Bundespatentgericht:
Beschluss vom 18. April 2000
Aktenzeichen: 24 W (pat) 185/99

(BPatG: Beschluss v. 18.04.2000, Az.: 24 W (pat) 185/99)

Tenor

I. Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluß der Markenstelle für Klasse 3 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 19. April 1999 aufgehoben.

Wegen des Widerspruchs aus der Marke 2 025 491 wird die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet.

II. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I Die Marke 395 27 779 VISIO ist in das Register eingetragen worden für die folgenden Waren:

"Mittel zur Gesichtsreinigung und -pflege, insbesondere Gesichtswasser, Gesichtsreinigungs- und Gesichtspflegemittel in fester Form, in Form von Lotionen, Cremes und Gels".

Die Veröffentlichung der Eintragung erfolgte am 10. Oktober 1996.

Gegen diese Eintragung ist Widerspruch erhoben worden aus der Marke 2 025 491 VISION, die seit dem 30. November 1992 gem § 6a WZG für die Waren:

"Seifen; Parfümerien, Eau de Cologne, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, insbesondere Schaum- und Duschbäder, chemische Haarpflegemittel, nichtmedizinische Zahncremes"

in dem Register eingetragen ist, ohne daß ein Widerspruchsverfahren stattgefunden hat.

Mit Schriftsatz vom 12. Dezember 1997 hat die Markeninhaberin die Benutzung der Widerspruchsmarke bestritten. Im Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt hat die Widersprechende keine Unterlagen zur Glaubhaftmachung der Benutzung vorgelegt. Mit Beschluß vom 19. April 1999 hat die Markenstelle für Klasse 3 des Deutschen Patent- und Markenamts deshalb den Widerspruch wegen fehlender Glaubhaftmachung der Benutzung der Widerspruchsmarke zurückgewiesen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden.

Bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung am 18. April 2000 hat die Widersprechende wie folgt vorgetragen:

Die Firma S... benutze die Marke für eine Haarpflege-Serie für Herren im Rahmen eines Pilotprojekts, das einen Vertrieb der Waren ausschließlich im Internet betreffe. Die genannte Firma sei eine Tochtergesellschaft der Widersprechenden und verwende die Widerspruchsmarke auf der Grundlage einer Lizenz der Widersprechenden. Das Angebot der Haarpflegemittel zum Verkauf erfolge über die Homepage: http://www.vision.de, auf der ua sowohl die Marke selbst als auch die mit ihr versehenen Produkte in der nachfolgend wiedergegeben Form dargestellt würden:

siehe Abb. 1 am Endesiehe Abb. 2 am Endesiehe Abb. 3 am Endesiehe Abb. 4 am Ende Zu diesen im Internet wiedergegebenen Produktabbildungen hat die Widersprechende auch die entsprechend gekennzeichneten Originalwaren vorgelegt.

Weiterhin hat die Widersprechende eine eidesstattliche Versicherung vom 14. April 2000 der Frau C... eingereicht, die in ihrer Eigenschaft als Assistant Brand Manager der Widersprechenden erklärt, daß mit den angegebenen Produkten im Jahr 1998 DM ..., im Jahr 1999 DM ... sowie in den er- sten beiden Monaten des Jahres 2000 DM ... an Umsätzen erzielt worden seien. Weiterhin versichert Frau C... eidesstattlich, daß die betroffenen Waren in der Bundesrepublik Deutschland hergestellt worden seien.

Die Widersprechende erachtet insoweit die dargelegte Benutzung als rechtserhaltend iSv § 26 MarkenG und meint, daß zwischen den konkurrierenden Marken Verwechslungsgefahr iSv § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG bestehe.

Die Widersprechende beantragt (sinngemäß), den Beschluß der Markenstelle für Klasse 3 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 19. April 1999 aufzuheben und die angegriffene Marke aufgrund des Widerspruchs aus der Marke 2 025 491 zu löschen.

Die Markeninhaberin beantragt, die Beschwerde der Widersprechenden zurückzuweisen.

Bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung hat die Markeninhaberin vorgetragen, die Widerspruchsmarke sei nicht iSv § 26 MarkenG rechtserhaltend benutzt worden. Die Abbildung der Widerspruchsmarke und der mit ihr versehenen Artikel im Internet stelle keine markenmäßige Verwendung dar. Durch eine Bewerbung von Marke und Waren im Internet würden die entsprechenden Waren nicht in den Verkehr gebracht, vielmehr träten sie nur digital in Erscheinung. Im übrigen sei die Widerspruchsmarke in einer von der Eintragung abweichenden Form verwendet worden, wobei diese Abweichung so stark sei, daß dadurch der kennzeichnende Charakter der Marke verändert werde. Das Markenwort "VISION" sei nur in einer emblemartigen Verbindung mit dem Zeichen "@" eingesetzt worden. Außerdem sei die Widerspruchsmarke in der beschriebenen Kombination ausschließlich im Zusammenhang mit dem Zusatz "style access" verwendet worden, der unübersehbar direkt unter dem Markenwort "VISION" verlaufe.

Weiter vertritt die Markeninhaberin die Auffassung, daß zwischen den konkurrierenden Marken eine Verwechslungsgefahr iSv § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG nicht bestehe. Das Markenwort "VISION" habe nur eine schwache Kennzeichnungskraft. Die angegriffene Marke brauche daher keinen deutlichen Abstand gegenüber der Widerspruchsmarke einzuhalten. Die Unterschiede zwischen beiden Markenwörtern reichten insoweit aus, um eine Verwechslungsgefahr sicher auszuschließen.

Der Senat hat mit dem im Anschluß an die mündliche Verhandlung verkündeten Beschluß entschieden, daß eine Entscheidung an Verkündungs Statt zugestellt werde.

Nach Schluß der mündlichen Verhandlung hat die Widersprechende weiteren schriftlichen Sachvortrag eingereicht, der sich auf zusätzliche Rechtsausführungen zur Frage der Benutzung der Widerspruchsmarke sowie zur Verwechslungsgefahr der Vergleichsmarken bezieht. Die Markeninhaberin hat sich daraufhin zu diesem Vorbringen schriftsätzlich geäußert und ihre gegenteilige Rechtsansicht bekräftigt.

Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II Die Beschwerde der Widersprechenden ist begründet.

1. Bei dieser Entscheidung ist der Sachvortrag der Verfahrensbeteiligten, den diese in der Zeit nach Schluß der mündlichen Verhandlung am 18. April 2000 schriftlich vorgebracht haben, unberücksichtigt zu lassen. Nachdem der Senat mit dem im Anschluß an die mündliche Verhandlung verkündeten Beschluß entschieden hat, daß gemäß § 79 Abs. 1 Satz 3 MarkenG eine Entscheidung an Verkündung Statt zugestellt werde, hat diese Entscheidung auf der Grundlage der vorangegangenen mündlichen Verhandlung zu ergehen (vgl Althammer/Ströbele, Markengesetz, 5. Aufl 1997, § 79 Rdn 8). Gem § 82 Abs 1 Satz 1 MarkenG iVm § 296a Satz 1 ZPO können nach Schluß der mündlichen Verhandlung, auf die eine gerichtliche Entscheidung ergeht, Angriffs- und Verteidigungsmittel nicht mehr vorgetragen werden. Eine Ausnahme gilt nach § 296a Satz 2 ZPO dann, wenn das Gericht den Verfahrensbeteiligten gem § 283 ZPO eine Frist zur Nachreichung von Schriftsätzen gewährt hat. Im vorliegenden Fall ist eine solche Frist weder beantragt noch bewilligt worden. Der Inhalt der nachgereichten Schriftsätze hat auch keine Wiedereröffnung der Verhandlung gem § 82 Abs 1 Satz 1 MarkenG iVm § 296a Satz 2, § 156 ZPO bzw § 76 Abs 6 Satz 2 MarkenG erforderlich gemacht; denn die Verfahrensbeteiligten haben in diesen Schriftsätzen keine wesentlichen neuen Umstände vorgetragen, sondern lediglich ihre unterschiedlichen Rechtsauffassungen zur Frage der rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke sowie der Verwechslungsgefahr beider Marken bekräftigt.

