Verwaltungsgericht Köln:
Beschluss vom 29. September 2006
Aktenzeichen: 1 L 1383/06
(VG Köln: Beschluss v. 29.09.2006, Az.: 1 L 1383/06)
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.
2. Der Streitwert wird auf 125.000,- EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Mit Beschluss vom 29. August 2006 (BK 4c-06-001/R) entschied die Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen (Bundesnetzagentur - BNetzA) zum einen, dass - aufgrund der Festlegung durch ihre Präsidentenkammer - die als "Betroffene" bezeichnete Antragstellerin auf dem bundesweiten (Großkunden-)Markt für Anrufzustellungen in ihr Mobiltelefonnetz über beträchtliche Marktmacht verfüge. Zum anderen beschloss die BNetzA:
" I.
R e g u l i e r u n g s v e r f ü g u n g
1. Die Betroffene wird dazu verpflichtet, Betreibern von öffentlichen Telefonnetzen
1.1 die Zusammenschaltung mit ihrem öffentlichen Mobiltelefonnetz am Vermittlungsstandort der Betroffenen zu ermöglichen,
1.2 über die Zusammenschaltung Verbindungen in ihr Netz zu terminieren
und
1.3 zum Zwecke des Zugangs gemäß Ziffern 1.1 und 1.2 Kollokation sowie im Rahmen dessen Nachfragern bzw. deren Beauftragten jederzeit Zutritt zu diesen Einrichtungen zu gewähren.
2. Die Betroffene wird dazu verpflichtet, dass Vereinbarungen über Zugänge nach Ziffer 1. auf objektiven Maßstäben beruhen, nachvollziehbar sind, einen gleichwertigen Zugang gewähren und den Geboten der Chancengleichheit und Billigkeit genügen.
3. Die Entgelte für die Gewährung des Zugangs und der Kollokation gemäß Ziffer 1. unterliegen der Genehmigung nach Maßgabe des § 31 TKG.
II.
Der Betroffenen wird auferlegt, ein Standardangebot für Zugangsleistungen, zu deren Angebot sie durch die in dieser Entscheidung ergangene(n) Regulierungsverfügung verpflichtet worden ist und für die eine allgemeine Nachfrage besteht, innerhalb von drei Monaten nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu veröffentlichen.
Die Angaben zu den Standorten des Zugangs bzw. der Kollokation müssen nicht veröffentlicht werden, sie müssen nur auf Nachfrage interessierten Unternehmen zugänglich gemacht werden."
Gegen diesen ihr am 30. August 2006 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am selben Tage Anfechtungsklage erhoben (1 K 3918/06 VG Köln).
Im am Folgetag anhängig gemachten vorliegenden Verfahren beantragt die Antragstellerin,
1. die aufschiebende Wirkung der Klage - 1 K 3918/06 - VG Köln - gegen die Regulierungsverfügung der Antragsgegnerin vom 29. August 2006 (Az.: BK 4c-06-001/R) insoweit anzuordnen, als hierin
2.
a) unter Ziff. I. 3. des Beschlusstenors die Entgelte für die der Antragstellerin gemäß Ziff. I. 1. des Beschlusstenors auferlegten Zugangsleistungen einer Genehmigungspflicht unterworfen werden;
b) im Rahmen der Regulierungsverfügung enthaltenen Marktdefinition die Leistung T-Mobile@Home dem Markt "Anrufzustellung in einzelnen Mobilfunknetzen" zugeordnet worden ist;
c)
3. hilfsweise: die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO zu verpflichten, die Entgelte für die der Antragstellerin gemäß Ziff. I 1. des Beschlusstenors auferlegten Zugangsleistungen vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache einer nachträglichen Regulierung zu unterwerfen;
4.
5. äußerst hilfsweise: die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO zu verpflichten, die Entscheidung über die Regulierung der Entgelte für die in Ziff. I. 1. des Beschlusstenors auferlegten Zugangsleistungen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts vorläufig neu zu bescheiden.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verfahrensakte 1 K 3918/06 verwiesen.
II.
Die Anträge bleiben ohne Erfolg.
Dies gilt zunächst für den Aussetzungsantrag nach § 80 Abs. 5 VwGO. Die im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung der sich aus § 137 Abs. 1 TKG ergebenden sofortigen Vollziehbarkeit des angegriffenen Beschlusses und dem Aussetzungsinteresse der Antragstellerin fällt zu Lasten der Antragstellerin aus.
