Bundespatentgericht:
Beschluss vom 22. Oktober 2003
Aktenzeichen: 28 W (pat) 138/02
(BPatG: Beschluss v. 22.10.2003, Az.: 28 W (pat) 138/02)
Tenor
Die Beschwerde des Markeninhabers wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Gegen die für
"Kraftfahrzeuge; Kraftfahrzeug-Zubehör, nämlich Aluminiumfelgen, Tieferlegungsfelgen, Distanzscheiben, Domstreben, Sport-Auspuffanlagen, Sport-Endschalldämpfer, Sport-Luftfilter, Sportsitze, Sitzbezüge, Carbon-Verkleidungen, Schaltknäufe, Zusatzinstrumente, Fußmatten, Pedalpads, Aerodynamikteile, wie Spoiler, Schweller, Einsätze aus Kunststoff zur Kotflügelverbreiterung, Audioanlagen für Kraftfahrzeuge, Autoreifen in Sondergrößen, Schonbezüge, Signalhörner, Karosserieteile für Kraftfahrzeuge, insbesondere Kotflügel, Motorhauben; Stoßdämpfer, Stoßdämpferfedern und Stoßstangen; Tuning von Kraftfahrzeugen"
eingetragene und am 27.Juli 2000 veröffentlichte Wortmarke 399 34 108 Volkspowerhat die Inhaberin der prioritätsälteren Wortmarke 398 00 185 VOLKSWAGEN die seit dem 1. Juli 1998 für zahlreiche Waren und Dienstleistungen in allen Klassen der Internationalen Klassifikation eingetragen ist, u.a. für
"Motoren sowie deren Teile (ausgenommen solche für Landfahrzeuge), einschließlich Luftfilter für Motoren; Geräte zur Aufzeichnung , Übertragung und Wiedergabe von Ton und Bild, einschließlich Antennen, Radios; Fahrzeuge, Apparate zur Beförderung auf dem Lande, in der Luft oder auf dem Wasser sowie deren Teile; Teppiche, Fußmatten, einschließlich Automatten; Reparaturwesen, nämlich Reparatur, Wartung und Pflege von Fahrzeugen und Fahrzeugteilen, einschließlich Pannenhilfe"
Widerspruch erhoben.
Die Markenstelle für Klasse 12 des Deutschen Patent- und Markenamts hat dem Widerspruch mit der Begründung stattgegeben, die Marken hielten bei sich gegenüberstehenden hochgradig ähnlichen bzw. identischen Waren und erhöhter Kennzeichnungskraft der Widerspruchmarke nicht den erforderlichen Abstand zueinander ein, und die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Markeninhabers, mit der er geltend macht, dass die Vergleichsmarken - auch aufgrund des unterschiedlichen Sinngehalts - weder unmittelbar noch mittelbar zu verwechseln seien, zumal eine Verkürzung auf "Volks" kollisionsrechtlich unzulässig sei.
Der Markeninhaber beantragt sinngemäß, unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses den Widerspruch zurückzuweisen.
Die Widersprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Hinsichtlich der Verwechslungsgefahr geht sie davon aus, dass die Marken auch im Gesamteindruck schon wegen der hohen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke verwechselbar seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und die patentamtlichen Akten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Auch nach Auffassung des Senats kommt die angegriffene Marke der Widerspruchsmarke verwechselbar nahe im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.
Ob Verwechslungsgefahr besteht, hängt nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ab von der Identität oder Ähnlichkeit der Marken einerseits und andererseits von der Identität oder Ähnlichkeit der durch diese Marken erfassten Waren und Dienstleistungen. Daneben sind alle Umstände zu berücksichtigen, die sich auf die Verwechslungsgefahr auswirken können, vor allem die Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke. Nach diesen Grundsätzen muss vorliegend eine Verwechslungsgefahr bejaht werden.
Da Benutzungsfragen nicht aufgeworfen sind, ist von der Registerlage auszugehen. Nachdem das Verzeichnis der Waren und Dienstleistungen der Widerspruchsmarke praktisch alle Oberbegriffe der Internationalen Klassifikation abdeckt, stehen sich notgedrungen identische Waren und Dienstleistungen gegenüber. Zusätzlich ist der Umstand, dass sich die Waren nicht nur an ausgesprochenen Fachverkehr richten, sondern auch an Endabnehmer, die sie erfahrungsgemäß - vor allem bei Massenartikeln des täglichen Bedarfs - mit einer gewissen Flüchtigkeit und Unaufmerksamkeit gegenüber den Kennzeichnungen erwerben, eher kollisionsfördernd zu berücksichtigen. Allein vor diesem Hintergrund wird man an den zur Verneinung einer Verwechslungsgefahr noch einzuhaltenden Abstand der Marken schon überdurchschnittliche Anforderungen stellen müssen.
