Kammergericht:
Beschluss vom 20. April 2010
Aktenzeichen: 5 W 92/10
(KG: Beschluss v. 20.04.2010, Az.: 5 W 92/10)
Wird in einer Werbung eine DIN-Norm in Bezug genommenen, die bei Angaben des Produktherstellers zu bestimmten Werten seiner Produkte (hier: Wärmedämmungswerte) weitere Verfahrensangaben (betreffend die Feststellung dieser Werte) fordert, dann bezieht sich diese Erfordernis grundsätzlich nur auf Angaben des Herstellers selbst und nur auf solche auf dem Produkt oder seiner Verpackung, nicht aber auf die Angabe dieser Werte durch einen Händler in dessen Werbung für diese Produkte.
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss der Zivilkammer 15 des Landgerichts Berlin vom 23. März 2010 - 15 O 200/10 - wird zurückgewiesen.
2. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt 10.000 €. Der Wert des erstinstanzlichen Verfahrens wird - in Änderung der landgerichtlichen Wertfestsetzung in Ziff. 2 des angefochtenen Beschlusses - auf 10.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die gemäß § 567 Abs. 1 Nr. 2, § 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde des Antragstellers ist nicht begründet, §§ 935, 940 ZPO.
Dem Antragsteller steht gegen den Antragsgegner hinsichtlich des streitgegenständlichen Verbots (Treppen - wie bei eBay geschehen - nach der DIN 14975 zu bewerben, ohne hierbei bei der Angabe der Dämmungs- und/oder Dichtungswerte [U-Werte] für die jeweilige Treppe das Bestimmungsverfahren [berechnet oder durch Prüfung ermittelt] sowie Einzelheiten im Hinblick auf ihre Zusammenstellung [vom Hersteller berechnet oder durch Prüfungen ermittelt oder von einer unabhängigen Stelle durch Prüfungen ermittelt] und die in Bezug genommenen Normen aufzuzeigen) kein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch wegen einer irreführenden Werbung gem. § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 1, § 5a Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 UWG zu.
1.
Die Angabe "DIN" weist auf die vom Deutschen Normenausschuss aufgestellten Normen hin. Diese technischen Regeln sind keine gesetzlichen Vorschriften im Sinne des § 4 Nr.11 UWG (BGH, GRUR 1994, 640, juris Rn. 18 - Ziegelvorhangfassade; Köhler in: Köhler/Bornkamm, UWG, 28. Aufl., § 4 Rn. 11.31 m.w.N.). Sie legen in der Regel Beschaffenheitsmerkmale gewerblicher Erzeugnisse fest und mittelbar auch deren Qualität (Bornkamm, a.a.O., § 5 Rn. 4.69 m.w.N.).
Wird in der Werbung auf DIN-Normen Bezug genommen, so erwartet der Verkehr grundsätzlich, dass die Ware den normierten Qualitätsanforderungen entspricht (BGH, GRUR 185, 555 - Abschleppseile; GRUR 1985, 973, 974 - DIN 2093; GRUR 1988, 832, 833 - Benzinwerbung; Bornkamm, a.a.O.).
2.
Vorliegend hat der Antragsgegner in den zwei streitgegenständlichen eBay-Angeboten Wärmedämmungswerte (U-Wert 0,85 W/m2C°bzw. U-Wert 0,44 W/m2C°) konkret genannt und zugleich - wenn auch nicht in unmittelbarem Zusammenhang - auf die DIN EN14975 hingewiesen ("Nach DIN EN14975 gefertigt" bzw. "Nach DIN EN14975 geprüft"). Dies begründet aber nicht den streitgegenständlichen Unterlassungsanspruch wegen einer Irreführung.
a)
Ob die von dem Antragsgegner genannten Wärmedämmungswerte technisch zutreffen, kann hier dahingestellt bleiben. Eine dahingehende Irreführung ist nicht Streitgegenstand.
aa)
Der Streitgegenstand (der prozessuale Anspruch) wird durch den Klageantrag bestimmt, in dem sich die vom Kläger begehrte Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Klagegrund), aus dem der Kläger diese Rechtsfolge herleitet (BGH, GRUR 2006, 960, TZ. 15 - Anschriftenliste; GRUR 2008, 1121, TZ. 16 m.w.N. - Freundschaftswerbung im Internet). Bei einem wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsantrag besteht die begehrte Rechtsfolge in dem Verbot gerade der bestimmten - als rechtswidrig angegriffenen - Verhaltensweise (Verletzungsform), die der Kläger in seinem Antrag sowie seiner zu Antragsauslegung heranzuziehenden Klagebegründung festgelegt hat (BGH, a.a.O.). Die so umschriebene Verletzungsform bestimmt und begrenzt damit den Inhalt des Klagebegehrens (BGH, a.a.O.). Eine Abwandlung der Verletzungsform, auf die sich der Verbotsausspruch nach dem Willen des Klägers beziehen soll, ändert dementsprechend den Streitgegenstand und setzt deshalb einen entsprechenden Antrag des Klägers voraus (BGH, a.a.O., Anschriftenliste, TZ. 16).
