Landgericht Wuppertal:
Urteil vom 23. Februar 2012
Aktenzeichen: 12 O 3/12

(LG Wuppertal: Urteil v. 23.02.2012, Az.: 12 O 3/12)

Eine Augenärztin, die Patienten, die zu einer Operation eine Augenklinik aufsuchen müssen,

einen kostenlosen Fahrdienst anbietet, bei dem sie bei der Augenpraxis abgeholt, zu der

Augenklinik gebracht und nach der Behandlung nach Hause gefahren werden, vestößt gegen das

Verbot, Zuwendungen und sonstige Werbegaben (Waren oder Leistungen) anzubieten, gemäß

§ 7 Abs. 1 HWG.

Tenor

Die Antragsgegnerin hat es bei Meidung eines vom Gericht für jeden

Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgelds von bis zu

250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu

6 Monaten, zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Patienten,

die zu einer Operation die Augenklinik X in Bad H aufsuchen

müssen, ohne Berechnung von Kosten einen Fahrdienst anzubieten und/oder

zur Verfügung zu stellen, bei dem die Patienten von der Augenarztpraxis der

Antragsgegnerin in S abgeholt, zur Augenklinik X nach Bad

H gebracht werden und nach der Behandlung wieder nach Hause

zurückgebracht werden.

Die Kosten des Verfahrens werden der Antragsgegnerin auferlegt.

Tatbestand

Der Antragsteller ist Augenarzt und betreibt in F eine große augenärztliche Praxis. Er führt ambulante und als Belegarzt auch stationäre Augenoperationen durch.

Die Antragsgegnerin betreibt eine Augenarztpraxis in S.

Auf ihrer Internetseite bot sie eine Vielzahl ambulanter Augenoperationen an und führte hierzu aus:

„Diese Operationen erfolgen in Kooperation mit der Augenklinik X.

Bei Bedarf … ist dort auch eine stationäre Behandlung möglich. Von unserer

Augenarztpraxis in S besteht ein kostenloser Shuttle-Service in die

Klinik und zurück zur Wohnung des Patienten.“

Der Antragsteller sieht in diesen Ausführungen zu einem kostenlosen Fahrservice das Angebot einer Dienstleistung als Zugabe, die gegen das Zugabeverbot gem. § 7 Abs. 1 HWG verstoße und daher wettbewerbswidrig sei. Hierbei bestehe zwischen ihm und der Antragsgegnerin ein Wettbewerbsverhältnis, da er auch Patienten aus S behandle.

Der Antragsteller beantragt,

zu erkennen wie geschehen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Sie tritt dem Vorbringen des Antragstellers entgegen und bestreitet sowohl ein Wettbewerbsverhältnis zwischen ihr und dem Antragsteller als auch einen Verstoß gegen das Zugabeverbot durch den Hinweis auf den nicht von ihr, sondern von der Klinik X angebotenen Fahrdienst. Im Übrigen habe sie - was unstreitig ist - den Hinweis von ihrer Internetseite entfernt, nachdem sie der Antragsteller davon in Kenntnis gesetzt habe, dass das Landgericht Köln durch einstweilige Verfügung vom 12.12.2011 der Augenklinik X verboten habe, den kostenlosen Fahrdienst anzubieten.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und den Akteninhalt im Übrigen Bezug genommen.

Gründe

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist gemäß §§ 7 HWG, 3, 4 Nr. 11, 8, 12, 14 UWG zulässig und begründet; mit dem angegriffenen Internettauftritt hat die Antragsgegnerin wettbewerbswidrig geworben. Da insoweit auch eine Wiederholungsgefahr besteht, kann der Antragsteller als Mitbewerber sie auf Unterlassung in Anspruch nehmen.

Die angegriffene Werbung ist unlauter im Sinne der §§ 3, 4 Nr. 11 UWG.

Dadurch, dass die Antragsgegnerin für Patienten, die eine Augenoperation vornehmen lassen wollen, auf ihrer Internetseite einen kostenlosen Fahrdienst von ihrer Praxis zu der Augenklinik X in Bad H und zurück zur Wohnung der Patienten angeboten bzw. angekündigt hat, hat sie gegen § 7 Abs. 1 HWG verstoßen. Danach ist das Anbieten bzw. die Ankündigung von Zuwendungen zu medizinischen Dienstleistungen unzulässig. Bei dem von der Antragsgegnerin beworbenen Fahrdienst handelt es sich um eine Dienstleistung, die als Zuwendung in diesem Sinne anzusehen ist. Diese Dienstleistung wird von der Antragsgegnerin auch als Zugabe zu den von ihr aufgeführten Augenoperationen angeboten bzw. angekündigt. Hierbei ist es unerheblich, dass der Fahrdienst von der Augenklinik X gestellt und finanziert wird. Allein der konkrete Hinweis auf einen solchen Fahrdienst eines Dritten von der Praxis der Antragsgegnerin aus zur Klinik nach Bad H und zurück zur Wohnung des Patienten fällt unter § 7 Abs. 1 HWG. Unabhängig von der konkreten Ausgestaltung des Fahrdienstes bewirbt die Antragsgegnerin diesen mit ihren Ausführungen im Internet und bietet damit eine Zugabe an, auch wenn diese von einem Dritten finanziert wird.

