwa der vom Kläger im Mahnbescheidsantrag genannte, seinerzeitige geschäftsführender Direktor W (s. Rubrum des Mahnbescheids Bl. 2 d.A.). Deshalb bedarf es keiner vertiefenden Erörterung, dass zwischen informellen Absichtserklärungen innerhalb der Familie P, dem Aufsichtsratsbeschluss vom 20.10.2008 und schließlich dem förmlichen Vorstandsbeschluss vom 26.10.2008, durchaus Unterschiede bestehen können. Zur Familie P gehörte aber andererseits auch das Mitglied Prof. Dr. P, und der Kläger ist dem Vorbringen der Beklagten nicht weiter entgegengetreten, erst nach einem Presseinterview mit Herrn Prof. Dr. P am 23.10.2008 sei auch dessen Haltung betreffend V geklärt gewesen, weil sie vorher eben nicht eindeutig erkennbar gewesen sei (Klagerwiderung S. 17f Bl. 80f).
Mangels konkreten Klägervorbringens zu einer definitiven Entscheidung der maßgeblichen Personen bereits am 18./19.10.2008 bleibt schließlich entscheidend, dass der Vorstand der Beklagten erst am 26.10.2008 beschloss, bei geeigneter Marktlage eine bis zu 75%ige Beteiligung an der V AG anzustreben. Der Vorstand ist gem. § 76 Abs. 1 AktG das leitende Organ der Aktiengesellschaft; nur was er im Rahmen seiner Zuständigkeiten beschließt, kann maßgeblich sein.
Darüber hinaus hat der Klägervertreter im erstinstanzlichen Termin vom 30.04.2014 ausdrücklich eingeräumt, auch nach seiner Auffassung habe die Beklagte erst am 21.10.2008 über die Beteiligungsabsicht informieren müssen (Prot. S. 4 Bl. 222 d.A.). Dem Argument der Kammer, der Beklagten wäre selbst dann eine gewisse Überlegungsfrist zuzugestehen gewesen (Urteil S. 20f, Bl. 313f d.A.), tritt der Kläger in der Berufungsinstanz nicht weiter entgegen. Daran ändert sich freilich auch nichts Wesentliches, wenn man dem neuen Vorbringen des Klägers folgte, wobei vom Ende des Treffens am 19.10.2008 auszugehen wäre. Denn auch dann wäre die der Beklagten zuzugestehende Überlegungsfrist nur um maximal zwei volle Tage verlängert.
e) Schließlich tritt der Senat dem Landgericht auch insoweit bei, als es die Ursächlichkeit des vom Kläger beanstandeten Handelns der Beklagten in Form der Pressemitteilungen vom 10.03. und 26.10.2008 für die Eröffnung der Short Position für 1.000 Stück V-Aktien durch den Kläger verneint hat. Dieser trägt für seine Behauptung, er hätte die streitgegenständliche Short Position nicht eröffnet, wenn die Beklagte den Markt wahrheitsgemäß informiert hätte, keine konkreten Anhaltspunkte vor. Es handelt sich dabei um die Behauptung einer inneren Tatsache, die durch äußere Tatsachen gestützt werden muss; solche trägt jedoch der Kläger nicht vor.