Das Gericht ist zwar verpflichtet, den vorgetragenen Lebenssachverhalt umfassend rechtlich darauf zu überprüfen, ob danach der Klageantrag begründet ist. Es muss dabei aber die Grenzen des vom Kläger bestimmten Streitgegenstands beachten. Das Gericht verstößt deshalb gegen § 308 Abs. 1 ZPO, wenn es dahingehend erkennt, dass der geltend gemachte Anspruch nur unter bestimmten, nicht zum Inhalt des Antrags erhobenen Voraussetzungen bestehe und im Übrigen nicht bestehe. Eine solche Entscheidung spricht nicht lediglich weniger zu als beantragt, sondern anstelle des Beantragten etwas Anderes (BGH, a.a.O., Anschriftenliste, TZ. 16).
Die Bestimmung des Streitgegenstands ist Sache des Klägers. Will er einen weiteren Streitgegenstand in den Prozess einführen, muss er zweifelsfrei deutlich machen, dass er einen neuen prozessualen Anspruch verfolgt; ein neuer Sachvortrag genügt als solcher nicht (BGH, a.a.O., Anschriftenliste, TZ. 20 m.w.N.).
bb)
Vorliegend beanstandet der Antragsteller gemäß seinem Unterlassungsantrag und dem hierzu in der Antragsschrift vorgetragenen Sachverhalt nur das Fehlen bestimmter erläuternder Angaben, nicht aber eine Fehlerhaftigkeit vorhandener Angaben.
Mit der sofortigen Beschwerde weist der Antragsteller zwar hinsichtlich einer Treppe auf einen ungünstigeren vom Hersteller in seiner Werbung angegebenen U-Wert hin. Selbst der Antragsteller zieht daraus aber nur den Schluss, der vom Antragsgegner beworbene U-Wert sei nicht "bauteilgeprüft". Dies bedeutet nicht notwendig einen technisch fehlerhaft ermittelten U-Wert. Darüber hinaus erfasst nach wie vor der mit der sofortigen Beschwerde gestellte Unterlassungsantrag keine Irreführung hinsichtlich der genannten U-Werte selbst.
b)
Die vom Antragsgegner in dessen streitgegenständlichen Werbungen in Bezug genommene DIN EN 14975 fordert in Ziff. 6.17, dass - falls vom Hersteller Dämmungs- und/oder Dichtungswerte für das nach den Anleitungen des Herstellers eingebaute Erzeugnis angegeben werden - für jede Angabe das Bestimmungsverfahren (berechnet oder durch Prüfung ermittelt) sowie Einzelheiten im Hinblick auf ihre Zusammenstellung (vom Hersteller berechnet oder durch Prüfungen ermittelt oder von einer unabhängigen Prüfstelle durch Prüfungen ermittelt) aufzuzeigen sind, ebenso die in Bezug genommenen Normen.
Auch diese Erfordernisse können das streitgegenständliche Unterlassungsbegehren nicht begründen.
aa)
Die von der DIN EN 14975 in Ziff. 6.17 geforderten Angaben dienen ersichtlich dazu, Angaben des Herstellers zu Dämmungs- oder Dichtungswerten einer objektiven Nachprüfung zugänglich zu machen. Solange derartige U-Werte zulässig auf verschiedene Weise technisch bestimmt werden können, ermöglichen die geforderten Verfahrensangaben einem Fachmann die Kontrolle dieser Werte. Damit soll einer Angabe (mehr oder weniger) unkontrollierbarer und deshalb (weil sanktionsloser) beliebiger U-Werte durch den Hersteller entgegengewirkt werden.
