Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Urteil vom 12. Mai 2015
Aktenzeichen: 11 U 104/14

(OLG Frankfurt am Main: Urteil v. 12.05.2015, Az.: 11 U 104/14)

1. Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis in Form von Wechselbeziehungen zwischen den Vorteilen, die der beklagten Partei durch die Nachahmung erwachsen und den Nachteilen, die die klagende Partei durch dieses Verhalten erleidet, erscheint nicht ohne weiteres naheliegend beim Vertrieb von Schuhen durch die beklagte Partei unter Verwendung eines Stoffmusters der klägerischen Partei.

2. Bei einem farbig eingetragenen Geschmacksmuster eines Stoffes kann die Verwendung abweichender Farben bei identischer Übernahme der zugrunde liegenden zeichnerischen Elemente zu einem abweichenden Gesamteindruck führen, der einer Verletzung des Geschmacksmusters entgegensteht. Die Form kann nicht ohne weiteres von der Farbe abstrahiert werden.

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt a.M. vom 7.8.2014, 2-03 O 479/13, wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin macht gegen die Beklagte wegen der Verwendung eines Stoffmusters auf von der Beklagten vertriebenen Schuhen Unterlassungs-, Auskunfts- und Schadensersatzansprüche geltend, die sie primär auf UWG, hilfsweise auf Geschmacksmusterrecht, weiter hilfsweise auf Urheberrecht stützt.

Wegen des Sachverhaltes im Einzelnen und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils verwiesen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat dabei Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit der Hilfsanträge zu II und III geäußert, weil unklar sei, unter welcher Bedingung die Hilfsanträge gestellt seien (etwa bereits auch dann, wenn der Hauptantrag nur teilweise abgewiesen werde). Jedenfalls sei keiner der geltend gemachten Ansprüche begründet.

Ein Unterlassungsanspruch aus §§ 8, 3, 4 Nr. 9 UWG bestehe nicht. Es könne dahinstehen, ob dem Schuhmodell [gemeint wohl: Stoffmodell] der Klägerin wettbewerbliche Eigenart zuzusprechen sei; jedenfalls sei eine vermeidbare Herkunftstäuschung zu verneinen. Die Klägerin habe eine ausreichende Bekanntheit des nachgeahmten Produktes nicht hinreichend dargelegt. Deshalb sei auch eine unangemessene Ausnutzung oder Beeinträchtigung der Wertschätzung zu verneinen.

Der streitgegenständliche Schuh verletzte auch das zugunsten der Klägerin eingetragene Geschmacksmuster nicht, weil es beim informierten Benutzer einen anderen Gesamteindruck als das Klagemuster erwecke und damit nicht in dessen Schutzbereich falle.

Auch etwaige Urheberrechte der Klägerin würden nicht verletzt, weil es sich im Hinblick auf den völlig unterschiedlichen Gesamteindruck des angegriffenen Modells gegenüber dem klägerischen Flächenmuster jedenfalls um ein freie Benutzung i.S.d. § 24 UrhG handele.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihre erstinstanzlichen Anträge mit geringer Umformulierung in vollem Umfang weiter.

Sie hält die Anträge für zulässig, insbesondere die Stellung der Eventualanträge für hinreichend klar, und macht geltend, das Landgericht habe bei seiner Entscheidungsfindung wesentliche Beweisanträge der Klägerin außer acht gelassen.

Die Voraussetzungen einer vermeidbaren Herkunftstäuschung lägen vor. Die Klägerin habe die für Ansprüche aus den §§ 8, 3, 4 Nr. 9 UWG notwendige Bekanntheit des Originalerzeugnisses der Klägerin hinreichend belegt; sie habe auch die Absatzzahlen unter Zeugenbeweis gestellt. Das gegenständliche Design der Klägerin werde - in unterschiedlicher Colorierung - von zahlreichen anderen Herstellern nicht nur für Schuhe, sondern auch sonst in der Textilindustrie verwendet und sei weit verbreitet.