Schließlich stellt die Nichtbeachtung der nachgereichten Schriftsätze auch keinen Verstoß gegen das Erfordernis der Gewährung rechtlichen Gehörs dar, was allerdings in der Literatur teilweise angenommen wird (vgl Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 1998, § 83 Rdn 22 und § 79 Rdn 3). Für alle Beschlüsse, die aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergehen, gilt der Ausschluß weiteren Vorbringens iSv § 82 Abs 1 Satz 1 MarkenG iVm § 296a ZPO. Eine Berücksichtigung nachträglich eingegangener Schriftsätze der Verfahrensbeteiligten ist insoweit lediglich im Rahmen von §§ 296a Satz 2, 156, 283 ZPO bzw § 76 Abs 6 Satz 2 MarkenG möglich und notwendig. Das gilt nicht nur für die im Termin der mündlichen Verhandlung verkündeten Beschlüsse (§ 79 Abs 1 Satz 1 Halbs 1 MarkenG), sondern in gleicher Weise für die in einem späteren Termin verkündeten Entscheidungen (§ 79 Abs 1 Satz 1 Halbs 2, Satz 2 MarkenG) sowie für die an Verkündungs Statt zugestellten Beschlüsse (§ 79 Abs 1 Satz 3 MarkenG). Insoweit besteht ein wesentlicher Unterschied zwischen der Zustellung einer aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangenen Entscheidung an Verkündungs Statt einerseits und der Zustellung eines ohne mündliche Verhandlung im schriftlichen Verfahren ergangenen Beschlusses (§ 79 Abs 1 Satz 4 MarkenG) andererseits. Lediglich im schriftlichen Verfahren ist das Gericht berechtigt und verpflichtet, alle Schriftsätze zu beachten, die eingegangen sind, solange der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle den Beschluß noch nicht der Post zur Beförderung übergeben hat (vgl BGH GRUR 1982, 406 "Treibladung"; GRUR 1997, 223, 224 "Ceco").

2. Die bestrittene Benutzung der Widerspruchsmarke ist hinreichend glaubhaft gemacht.

Die Markeninhaberin hat die Benutzung der Widerspruchsmarke mit Nichtwissen bestritten. Mit dieser Erklärung konnte sie nicht die Einrede gem § 43 Abs 1 Satz 1 MarkenG geltend machen, weil im Zeitpunkt der Veröffentlichung der angegriffenen Marke die Widerspruchsmarke noch keine fünf Jahre im Register eingetragen war. Die Markeninhaberin hat jedoch in zulässiger Weise die Einrede gem § 43 Abs 1 Satz 2 MarkenG erhoben, denn im Zeitpunkt der Erhebung der Einrede war die Widerspruchsmarke bereits länger als fünf Jahre im Register eingetragen. Demnach beläuft sich der maßgebliche Benutzungszeitraum auf den Zeitraum von fünf Jahren vor der das jeweilige Verfahren abschließenden (vgl BGH GRUR 2000, 510 "Contura") Entscheidung über den Widerspruch. Wird über den Widerspruch im Beschwerdeverfahren aufgrund mündlicher Verhandlung entschieden, ist der Zeitpunkt dieser mündlichen Verhandlung maßgebend, im vorliegenden Fall also der 18. April 2000. Das gilt auch dann, wenn die Entscheidung nicht sofort im Anschluß an die mündliche Verhandlung verkündet, sondern gem § 79 Abs 1 Satz 3 MarkenG an Verkündungs Statt zugestellt wird. Für den insoweit maßgeblichen Zeitraum von fünf Jahren vor dem 18. April 2000 hat die Widersprechende eine rechtserhaltende Benutzung ihrer Marke iSv § 26 iVm § § 43 Abs 1 Satz 2 MarkenG glaubhaft gemacht.