Eine Vermutung dafür, dass dies gerade auf den beanstandeten - nach obigen Ausführungen jedoch nicht zu beanstandenden - Pressemitteilungen vom 10.03. und 26.10.2008 beruhte und der Kläger sich bei einer unterstellten anderen Informationslage aufklärungsrichtig verhalten hätte, kann der Kläger jedoch nicht in Anspruch nehmen, weil es mit dem unstreitigen Kursverfall der V-Aktie vor dem 24.10.2008 auch einen anderen Grund für die Eröffnung seiner Short Position an diesem Tage gab, und zwar erst recht deshalb nicht, weil der Kläger als unstreitiger €Day-Trader€ flexibel und kurzfristige Anlageentscheidungen zu treffen gewöhnt war. Der Kläger hat in der Klagebegründung selbst vorgetragen, den massiven Kursverfall der V-Aktie von 355,00 € auf 210,52 € im Verlaufe des 24.10.2008 als Folge der €Lehman-Pleite€ in den USA zum Anlass genommen zu haben, an demselben Tage um 17.16 Uhr eine Short Position i.H.v. 1000 Stück V-Aktien zu eröffnen (S. 8 Bl. 31 d.A.). Es kann deshalb nicht ausgeschlossen werden, dass er nur wegen der Kursentwicklung der Aktie verkaufte und ihm die weitere Verfahrensweise der Beklagten demgegenüber gleichgültig war. Es mag sogar sein, dass er wegen der Kursentwicklung und deshalb verkaufte, weil er keine Anzeichen für eine gegenteilige Entwicklung hatte. Die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs aus § 826 BGB erfordert jedoch mehr, nämlich die substantiierte Darlegung und ggf. den Beweis durch den Kläger, dass die Anlageentscheidung gerade auf dem Fehlen einer bestimmten Information bzw. einer Falschinformation beruhte, welche der Beklagten zuzurechnen sein soll (vgl. BGHZ 192, 90 - in Juris Rz. 60-64 -; OLG Stuttgart a.a.O. - in Juris Rz. 230-249 -; OLG Düsseldorf WM 2009, 1556 - in Juris Rz. 33 -; LG Stuttgart a.a.O. - in Juris Rz. 159f -). Dem genügt das Vorbringen des Klägers nicht.
Für seine Berufung auf die Pressemitteilung vom 26.10.2008 gilt dies schon deshalb, weil diese - wie ausgeführt - zeitlich seiner Verkaufsentscheidung nachfolgte. Aber auch dazu, dass er gerade wegen der Pressemitteilung der Beklagten vom 10.03.2008 am 24.10.2008 verkauft habe, fehlt jedes Vorbringen, wann und wie er von der Pressemitteilung Kenntnis bekommen und welche Dispositionen er gerade daraufhin getroffen habe. Die Aufweichung der Kausalitätsvoraussetzungen im Sinne der Theorie eines allgemeinen Marktbetruges (€fraud on the market€) hat der Bundesgerichtshof mehrfach ausdrücklich abgelehnt (BGHZ 160, 134 - in Juris Rz. 43-45 -; BGH NJW 2008, 76 - in Juris Rz. 16 m.w.N. -; BGH NJW-RR 2008, 1004 - in Juris Rz. 16f -; BGH WM 2008, 395 - in Juris Rz. 16f -).
Es kann deshalb dahinstehen, ob der Kläger als interessierter und markterfahrener Kurzzeitanleger bei seiner Verkaufsentscheidung vom 24.10.2008 nicht auch das schon erwähnte Presseinterview mit Herrn Prof. Dr. P vom 23.10.2008 hätte in Betracht ziehen müssen, mit dem möglicherweise ein erster Hinweis auf die Vorstandsentscheidung vom 26.10.2008 vorlag. Der Kläger hat immerhin in seiner mündlichen Anhörung vor der Kammer angegeben, sich auch über professionelle Nachrichtendienste zu informieren (Prot. d. m. Vh. v. 30.04.2014 S. 2 Bl. 220), und dazu gehört die Nachrichtenagentur R, die das Interview verbreitete (Klagerwiderung S. 18, Bl. 81 d.A.). Die Pressemitteilung der Beklagten vom 26.10.2008 jedenfalls kann nicht mehr ursächlich für die Verkaufsentscheidung des Klägers geworden sein, weil letztere zwei Tage vorher erfolgte.