Auf die konkrete Art der Colorierung durch die Beklagte komme es nicht an, weil jedenfalls die komplette Formstruktur der Gestaltung des Designs übernommen worden sei (wird im Einzelnen ausgeführt).

Die hohe Verbreitung des klägerischen Musters bei vielen namhaften Herstellern zeige auch, dass dieses mit einer besonders hohen Wertschätzung aufgrund seiner Qualität verbunden sei; es liege daher auch eine unangemessene Ausnutzung und Beeinträchtigung der Wertschätzung des klägerischen Produkts i.S.v. § 4 Nr. 9 UWG vor.

Die Beklagte verletze auch das eingetragene europäische Geschmacksmuster der Klägerin. Das klägerische Originaldesign sei unverändert übernommen worden. Für die gegenständliche Keilsandalette sei der Stoff mit dem Originalmuster zusammengenäht worden; er unterscheide sich lediglich in wenigen Farbnuancen. Lediglich die konkrete Abnähung für den jeweiligen Schuh sorge dafür, dass das fragliche Design nicht als einheitliche Fläche wahrgenommen werde.

Auch urheberrechtliche Ansprüche seien gegeben. Es würden nicht nur einzelne Elemente des Originalmusters aufgegriffen, sondern es handele sich um das Originalmuster der Klägerin. Die vorhandenen einzelnen Farbvariationen fielen - wenn überhaupt - erst bei näherer Betrachtung auf. Allein in der bestimmungsgemäßen Verarbeitung eines Oberflächendesigns in der Textilbranche könne noch keine freie Benutzung i.S.d. § 24 UrhG gesehen werden.

Die Klägerin beantragt zu erkennen,

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung des erstinstanzlichen Vorbringens.

II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

1 )

Allerdings begegnet die Fassung der Anträge keinen Bedenken.

a) Bereits die erstinstanzliche Fassung brachte durch die Reihenfolge der Anträge und die Einleitung des zweiten und dritten Antrags mit €hilfsweise€ bzw. €hilfshilfsweise€ das gewünschte Alternativverhältnis eindeutig zum Ausdruck.

Wäre das erstinstanzliche Gericht zu dem Ergebnis gekommen, dass der Hauptantrag (nur) teilweise begründet ist, und hätte sich daraus eine Unsicherheit dahingehend ergeben, ob hinsichtlich des abgewiesenen Teils nunmehr über den Hilfsantrag zu entscheiden wäre, so wäre es in diesen Fall ggf. nach § 139 ZPO gehalten gewesen, auf eine weitere Präzisierung des Alternativverhältnisses zu dringen.

b) Die Unterlassungsanträge sind auch entgegen der Auffassung der Beklagten nicht deshalb nicht hinreichend bestimmt, weil der Begriff €gefächertes Federdesign" Raum für Auslegungen ließe. Denn in allen drei Anträgen wird ausdrücklich auf entsprechende im Antrag wiedergegebene Abbildungen Bezug genommen, so dass kein Zweifel am Gegenstand des jeweiligen Unterlassungsantrages besteht.

2)

Wettbewerbsrechtliche Ansprüche des Klägers nach den §§ 8, 3, 4 Nr. 9 UWG, wie sie die Klägerin mit ihrem Hauptantrag geltend macht, hat das Landgericht mit zutreffender Begründung verneint.

