Bundespatentgericht:
Beschluss vom 22. August 2008
Aktenzeichen: 14 W (pat) 61/03

(BPatG: Beschluss v. 22.08.2008, Az.: 14 W (pat) 61/03)

Tenor

1.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

2.

Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.

BPatG 154

Gründe

I Mit dem angefochtenen Beschluss vom 19. August 2003 hat die Prüfungsstelle für Klasse D 21 H des Deutschen Patentund Markenamts die Patentanmeldung 101 24 629.3 -45 mit der Bezeichnung

"Dispersion von Aluminiumoxid"

zurückgewiesen.

Dem Beschluss liegen die Patentansprüche 1 bis 3 vom 13. Mai 2003, eingegangen am 14. Mai 2003 zu Grunde. Zum Wortlaut der Ansprüche wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Die Zurückweisung ist damit begründet, die Gegenstände der seinerzeit geltenden Ansprüche 1 bis 3 beruhten gegenüber dem durch die Entgegenhaltung

(1) DE 199 43 291 A1 belegten Stand der Technik nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Eine wässrige Dispersion von pyrogen hergestelltem Aluminiumoxid mit einer BET-Oberfläche von 100 m/g sei aus (1) bekannt und es sei auch die Herstellung einer solchen Dispersion beschrieben. Diese weise zwar geringere Gesamtfeststoffgehalte als beansprucht auf. Die Herstellung einer Dispersion mit höherem Festgehalt beruhe davon ausgehend jedoch nicht auf einer erfinderischen Leistung, da dem Fachmann geläufig sei, Dispersionen mit höherem Feststoffgehalt dadurch herzustellen, dass er beliebig viel Aluminiumoxid mit Wasser verrühre, wobei auf jeden Fall eine Dispersion erhalten werde.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie hält die Zurückweisung sachlich für nicht gerechtfertigt, da die Beurteilung des Erfindungsgegenstandes durch die Prüfungsstelle in rückschauender Weise erfolgt sei; der Gegenstand der Erfindung werde durch die Druckschrift (1) weder vorbeschrieben noch nahegelegt.

In der Zwischenverfügung vom 16. Juni 2008 wurde die Anmelderin ergänzend noch auf die Eingabe eines Dritten im europäischen Prüfungsverfahren hingewiesen, aus der die beigefügte Produktbeschreibung

(2) "alon -Fumed Alumina/Al2O3" der Cabot Corporation (1968)

bekannt geworden sei.

Aus vorläufiger Sicht des Senats nehme diese Produktbeschreibung die Gegenstände der vormals geltenden Ansprüche 1 und 2 neuheitsschädlich vorweg. Auch die Verwendung der Dispersion gemäß vormals geltendem Anspruch 3 werde, zumindest in Verbindung mit der Druckschrift (1), nahegelegt.

Am 24. Juni 2008 ist eine Terminsladung an die Zustelladresse der Anmelderin zur mündlichen Verhandlung für Freitag, den 22. August 2008, 10:00 Uhr im Sitzungssaal 7, durch Zustellung aufgegeben worden. Als Tag der Zustellung ist auf der Zustellungsurkunde der 26. Juni 2008 vermerkt.

Mit Schreiben vom 7. August 2008, eingegangen am 12. August 2008, hat die Anmelderin neue Patentansprüche 1 bis 3 und eine daran angepasste Beschreibung eingereicht, auf deren Grundlage sie ihr Patentbegehren weiterverfolgt.

Die Ansprüche lauten:

"1. Dispersion von Aluminiumoxid in wässriger Lösung, welche ein pyrogen hergestelltes Aluminiumoxid mit einer BET-Oberfläche von 100 ± 15 m/g enthält, dadurch gekennzeichnet, dass sie einen pH-Wert von 4,5 ± 0,3 aufweist, wobei zur Einstellung des pH-Wertes zu der Dispersion Essigsäure hinzugegeben wurde und bei der Herstellung der Dispersion des hochoberflächigen pyrogen hergestellten Aluminiumoxides ein Ultra-Turrex verwendet wurde.

2.

Verfahren zur Herstellung der Dispersion von Aluminiumoxid gemäß Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß man das Aluminiumoxid in das vorgelegte Wasser, gegebenenfalls unter Rühren einbringt, den pH-Wert mittels Essigsäure auf einen Wert zwischen 4,2 und 4,8 einstellt und die erhaltene Mischung unter Einbringung von Scherkräften mittels eines Ultra-Turrax dispergiert.

3.

Verwendung der Dispersion gemäß Anspruch 1 zur Herstellung von Streichfarben beziehungsweise Ink-Jet-Papieren."

Zur Begründung hat die Anmelderin angeführt, der Gegenstand der neuen Anspruchsfassung sei gegenüber dem Dokument (2) neu, und da die erzielten Ergebnisse gegenüber einer mit Zitronensäure erhaltenen Dispersion vorteilhaft seien, sei auch die erfinderische Tätigkeit gegeben.

Die Anmelderin hat zuletzt sinngemäß beantragt, auf Grund der neuen Unterlagen ein Patent zu erteilen.