Hinsichtlich der Markenähnlichkeit steht zwischen den Beteiligten im Grunde außer Streit, dass die Wortmarken zwar gewisse Übereinstimmungen (Buchstabenzahl, Silbenzahl, fast identischer Vokalfolge und Wortanfang), aber in ihrer Gesamtheit auch deutliche Unterschiede aufweisen, was normalerweise weder überhört noch übersehen werden kann.
Bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr im vorliegenden Fall ist jedoch die überragende Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke angemessen zu berücksichtigen, die ihr gegenüber sonstigen Marken einen wesentlich erweiterten Schutzumfang verschafft. Wie bereits im Beschluss der Markenstelle ausgeführt, handelt es sich bei der Widerspruchsmarke um eine der im Automobilsektor, bekanntesten Marken nicht nur in Deutschland, sondern sogar weltweit, so dass von dem - seltenen - Fall einer berühmten Marke auszugehen ist. Die Voraussetzungen für den überragenden Schutzumfang sind sowohl für den Zeitpunkt der Anmeldung als auch den der vorliegenden Entscheidung zu bejahen. Dies hat die Widersprechende durch entsprechende Unterlagen dargelegt; im übrigen ist dies auch gerichtsbekannt.
Angesichts dessen sind die Anforderungen an den Markenabstand noch wesentlich weiter zu fassen, denen die angegriffene Marke bei weitem nicht gerecht wird, so dass beim Zusammentreffen beider Marken bereits die Gefahr unmittelbarer Verwechslungen zu bejahen ist. Denn im betroffenen Waren- und Dienstleistungsbereich hat die übereinstimmende Anfangssilbe der Vergleichsmarken eine derart hohe Signalwirkung, dass sie dem Verkehr das Gesamtwort "Volkswagen" vermittelt und ihn zu einer Flüchtigkeit gegenüber den weiteren Wortsilben veranlasst, wobei ohnehin die weitere Vokalfolge "aue" bzw. "ae" klanglich und die Endbuchstaben "er" bzw. "en" sehr nahe liegen. Letztendlich wird man sogar - unabhängig von dem beschreibenden Gehalt der weiteren Silben in den Vergleichsmarken - davon auszugehen haben, dass die Anfangssilbe für den betroffenen Waren- und Dienstleistungssektor so beherrschend ist, dass nur wenige Wortverbindungen vorstellbar sind, in denen der Verkehr nicht die Marke der Widersprechenden zu erkennen glaubt. Daran ändert auch nichts, dass womöglich weitere ähnliche Kennzeichnungen im Markt verwendet werden. Abgesehen von der Frage ihrer konkreten Verwendung im Einzelfall vermögen derartige wenige Fälle die überragende Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke registerrechtlich nicht entscheidend zu schwächen.
Nur der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass für den Teil des Verkehrs, der ausnahmsweise die Unterschiede in den Vergleichsmarken erkennen sollte, die Gefahr des gedanklichen Inverbindungbringens zu bejahen ist. Aufgrund ihrer überragenden Kennzeichnungskraft eignet sich die Anfangssilbe als Stammbestandteil, der auch im Verkehr als Hinweis auf die Widersprechende verwendet wurde und wird (vgl. "VOLKSPORSCHE", zuletzt AutoBild Nr. 36 vom 5.September 2003, Titelblatt und S.8 mit Hinweis auf den "Volks-Porsche" von 1969). Bedenkt man schließlich, dass bei der assoziativen Verwechslungsgefahr der Verkehr nicht bloß aus der Erinnerung heraus einen Zeichenvergleich vornimmt, sondern ihm beide Zeichen vollständig gegenwärtig sind, wird sich ihm bei der angegriffenen Marke der Zusammenhang mit der Widerspruchsmarke zwangsläufig aufdrängen. Die möglicherweise originäre Kennzeichnungsschwäche der Anfangssilbe spielt dabei keine Rolle, wenn sie wie im vorliegenden Fall angesichts ihrer Bekanntheit als Stammbestandteil aufgefasst wird oder jedenfalls neben originalitätsschwächeren weiteren Elementen entscheidendes Gewicht erlangt hat (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 7.Aufl. 2003, § 9 Rdn. 484 m.w.N.).
Bei Abwägung aller maßgeblichen Gesichtspunkte ist der Senat daher der Auffassung, dass bei einem Zusammentreffen beider Marken die Gefahr von Verwechslungen nicht auszuschließen ist, so dass die Beschwerde keinen Erfolg haben konnte.
Zu einer Auferlegung von Kosten hatte der Senat keine Veranlassung (MarkenG § 71 Abs 1).
Stoppel Schwarz-Angele Paetzold Bb
BPatG:
Beschluss v. 22.10.2003
Az: 28 W (pat) 138/02
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