Bundespatentgericht:
Beschluss vom 30. März 2004
Aktenzeichen: 24 W (pat) 139/03

(BPatG: Beschluss v. 30.03.2004, Az.: 24 W (pat) 139/03)

Tenor

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die am 26. Februar 1998 in der Gazette OMPI des marques internationales veröffentlichte international registrierte Marke 685 328 siehe Abb. 1 am Endesucht ua für verschiedene Waren und Dienstleistungen der Klassen 16, 25, 28 und 42 sowie für die folgenden Waren und Dienstleistungen

"Cl 9: Appareils et instruments scientifiques, nautiques, geodesiques, electriques, photographiques, cinematographiques, optiques, de pesage, de mesurage, de signalisation, de contr™le (inspection), de secours (sauvetage) et d'enseignement ; appareils pour l'enregistrement, la transmission, la reproduction du son ou des images ; supports d'enregistrement magnetiques, disques acoustiques ; distributeurs automatiques et mecanismes pour appareils à prepaiement ; caisses enregistreuses, machines à calculer et equipements pour le traitement de l'information ; extincteurs.

Cl 41 : Education et divertissement."

um Schutz in der Bundesrepublik Deutschland nach.

Dagegen hat die Inhaberin der am 23. Juli 1993 für die Waren

"Träger jeder Art mit Ton- oder/und Bildaufzeichnungen, soweit in Klasse 9 enthalten"

eingetragenen Bildmarke 2 041 034 Grafik der Marke 2041034 sowie der mit der vorstehenden Marke identischen Bildmarke 395 14 622, die am 28. Juli 1995 für verschiedene Waren und Dienstleistungen der Klassen 16, 25, 28, 41 und 42 eingetragen worden ist, Widerspruch erhoben. Der Widerspruch aus der Marke 2 041 034 ist auf die og Waren und Dienstleistungen der Klassen 9 und 41, der Widerspruch aus der Marke 395 14 622 auf die Waren und Dienstleistungen der Klassen 16, 25, 28, 41 und 42 der angegriffenen IR-Marke beschränkt worden.

Im Verfahren vor der Markenstelle hat die Inhaberin der angegriffenen IR-Marke die Benutzung der beiden Widerspruchsmarken bestritten.

Zur Glaubhaftmachung der Benutzung hat die Widersprechende eine eidesstattliche Versicherung der Frau H..., von 1995 bis 1999 Abtei- lungsleiterin, ab 1999 Geschäftsführerin bei der Inhaberin der Widerspruchsmarke, eingereicht, in der diese - unter Auflistung von jährlichen Umsatzzahlen und Beifügung von kopierten Abbildungen von CDs und CD-Hüllen sowie Kopien von Lieferscheinen - erklärt, daß die Marke 2 041 034 in den Jahren 1995 bis 1998 für Musik-CDs, LPs und MCs durch die P... GmbH mit Genehmigung der Markeninhaberin in Deutschland benutzt worden sei.