Außerdem hält sie ihren Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr aufrecht. Zur Begründung hat sie unter Hinweis auf die Prüfungsrichtlinien des DPMA und die Entscheidung des Bundespatentgerichts 34 W (pat) 45/02 vorgetragen, sie habe nach Erhalt des Prüfungsbescheides im Hinblick auf eine europäische Nachanmeldung eine Fristverlängerung um 12 Monate zur Stellungnahme beantragt. Es seien demgegenüber lediglich insgesamt 3 Monate gewährt und die Anmelderin so zur Stellungnahme genötigt worden. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr entspreche daher der Billigkeit.

Am 19. August 2008 ist zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung eine weitere Zwischenverfügung per Fax an die im Schreiben vom 7. August 2008 von der Anmelderin angegebene Telefaxnummer übermittelt worden, in der die Anmelderin im Hinblick auf die neuen Patentansprüche auf den ihr selbst zuzurechnenden, zur Patentfamilie der Entgegenhaltung (1) gehörenden und ihr aus dem europäischen Rechercheverfahren bekannten Stand der Technik

(3) EP 1083 151 A1 hingewiesen wurde.

Die Anmelderin ist nach ordnungsgemäßer Ladung bei Aufruf zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II Die Beschwerde ist zulässig, sie kann aber nicht zum Erfolg führen.

1. Es kann dahingestellt bleiben, ob die nunmehr geltende Fassung der Ansprüche 1 bis 3 vollständig aus den ursprünglich eingereichten Unterlagen ableitbar ist, denn die Dispersion von Aluminiumoxid nach dem geltenden Anspruch 1 ist vom Stand der Technik neuheitsschädlich vorweggenommen.

Der Gegenstand des Anspruches 1 betrifft eine Dispersion mit den Merkmalen:

1.

Dispersion von Aluminiumoxid in wässriger Lösung, 2.

welche ein pyrogen hergestelltes Aluminiumoxid mit einer BET-Oberfläche von 100 ± 15 m/g enthält, 3.

mit einem pH-Wert von 4,5 ± 0,3, 4.

zur Einstellung des pH-Wertes wurde zu der Dispersion Essigsäure hinzugegeben und 5.

bei der Herstellung der Dispersion des hochoberflächigen pyrogen hergestellten Aluminiumoxides wurde ein Ultra-Turrax verwendet.

Aus (3) ist eine Dispersion von Aluminiumoxid in wässriger Lösung bekannt, wobei das pyrogen hergestellte Aluminiumoxid eine BET-Oberfläche von 100 m/g aufweist (S. 2 Abs. [0013] und Tab. 1 re. Sp. i. V. m. Beispiel 6). Damit sind die Merkmale 1 und 2 vorweggenommen. Das Aluminiumoxid hat einen pH-Wert von 4,5 (S. 3 Tab. 1 re. Sp.). Zur Einstellung des pH-Wertes der Dispersion wurde 0,5 % Masseanteil Essigsäure zugegeben, die naturgemäß einen pK-Wert von 4,7 aufweist (vgl. H. Lux, Praktikum der quantitativen anorganischen Analyse, J.F. Bergmann-Verlag München, 1967, S. 79). Bei der Herstellung der Dispersion des hochoberflächigen pyrogen hergestellten Aluminiumoxides wird ein Ultra-Turrax verwendet (S. 5 Beisp. 6 Abs. [0029 und 0030]). Für den Fachmann, einen Diplom-Chemiker, ergibt sich das Merkmal 3 damit aus der Zusammenschau des pH-Wertes des eingesetzten Aluminiumoxids und dem pK-Wert der zugesetzten Säure im angegebenen Masseanteil, das Merkmal 4 aus der Essigsäurezugabe und das Merkmal 5 aus der Verwendung des Ultra-Turrax. Es verbleibt damit kein Merkmal im geltenden Anspruch 1, das die Neuheit der beanspruchten Dispersion begründen könnte.

Der Anspruch 1 ist daher mangels Neuheit nicht gewährbar.

Die auf die Herstellung und Verwendung der Dispersion gerichteten Ansprüche 2 und 3 teilen das Schicksal des Anspruches 1 (vgl. BGH "Elektrisches Speicherheizgerät" GRUR 1997, 120).

2. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr war aus Billigkeitsgründen antragsgemäß anzuordnen.

Die Ablehnung der von der Anmelderin mit Schriftsätzen vom 21. Februar 2003 und 29. April 2003 jeweils beantragten Fristverlängerungen um 12 Monate unter Hinweis auf ihre europäische Patentanmeldung stellt einen Verfahrensfehler dar. Sie verstößt gegen die Prüfungsrichtlinien des Präsidenten des Deutschen Patentund Markenamts vom 2. Juni 1995, Abschnitt 3.3.6.1. (BlPMZ, 269, 277 ff; siehe auch Mitteilung Nr.7/87 des Präsidenten vom 4. April 1987, BlPMZ 1987, 161). Zur Begründung wird auf den in Mitt. 2004, 18 veröffentlichten Beschluss des 34. Senats verwiesen, dem sich der erkennende Senat vollinhaltlich anschließt, abgesehen davon, dass die Ablehnung beider Anträge auf Fristverlängerung nicht begründet worden ist (dazu Schulte PatG 7. Aufl., § 45 Rn. 30).

Da sich bei Fristgewährung das Beschwerdeverfahren möglicherweise erübrigt hätte, entsprach es der Billigkeit, die Rückzahlung der Beschwerdegebühr gemäß § 80 Abs. 3 PatG anzuordnen.

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BPatG:
Beschluss v. 22.08.2008
Az: 14 W (pat) 61/03


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