Die Antragsgegnerin kann sich nicht darauf berufen, diese Zuwendung sei gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 3 HWG zulässig. Der insoweit darlegungspflichtigen Antragsgegnerin ist es nicht gelungen, hinreichend konkret darzulegen oder gar glaubhaft zu machen, dass der von ihr beworbene kostenlose Patiententransport handelsüblich im Sinne der genannten Norm ist. Dass vereinzelt auch andere Ärzte auf ihren Internetseiten mit kostenlosen Fahrdiensten werben, ist insofern nicht ausreichend. Auch zeigt das in § 7 Abs. 1 Nr. 3 HWG aufgeführte Beispiel für eine handelsübliche Nebenleistung, dass der von der Antragsgegnerin beworbene Fahrdienst gerade nicht hierunter fällt. Danach gilt als handelsüblich insbesondere eine im Hinblick auf den Wert der Ware oder Leistung angemessene teilweise oder vollständige Erstattung oder Übernahme von Fahrtkosten für Verkehrsmittel des öffentlichen Nahverkehrs, die im Zusammenhang mit dem Besuch des Geschäftslokals oder des Orts der Erbringung der Leistung aufgewendet werden müssen. Der individuelle Transport von Patienten von der Praxis der Antragsgegnerin zur Klinik X und zurück zur Wohnung des Patienten geht weit über die Kostenerstattung bzw. -übernahme für eine Beförderung des Patienten mit öffentlichen Verkehrsmitteln hinaus.

Dieser Verstoß gegen § 7 HWG ist zugleich als unlautere Werbung gemäß § 4 Nr. 11 UWG anzusehen. Zu den Marktverhaltensregeln im Sinne dieser Norm gehört auch das Verbot von Zuwendungen und Werbegaben gemäß § 7 HWG. Diese Vorschrift bezweckt auch den Schutz der Verbraucher vor unsachlicher Beeinflussung bei der Entscheidung, ob und welche Heilmittel bzw. ärztlichen Leistungen sie in Anspruch nehmen (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 30. Aufl., § 4 Rn. 11.135, m.w.N.).

Der Wettbewerbsverstoß indiziert die für einen Unterlassungsanspruch gemäß § 8 UWG erforderliche Wiederholungsgefahr. Danach streitet eine tatsächliche Vermutung für diese Wiederholungsgefahr (vgl. Köhler a.a.O., § 8 Rn. 1.33, m.N.). Diese Wiederholungsgefahr ist vorliegend nicht ausnahmsweise fortgefallen. Das bloße Entfernen der wettbewerbswidrigen Werbung von ihrer Internetseite seitens der Antragsgegnerin ist insofern nicht ausreichend. Es ist in keiner Weise sichergestellt, dass sie diese Werbung zukünftig nicht wieder einstellt, insbesondere hat die Antragsgegnerin es abgelehnt, diesbezüglich eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. Auch zeigt ihr Vorbringen im vorliegenden Verfahren, dass sie ihr Verhalten gerade nicht als wettbewerbswidrig ansieht und allenfalls bereit ist, den Ausgang des erwähnten einstweiligen Verfügungsverfahrens vor dem Landgericht Köln, in dem die Klinik X vom Antragsteller vorläufig erfolgreich auf Unterlassung in Anspruch genommen worden ist, abzuwarten.

Im Hinblick auf die hier vom Antragsteller als wettbewerbswidrig angegriffene Internetwerbung der Antragsgegnerin besteht zwischen den Parteien auch ein konkretes Wettbewerbsverhältnis; der Antragsteller ist als Mitbewerber der Antragsgegnerin im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 3 UW anzusehen und damit antragsbefugt nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG.

Bei der Beantwortung der Frage, ob ein konkretes Wettbewerbsverhältnis vorliegt, ist anzuknüpfen an die konkrete geschäftliche Handlung; es ist im Rahmen einer räumlichen Marktabgrenzung festzustellen, ob mit einiger Wahrscheinlichkeit eine Auswirkung der angegriffenen Werbemaßnahme auf den Unterlassung begehrenden Unternehmer gegeben oder zu befürchten ist, wofür u.a. auch die Reichweite der angegriffenen Werbung von Bedeutung ist (vgl. Köhler, a.a.O., § 2 Rn. 106 c, m.N.). Hierzu ist vorliegend festzustellen, dass die Internetwerbung der Antragsgegnerin auch potentielle Patienten des Antragstellers anspricht, insbesondere nachdem dieser glaubhaft gemacht hat, dass er im zweiten Halbjahr 2011 18 Patienten in F operiert hat, die ihren Wohnsitz in S und T hatten. Es ist offensichtlich, dass jedenfalls die konkrete Gefahr besteht, dass potentielle Patienten aus S oder T und anderen im Einzugsgebiet von S liegender Gemeinden nach einer Internetrecherche bei einer anstehenden Augenoperation wegen des angebotenen kostenlosen Fahrdienstes nach und von Bad H sich für die Antragsgegnerin bzw. die Klinik X statt für den von dieser Klinik nicht weit entfernt praktizierenden Antragsteller entscheiden, zu dem sie selbst die Fahrt organisieren und bezahlen müssten. Die Beeinträchtigung ist für den Antragsteller auch spürbar, wobei zu beachten ist, dass das Verbot in die Zukunft gerichtet ist und es daher insoweit nicht entscheidend ist, dass er im 2. Halbjahr 2011 nach seiner eidesstattlichen Versicherung (nur) 18 Patienten aus S und T behandelt hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Eine Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ist nicht geboten, diese ist vielmehr bei einem eine einstweilige Verfügung erlassenden Urteil ohne weiteres gegeben.

Streitwert: 50.000,00 €.






LG Wuppertal:
Urteil v. 23.02.2012
Az: 12 O 3/12


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