Mit Beschluß vom 22. Januar 2002 hat die mit einem Beamten des gehobenen Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 11 IR des Deutschen Patent- und Markenamts die Widersprüche aus den beiden Marken zurückgewiesen. In ihrer Begründung hat die Markenstelle die Frage der bestrittenen Benutzung der Widerspruchsmarken dahingestellt gelassen und ausgeführt, daß, selbst wenn man bei den Widerspruchsmarken von der Registerlage ausgehe und die danach teilweise gegebene verwechslungsfördernde Identität oder Nähe der von den Vergleichsmarken erfaßten Waren und Dienstleistungen berücksichtige, mit Verwechslungen beachtlichen Umfangs nicht zu rechnen sei. Im maßgeblichen Gesamteindruck wiesen die gegenüberstehenden Marken hinreichende Unterschiede auf. So seien die jeweiligen Buchstabendarstellungen, die sonstigen graphischen Elemente sowie der Aufbau in den Marken gänzlich unterschiedlich. Da die angegriffene Marke nicht zweifelsfrei als stilisierte Darstellung eines "u" erkennbar sei, sondern es sich ebenso um die Buchstaben "l" und "i" handeln könne, sei auch im Fall der mündlichen Benennung der Marken nur nach ihrem Buchstabenbestandteil keine verwechslungsbegründende Ähnlichkeit festzustellen. Die hiergegen gerichtete Erinnerung der Widersprechenden hat dieselbe Markenstelle, besetzt mit einem Beamten des höheren Dienstes, mit Beschluß vom 14. Februar 2003 zurückgewiesen. Der Erinnerungsprüfer führt aus, daß der Widerspruch aus der Marke 395 14 622 bereits wegen mangelnder Glaubhaftmachung der zulässig bestrittenen Benutzung zurückzuweisen sei. Im übrigen bestehe - selbst bei unterstellter teilweiser Warenidentität - auch keine die Verwechslungsgefahr bedingende Ähnlichkeit der zu vergleichenden Marken. Die Widerspruchsmarken assoziierten ein Atom mit Flugbahnen von Elektronen, was in der angegriffenen Marke keine Entsprechung finde. Eine Verwechslungsgefahr anhand eines Elements in komplexen Wort-Bildmarken erfordere, daß dieses den Gesamteindruck der jeweiligen Marken präge. Allein aus dem Umstand, daß man in den Vergleichsmarken den Buchstaben "u" wiederfinden könne, sei dies nicht herzuleiten, da Einzelbuchstaben sehr kennzeichnungsschwach seien und die gegenüberstehenden Marken keine echten Wort-Bildmarken darstellten. Vielmehr überwiege die Graphik in den Marken, welche weite Kreise der Adressaten in ihrer Gesamtheit aufnehmen und deshalb die Marken nicht auf einen vermeintlichen Wort- bzw Buchstabenkern reduzieren würden.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Im Beschwerdeverfahren hat sie den Widerspruch aus der Marke 395 14 622 zurückgenommen. Ergänzend reicht sie zur Glaubhaftmachung der Benutzung der Widerspruchsmarke 2 041 034 eine weitere eidesstattliche Versicherung der Frau H... - ein, in der diese - unter Angabe von jährlichen Umsatzzahlen sowie Kopien von mit der Widerspruchsmarke gekennzeichneten CDs und einer CD-Hülle - bestätigt, daß die Marke in den Jahren 2000 bis 2003 in Deutschland durch die U... GmbH mit Genehmigung der Markeninhaberin benutzt worden sei. Damit sei eine langjährige und umfangreiche rechtserhaltende Benutzung der Marke 2 041 034 für Tonträger verschiedenster Art hinreichend glaubhaft gemacht worden. Dabei zeigten die beigefügten Fotokopien von Tonträgern, daß die Widerspruchsmarke einerseits als Zweitmarke zu der Marke "urban", andererseits auch in Alleinstellung auf der Rückseite diverser Tonträger benutzt worden sei. Im Hinblick darauf, daß die Widerspruchsmarke aufgrund der langjährigen und umfangreichen Benutzung für Tonträger in Deutschland gut eingeführt sei und die angegriffene IR-Marke im Bereich der Klasse 9 für die Waren "disques acoustiques" Schutz beanspruche, die mit diesen Waren der Widerspruchsmarke identisch seien, halte die jüngere IR-Marke nicht den erforderlichen großen Abstand von der Widerspruchsmarke ein. Die Marken stimmten fraglos in dem Buchstaben "u" überein. Auf die 1997 international registrierte Marke fänden die Bestimmungen des 1995 in Kraft getretenen Markengesetzes und die hierzu ergangene Rechtsprechung Anwendung, wonach Einzelbuchstaben per se schutzfähig und dementsprechend auch kollisionsbegründend sein könnten. Dies gelte auch für den Einzelbuchstaben "u", der allenfalls mit zusätzlichen Angaben einen beschreibenden Gehalt erhalte. Ausgehend von dem Grundsatz, daß der Verkehr sich bei einer Wort-Bildmarke in der Regel vorrangig an dem Wortbestandteil orientiere, sei auch bei den hier in Frage stehenden Kombinationsmarken zu erwarten, daß sich der Verkehr an den in beiden Marken eindeutig und ohne weiteres erkennbaren Einzelbuchen "u" und nicht an der graphischen Gestaltung orientieren werde, die keinesfalls überwiege. Die Übereinstimmung in dem benennbaren Einzelbuchstaben "u" begründe daher bereits die Verwechslungsgefahr. Selbst wenn der Verkehr die graphischen Elemente im Rahmen einer mündlichen Aussage mit einbeziehe, werde er beide Marken mit "u mit Kreis" bzw "u mit Kreisen" wiedergeben, so daß auch insoweit eine Verwechslungsgefahr gegeben sei. Gegebenenfalls sei die Rechtsbeschwerde zuzulassen, da bisher keine höchstrichterliche Rechtsprechung vorliege, wie der Schutzbereich von Einzelbuchstaben im Widerspruchsverfahren zu bestimmen sei.

