Bundespatentgericht:
Beschluss vom 7. November 2006
Aktenzeichen: 23 W (pat) 335/04
(BPatG: Beschluss v. 07.11.2006, Az.: 23 W (pat) 335/04)
Tenor
Das Patent wird mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:
Patentansprüche 1 bis 7 und 3 Seiten Beschreibung, diese Unterlagen überreicht in der mündlichen Verhandlung am 7. November 2006, Zeichnung Figuren 1 bis 3, gemäß Patentschrift.
Gründe
I Die Prüfungsstelle für Klasse A 47 K des Deutschen Patent- und Markenamts hat auf die am 2. Oktober 2002 eingegangene Patentanmeldung, für die die inneren Prioritäten vom 12. Oktober 2001 (Az. DE 201 16 679.8) und vom 20. Oktober 2001 (Az. DE 201 17 265.8) beansprucht wurden, das am 5. Februar 2004 veröffentlichte Patent 102 45 978 (Streitpatent) mit der Bezeichnung "Badeliege" erteilt.
Die Gesellschaft A..., B... in C..., und die sie vertre- tenden Rechtsanwälte D..., E...straße in F... haben mit Schriftsatz vom 5. Mai 2004, beim Patentamt vorweg per Telefax eingegangen am selben Tag, Einspruch erhoben und beantragt, das Streitpatent in vollem Umfang zu widerrufen, da der Gegenstand des Patents nicht patentfähig im Sinne von § 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG i. V. m. §§ 1-5 PatG, insbesondere weder neu noch erfinderisch sei.
Die Patentinhaber haben zum Stand der Technik die Druckschriften:
- US 5 341 525 A (Druckschrift D1) - US 3 086 222 A (Druckschrift D2) - US 6 212 706 B1 (Druckschrift D3) und - DE-Patentschrift 240882 (Druckschrift D4)
genannt.
Im Prüfungsverfahren ist von der Prüfungsstelle kein darüber hinaus gehender Stand der Technik ermittelt worden.
Der Einspruch stützt sich neben der vorgenannten Druckschrift D2 als Anlage E1 auf die orthopädische Sitzhilfen für körperbehinderte Kinder betreffenden Dokumente:
- Katalog "Tiger 2000" der Firma R82 GmbH, 55218 Ingelheim, Deutschland nebst Gebrauchsanleitung und zwei farbigen Detailaufnahmen des Produkts (Anlage E2)
- Katalog "Panther" der Firma R82 GmbH, 55218 Ingelheim, Deutschland nebst drei Farbaufnahmen des Produkts (Anlage E3)
- Katalog "Linnea" der norwegischen Firma E. Brathen A/S (Anlage E4) 2 Seiten eines Katalogs der deutschen Firma Thomashilfen betreffend orthopädische Sitzhilfen EASyS und MAX (Anlage E5
- 2-seitiger Auszug des Katalogs "Jan Alu - Bruksanvisning MS 3019" der schwedischen Firma Mediswede AB vom 19. April 1993 (Anlage E6)
- Katalog "Modulo" der Firma Linea Adjutor, 47034 Forlimpoli (Forli), Italien (Anlage E7) und - Katalog "Cocoon" der niederländischen Firma Huka (Anlage E8).
Zu den Anlagen E2 bis E5 und E7 machen die Einsprechenden offenkundige Vorbenutzungen geltend, dahingehend dass:
- das Produkt gemäß Anlage E2 seit 1995 auch in Deutschland vermarktet werde,
- das Produkt gemäß Anlage E3 von der Einsprechenden R82 A/S seit 1997 auch in Deutschland angeboten und vertrieben werde,
- das Produkt gemäß Anlage E4 jedenfalls seit 1997 aktiv in Dänemark angeboten und beworben werde,
- die Produkte gemäß Anlage E5 von der Firma Thomashilfen jedenfalls seit Sommer 2000 in Deutschland allgemein angeboten würden und - das Produkt gemäß Anlage E7 in Italien jedenfalls seit dem Jahr 1998 angeboten und vertrieben werde.