a) Ansprüche aus lauterkeitsrechtlichem Nachahmungsschutz nach § 4 Nr. 9 UWG setzen zunächst voraus, dass Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers nachgeahmt werden. Es muss also zwischen den Parteien ein konkretes Wettbewerbsverhältnis bestehen. Dies setzt voraus, dass eine Wechselbeziehung besteht zwischen den Vorteilen, die der beklagten Partei durch ihre Nachahmung erwachsen und den Nachteilen, die die klagende Partei durch dieses Verhalten erleidet (vgl. Köhler in: Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl., § 4 Rdnr. 9.19; § 2 Rdnr. 99). Dabei kommt es nicht darauf an, dass die Parteien auf derselben Wirtschaftsstufe stehen. Entscheidend ist, dass sie sich im Ergebnis an den gleichen Abnehmerkreis wenden, wie dies etwa bei Herstellern und Händlern derselben Produktgruppe der Fall ist (vgl. Köhler aaO., § 4 Rdnr. 9.19; § 2 Rdnr. 96d). Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis wäre also etwa dann zu bejahen, wenn die Klägerin ihrerseits Schuhe herstellen würde und die Beklagte nachgeahmte Schuhe vertreiben würde. In diesem Fall würde einem durch den Vertrieb gerade dieser Schuhe erzielten Wettbewerbsvorteil der Beklagten ein Wettbewerbsnachteil der Klägerin korrespondieren. Vorliegend ist die Klägerin jedoch bereits auf einer deutlich früheren (Teil-)Produktionsstufe tätig. Es erscheint nicht ohne weiteres naheliegend, dass der Vertrieb von Schuhen mit dem Stoffmuster der Klägerin einen (negativen) Einfluss auf die Absatzmöglichkeit der Klägerin für dieses Stoffmuster haben könnte. Die Frage kann jedoch letztendlich offen bleiben, da auch die weiteren Voraussetzungen des § 4 Nr. 9 UWG nicht erfüllt sind.

b) Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, kann der Vertrieb eines nachahmenden Erzeugnisses nach § 4 Nr. 9 UWG wettbewerbswidrig sein, wenn das nachgeahmte Produkt über wettbewerbliche Eigenart verfügt und besondere Umstände hinzutreten, die die Nachahmung unlauter erscheinen lassen, etwa wenn die Nachahmung geeignet ist, eine Herkunftstäuschung hervorzurufen und der Nachahmer geeignete und zumutbare Maßnahmen zur Vermeidung der Herkunftstäuschung unterlässt. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen dem Grad der wettbewerblichen Eigenart, der Art und Weise und der Intensität der Übernahme sowie den besonderen wettbewerblichen Umständen, so dass bei einer größeren wettbewerblichen Eigenart und einem höheren Grad der Übernahme geringere Anforderungen an die besonderen Umstände zu stellen sind, die die Wettbewerbswidrigkeit der Nachahmung begründen und umgekehrt (BGH GRUR 2012, 1155, Rn. 16 - Sandmalkasten; GRUR 2010, 80 Rn. 19 ff. - LIKEaBIKE, mwN).

aa) Vorliegend ist bereits fraglich, ob dem klägerischen Stoffmuster überhaupt wettbewerbliche Eigenart zukommt. Diese setzt voraus, dass die konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale eines Erzeugnisses geeignet sind, die angesprochenen Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzuweisen (BGH GRUR 2012, 1155, Rn. 25 - Sandmalkasten; Köhler/Bornkamm aaO § 4 Rdnr. 9.24, m.w.Nw.) Dabei reicht es zur Begründung einer wettbewerblichen Eigenart aus, dass die Gestaltung eines Erzeugnisses die Eignung besitzt, auf seine Besonderheiten hinzuweisen. Eine besondere Funktion des Erzeugnisses, auf die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen hinzuweisen, ist keine unabdingbare Voraussetzung der wettbewerblichen Eigenart (BGH, GRUR 2007, 984, Rdnr. 24 - Gartenliege; GRUR 1984, 453 - Hemdblusenkleid; Piper/Ohly/Sosnitza, UWG, 5. Aufl., § 4 Rdnr. 9/37);

Eine wettbewerbliche Eigenart des klägerischen Stoffmusters könnte sich vorliegend nur aus seinen ästhetischen Merkmalen ergeben. Dazu müsste die vorliegende konkrete Kombination von allgemein üblichen Elementen, wie sie die verwendeten Pfauenfedern, Blattfächer und verschiedenen tropfen- bzw. flammenförmigen Elemente darstellen, hinreichende Individualität aufweisen, dass sich das Muster von anderen vergleichbaren, oder vom Durchschnitt in einem Maße abhebt, dass der Verkehr auf die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen schließt (vgl. Köhler/Bornkamm aaO Rdnr. 9.27 m.w.Nw; BGH GRUR 1998, 477, 479 - Trachtenjanker). Dies erscheint angesichts der Menge zumindest auf den ersten Blick ähnlicher Muster, wie sie die Beklagte u.a. mit Schriftsatz vom 6.2.2014 vorgetragen hat (insbesondere aus der Gruppe der sog. Paisley-Muster) nicht zweifelsfrei.