f) Schließlich hat der Kläger einen Schaden nicht substantiiert dargetan. Denn im Zusammenhang mit Leerverkäufen an der Börse besteht der Schaden in den infolge Fehlschlagens der Erwartung erforderlichen Aufwendungen für Deckungskäufe, jedoch nur vermindert um die erhaltenen Kaufpreise und die Gewinne aus den üblicherweise gleichzeitig abgeschlossenen, absichernden Gegengeschäften (OLG Stuttgart a.a.O. - in Juris Rz. 252, 256-261; LG Stuttgart a.a.O. - in Juris Rz. 169f - ). Ungeachtet der unter Berücksichtigung der Ausführungen des Klägers in Person im Termin vom 30.04.2014 (Prot. S. 3 Bl. 221) nachvollziehbaren Berechnung seiner Aufwendungen für Deckungskäufe hat der Kläger in seiner Anhörung vor der Kammer als Anleger dargestellt, der ebenso verfährt und absichernde Gegengeschäfte schließt; gleichzeitig hat er selbst den Verlust als mittels anderer Geschäfte ausgeglichen betrachtet und damit zu erkennen gegeben, unter Berücksichtigung dieser Gegengeschäfte keinen Schaden erlitten zu haben. Er hat den Fehlschlag seiner Entscheidung, aus dem Verkauf vom 24.10.2008 einen Gewinn zu erzielen, im Ergebnis als unschädlich und als €Nullsummenspiel€ bezeichnet (Prot. S. 4, Bl. 222 d.A.).
4. Der mit der Berufungsbegründung (dort S. 20, Bl. 390 d.A.) vom Kläger gestellte Antrag auf Aussetzung des Rechtsstreits gem. § 149 ZPO mit Rücksicht auf das derzeit parallele Strafverfahren gegen Dr. W und H vor dem Landgericht Stuttgart war abzulehnen (vgl. ebenso OLG Stuttgart a.a.O. - in Juris Rz. 264ff -). Die vom Kläger gegebene Begründung, das Oberlandesgericht Stuttgart habe das Hauptverfahren gegen die damaligen Vorstandsmitglieder der Beklagten wegen vorsätzlicher Marktmanipulation durch Beschluss vom 26.08.2014 - 1 Ws 68/14 - vor dem Landgericht Stuttgart eröffnet, greift im Ergebnis nicht durch.
a) Entgegen der Auffassung des Klägers fehlt es bereits an einem Aussetzungsgrund i.S.v. § 149 Abs. 1 ZPO. Denn auch eine rechtskräftige Feststellung der Strafbarkeit der Vorstandsmitglieder der Beklagten wegen vorsätzlicher Marktmanipulation hätte keinen Einfluss auf den vorliegenden Rechtsstreit im Hinblick auf die Verwerflichkeit des Verhaltens der Beklagten.
Gem. § 149 ZPO kann das Gericht die Aussetzung der Verhandlung bis zur Erledigung des Strafverfahrens anordnen, wenn sich im Laufe des Rechtsstreits der Verdacht einer Straftat ergibt, deren Ermittlung auf die Entscheidung von Einfluss ist. Das soll dem Gericht die Möglichkeit geben, den Ausgang eines Strafverfahrens abzuwarten, um die dort u.U. besseren Erkenntnismöglichkeiten nutzbar zu machen (Zöller / Greger, ZPO, 31. Aufl., Rz. 1 zu § 149). Insoweit ist zunächst zu prüfen, ob ein Aussetzungsgrund gegeben ist; das ist bei Berücksichtigung aller Umstände nicht der Fall.
b) Die Klage ist jedenfalls im Berufungsrechtsstreit nur noch gestützt auf § 826 BGB und die analoge Anwendung der §§ 37b, 37c WpHG, weil die Beklagte in Pressemitteilungen 10.03.2008 ihre Übernahmeabsicht betreffend die V AG wahrheitswidrig dementiert und am 26.10.2008 nunmehr wahrheitswidrig behauptet habe. Einen Schadensersatzanspruch aus §§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. 20a WpHG verfolgt der Kläger jedenfalls in der Berufungsinstanz nicht mehr.
(1) Ein Aussetzungsgrund wegen der Pressemitteilung vom 26.10.2008 besteht dabei schon deshalb nicht, weil der zugelassene Teil der Anklage sich darauf unstreitig nicht bezieht, sondern nur auf den Zeitraum davor; die genannte Pressemitteilung ist mithin nicht Gegenstand der vom Oberlandesgericht teilweise zugelassenen Anklage und demzufolge des laufenden Hauptverfahrens. Zum Umfang der Anklagezulassung hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 16.12.2014 unter Vorlage der Pressemitteilung des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 26.08.2014 unwidersprochen vorgetragen (Bl. 442, 446 d. A.; Anlage B 44).