Der Katalog nach Anlage E8 bewerbe ebenfalls eine orthopädische Sitzhilfe mit längenverstellbarem Sitz- und Rückenteil.
Alle Merkmale des Patentanspruchs 1 würden zudem von der offenkundigen Vorbenutzung des Dolphin Pediatric Bathing Chair vorweggenommen.
Vor diesem Hintergrund sei der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents weder neu noch erfinderisch.
Die übrigen Ansprüche des Streitpatents seien auch nicht patentfähig. Sie stellten lediglich handwerkliche Ergänzungen von Patentanspruch 1 dar.
Die Patentinhaber sind dem Einspruchsvorbringen in allen wesentlichen entgegengetreten. Sie haben beantragt, den Einspruch wegen Unzulässigkeit, im Übrigen auch wegen offensichtlicher Unbegründetheit zurückzuweisen. Die Unzulässigkeit des Einspruchs begründen sie mit einem Verstoß der dänischen Einsprechenden gegen eine Nichtangriffsvereinbarung zwischen deren deutscher Tochtergesellschaft und den Patentinhabern. Die Vertreter der dänischen Einsprechenden hätten als vorgeschobener Strohmann der deutschen Tochtergesellschaft kein eigenes Interesse am Einspruch, weshalb sie die Einreden gegen den Hintermann gegen sich gelten lassen müssten.
Die Einsprechenden haben ihren Einspruch zurückgenommen.
In der mündlichen Verhandlung vom 7. November 2006 haben die Patentinhaber weiterhin die Zulässigkeit des Einspruchs in Frage gestellt. Ferner haben sie zur beschränkten Verteidigung des Streitpatents neue Patentansprüche 1 bis 7 mit angepasster Beschreibung vorgelegt und die Auffassung vertreten, dass der Gegenstand des verteidigten Patentanspruchs 1 des Streitpatents durch den im Verfahren befindlichen Stand der Technik nicht patenthindernd getroffen sei.
Die Patentinhaber stellen den Antrag, das Patent mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten:
Patentansprüche 1 bis 7 und 3 Seiten Beschreibung, diese Unterlagen überreicht in der mündlichen Verhandlung am 7. November 2006, Zeichnung Figuren 1 bis 3, gemäß Patentschrift.
Der geltende Patentanspruch 1 des Streitpatents lautet (nach Berichtigung eines grammatikalischen Fehlers und zweier Druckfehler bei den Bezugszeichen):
"Badeliege mit einem Sitzteil (1) und einem Rückteil (2), die über Gelenke (3) um eine Achse (T) schwenkbar miteinander verbunden sind, wobei das Sitzteil (1) und/oder das Rückteil (2) eine Verstelleinrichtung (11, 21) zur Längenverstellbarkeit derselben quer zur Achse (T) aufweisen, dadurch gekennzeichnet, dass das Sitzteil (1) ausgehend von den Gelenken (3) eine Oberschenkelauflage (10) und eine gelenkig mit dieser verbundene Unterschenkelauflage (13) umfasst und die Oberschenkelauflage (10) die Verstelleinrichtung (11) aufweist und das Rückteil (2) ausgehend von den Gelenken (3) eine Rückenauflage (20) und eine gelenkig mit dieser verbundene Kopfauflage (23) umfasst und die Rückenauflage (20) die Verstelleinrichtung (21) aufweist und die Badeliege über die Gelenke (3) auf einem Untergrund unmittelbar abstützbar ist."