Die Frage bedarf jedoch keiner abschließenden Entscheidung, da jedenfalls keine ausreichenden sonstigen Umstände vorliegen, die die mit dem gegenständlichen Schuhmodell erfolgte Nachahmung des klägerischen Musters als unlauter erscheinen lassen.

bb) Mit zutreffender Begründung hat das Landgericht eine vermeidbare Herkunftstäuschung i.S.d. § 4 Nr. 9 lit a) UWG verneint.

Die Gefahr einer Täuschung über die betriebliche Herkunft eines nachgeahmten Erzeugnisses setzt, sofern nicht Original und Nachahmung nebeneinander vertrieben werden und der Verkehr damit beide unmittelbar miteinander vergleichen kann, voraus, dass das nachgeahmte Erzeugnis eine gewisse Bekanntheit erlangt hat (BGH GRUR 2007, 984 Rdnr. 34 - Gartenliege; Köhler/Bornkamm aaO § 4Rdnr. 9.41a), wobei diese Bekanntheit auf dem inländischen Markt bestehen muss (BGH GRUR 2009, 79, Rdnr. 35 - Gebäckpresse).

Eine solche ausreichende Bekanntheit ihres Stoffmusters in Deutschland ergibt sich aus dem Vortrag der Klägerin nicht.Die Beklagte rügt zurecht, dass die Klägerin in der - auch in der Berufungsbegründung in Bezug genommenen - Klageschrift nur zu ihrem weltweiten Absatz vorgetragen hat, und dass diese Zahlen ohne Ergänzung (konkreter räumlicher Verbreitungsbereich, Marktanteil) keinerlei Aussagekraft besitzen. Die der Berufungsbegründung beigefügte Korrespondenz, die Bestellungen durch namhafte Firmen belegen soll, ist insgesamt auf englisch gehalten, wobei einige Korrespondenzpartner unter der ...domain... korrespondieren. Sie ist daher ebenfalls ungeeignet, um eine entsprechende Bekanntheit gerade auf dem deutschen Markt zu begründen. Der Einwand der Klägerin, es komme nicht auf den Auslieferungsort für die Stoffe an, da die in Deutschland vertriebenen Produkte nicht notwendig in Deutschland produziert würden, erscheint zwar zutreffend, enthält aber keine Aussage über den Umfang der tatsächlich in Deutschland vertriebenen / beworbenen Produkte. Der Umstand, dass Produkte mit den Stoffmustern der Klägerin (auch) von Unternehmen vertrieben werden, die - neben zahlreichen anderen Ländern - auch in Deutschland aktiv sind (z.B. C&A, Primark) sagt ebenfalls noch nichts darüber aus, ob solche Produkte tatsächlich in nennenswertem Umfang auf dem deutschen Markt präsent sind und dadurch eine gewisse Bekanntheit erlangt haben. Dies gilt erst recht für den englischsprachigen online-shop www. ... (Anlage BK 2).

cc) Auch eine unangemessene Ausnutzung oder Beeinträchtigung der Wertschätzung i.S.d. § 4 Nr. 9 lit b UWG ist nicht dargetan.