(2) Soweit es die Pressemitteilung vom 10.03.2008 betrifft, besteht ebenfalls kein Grund zur Aussetzung des vorliegenden Rechtsstreits, weil dieser Rechtsfragen zu beantworten hat, die weit über den Strafprozess hinausgehen (ebenso OLG Stuttgart a.a.O. - in Juris Rz. 268 - und die zit. Senatsbeschlüsse).
Das gilt zunächst deshalb, weil der Kläger jedenfalls in der Berufungsinstanz nur noch Schadensersatzansprüche in analoger Anwendung der §§ 37b, 37 c WpHG und aus 826 BGB verfolgt. Damit geht es im vorliegenden Rechtsstreit um andere tatsächliche und Rechtsfragen als im Strafverfahren. Im Übrigen trägt auch der Kläger nicht vor, inwieweit Erkenntnismöglichkeiten des Strafprozesses für die von ihm noch verfolgten Anspruchsgrundlagen konkret besser nutzbar gemacht werden könnten als diejenigen des Zivilrechtsstreits (zu den Voraussetzungen BGH NJW-RR 2010, 423 - in Juris Rz. 10 -). Deswegen bietet auch die vom Kläger allein angeführte Möglichkeit einer strafrechtlichen Ahndung desselben Handelns nach Strafvorschriften, deren Tatbestandsmerkmale im Zivilrechtsstreit keine Rolle spielen, keinen hinreichenden Grund für eine Aussetzung. Selbst wenn eine strafrechtliche Verurteilung erfolgen würde, wäre sie auf Kriterien gestützt, die den Strafnormen, aber damit nicht auch gleichzeitig den geltend gemachten Anspruchsgrundlagen entsprächen und damit das Unwerturteil, das in der Beurteilung einer Handlung als sittenwidrig liegt, allenfalls unwesentlich zum Nachteil der Beklagten verschieben (so auch OLG Stuttgart a.a.O. - in Juris Rz. 268f - und die zit. Senatsbeschlüsse).
b) Abgesehen davon liegt es im Ermessen des Gerichts, ob es der Beschleunigung des Zivilrechtsstreits den Vorrang gibt oder darauf zugunsten besserer Erkenntnismöglichkeiten des Strafverfahrens verzichtet (BGH NJW-RR 10, 423 - in Juris Rz. 5 und 10 inzident -; 06, 1289 - in Juris Rz. 6 -; KG MDR 07, 736 - in Juris Rz. 3f -; OLG Düsseldorf OLGR 98, 83 - in Juris Rz. 6 -; OLG Stuttgart a.a.O. - in Juris Rz. 267 -). Darauf kommt es allerdings mangels Vorliegens eines Aussetzungsgrundes nicht mehr an.
Sofern man dies anders sehen wollte und es im Rahmen der genannten Abwägung darauf ankäme, ob die mutmaßliche Dauer des Strafverfahrens mit länger als einem Jahr zu veranschlagen ist, war zwar, wie im Senatstermin erörtert, der Presse zu entnehmen, dass die Hauptverhandlung nach zweimaliger Verlegung auf 26 Termine vom 22. Oktober 2015 bis 22. Februar 2016 terminiert ist (Braunschweiger Zeitung vom 10.08.2015). Angesichts dieser zweimaligen Verlegung und der vorangegangenen Dauer von drei Jahren der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und über eineinhalb Jahren bis zur Eröffnung des Hauptverfahrens wird man jedoch nicht zuverlässig davon ausgehen können, dass dieser Terminplan nunmehr eingehalten wird oder das Hauptverfahren wenigstens innerhalb eines Jahres nach Schluss der mündlichen Verhandlung in diesem Berufungsrechtsstreit in der einen oder anderen Weise rechtskräftig beendet werden kann, zumal es sich derzeit noch in der ersten Instanz befindet, gegen deren Entscheidung auch mit der Revision zum Bundesgerichtshof zu rechnen ist.
5. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Ein Anlass zur Zulassung der Revision i.S.v. § 543 Abs. 2 ZPO war nicht erkennbar. Der Berufungsstreitwert war gem. § 63 Abs. 2 GKG auf 131.986,60 € festzusetzen.
OLG Braunschweig:
Urteil v. 12.01.2016
Az: 7 U 59/14
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