Wegen der geltenden Unteransprüche 2 bis 7 und weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die Zuständigkeit des technischen Beschwerdesenats des Bundespatentgerichts für die Entscheidung über den Einspruch ergibt sich aus § 147 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 PatG. Danach ist nicht das Patentamt, sondern das Patentgericht zuständig, wenn - wie im vorliegenden Fall - die Einspruchsfrist nach dem 1. Januar 2002 zu laufen begonnen hat und der Einspruch vor dem 1. Juli 2006 eingelegt worden ist. Auch wenn die Vorschrift des § 147 Abs. 3 PatG durch das Gesetz zur Änderung des patentrechtlichen Einspruchsverfahrens und des Patentkostengesetzes vom 26. Juni 2006 (BGBl 2006, Teil I, Seite 1318) formal gestrichen wurde, bleibt das Bundespatentgericht für die in dem bezeichneten befristeten Zeitraum zugewiesenen Einspruchsverfahren zuständig, weil der Gesetzgeber eine anderweitige Zuständigkeit nicht festgelegt hat. Dies ergibt sich aus dem allgemeinen Rechtsgrundsatz der "perpetuatio fori" (analog § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO und analog § 17 Abs. 1 Satz 1 GVG), wonach eine einmal begründete Zuständigkeit grundsätzlich bestehen bleibt.
Nach Rücknahme des Einspruchs bleibt das Bundespatentgericht auch für das gemäß § 61 Abs. 1 Satz 2 PatG regelmäßig von Amts wegen fortzusetzende Einspruchsverfahren zuständig. Die Verfahrensbeteiligung der Einsprechenden endet allerdings mit der wirksamen Einspruchsrücknahme (vgl. hierzu BPatG BlPMZ 2003, 302 Leitsatz - "Gerichtliches Einspruchsverfahren"; Schulte PatG, 7. Aufl., § 61 Rdn. 23).
III.
Der form- und fristgerecht erhobene gemeinsame Einspruch der beiden Einsprechenden war zulässig. Er eröffnet daher auch nach seiner Rücknahme im Rahmen des gemäß § 61 Abs. 1 Satz 2 PatG von Amts wegen fortzusetzenden Einspruchsverfahrens die volle Überprüfungsbefugnis und -pflicht des Senats. Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung ist das Streitpatent antragsgemäß beschränkt aufrechtzuerhalten.
1. Der zurückgenommene Einspruch war zulässig.
a) Der Zulässigkeit des Einspruchs steht keine wirksame Nichtangriffsverpflichtung entgegen, die sich die Einsprechenden entgegenhalten lassen müssten (siehe zu den Rechtsfolgen einer wirksamen Nichtangriffsverpflichtung im Einspruchsverfahren Schulte, PatG, 7. Aufl., § 59 Rdn. 45; siehe entsprechend zum Nichtigkeitsverfahren auch § 81 Rdn. 50 andere Auffassung BPatG GRUR 2005, 182 "Feuerwehr-Tableau-Einheit"). Da die beiden Einsprechenden selbst mit den Patentinhabern eine entsprechende Vereinbarung, aus der sich eine solche Verpflichtung ergeben könnte, jedenfalls vor Einlegung des Einspruchs unstreitig nicht geschlossen haben, könnte der Einwand fehlender Zulässigkeit unter diesem Gesichtspunkt ohnehin nur dann durchgreifen, wenn die Einsprechenden ohne eigenes Interesse Einspruch eingelegt und zusätzlich als Strohmänner für einen Dritten gehandelt hätten, der seinerseits aus einer entsprechenden Nichtangriffsvereinbarung verpflichtet gewesen sein müsste (vgl. dazu Schulte, PatG, 7. Aufl., § 59 Rdn. 51 und Rdn. 50). Abgesehen davon, dass es schon fraglich ist, ob der Vortrag der Patentinhaber ausreichend dafür ist, um von einer Strohmanneigenschaft der beiden Einsprechenden ausgehen zu können, fehlt es vorliegend schon an einer zugrundeliegenden wirksamen Nichtangriffsvereinbarung, aus der dieser Einwand erhoben werden könnte.