Eine Ausnutzung der Wertschätzung liegt dann vor, wenn die angesprochenen Verkehrskreise den guten Ruf des Originalprodukts auf die Nachahmung übertragen. Die vom Originalprodukt übertragenen positiven Assoziationen müssen dem nachgeahmten Produkt aus Abnehmersicht zusätzliche Attraktivität verleihen (Piper/Ohly/Sosnitza, aaO, Rdnr. 9/67). Dies ist hier nicht vorgetragen. Auch insoweit fehlt es bereits an der hinreichenden Bekanntheit, die Voraussetzung für eine entsprechende Wertschätzung ist (Köhler/Bornkamm § 4 Rdnr. 9.52, Ohly Rndr. 9/66). Im Übrigen wäre eine Bekanntheit auch nicht ausreichend für einen €guten Ruf€. Anders als z.B. bei technischen Geräten, oder Luxusgegenständen, die auch wegen des €guten Rufes€ des Herstellers gekauft werden, weil der Verkehr damit besondere Qualitätsvorstellungen oder ein besonderes Image verbindet, steht bei einem Stoffmuster in der Regel der ästhetische Aspekt im Vordergrund - es wird nachgefragt, weil es den Geschmack der angesprochenen Verkehrskreise trifft. Dass der Verkehr mit dem klägerischen Muster bestimmte positive Assoziationen verbindet, wie dies beispielsweise denkbar wäre, wenn es von einem bekannten Künstler stammen oder von einem solchen getragen würde, oder mit einer berühmten Marke in Verbindung gebracht würde, ist nicht ersichtlich.

3)

Der Klägerin stehen auch die hilfsweise geltend gemachten Ansprüche wegen Verletzung des zugunsten der Klägerin eingetragenen europäischen Geschmacksmusters Nr. ... nicht zu, weil das eingetragene Geschmacksmuster durch das Schuhmodell der Beklagten nicht verletzt wird.

Dabei ist allerdings in tatsächlicher Hinsicht entgegen der Feststellung des Landgerichts davon auszugehen, dass das Schuhmodell das (Form)-Design der Klägerin unverändert übernommen hat. Dies ergibt sich außer aus der genauen Inaugenscheinnahme des gegenständlichen Schuhmodells auch aus der Abbildung des aufgetrennten Schuhstoffes Anlage BK4 - BK7. Das Verletzungsmuster weicht lediglich insoweit vom Klagemuster ab, als zum einen andere Farben verwendet wurden und zum anderen durch die konkrete Verarbeitung (Zuschnitt, Vernähungen) in einer Fläche immer nur kleinere Ausschnitte des Musters erkennbar sind.

Diese Abweichungen führen jedoch dazu, dass das Verletzungsmuster beim informierten Benutzer einen anderen Gesamteindruck erweckt als das eingetragene Geschmacksmuster und somit dessen Schutzumfang nach Art. 10 GVV nicht tangiert.

Der Auffassung der Klägerin, maßgeblich sei allein das €Grunddesign€, dessen Gesamteindruck übernommen worden sei, kann nicht gefolgt werden. Das Geschmacksmuster ist vorliegend gerade nicht in verallgemeinernder schwarz/weißer Form (wie auf Bl. 12 vorgestellt) eingetragen worden (vgl. BGH GRUR 2011, 1112 Rdnr. 52 - Schreibgeräte), sondern in einer konkreten Farbgestaltung. Die Form kann daher nicht ohne weiteres von der Farbe abstrahiert werden (vgl. Ruhl, Gemeinschaftsgeschmacksmuster, 2. Aufl., Art. 10 GVV Rdnr. 64, 84). Tatsächlich ist der Eindruck des klägerischen Musters mit den auf S. 19 des landgerichtlichen Urteils zutreffend beschriebenen prägenden Merkmalen in hohem Maße von der Farbgestaltung abhängig. Dies ergibt sich nicht zuletzt aus den auf S. 12ff der Klageschrift vorgestellten Farbbeispielen. Soweit die Muster in gleichen Tönen gehalten sind (wie etwa die Musterpaare auf S. 12 unten und S. 13 oben) besteht eine hohe Ähnlichkeit. Werden jedoch andere Farbtöne verwendet und dazu noch helle und dunkle Elemente vertauscht (wie etwa bei dem Muster rechts unten auf S. 13) entsteht ein völlig anderer Eindruck.