Die ernsthafte Benutzung einer Marke im Inland iSv § 26 MarkenG setzt voraus, daß die Marke im Rahmen einer normalen wirtschaftlichen Betätigung eingesetzt wird; dh durch Handlungen, die nach einem objektiven Maßstab verkehrsüblich und wirtschaftlich angebracht sind. Wenn somit einerseits nur ein normaler wirtschaftlicher Betätigung entsprechendes Handeln als rechtserhaltende Benutzung anzuerkennen ist, dürfen konsequenterweise dem Inhaber einer Marke auch keine wirtschaftlich nicht gebotenen Aktivitäten zur Aufrechterhaltung seiner Markenrechte abverlangt werden (vgl Althammer/Ströbele, aaO, § 26 Rdn 4). Diesen Anforderungen an eine verkehrsübliche wirtschaftliche Betätigung genügt die Abwicklung von Angebot und Verkauf von Waren über das Internet. Das Internet ist ein weltumspannendes Computernetzwerk, das über jeden PC erreicht werden kann. Ursprünglich war es für einen möglichst breiten nationalen und internationalen, nicht kommerziellen Datenaustausch bestimmt. Daneben hat sich das Internet inzwischen - zusammen mit dem email-System - zu einem neuen digitalen Marktplatz für den Handel mit Waren und Dienstleistungen entwickelt. Zum einen stellen zahlreiche Anbieter ihre Leistungsangebote und die entsprechenden Vertragsangebote im Internet detailliert dar. Zum anderen können Interessenten die angebotenen Verträge direkt über Internet und email in rechtlich verbindlicher Form abschließen. Auf diese Weise können private Konsumenten den täglichen Geschäftsverkehr, insbesondere den Einkauf in Versandhäusern abwickeln. Geschäftsabschlüsse hinsichtlich Waren und Dienstleistungen über das Internet sind zu einer üblichen Variante des allgemeinen Geschäftslebens in der Bundesrepublik Deutschland geworden, wobei Angebot, Bestellung und Lieferung dem inländischen Geschäftsverkehr jedenfalls dann zuzurechnen sind, wenn - wie im vorliegenden Fall - die Internetwerbung (auch) in deutscher Sprache gehalten ist und die Produktion der beworbenen Waren im Inland erfolgt. Bei dieser Ausgangslage ist die Darstellung der mit einer Marke versehenen konkreten Waren und deren Angebot zum Verkauf im Internet grundsätzlich als geeignete Benutzungshandlung iSv § 26 Abs 1 MarkenG anzusehen.

Hierbei wird vielfach bereits die entsprechende Internetwerbung für sich gesehen zur Anerkennung einer rechtserhaltenden Benutzung führen können, sofern eine hinreichende Beziehung zwischen der jeweiligen Ware und der Marke erkennbar wird und die Werbung auf eine tatsächlich beabsichtigte Lieferung der beworbenen Produkte bezogen ist. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, daß die mit einer solchen Werbeaktion regelmäßig verbundenen hohen Kosten ein wesentliches Indiz für eine ernsthafte Gebrauchsabsicht im Verkehr darstellen (vgl Althammer/Ströbele, aaO, § 26 Rdn 16; Fezer, Markenrecht, 2. Aufl, § 26 Rdn 30; Ingerl/Rohnke, aaO, § 26 Rdn 36).

Diese Frage kann indessen im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, weil die Widersprechende einen hinreichenden Vertrieb der mit der Widerspruchsmarke gekennzeichneten und im Internet beworbenen Waren innerhalb des relevanten Benutzungszeitraum glaubhaft gemacht hat. Hierbei ist zunächst festzustellen, daß die für die Rechtserhaltung erforderliche Benutzung nicht ständig während des gesamten Fünfjahreszeitraums erfolgt sein, sondern in Wechselwirkung mit dem Umfang der Benutzung die Annahme einer wirtschaftlich sinnvollen Verwendung der Marke rechtfertigen muß (vgl BGH GRUR 1999, 995, 996 "HONKA"). Insoweit reichen jedenfalls die für das Jahr 1999 belegten Umsätze von ... DM für die Annahme einer ernsthaften Benutzung iSv § 26 Abs 1 MarkenG aus, wobei zugunsten der Widersprechenden auch zu berücksichtigen ist, daß selbst im Bereich von Großunternehmen bei Pilotprogrammen und Testverkäufen nicht von vornherein mit hohen Umsätzen gerechnet werden darf (vgl Althammer/Ströbele, aaO; § 26 Rdn 15 und 28).