Die von der Patentinhabern behauptete Nichtangriffsvereinbarung zwischen der deutschen Tochtergesellschaft der dänischen Einsprechenden und den Patentinhabern, welche die Patentinhaber aus den vorgerichtlich gewechselten Schreiben vom 5. Dezember 2003 und vom 7. Januar 2004 (vgl. Anlagen 3 und 4, zum Schriftsatz vom 18. September 2006) herleiten wollen, ist nicht wirksam zustande gekommen. Denn die deutsche Tochtergesellschaft hat ihre Erklärung, gegen die Schutzrechte der Patentinhaber nicht vorgehen zu wollen, insbesondere keinen Einspruch wegen mangelnder Neuheit und fehlender Erfindungshöhe gegen die laufende Patentanmeldung einlegen zu wollen, unter dem klaren und für die Patentinhaber weitreichenden Vorbehalt abgegeben, dass es ihr - der deutschen Tochtergesellschaft - auch in Zukunft freistehe, Badeliegen ohne Sitztiefenverstellung weiter zu vermarkten (vgl. Anlage 3, zum Schriftsatz der Patentinhaber vom 18. September 2006, Seite 2, Abschnitt 2). Danach wollte sie bei künftig vermarkteten Badeliegen ausdrücklich nur von der durch den Patentanspruch 1 des Streitpatents geschützten Sitztiefenverstellung Abstand nehmen, d. h. nicht verzichten wollte sie auf die Vermarktung von Badeliegen, die auf ein über Gelenke um eine Achse schwenkbar miteinander verbundenes Rückteil und Sitzteil bzw. auf ein mit einer Verstelleinrichtung zu dessen Längenverstellbarkeit quer zur Achse versehenes Rückteil, wie dies Patentanspruch 1 des Streitpatents im Übrigen vorsieht. Zu diesem Vorbehalt bzw. zu dieser Bedingung für das Nichtangriffsangebot, die im Verhältnis der Vertragsparteien auch die Forderung nach einem entsprechenden Verzicht der Patentinhaber auf ein Vorgehen wegen Verletzung aus dem Streitpatent bei Vermarktung einer entsprechenden Badeliege ohne Sitztiefenverstellung beinhaltet, haben sich die Patentinhaber aber in ihrem Antwortschreiben vom 7. Januar 2004 nicht geäußert. Sie haben insbesondere diesem Vorbehalt nicht ausdrücklich zugestimmt, sondern lediglich erklärt, dass sie die aktuelle Angelegenheit auf sich beruhen lassen würden, wenn der Vertrieb des streitbefangenen Badestuhls "MANATEE" eingestellt werde. Ausdrücklich vorbehalten haben die Patentinhaber sich zudem die gerichtliche Weiterverfolgung ihrer Ansprüche, für den Fall, dass erneute Benutzungs- und/oder Vertriebshandlungen betreffend den streitbefangenen Badestuhl von Seiten der deutschen Tochtergesellschaft der dänischen Einsprechenden aufgenommen würden (vgl. Anlage 4, zum Schriftsatz der Patentinhaber vom 18. September 2006, letzter Absatz). Aus diesen Erklärungen der Patentinhaber ergibt sich aber nicht hinreichend deutlich, dass sie ein gerichtliches Vorgehen gegen die deutsche Tochtergesellschaft der dänischen Einsprechenden auch dann ausschließen wollten, wenn diese Badeliegen ohne Sitztiefenverstellung vermarktet hätte, die andere oder gar alle anderen Merkmale nach Anspruch 1 des Streitpatents aufweisen, was angesichts der oben dargestellten, für sie selbst u. a. auch weitreichenden nachteiligen Folgen notwendig gewesen wäre. Da die Patentinhaber den Vorbehalt nicht oder jedenfalls nicht mit der für eine vertragliche Einigung notwendigen Klarheit akzeptiert haben, ist demzufolge eine Nichtangriffsvereinbarung vor der Einlegung des Einspruchs nicht wirksam zustande gekommen. Geeinigt haben sich vielmehr erst die Beteiligten des vorliegenden Verfahrens nach Einlegung des Einspruchs (vgl. hierzu den Schriftsatz der Patentinhaber vom 18. September 2006, Seite 1, letzter Absatz bzw. das am 15. April 2005 eingegangene undatierte Schreiben der Einsprechenden). Selbst wenn diese Einigung zur Unzulässigkeit des Einspruchs führen sollte, kann dies nur "ex nunc" (= ab jetzt bzw. ab sofort) und nicht "ex tunc" (= seit damals) gelten, d. h. die mögliche Unzulässigkeit wirkt jedenfalls nicht auf den Zeitpunkt der Einlegung des Einspruchs zurück, sondern kann allenfalls mit dem Abschluss einer entsprechenden Vereinbarung Rechtsfolgen haben. Bei seiner Einlegung war der Einspruch zulässig, was den Senat - unabhängig von dem nachfolgenden Schicksal des Einspruchs - wegen § 61 Abs. 1 Satz 2 PatG verpflichtet, das Verfahren von Amts wegen fortzusetzen und das Patent auf seine Rechtsbeständigkeit zu überprüfen.