Ausweislich der mit der Klageschrift vorgelegten Anlage K 2 (Bl. 30 d.A.) ist das eingetragene Geschmacksmuster in düsteren braun/grün/blauen Tönen gehalten; die Hintergrundfarbe ist schwarz. Demgegenüber dominieren im angegriffenen Schuhmodell verschiedene leuchtende Rottöne, mit einigen grünen, gelben und blauen Elementen. Infolgedessen wirkt das Verletzungsmuster grundsätzlich anders als das vorgelegte eingetragene Geschmacksmuster; die Übernahme der Formen wird erst bei genauem Hinsehen erkennbar und führt auch dann nicht dazu, dass ein auch nur ähnlicher Gesamteindruck entsteht. Darauf, dass der Gesamteindruck möglicherweise auch durch den konkreten Stoffzuschnitt und seine Abnähungen bestimmt wird, kommt es danach nicht mehr an.

Soweit die Klägerin mit Schriftsatz 4.5.2015 als Anlage BK 11 und BK 13 zwei in kräftigen Rot- und Blautönen erscheinende Ausdrucke vorlegt, die die Farbgestaltung des tatsächlich hinterlegten Geschmacksmusters zutreffender widergeben sollen als die Anlage K 2, handelt es sich um in der Berufungsinstanz neues Vorbringen. Da Zulassungsgründe nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht ersichtlich sind, war dieser Vortrag nicht mehr zu berücksichtigen. Im Übrigen wäre auch im Vergleich zu diesem Muster der Eindruck des Schuhmusters ein anderer.

4)

Der Klägerin stehen auch keine Ansprüche nach § 97 UrhG zu. Dabei kann letztendlich offen bleiben, ob dem Stoffmuster der Klägerin, wie es im Antrag zu 4a) wiedergegeben ist, unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des BGH (GRUR 2014, 175 - Geburtstagszug) Urheberrechtsschutz zukommt und ob durch die Verbreitung des gegenständlichen Schuhs urheberrechtliche Nutzungsrechte verletzt werden.

Denn die Klägerin hat jedenfalls ihre Aktivlegitimation bezüglich etwaiger urheberrechtlicher Ansprüche nicht hinreichend dargelegt und unter Beweis gestellt.

a) Nachdem die Beklagte bereits in der Klageerwiderung die Aktivlegitimation der Klägerin bestritten hat, da diese als juristische Person nicht Schöpfer im Sinne des § 7 UrhG sein könne, hat die Klägerin lediglich pauschal vorgetragen, sie sei Inhaberin der vollständigen Verwertungsrechte (Bl. 147 d.A.); die Einräumung dieser alleinigen Nutzungs- und Verwertungsrechte an den fraglichen Designs, welche in den Designstudios der Klägerin hergestellt würden, sei Gegenstand der jeweiligen betriebsinternen Verträge zwischen der Klägerin und ihren Angestellten; dasselbe gelte auch für Designs, die in fremden Designstudios entwickelt worden seien (Bl. 175 d.A.). Dies genügt bereits nicht den Anforderungen an einen substantiierten Vortrag. Auch wenn insoweit nach der Rechtsprechung des BGH keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden dürfen, so muss doch eine Behauptung konkret genug sein, um eine Stellungnahme des Gegners zu ermöglichen und die Erheblichkeit des Vorbringens zu beurteilen (vgl. BGH, Urteil vom 13. Dezember 2002 € V ZR 359/01 €, Rn. 8, juris). Dies ist hier nicht der Fall. Die Klägerin hat zwar in der Klageschrift angegeben, im Februar 2008 sei in einem ihrer Designstudios ein €gefächertes Federdesign€ entworfen worden; ihrem Vortrag lässt sich aber nicht entnehmen, ob auch das konkret gegenständliche Muster, wie es im Berufungsantrag zu 4 (entsprechend Klageantrag zu III) wiedergegeben wurde, in ihren eigenen Designstudios oder aber in fremden entwickelt worden ist - geschweige denn, dass sie zu den konkreten Vertragsbestimmungen vorträgt, aufgrund derer eine Rechteübertragung erfolgt sein sollte. Danach war es der Beklagten nicht möglich, ihrerseits zu einem möglichen Übertragungsvorgang substantiiert Stellung zu nehmen.

b) Selbst wenn man diesen pauschalen Vortrag zu einer Rechteübertragung grundsätzlich für ausreichend ansehen würde, so fehlt es jedenfalls an jeglichem Beweisangebot für seine Richtigkeit. Die Beklagte hat auch in der Berufungserwiderung nochmals die Aktivlegitimation der Klägerin bestritten.