Die Widersprechende beantragt, die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 11 IR des Deutschen Patent- und Markenamts vom 22. Januar 2002 und vom 14. Februar 2003 insoweit aufzuheben, als der Widerspruch aus der Marke 2 041 034 zurückgewiesen worden ist, und der international registrierten Marke IR 685 328 wegen des genannten Widerspruchs den Schutz in der Bundesrepublik Deutschland für die Waren und Dienstleistungen der Klassen 9 und 41 zu versagen.

Die Inhaberin der angegriffenen IR-Marke beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hält die Einrede mangelnder Benutzung bezüglich der Widerspruchsmarke 2 041 034 aufrecht. Die Widerspruchsmarke sei durch den Zusatz "urban" in einer von der Eintragung abweichenden Form benutzt worden. Im übrigen schließt sie sich den Gründen der angefochtenen Beschlüsse an, in denen die Markenstelle zutreffend die Gefahr von Verwechslungen zwischen den Marken verneint habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden hat in der Sache keinen Erfolg. Bezüglich des Widerspruchs aus der Marke 395 14 622 hat sich das Beschwerdeverfahren durch die Rücknahme des Widerspruchs erledigt. Zwischen der verbleibenden Widerspruchsmarke 2 041 034 und der angegriffenen IR-Marke 685 328 besteht auch nach Auffassung des Senats keine Verwechslungsgefahr im Sinn von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG. Die Markenstelle hat den Widerspruch aus dieser Marke daher zu Recht zurückgewiesen (§ 43 Abs 2 Satz 2 MarkenG).

Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat bezüglich der Widerspruchsmarke 2 041 034 am 12. April 1999 zulässig gemäß § 43 Abs 1 Satz 2 MarkenG die Einrede mangelnder Benutzung erhoben, da zu diesem Zeitpunkt die fünfjährige Benutzungsschonfrist der am 23. Juli 1993 eingetragenen Widerspruchsmarke nach der Veröffentlichung der angegriffenen IR-Marke in der Gazette O... des mar- ques internationales am 26. Februar 1998 abgelaufen war. Der Widersprechenden oblag es daher, glaubhaft zu machen, daß ihre Marke innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Entscheidung über den Widerspruch gemäß §§ 43 Abs 1, 26 MarkenG benutzt worden ist. Nach den vorgelegten Glaubhaftmachungsunterlagen über die Verwendung der Marke für Musik-CDs (= Musik Compact Discs), LPs (= Langspielplatten) und MCs (= Musik Casetten) in den Jahren 2000 bis 2003 in Deutschland mit jährlichen Umsätzen in EURO in ...stelliger ...höhe (in 2000 und 2001) und ...stelliger ...höhe (in 2002 und 2003) durch die von der Markeninhaberin autorisierte U... GmbH kann nach den genannten Bestimmungen eine nach Funktion, Form und Umfang rechtserhaltende Drittbenutzung der Marke im maßgeblichen Benutzungszeitraum für die von der Eintragung erfaßten Waren "Träger jeder Art mit Tonaufzeichnungen, soweit in Klasse 9 enthalten", anerkannt werden. Diesbezüglich greift auch der Einwand der Inhaberin der angegriffenen IR-Marke, die Anbringung der Marke auf den Waren bzw ihrer Verpackung zusammen mit der darunter angeordneten Bezeichnung "urban" stelle keine rechtserhaltende Form der Benutzung (§ 26 Abs 3 MarkenG) dar, nicht durch. Zum einen hat die Widersprechende für den jetzt relevanten Benutzungszeitraum auch eine Verwendung der Marke in Alleinstellung auf der Rückseite von CDs belegt. Zum anderen ist die Anbringung der widersprechenden Bildmarke neben dem Wortzeichen "urban" problemlos als markenmäßige Zweitkennzeichnung zu beurteilen, nachdem die Bildmarke deutlich von dem Wortzeichen abgesetzt ist und auch größenmäßig nicht hinter diesem zurücktritt, so daß sie ohne weiteres als selbständiger betrieblicher Herkunftshinweis wahrnehmbar ist (vgl Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl, § 26 Rdn 132 bis 137, mNachw adRspr).