b) Der Einspruch ist auch insofern zulässig, als die Einsprechenden innerhalb der Einspruchsfrist gegenüber dem erteilten Patentanspruch 1 den Widerrufsgrund der mangelnden Neuheit und erfinderischen Tätigkeit - d. h. der fehlenden Patentfähigkeit - geltend gemacht und die Tatsachen im Einzelnen angegeben, die den Einspruch rechtfertigen sollen (vgl. § 59 Abs. 1 Satz 4 PatG), indem sie im Einspruchsschriftsatz den erforderlichen Zusammenhang zwischen dem Stand der Technik und sämtlichen Merkmalen des Patentanspruchs 1 des Streitpatents hergestellt haben (vgl. hierzu BGH BlPMZ 1988, 250, Leitsatz 2, 251, li. Sp., Abs. 1 - "Epoxidation"; Schulte, PatG, 7. Auflage, § 59 Rdn. 77 bis 82). Denn sie haben geltend gemacht, dass Anlage E1 einen Badestuhl für Kinder offenbare, der - insoweit entsprechend den Merkmalen des Patentanspruchs 1 des Streitpatents - ein längenverstellbares Rückenteil und eine Sitzfläche aufweise, und dass dem Fachmann durch den aus dem Jahre 1991 datierten Katalog gemäß Anlage E6 die übrigen Merkmale des Patentanspruchs 1 des Streitpatents nahegelegt seien, wonach die Rückenlehne schwenkbar und die Sitzfläche ebenfalls längsverstellbar ist. Ob die dabei vorgetragenen Tatsachen den Widerruf des Patents auch tatsächlich rechtfertigen, ist nicht bei der Zulässigkeit, sondern bei der Begründetheit des Einspruchs zu prüfen (vgl. BGH BlPMZ 1987, 203, 204, li. Sp., vorle Abs - "Streichgarn"; BlPMZ 1985, 142, Leitsatz - "Sicherheitsvorrichtung"; Schulte, PatG, 7. Auflage, § 59 Rdn. 84).
Die Rücknahme des sonach zulässigen Einspruchs führt damit nur zur Beendigung der Verfahrensbeteiligung der Einsprechenden, d. h. zur Fortsetzung des Verfahrens von Amts wegen und Sachprüfung des Patents ohne die Einsprechenden (vgl. Schulte § 59 Rdn. 231).
2. Im Einspruchsverfahren ist die Zulässigkeit der Patentansprüche von Amts wegen auch dann zu überprüfen, wenn der Widerrufsgrund der unzulässigen Erweiterung - wie vorliegend - nicht geltend gemacht worden ist (vgl. hierzu BGH Mitt 1995, 243, Leitsatz 2 - "Aluminium-Trihydroxid"), zumal das Streitpatent in veränderter Fassung verteidigt wird.
Gegen die Zulässigkeit der geltenden Patentansprüche 1 bis 7 des Streitpatents gibt es jedoch insofern keine Bedenken, als der geltende Patentanspruch 1 in sich die Merkmale der erteilten Patentansprüche 1 bis 3 und 7 vereinigt und die geltenden Unteransprüche 2 bis 7 - in dieser Reihenfolge - mit den erteilten Patentansprüchen 4 bis 6 und 8 bis 10 inhaltsgleich sind. Auch sind die erteilten Patentansprüche 1 bis 10 mit den ursprünglichen Patentansprüchen 1 bis 10 identisch.