Daß die Widerspruchsmarke auf den oben dargestellten Flaschen mit Forming Gel, Haarwaschmittel und vitalisierendem Haarspray für Herren in einer funktionsgemäßen Form angebracht ist, die zur kennzeichenmäßigen Unterscheidung der betroffenen Waren der Widersprechenden gegenüber Produkten anderer Hersteller dient, liegt auf der Hand und wird auch von der Markeninhaberin nicht in Zweifel gezogen.

Diese Waren lassen sich unter den Oberbegriff "chemische Haarpflegemittel" im Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke subsumieren und decken diesen Begriff auch hinreichend ab, so daß im Wege der Integration (vgl hierzu Althammer/Ströbele, aaO, § 26 Rdn 74 ff) hiervon ausgegangen werden kann.

Die Abweichungen zwischen der eingetragenen Form der Widerspruchsmarke und der Form, in der sie benutzt wurde, haben den kennzeichnenden Charakter der Marke nicht iSv § 26 Abs 3 MarkenG verändert. In diesem Zusammenhang kommt es in erster Linie auf die Frage an, ob die von den gekennzeichneten Waren angesprochenen Verkehrskreise, sofern sie die eingetragene Form der Marke kennen, in der benutzten Form noch dieselbe Marke sehen. Maßgeblich ist demnach, ob der Verkehr Eintragungs- und Benutzungsform als ein und dasselbe Zeichen bewertet (vgl Althammer/Ströbele, aaO, § 26 Rdn 54). Dies ist vorliegend zunächst hinsichtlich der veränderten Schreibweise des Markenworts "VISION" zu bejahen, bei der es sich lediglich um eine branchenübliche werbemäßige Ausgestaltung handelt, die den Wortcharakter von "VISION" unberührt läßt und keine entscheidungserhebliche Verfremdung ins Bildhafte bewirkt (vgl BGH GRUR 1999, 164, 165 "JOHN LOBB"; GRUR 1999, 167, 168 "Karolus Magnus").

Unschädlich ist auch die Hinzufügung des Symbols "@". Der kennzeichnende Charakter einer Marke wird durch Zusätze nicht berührt, denen der Verkehr keine maßgebende eigene kennzeichnende Wirkung beimißt (vgl BGH GRUR 1999, 54, 56 "Holtkamp"; GRUR 1999, 167, 178 "Karolus Magnus"; vgl auch BGH GRUR 1997, 744, 746 "ECCO"). Nach Ansicht des Senats kann nicht davon ausgegangen werden, daß der Verkehr das hinzugefügte Zeichen "@" als ein graphisches oder begriffliches Element auffaßt , das die maßgebende kennzeichnende Wirkung der Widerspruchsmarke wesentlich verändert oder zu einem einheitlichen graphischen Gesamtbild verfremdet. Das Zeichen "@" ist neben seiner ursprünglichen Bedeutung als Kürzel für das "commercial at" zu einem allgemeinen bildlichen Hinweis auf das Internet geworden. Es wird sowohl als ein Symbol für die neue Technologie und das elektronische Zeitalter schlechthin aufgefaßt als auch als Symbol für das Internet und dessen Kultur. Bei dieser allgemein bekannten Bedeutung des Zeichens "@" kann es jedenfalls dann nicht mehr als ein markenrechtliches Herkunftszeichen oder als Bestandteil davon verstanden werden, wenn es - wie hier - im Zusammenhang mit Verkaufsangeboten eingesetzt wird, die ausschließlich im Internet erscheinen. Es wirkt vielmehr wie eine bloße Hintergrundgestaltung, die nach den Praktiken des Internet üblich ist, was zB bereits durch die oben wiedergegebenen Werbeunterlagen dokumentiert wird, die alle das Symbol "@" jeweils am linken oberen Rand aufweisen. Die kennzeichnungsmäßige Differenzierung zwischen dem "@"-Zeichen und dem Markenwort "VISION" wird zusätzlich durch die unterschiedliche Farbgebung betont. Während das Markenwort "VISION" in dunkler Schrift deutlich in Erscheinung tritt, ist das dahinter liegende Zeichen "@" heller in Blau gehalten. Angesichts des somit ausschließlich auf den Warenvertrieb im Internet bezogenen Aussagegehalts des Symbols "@" vermag auch dessen unbestreitbar beachtliche Größe und zentrale Stellung in der fraglichen Benutzungsform, die bei einem kennzeichnungskräftigeren Bestandteil durchaus Zweifel an einer kennzeichnnungsmäßigen Unbeachtlichkeit entstehen lassen könnte, im vorliegenden Fall keine abweichende Beurteilung zu rechtfertigen.