Ausgehend von den mithin gemäß § 43 Abs 1 S 3 MarkenG zu berücksichtigenden og Waren ist die Frage der Verwechslungsgefahr nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesgerichtshofs unter Beachtung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Von maßgeblicher Bedeutung sind insoweit die Identität oder Ähnlichkeit der zum Vergleich stehenden Marken sowie der von den Marken erfaßten Waren oder Dienstleistungen. Darüber hinaus ist die Kennzeichnungskraft der älteren Marke und - davon abhängig - der dieser im Einzelfall zukommende Schutzumfang in die Betrachtung mit einzubeziehen. Dabei impliziert der Begriff der Verwechslungsgefahr eine gewisse Wechselwirkung zwischen den genannten Faktoren (vgl EuGH GRUR 1998, 387, 389 (Nr 22) "Sabèl/Puma"; GRUR Int 2000, 899, 901 (Nr 40) "Marca/Adidas"; GRUR 2000, 506, 508 "ATTACHÉ/TISSERAND"; GRUR 2001, 507, 508 "EVIAN/REVIAN"; GRUR 2002, 626, 627 "IMS").

Zu einem Teil der gezielt mit dem Widerspruch angegriffenen Waren der jüngeren IR-Marke, nämlich "disques acoustiques" (= Schallplatten) sowie "supports d'enregistrements magnetiques" (= Magnetaufzeichnungsträger), besteht Identität oder eine engere Ähnlichkeit mit den "Trägern mit Tonaufzeichnungen" der Widerspruchsmarke ein Umstand, der insoweit als kollisionsfördernd zu berücksichtigen ist. Zu den übrigen mit dem Widerspruch angegriffenen Waren und Dienstleistungen der Klassen 9 und 41 weisen "Träger mit Tonaufzeichnungen" jedoch allenfalls eine durchschnittliche bis entfernte, zum Teil auch gar keine Ähnlichkeit im markenrechtlichen Sinn mehr auf.

Einen durch Benutzung erworbenen erhöhten Bekanntheitsgrad und einen entsprechend erweiterten Schutzumfang kann die Widerspruchsmarke nicht beanspruchen. Eine solche Wertung erfordert nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesgerichtshofs eine umfassende Prüfung, bei der alle relevanten Faktoren heranzuziehen sind, so neben den Eigenschaften, welche die Marke von Haus aus besitzt, ua den von der Marke gehaltenen Marktanteil, die Intensität, die geographische Verbreitung und Dauer der Benutzung der Marke sowie den Werbeaufwand des Unternehmens für die Marke (vgl EuGH MarkenR 1999, 236, 239 (Nr 23, 24) "Lloyd"; GRUR 2002, 804, 808 (Nr 60-62) "Philips"; BGH BlPMZ 2002, 421, 422 "DKV/OKV").

Von Haus aus besitzt die aus dem Buchstaben "u" und einem ihn umgebenden Bildelement bestehende Widerspruchsmarke - ungeachtet der Kennzeichnungskraft des isolierten Einzelbuchstabens "u" - schon aufgrund des auffälligen, individuellen und phantasievollen graphischen Bestandteils durchschnittliche Kennzeichnungskraft. Des weiteren lassen die von der Widersprechenden im Rahmen der Glaubhaftmachung belegten Fakten in bezug auf die Benutzung der Widerspruchsmarke zwar den Schluß auf eine benutzte und im inländischen Verkehr eingeführte Marke, nicht jedoch auf eine infolge einer besonders intensiven und umfangreichen Benutzung überdurchschnittlich verkehrsbekannte Marke zu. Im Hinblick darauf, daß es sich bei mit Musik bespielten Tonträgern um eine im allgemeinen in hohen Stückzahlen verkaufte Massenware handelt, können etwa die für die Jahre 1995 bis 1998 eidesstattlich versicherten jährlich umgesetzten Stückzahlen in jeweils (nur) ...stelliger ...höhe, zumal ohne weitere Anga- ben über den insoweit von der Marke gehaltenen Marktanteil oder hierfür getätigte Werbeaufwendungen, eine im Vergleich zu Konkurrenzunternehmen bzw -marken über dem Durchschnitt liegende Benutzung der Marke nicht belegen. Davon ist um so weniger auszugehen, als die Umsätze während der glaubhaft gemachten Benutzungsdauer kontinuierlich zurückgegangen sind, und in den Jahren 2001 und 2002 nur noch EURO-Werte in ...stelliger ...höhe erreicht haben, woraus sich - im Verhältnis zu den für die Jahre 1995 bis 1998 angegebenen DM- und Stückzahlenumsätzen - abschätzen läßt, daß die verkauften Stückzahlen in diesen beiden Jahren deutlich unter der ...grenze gelegen haben. Im Ergebnis kann der Beurteilung der Verwechslungsgefahr daher nur eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke zugrunde gelegt werden, die allerdings angesichts der tatsächlich erfolgten ...jährigen nicht unbeträchtlichen Be- nutzung - im Vergleich zu einer unbenutzten Marke - eher im mittleren bis oberen Bereich des Durchschnitts anzusiedeln ist (s dazu auch Ströbele/Hacker, aaO, § 9 Rdn 289 bis 294).