3. Nach den Angaben in der geltenden Beschreibung (vgl. die Abschnitte [0001] und [0002]) wird im Oberbegriff des geltenden Patentanspruchs 1 von einer Badeliege ausgegangen, wie sie aus der vorgenannten Druckschrift D3 bekannt ist (vgl. bei der dortigen Badeliege den längenverstellbaren Sitzteil (reservoir 18 for holding an infant, tray 16) und den ebenfalls längenverstellbaren, mit dem Sitzteil über Gelenke (posts 46) um eine Achse schwenkbar verbundenen Rückteil (back rest 14) in Fig. 1 mit zugehöriger Beschreibung).
Derartige Badeliegen dienten dazu, geistig oder körperlich behinderten Personen, insbesondere Kindern, einen sicheren Aufenthalt in einer Badewanne bzw. Dusche zu ermöglichen. Die Badeliegen sollten dabei einen sicheren Halt und körpergerechte Unterstützung bieten und der Körpergröße der aufzunehmenden Person angepasst sein. Auch benötigten bekannte Badeliegen relativ hohe Wasserniveaus, um das Baden zu ermöglichen (vgl. die Abschnitte [0003] und [0004]).
Vor diesem Hintergrund liegt dem Streitpatentgegenstand als technisches Problem die - in der Beschreibung nicht explizit formulierte - Aufgabe zugrunde, eine auf einfache Weise an das Längenwachstum von Kindern anpassbare Badeliege zu schaffen, die mit einem niedrigen Wasserniveau auskommt.
Diese Aufgabe wird mit der Badeliege nach dem geltenden Patentanspruch 1 gelöst.
Denn dadurch, dass das Sitzteil (1) und/oder das Rückteil (2) jeweils eine Verstelleinrichtung (11, 21) zur Längenverstellbarkeit derselben quer zur Schwenk-Achse (T) des Rückteils (2) aufweisen, ist die Badeliege auf einfache Weise an das Längenwachstum von Kindern bzw. an verschieden große Kinder anpassbar (vgl. Abschnitt [0006]).
Dadurch, dass das Sitzteil (1) ausgehend von den Gelenken (3) eine Oberschenkelauflage (10) und eine gelenkig mit dieser verbundene Unterschenkelauflage (13) umfasst und die Badeliege über die Gelenke (3) auf einem Untergrund unmittelbar abstützbar ist, reicht eine geringe Wassermenge aus, um die Badeliege zu überfluten und ein Baden zu ermöglichen (vgl. Fig. 2 i. V. m. dem Abschnitt [0010]).
Zudem kann dadurch, dass das Rückteil (2) ausgehend von den Gelenken (3) eine Rückenauflage (20) und eine gelenkig mit dieser verbundene Kopfauflage (23) umfasst, wobei die Rückenauflage (20) die Verstelleinrichtung (21) aufweist, die Kopfauflage wahlweise nach vorne verstellt oder nach hinten weggeschwenkt werden, um eine angenehme Kopfhaltung zu ermöglichen bzw. den Kopf zum Waschen der Haare nach hinten legen zu können (vgl. Fig. 2 i. V. m. dem Abschnitt [0008]).
4. Der zweifelsohne gewerblich anwendbare Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 des Streitpatents ist gegenüber dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik neu und beruht diesem gegenüber auch auf einer erfinderischen Tätigkeit des zuständigen Durchschnittsfachmanns, der hier als ein mit der Entwicklung und Fertigung von Badeliegen befasster, berufserfahrener Fachhochschulingenieur der Richtung Sanitärweisen mit Erfahrungen im Bereich der Krankenpflege zu definieren ist.
a) Die Neuheit des Gegenstands des geltenden Patentanspruchs 1 ergibt sich ohne weiteres daraus, dass - wie sich implizit aus den nachfolgenden Ausführungen zur erfinderischen Tätigkeit ergibt - der gesamte im Verfahren befindliche Stand der Technik nicht das Merkmal nach dem kennzeichnenden Teil des Patentanspruchs 1 des Streitpatents offenbart, wonach das Rückteil (2) ausgehend von den Gelenken (3) eine Rückenauflage (20) und eine gelenkig mit dieser verbundene Kopfauflage (23) umfasst, wobei die Rückenauflage (20) die Verstelleinrichtung (21) aufweist.
b) Der im Verfahren befindliche Stand der Technik vermag dem vorstehend definierten zuständigen Durchschnittsfachmann den Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents weder einzeln noch in einer Zusammenschau nahezulegen.