Der englischsprachige Zusatz "style access", der deutlich kleiner unter dem Markenwort "VISION" verläuft, bewirkt - entgegen der Ansicht der Markeninhaberin - ebenfalls keine Änderung des kennzeichnenden Charakters der Widerspruchsmarke. "Style access" bedeutet auf Deutsch "Zugang zu Stil" und hat im Zusammenhang mit den angebotenen Produkten für die persönliche Körperpflege einen beschreibenden Charakter, so daß ihm eine eigenständige kennzeichnende Wirkung nicht zugesprochen werden kann.

Die Widersprechende hat - von der Markeninhaberin unbestritten - vorgetragen, daß die Firma S... ihre Tochtergesellschaft sei und die Wider- spruchsmarke aufgrund eines Lizenzvertrages mit der Widersprechenden benutze. Gemäß § 26 Abs 2 MarkenG gilt die Benutzung einer Marke durch einen Dritten mit Zustimmung des Inhabers als Benutzung durch den Inhaber, wobei insbesondere im Verhältnis von Mutter- und Tochtergesellschaften regelmäßig eine hinreichend rechtswirksame vorherige Gebrauchsüberlassung unterstellt werden kann (vgl BPatGE 30, 101, 104 "WEKROMA"; 36, 1, 6 "CHARRIER").

3. Zwischen den beiderseitigen Marken besteht nach Ansicht des Senats auch eine Verwechslungsgefahr iSv § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.

Die Waren "chemische Haarpflegemittel", für die eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke iSv § 43 Abs 1 Satz 3 MarkenG glaubhaft gemacht worden ist, sind unbestritten den Waren der angegriffenen Marke ähnlich, da die betreffenden kosmetischen Artikel jeweils enge Berührungspunkte aufweisen.

Soweit sich die Markeninhaberin auf eine von vornherein deutlich reduzierte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke "VISION" beruft, ist zunächst festzustellen, daß es sich bei "VISION" nicht um eine schutzunfähige Angabe handelt, der nur der gesetzliche Mindestschutz zuzusprechen wäre. Zwar ist die Eintragungsfähigkeit dieses Wortes wiederholt in Zweifel gezogen und teilweise auch vom Bundespatentgericht verneint worden (zB durch die Beschlüsse vom 14. Februar 1989 - 27 W(pat) 77/88 - und vom 2. Juni 1993 - 29 W(pat) 128/91). Andererseits ist "VISION" auch wiederholt als schutzfähig erachtet worden (zB durch BPatG vom 3. August 1992 - 30 W(pat) 193/91), wobei in jüngerer Zeit im Hinblick auf die neuere höchstrichterliche Spruchpraxis gerade für kosmetische Produkte die Eintragungsfähigkeit bejaht worden ist (BPatG vom 12. Januar 2000 - 26 W(pat) 95/99). Auch der erkennende Senat geht davon aus, daß "VISION" keine konkret warenbezogene beschreibende Sachaussage enthält, die auf eine bestimmte für den Verkehr bedeutsame Eigenschaft der Ware selbst Bezug nimmt. Außerdem hat sich dieses Wort in der Werbe- oder Umgangssprache der einschlägigen Branche nicht als Ausdruck für eine allgemeine Warenanpreisung etabliert, etwa in dem Sinne, daß die so bezeichneten Waren regelmäßig dem neuesten Stand entsprächen. Es mag sein, daß nicht nur die Widersprechende die Begriffe "Vision" und "visionär" in der Werbung für modische Artikel der Körper- und Schönheitspflege verwendet, daß diese Wörter vielmehr im allgemeinen Trend liegen, wenn es darum geht, den angesprochenen Verkehrskreisen das vage Gefühl - im Gegensatz zu einer konkreten Vorstellung - zu vermitteln, daß die angebotenen Waren die neuesten Entwicklungen berücksichtigen. Wenn es einer Marke gelingt, auf diese unbestimmte Weise zu "sprechen", verliert sie dadurch noch nicht ihre Unterscheidungskraft. Die Behauptung der Markeninhaberin, das Wort "VISION" löse regelmäßig die Vorstellung von "zukunftsweisenden Eigenschaften" der angebotenen Waren aus, führt in diesem Zusammenhang nicht weiter, weil dieser Ausdruck für seine Konkretisierung genauso der Erläuterung bedarf wie der Begriff "VISION" selbst.