Doch auch wenn man hiervon ausgehend im Bereich der og Waren der angegriffenen Marke, die mit den benutzten Trägern mit Tonaufzeichnungen der Widerspruchsmarke identisch oder nah verwandt sein können, strenge Anforderungen an den einzuhaltenden Markenabstand stellt, wahrt die angegriffene Marke einen solchen von der älteren Marke in jeder Hinsicht noch in ausreichendem Maße.

Bei der Beurteilung der Markenähnlichkeit ist auf den jeweiligen Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Zeichen abzustellen (vgl ua BGH GRUR 2000, 506, 508 "ATTACHÉ/TISSERAND"; GRUR 2002, 167, 169 "Bit/Bud"). Insoweit ist zunächst die Beurteilung der Markenstelle nicht zu beanstanden, daß die zu vergleichenden Marken in ihrer Gesamtheit betrachtet sowohl im Hinblick auf die unterschiedliche Ausgestaltung ihrer einzelnen Elemente als auch im Hinblick auf die Abweichungen in ihrer Gesamtkonzeption keine hinreichende die Verwechslungsgefahr begründende Ähnlichkeit aufweisen. Zwar enthalten beide Marken ein zentrales Buchstabenelement, das in der Widerspruchsmarke eindeutig als Darstellung eines "u" erkennbar ist, und das in der angegriffenen Marke angesichts der beiden parallelen vertikalen Schenkel und der vom unteren Ende des linken Schenkels nach rechts zum rechten Schenkel hin auslaufenden Rundung zumindest eine "u"-ähnliche Gestalt besitzt, das jedoch aufgrund der graphischen Verfremdungen in gleicher Weise anderen Deutungen, so insbesondere einer fixierbildartigen Kombination der Buchstaben "l" und "i", zugänglich ist. Zudem zeigen sich bereits in der individuellen Ausgestaltung der jeweiligen Buchstabenbestandteile auffallende Unterschiede. Das "u" in der Widerspruchsmarke, das mit seinen sehr fetten, relativ kurzen, gleich langen Seitenschenkeln breiter wie hoch ist, ruft einen gedrungenen, in die Breite gehenden Eindruck hervor. Demgegenüber ist das Buchstabenelement in der angegriffenen Marke höher und schlanker und wirkt auch sonst mit seinem linken längeren Schenkel, dem parallel dazu, über der nach rechts spitz auslaufenden Rundung mit kleinem Abstand aufgesetzten rechten, etwas kürzeren Schenkel sowie dem darüber mit einigem Abstand befindlichen, schräg nach links unten zum linken Schenkel zeigenden pfeilförmiger Strich, leichter, offener und filigraner als das massive breite "u" der Widerspruchsmarke. Weiterhin zeigen sich signifikante Unterschiede in den zusätzlichen Bildbestandteilen und der konkreten Anordnung der Buchstaben- und Bildelemente zueinander. Gemeinsam ist den Marken insofern nur, daß zur graphischen Gestaltung der Buchstaben eine ovale Linienführung verwendet wird. Allerdings ist das "u" in der Widerspruchsmarke mittig auf einer ausgesparten ovalen Fläche angeordnet und wird von dieser vollständig umschlossen. Dabei ist die ovale Fläche mit dem "u" im inneren Bereich von fetten ovalen Bogenelementen umgeben, aus denen seitlich zwei sich teilweise überlappende, ovale bzw elliptische dünne Umlaufbahnen sowie nach oben und unten zwei einen Kreis andeutende fette Kreissegmente angeordnet sind. Demgegenüber ist in der angegriffenen Marke das Buchstabenelement mit einer einzigen ovalen Linie verziert, wobei es von dem - zumal auf der rechten Seite offenen - Oval keineswegs vollständig umschlossen, sondern nur etwa in Höhe des unteren Drittels umrahmt oder unterlegt wird und der größere Teil des Buchstabenelements nach oben aus dem Oval herausragt. Dieser insgesamt deutlich unterschiedliche optische Eindruck, den die beiden Marken hervorrufen, ist auch aus dem oft etwas unsicheren Erinnerungsbild heraus ohne weiteres auseinanderzuhalten.