Diese Abwägung beruht allerdings nicht auf einer Einschätzung der Prozessaussichten im Hauptsacheverfahren. Darüber lässt sich nach dem derzeitigen Verfahrens- und Erkenntnisstand nicht einmal ein Wahrscheinlichkeitsurteil abgeben. Die Anfechtungsklage hängt von mehreren höchstrichterlich nicht geklärten schwierigen Rechtsfragen ab, die sich nicht im vorläufigen Rechtsschutzverfahren aufgrund einer summarischen Prüfung in der einen oder anderen Richtung mit überwiegender Richtigkeitsgewissheit beantworten lassen. Das betrifft u.a. die Auslegung und Anwendung von § 30 Abs. 1 Satz 2 TKG, die Frage der Notwendigkeit der Einräumung einer Umsetzungsfrist, der Qualifikation der Leistung T-Mobile@Home sowie der Unterwerfung der Entgelte für Kollokation und Zugangsüberlassung unter die Genehmigungspflicht. Zu allen Auslegungs- und Anwendungsfragen liegen unterschiedliche Auffassungen von fachlichem Gewicht vor, deren Bewertung im vorliegenden summarischen Verfahren nicht vorgenommen werden kann, sodass der Prozessausgang als offen angesehen werden muss. Deshalb sind die widerstreitenden Interessen unabhängig vom voraussichtlichen Ergebnis des Hauptsacheverfahrens gegeneinander abzuwägen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber dem Vollzugsinteresse erhebliches Gewicht beimisst, wie sich aus dem Umstand ergibt, dass er in § 137 Abs. 1 TKG die sofortige Vollziehbarkeit von Regulierungsentscheidungen generell angeordnet hat. Trotz dieser Wertung erübrigt sich jedoch nicht die Interessenabwägung, die im Rahmen des § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO bei offenem Prozessausgang vorzunehmen ist; diese ist zwar gesetzlich vorstrukturiert, aber nicht präjudiziert,
vgl. dazu: BVerwG, Beschluss vom 14. April 2005 - 4 VR 1005/04 -, NVwZ 2005, 689 (690).
Würde dem Aussetzungsantrag stattgegeben, jedoch später im Hauptsacheverfahren die Anfechtungsklage abgewiesen, so unterlägen die von der Antragstellerin erhobenen Terminierungsentgelte vorerst keinerlei Regulierung. Die Terminierungsentgelte wären dann mangels konkreter Anordnung nicht einmal nach § 38 Abs. 2 bis 4 TKG expost zu kontrollieren. Zum Schutze der auf den Zugang zum Netz der Antragstellerin angewiesenen konkurrierenden Betreiber wäre dann nur das allgemeine Wettbewerbsrecht anwendbar. Dazu wird in den zusammen mit der Regulierungsverfügung ergangenen Festlegungen zum Markt Nr. 16 (S. 45) ausgeführt:
"Auf den Märkten für Anrufzustellung in einzelnen Mobilfunknetzen sind die Regeln des allgemeinen Wettbewerbsrechts nicht ausreichend. Die alleinige Anwendung des allgemeinen Wettbewerbsrechts würde nämlich nur ein punktuelles Eingreifen in einzelnen Verfahren ermöglichen. Erforderlich sind wesentlich detailliertere Befugnisse zur Vornahme positiver Regelungen, z.B. fortlaufende Überwachung und häufiges Einschreiten."
Gegen diese offenbar von den nationalen Regulierungsbehörden der anderen Mitgliedsstaaten und der Kommission im Verfahren nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 2 TKG geteilte Einschätzung, die zumindest im vorliegenden summarischen Verfahren das Gericht überzeugt, hat die Antragstellerin keine substantiierten Einwendungen erhoben.
Würde demgegenüber der Aussetzungsantrag abgelehnt und wäre die Klage in der Hauptsache später ganz oder teilweise erfolgreich, so wären die Konsequenzen für die Antragstellerin nicht besonders gravierend. Neu und belastend wäre für sie lediglich, dass sie ihre Terminierungsentgelte vor Erhebung von der BNetzA genehmigen lassen und in diesem Zusammenhang gemäß § 33 TKG umfangreiche Kostenunterlagen vorlegen müsste. Die Erstellung prüffähiger Kostenunterlagen mag zwar aufwändig sein, jedoch wäre der Aufwand nach einem Obsiegen der Antragstellerin im Hauptsacheverfahren nicht nutzlos. Denn auch im Rahmen der dann als Alternativmaßnahme zu erwartenden und von der Antragstellerin bislang befürworteten expost Regulierung in der Form von § 38 Abs. 2 bis 4 TKG kann unter den Voraussetzungen des § 38 Abs. 2 Satz 3 TKG eine Kostenprüfung anhand von Kostenunterlagen in Betracht kommen.
Im Übrigen erscheinen die Nachteile, die der Antragstellerin durch die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes entstehen, auch deshalb weniger schwerwiegend, weil die Kammer beabsichtigt, das Hauptsacheverfahren im ersten Quartal 2007 zu entscheiden.
Unter diesen Umständen sind die für die sofortige Vollziehbarkeit sprechenden öffentlichen Belange von höherem Gewicht als die dagegen sprechenden Interessen der Antragstellerin.
Ebenfalls ohne Erfolg bleiben die hilfsweise gestellten Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Das ergibt sich schon daraus, dass die von der Antragstellerin insoweit erstrebte Unterwerfung ihrer Zugangsentgelte unter die expost Regulierung auf eine eigene Belastung abzielt, die zulässigerweise nicht begehrt werden kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 137 Abs. 3 Satz 1 TKG.
VG Köln:
Beschluss v. 29.09.2006
Az: 1 L 1383/06
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