15Die DIN EN 14975 besagt in Ziff. 6.17 allerdings nicht, wann und wo die Verfahrensangaben gemacht werden müssen. Schon der Wortlaut lege aber nahe, dass diese Verfahrensangaben nur erfolgen müssen, wenn und soweit der "Hersteller" Dämmungs- und/oder Dichtungswerte angibt. Damit betreffen die Anforderungen in Ziff. 6.17 nur den Hersteller selbst. Dafür spricht auch, dass das Regelungswerk der DIN EN 14975 produktbezogenen ist. Dieses Regelwerk stellt Anforderungen für das Produkt, seine Herstellung, Verpackung und Kennzeichnung auf. Macht der Hersteller auf dem Produkt oder seiner Verpackung Angaben zu U-Werten, dann soll er dort zugleich die weiteren Verfahrensangaben gemäß Ziff. 6.17 vornehmen. Nur insoweit kann auch von neutralen Prüfstellen die Einhaltung dieser DIN-Vorschriften überprüft werden. Um den Inhalt werbender Angaben von Händlern zu dem Produkt gegenüber Verbrauchern kann es dabei offensichtlich nicht gehen. Auch ein verständiger Durchschnittsverbraucher könnte etwa mit der in Ziff. 6.17 geforderten Angabe der der Wertermittlung zu Grunde gelegten konkreten Norm (etwa EN ISO 6946) nichts anfangen. Darüber hinaus ist vorliegend weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass selbst einem Fachmann die Prüfung der Richtigkeit eines in der Werbung angegebenen U-Wertes (sogar bei Mitteilung der in Ziff. 6.17 geforderten Verfahrensangaben in der Werbung) möglich wäre, ohne dass dieser nicht auch die Ware selbst zur Hand haben müsste. Sind aber an einer Kontrolle Interessierte darauf angewiesen, auch die Ware selbst zu erwerben, ist dem Zweck der Ziff. 6.17 bereits dadurch hinreichend Rechnung getragen, dass die geforderten Verfahrensangaben auf dem Produkt oder seiner Verpackung gemacht werden.
bb)
Ob die vorgenannten Verfahrensangaben auf den vom Antragsgegner beworbenen Produkten oder ihrer Verpackung enthalten sind, kann hier dahingestellt bleiben. Denn auch derartiges ist vorliegend nicht Streitgegenstand. Weder nach seinem Antrag noch nach seinem Sachvortrag beanstandet der Antragsteller unzureichende Angaben des Herstellers auf dem Produkt oder seiner Verpackung. Beanstandet werden allein unzureichende Angaben in der Werbung des Antragsgegners (eines Händlers) für das Produkt.
cc)
Es ist darüber hinaus nicht ersichtlich, dass der von der streitgegenständlichen Werbung angesprochene verständige Durchschnittsverbraucher durch das Fehlen der vorgenannten Verfahrensangaben in der Werbung irregeführt werden könnte.
Ein Verbraucher als technischer Laie wäre noch weniger als ein Fachmann in der Lage, allein aufgrund von Werbeangaben die genannten U-Werte zu überprüfen. Es ist nicht einmal dargetan, dass ein solcher Verbraucher zutreffend erkennen könnte, ob ein vom Hersteller berechneter oder ein von diesem durch Prüfungen ermittelter Wert eine zuverlässigere Aussage treffen würde. Dies mag in Betracht kommen, wenn es darum geht, ob der Hersteller oder eine unabhängige Prüfstelle den Wert festgestellt hätte. Vorliegend hat der Antragsgegner eine Prüfung der von ihm genannten U-Werte durch eine unabhängige Prüfstelle aber gerade nicht behauptet oder auch nur suggeriert. Die vom Antragsgegner in Bezug genommene DIN EN 14975 erfordert zur Feststellung der U-Werte gerade nicht ausschließlich eine unabhängige Prüfung. Die Angabe der der Wertermittlung zu Grunde gelegten Normen (etwa EN ISO 6946) in einer Werbung mag dem Verbraucher ein Gefühl der Sicherheit geben können. Werden aber - wie vorliegend - solche Normen gerade nicht für die angegebenen U-Werte mitgeteilt, kann darauf keine relevante Irreführung des Verbrauchers gestützt werden.
Im Übrigen bringt der Wortlaut der beanstandeten Werbungen (€Nach DIN EN 14975 gefertigt€ bzw. € ... geprüft€) nur zum Ausdruck, dass diese DIN-Regelungen bei der Herstellung der beworbenen Ware beachtet wurden, nicht aber zugleich auch bei ihrer Bewerbung.
II.
Die Nebenentscheidungen zu den Kosten und zur Wertfestsetzung beruhen auf § 97 Abs. 1, § 3 ZPO. Vorliegend ist von der vom Antragsteller verfahrenseinleitend - und damit noch unbeeinflusst vom Verfahrensausgang - gemachten Wertangabe in Höhe von 10.000 € auszugehen. Dieser Wert ist jedenfalls nicht überhöht. Denn nach dem insoweit zugrunde zulegenden Vortrag des Antragstellers sollen die von ihm in der streitgegenständlichen Werbung des Antragsgegners vermissten Angaben für die Kaufentscheidung der Verbraucher eine erhebliche Bedeutung haben.
KG:
Beschluss v. 20.04.2010
Az: 5 W 92/10
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