Die Kataloge gemäß den Anlagen E2 bis E5, E7 und E8, die Gebrauchsanleitung nach Anlage E2 und die Farbfotos nach den Anlagen E2 und E3 gehören als solche jeweils nicht zum Stand der Technik, da sie kein Veröffentlichungsdatum enthalten, aus dem sich ergäbe, dass sie vorveröffentlicht sind, was im Übrigen auch von den Einsprechenden nicht behauptet worden ist.
Die im Zusammenhang mit den Anlagen E2 bis E5 und E7 geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzungen sind insofern völlig unzureichend substantiiert, als hierzu alle konkrete Angaben darüber fehlen, wer was wann und wo an wen geliefert hat bzw. wer was wann und wo wem angeboten hat (vgl. hierzu BGH GRUR 1995, 333, 334 - "Aluminium-Trihydroxid" m. w. Nachw.; BGH GRUR 1988, 364, 366 - "Epoxidations-Verfahren" m. w. Nachw.; BGH GRUR 1987, 513, 514 - "Streichgarn"; BGH GRUR 1997, 740 - "Tabakdose"). Nach Rücknahme des Einspruchs ist eine diesbezügliche Nachbesserung nebst Vorlage von Beweismitteln durch die Einsprechenden aber nicht mehr zu erwarten, zumal sich die Parteien geeinigt haben. Entsprechendes gilt auch für die - ohne Bezug zu einem der im Verfahren befindlichen Dokumente - weiter geltend gemachte offenkundige Vorbenutzung eines Dolphin Pediatric Bathing Chair. Folglich scheiden auch alle geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzungen als bei der Überprüfung der Patentfähigkeit in Betracht zu ziehender Stand der Technik aus (vgl. hierzu auch Schulte, PatG, 7. Aufl., § 59 Rdn. 204 und 205).
Zum im Verfahren befindlichen Stand der Technik gehören somit nur die Druckschriften D1 bis D4 und der ersichtlich ebenfalls vorveröffentlichte Katalog nach Anlage E6 (vgl. den Druckvermerk 1993-04-19 auf der Titelseite).
In keiner dieser Druckschriften findet sich jedoch ein Hinweis dahin, dass es bei einer gattungsgemäßen Badeliege von Vorteil sein könnte, das Rückteil ausgehend von den Gelenken als Rückenauflage und als gelenkig mit dieser verbundene Kopfauflage auszubilden und die Rückenauflage dabei mit der Verstelleinrichtung zu versehen, wie dies der geltende Patentanspruch 1 des Streitpatents insoweit lehrt.
Die Druckschrift D3, von der - wie dargelegt - im Oberbegriff des geltenden Patentanspruchs 1 ausgegangen wird, schlägt nämlich ein Rückteil (back rest 14) vor, bei dem keinerlei Unterteilung in eine Kopf- und eine Rückenauflage erkennbar ist (vgl. die Figuren 1, 3 und 4 mit zugehöriger Beschreibung). Folglich hat der Fachmann aufgrund dieser Druckschrift keine Veranlassung, das Rückteil speziell als Rückenauflage und gelenkig damit verbundene Kopfauflage auszubilden, wie dies der Lehre des geltenden Patentanspruchs 1 entspricht.
Eine Anregung hierzu erhält der Fachmann indessen auch nicht bei Einbeziehung der Druckschriften D1, D2 und D4 sowie der Anlage E6.
Die einen orthopädischen Kindersitz betreffende Anlage E6 ist von den Einsprechenden nur wegen der Neigbarkeit der Rückfläche und der Verstellbarkeit der Sitztiefe genannt worden (vgl. den Einspruchsschriftsatz vom 5. Mai 2004, Seite 4, Mitte). Das Rückteil ist ausweislich der dortigen Zeichnungen ebenfalls nicht in eine Kopf- und eine Rückenauflage unterteilt.