Eine Verwechslungsgefahr läßt sich ferner nicht aus einem isolierten Ähnlichkeitsvergleich der in den Marken enthaltenen Buchstabenbestandteile herleiten. Zutreffend hat der Erinnerungsprüfer darauf abgestellt, daß eine Ähnlichkeit allein in den Buchstabenbestandteilen eine unmittelbare Verwechslungsgefahr nur dann begründen könnte, wenn diesen eine besondere, den Gesamteindruck der jeweiligen Marke prägende Kennzeichnungskraft zukäme und die weiteren Bestandteile dahinter so weit zurückträten, daß sie vom Verkehr bei der Wahrnehmung der Marke vernachlässigt werden und demzufolge den Gesamteindruck der Marke nicht mehr mitbestimmen würden (vgl BGH GRUR 2002, 167, 169 "Bit/Bud"; GRUR 2002, 542, 543 "BIG"; GRUR 2003, 1040, 1044 "Kinder"). Dies trifft für die Buchstabenelemente in den Vergleichsmarken nicht zu.

Zwar ist nicht grundsätzlich ausgeschlossen, dass dem Einzelbuchstaben "u" in der Widerspruchsmarke gegenüber der angegriffenen, nach dem Inkrafttreten des Markengesetzes am 1. Januar 1995 international registrierten Marke ein selbständig kollisionsbegründender Schutz nach den Bestimmungen des Markengesetzes zukommen kann (vgl Ströbele/Hacker, aaO, § 9 Rdn 326). Des weiteren darf einem einzelnen Buchstaben nach der zu Buchstabenzusammenstellungen ergangenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl BGH BlPMZ 2002, 421, 422 "DKV/OKV") nicht von Haus aus eine nur verminderte Kennzeichnungskraft beigemessen werden. Allerdings könnte sich vorliegend in bezug auf die für die Widerspruchsmarke benutzten Träger mit Tonaufzeichnungen ein konkret beschreibender, die Kennzeichnungskraft schwächender Anklang des Buchstabens "u" im Hinblick auf den allgemein geläufigen Kurzbegriff "U-Musik" für Unterhaltungsmusik (im Gegensatz zu "E-Musik" für ernste Musik, vgl Duden, Deutsches Universal Wörterbuch, 3. Aufl, S 1594 u 427) ergeben. Die Frage der Kennzeichnungskraft des isolierten Buchstabens "u" in der Widerspruchsmarke braucht jedoch nicht abschließend beurteilt zu werden, da der Buchstabe auch bei unterstellter durchschnittlicher Kennzeichnungskraft für den Gesamteindruck der Marke nicht prägend ist.

Zunächst ist eine prägende Bedeutung der Buchstabenbestandteile im schriftbildlichen Gesamteindruck der Marken zu verneinen. Denn der Erfahrungssatz, daß sich der Verkehr bei kombinierten Wort-Bildzeichen eher an dem - kennzeichnungskräftigen - Wort als an dem Bildbestandteil orientiert, weil das Kennwort in der Regel die einfachste Form ist, um die Ware zu bezeichnen, entfaltet seine Wirkung im Regelfall lediglich bei der Prüfung der klanglichen Verwechslungsgefahr, weil eine bildliche Gestaltung nicht die akustische, sondern allein die visuelle Wahrnehmung anspricht. Hingegen ist ein Erfahrungssatz nicht ersichtlich, nach dem der Verkehr (auch) bei der rein visuellen Wahrnehmung einer Wort- / Bildmarke in erster Linie die Wörter, nicht jedoch den Bildbestandteil in sein Erinnerungsbild aufnimmt (vgl BGH GRUR 1999, 733, 735 "LION DRIVER"; GRUR 2002, 167, 169 "Bit/Bud"; BlPMZ 2002, 421, 422 "DKV/OKV"). Nachdem vorliegend die graphische Gestaltung in beiden Marken ein den Bildeindruck ganz wesentlich mitbeeinflussendes Element darstellt, ist insoweit eine prägende Bedeutung der Buchstabenbestandteile im optischen Eindruck auszuschließen.