Für eine nachträgliche Schwächung der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke hat sich die Markeninhaberin darauf berufen, daß eine Reihe von Drittmarken in das Register eingetragen seien, die alle auf "Vision" lauteten. Dieser Umstand läßt jedoch die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke unberührt. Denn eine (nachträgliche) Reduzierung der Kennzeichnungskraft einer Marke kann nur durch die Benutzung gleicher (oder sehr ähnlicher) Drittmarken erfolgen. Der Verkehr gewöhnt sich nur dann an bestimmte Markenwörter, wenn er ihnen regelmäßig begegnet. Erst dann steht zu erwarten, daß potentielle Käufer bei ähnlichen Marken dieser Art sorgfältiger auf die Unterschiede achten, so daß sich die Verwechslungsgefahr verringert (vgl Althammer/ Ströbele, aaO, § 9 Rdn 121). Zur Benutzungslage dieser Drittmarken hat die Markeninhaberin jedoch keine konkreten Tatsachen vorgetragen, die darüber Aufschluß geben könnten, welche "Vision"-Marken seit wann und in welchem Umfang in der Bundesrepublik Deutschland benutzt würden. Da diese Benutzungslage auch ansonsten nicht liquide ist, kann insoweit von einer entscheidungserheblichen Schwächung der Widerspruchsmarke nicht ausgegangen werden.

Letztlich kann jedoch eine abschließende Festlegung der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke unterbleiben, weil auch bei einem zugunsten der Markeninhaberin unterstellten lediglich unterdurchschnittlichen Schutzumfang dieser Marke die Verwechslungsgefahr mit der angegriffenen Marke nicht zu verneinen ist. Beide Marken unterscheiden sich ausschließlich durch den zusätzlichen Schlußbuchstaben "N" der Widerspruchsmarke "VISION".

Im Vergleich zur identischen Gestaltung der ersten beiden Silben der Markenwörter ist jedenfalls der klangliche Unterschied am ohnehin phonetisch meist weniger auffälligen Wortende nicht hinreichend markant, zumal der Konsonant "n" im Deutschen als Endbuchstabe nach einem Vokal regelmäßig nicht stark artikuliert wird. Es kommt hinzu, daß die konkurrierenden Marken auch begrifflich keine Abgrenzungshilfen bieten, denn "VISIO" stellt das lateinische Ursprungswort des eingedeutschten Wortes "VISION" dar (vgl Duden, Das große Fremdwörterbuch, 1994, S 1430). Insoweit muß von einer hochgradigen Markenähnlichkeit ausgegangen werden, die in Verbindung mit einer deutlichen Warenähnlichkeit in jedem Fall eine Verwechslungsgefahr begründet.

Aus diesen Gründen ist auf die Beschwerde der Widersprechenden der angegriffene Beschluß der Markenstelle aufzuheben und die Löschung der Marke 395 27 779 anzuordnen.

Eine Auferlegung der Kosten des Beschwerdeverfahrens (§ 71 Abs 1 MarkenG) ist nicht veranlaßt.

Die Rechtsbeschwerde wird gem § 83 Abs 2 Nr 1 MarkenG zugelassen, weil die vorliegend entscheidungserheblichen Fragen einer rechtserhaltenden Benutzung von grundsätzlicher Bedeutung sind.

Dr. Ströbele Dr. Hacker Werner Bb Abb. 1 Abb. 2 Abb. 3 Abb. 4






BPatG:
Beschluss v. 18.04.2000
Az: 24 W (pat) 185/99


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