Der Senat war nicht gehalten, der Klägerin hierzu - wie von ihr in der mündlichen Verhandlung beantragt - noch einen Schriftsatznachlass einzuräumen.

Nach § 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO hat zwar das Gericht darauf hinzuwirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen und die Beweismittel bezeichnen; nach § 139 Abs. 5 soll einer Partei Gelegenheit zu einer schriftlichen Stellungnahme gegeben werden, wenn ihr eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich ist. Im vorliegenden Fall war jedoch ein gerichtlicher Hinweis nicht geboten, so dass auch ein Schriftsatznachlass nicht veranlasst war.

Die Vorschrift des § 139 Abs. 1 ZPO dient der Verwirklichung des sachlichen Rechts. Durch sie soll insbesondere verhindert werden, dass eine Partei, die Beweismittel beibringen kann und will, dies aufgrund eines bloßen Versehens unterlässt (BGH NJW 1998, 155, 156). Die Hinweispflicht besteht grundsätzlich auch in Prozessen, in denen die Partei durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten wird, jedenfalls dann, wenn der Rechtsanwalt die Rechtslage ersichtlich falsch beurteilt hat oder darauf vertrauen konnte, dass sein schrift-sätzliches Vorbringen ausreichend sei (BGH, Urteil vom 05. Juni 2003 € I ZR 234/00 €, Rn. 28, juris). Die Vorschrift des § 139 ZPO soll allerdings nicht dazu dienen, unschlüssige Klagen schlüssig zu machen (BGH NJW 1983, 310). Deswegen besteht auch keine Hinweispflicht hinsichtlich solcher Anforderungen an den Sachvortrag, mit denen ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf rechnen musste, insbesondere dann, wenn das Verhalten einer Partei den Schluss zulässt, dass sie nicht näher vortragen kann oder will (BGH, Urteil vom 05. Juni 2003 € I ZR 234/00 €, Rn. 28, juris).

So liegt der Fall hier. Es ist bereits zweifelhaft, ob auf den mangelnden Sachvortrag zur Aktivlegitimation nach § 139 Abs. 1 ZPO hinzuweisen gewesen wäre, obwohl dieses Tatsachenvorbringen zumindest für einen mit Urheberrecht vertrauten Rechtsanwalt offenkundig unzureichend war. Jedenfalls bestand keine Verpflichtung, auf das überdies fehlende Beweisangebot hinzuweisen. Dass ein bestrittenes Tatsachenvorbringen des Beweises bedarf, gehört zu den Grundregeln des Zivilprozesses. Es geht hier nicht darum, dass die Klägerin ein nur unzureichendes oder ungeeignetes Beweismittel benannt hätte, welches sie irrtümlich für ausreichend hielt - in diesem Fall wäre möglicherweise ein entsprechender Hinweis veranlasst gewesen. Der Senat hat keine Veranlassung zu der Annahme, dass die Klägerin es nur versehentlich unterlassen haben könnte, ihren Vortrag überhaupt unter Beweis zu stellen, obwohl die Beklagte diesen in beiden Instanz bestritten hat und das Landgericht die Frage der Aktivlegitimation ausdrücklich offen gelassen hatte. Auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Klägerin nicht etwa geltend gemacht, einen Beweisantritt nur €vergessen€ zu haben.

5)

Die Berufung war daher insgesamt mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 ZPO). Die Entscheidung beruht auf der Anwendung anerkannter Rechtssätze im konkreten Einzelfall.






OLG Frankfurt am Main:
Urteil v. 12.05.2015
Az: 11 U 104/14


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