Entsprechendes gilt auch für die Druckschriften D1, D2 und D4 (vgl. die Figuren 1 bis 4 der Druckschrift D1, die Figuren 1 bis 4 der Druckschrift D2 bzw. die Figuren 1 bis 6 der Druckschrift D4).
Durch die Druckschrift D1 könnte dem Fachmann allenfalls das Merkmal nach dem kennzeichnenden Teil des geltenden Patentanspruchs 1 nahelegt sein, wonach das Sitzteil ausgehend von den Gelenken eine Oberschenkelauflage und eine gelenkig mit dieser verbundene Unterschenkelauflage umfasst. Denn das Sitzteil besteht dort - ausgehend von den Gelenken zwischen und Rück- und Sitzteil - auch bereits aus einer Oberschenkelauflage (ohne Bezugszeichen) und einer gelenkig damit verbundenen Unterschenkelauflage (leg rest 20), wohingegen das Rückteil (back rest 18) demgegenüber nicht in einen Kopf- und eine Rückenauflage unterteilt ist und die Badeliege auch nicht über die Gelenke auf einem Untergrund (Badewannenboden) unmittelbar abgestützt ist (vgl. die Figuren 1 bis 4 mit zugehöriger Beschreibung).
Gemäß Druckschrift D2 besteht das Rückteil (backrest 29) aus einer Rückenauflage mit als Nackenstütze (head support 31) ausgebildetem oberen Rand (vgl. Spalte 3, Zeilen 17 bis 21 i. V. m. den Figuren 1, 2 und 4). Von einer Kopfauflage ist dabei also bewusst abgesehen worden.
Die Druckschrift D4 könnte dem Fachmann lediglich das Merkmal nach dem kennzeichnenden Teil des geltenden Patentanspruchs 1 nahelegen, wonach die Badeliege über die Gelenke auf einem Untergrund unmittelbar abstützbar ist (vgl. dort das auf dem Badewannenboden abgestützte Gelenk (d) zwischen Sitzunterlage (k) und Rückenstütze (m, n) in Fig. 1 mit zugehöriger Beschreibung). Zwar besteht das Rückteil dort auch bereits aus zwei durch ein Gelenk (e) miteinander verbundenen Teilen (m und n), jedoch bildet das obere Teil (n) dabei keine Kopfauflage, sondern eine - durch einen Haken (p) an der Badewannenwand fixierte, d. h. nicht um das Gelenk (e) schwenkbare - Rückenauflage, während das untere Teil (m) um das Gelenk (e) schwenkbar ist, um wahlweise die Sitzunterlage (k) oder die Rückenauflage (n) zu verlängern (vgl. den Patentanspruch i. V. m. den Figuren 1 bis 6 mit zugehöriger Beschreibung auf Seite 1, rechte Spalte, Absatz 1, insbesondere Zeilen 54 bis 59).
Also ist es dem Fachmann auch durch die Druckschriften D1, D2, D4 und die Anlage E6 nicht nahegelegt, bei einer gattungsgemäßen Badeliege das Rückteil als Rückenauflage und gelenkig mit dieser verbundene Kopfauflage auszubilden, wie der geltende Patentanspruch 1 lehrt.
Die Badeliege nach dem geltenden Patentanspruch 1 des Streitpatents ist daher patentfähig.
5. An den Patentanspruch 1 können sich die darauf direkt oder indirekt zurückbezogenen geltenden Unteransprüche 2 bis 7 anschließen, die vorteilhafte und nicht selbstverständliche Ausführungsarten des Gegenstands des Patentanspruchs 1 betreffen.
6. In der Beschreibung ist der maßgebliche Stand der Technik angegeben, von dem die Erfindung ausgeht, und die beanspruchte Badeliege anhand der Zeichnung ausreichend erläutert.
Das Streitpatent war daher entsprechend dem Antrag der Patentinhaber beschränkt aufrechtzuerhalten.
BPatG:
Beschluss v. 07.11.2006
Az: 23 W (pat) 335/04
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