Aber auch im klanglichen Gesamteindruck ist eine Prägung der Marken allein durch ihre Buchstabenbestandteile unter Vernachlässigung der graphischen Elemente zu verneinen. Dabei ist der oben genannte, von der Widersprechenden herangezogene Erfahrungssatz, wonach bei kombinierten Wort-Bildmarken im Klangeindruck in der Regel dem Kennwort gegenüber einem bildhaften Element prägende Bedeutung zukommt, nicht ohne weiteres auf Marken anwendbar, die aus graphisch gestalteten Einzelbuchstaben bestehen. Davon ist jedenfalls dann nicht auszugehen, wenn sich die Graphik nicht in einer einfachen ornamentalen Ausschmückung eines Buchstabens erschöpft, sondern stark eigenprägenden Charakter besitzt und den optischen Eindruck der Marken maßgeblich mitbestimmt, sei es, wie in der Widerspruchsmarke durch Kombination eines Buchstabens mit einem nach Größe und Gestaltung hervorgehobenen, eigentümlichen und phantasievollen Bildbestandteil, oder, wie in der angegriffenen IR-Marke durch eine augenfällige graphische Verfremdung des Buchstabens bzw der Buchstaben selbst. Hierbei ist zunächst grundsätzlich zu berücksichtigen, daß sich ein einzelner Buchstabe im Hinblick auf die begrenzte Anzahl der nach dem Alphabet zur Verfügung stehenden Buchstaben weit weniger zur individualisierenden Markenbenennung anbietet als ein stets aus mehreren Buchstaben bestehendes, häufig einen bestimmten Begriffsgehalt aufweisendes Wort. Hinzu kommt, daß eine ausschließlich mündliche Übermittlung von graphisch stark ausgestalteten Buchstaben-Labels, wie den vorliegenden, im Geschäftsverkehr allenfalls eine untergeordnete Rolle spielt, weil solche Marken als ihrem Wesen nach in erster Linie optisch wirkende Kennzeichen regelmäßig nur schriftbildlich, beispielsweise auf dem Produkt oder der Verpackung, in Prospekten oder Geschäftspapieren, transferiert werden. Soweit sie gleichwohl vereinzelt mündlich bezeichnet werden sollten, wird der Verkehr zur Wiedergabe ihres über den bloßen Einzelbuchstaben hinausgehenden, besonderen bildhaften Charakters auch die wesentlich graphischen Elemente mit einbeziehen müssen. Mithin ergibt sich für die beteiligten Verkehrskreise auch bei der mündlichen Benennung der Marken nach ihrem Gesamteindruck keine verwechslungsbegründende Ähnlichkeit.

Für andere Arten der Verwechslungsgefahr sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, insbesondere nicht für die von der Widersprechenden im Verfahren vor der Markenstelle geltend gemachte Gefahr, daß die angegriffene IR-Marke gedanklich mit der der Widerspruchsmarke als abgewandeltes, modernisiertes Serienzeichen in Verbindung gebracht werden könnte. Dem steht die dargelegte unterschiedliche Ausgestaltung der Vergleichsmarken sowohl hinsichtlich ihrer einzelnen Elemente als auch ihrer Gesamtkonzeption entgegen.

Es besteht kein Anlaß, einer der Verfahrensbeteiligten die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen (§ 71 Abs 1 MarkenG).

Für die von der Widersprechenden angeregte Zulassung der Rechtsbeschwerde sieht der Senat keine Veranlassung, da weder eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden war, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes erforderlich macht (§ 83 Abs 2 MarkenG). Zu befinden war vielmehr im Rahmen der höchstrichterlichen Rechtsprechung über die Frage der Verwechslungsgefahr zwischen den Marken aufgrund der tatsächlichen Gegebenheiten desvorliegenden Falles. Das gilt auch für die von der Widersprechenden aufgeworfene Frage der Beurteilung des Schutzbereichs von Einzelbuchstaben im Widerspruchsverfahren (vgl hierzu BGH BlPMZ 2002, 421 "DKV/OKV").

Ströbele Hacker Kirschneck Bb Abb. 1 http://agora/bpatgkollision/docs/D95107.3.gif






BPatG:
Beschluss v. 30.03.2004
Az: 24 W (pat) 139/03


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