Landesarbeitsgericht Hamm:
Beschluss vom 17. Juni 2008
Aktenzeichen: 10 Ta 341/08

(LAG Hamm: Beschluss v. 17.06.2008, Az.: 10 Ta 341/08)

Tenor

Auf die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Herne vom 02.04.2008 - 2 BVGa 8/07 - abgeändert.

Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 10.000,00 € festgesetzt.

Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

Gründe

I.

Im Ausgangsverfahren hat der Betriebsrat die Arbeitgeber auf Feststellung in Anspruch genommen, dass der 2006 gewählte dreiköpfige Betriebsrat bis zum Ablauf der Wahlperiode im Amt ist. Ferner hat er Hilfsanträge angekündigt.

Durch Beschluss vom 03.01.2008 hat das Arbeitsgericht dem Hauptantrag des Betriebsrates stattgegeben. Der Beschluss vom 03.01.2008 wurde rechtskräftig.

Auf Antrag der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrates hat das Arbeitsgericht durch Beschluss vom 02.04.2008 den Gegenstandswert für das Ausgangsverfahren auf 7.000,00 € festgesetzt. Gegen diesen dem Betriebsrat am 11.04.2008 zugestellten Beschluss wenden sich die Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrates mit der am 15.04.2008 beim Arbeitsgericht eingegangenen Beschwerde, der das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat.

Die Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrates sind der Auffassung, dass der Gegenstandswert von grundsätzlich 10.000,00 € nicht allein deshalb ermäßigt werden könne, weil der Betriebsrat sein Begehren im Wege der einstweiligen Verfügung geltend gemacht habe.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Verfahrensakten Bezug genommen.

II.

Die nach § 33 Abs. 3 RVG zulässige Beschwerde ist begründet.

Der Gegenstandswert für das vorliegende Beschlussverfahren war gemäß § 23 Abs. 3 RVG auf 10.000,00 € festzusetzen.

Die Festsetzung des Gegenstandswerts für das vorliegende Beschlussverfahren richtet sich nach § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG, wonach der Gegenstandswert in Fällen der vorliegenden Art nach billigem Ermessen zu bestimmen ist. § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG stellt eine Auffangnorm für Angelegenheit dar, für die Wertvorschriften fehlen. Der Auffangtatbestand des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG ist ebenso wie früher § 8 Abs. 2 BRAGO insbesondere für nicht vermögensrechtliche Streitigkeiten bedeutsam, deren Wert auf anderem Wege nicht bestimmt werden kann. Die Wertfestsetzung nach billigem Ermessen kommt im Anwendungsbereich des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG aber immer erst hinter allen sonstigen Bewertungsfaktoren zum Zuge. Für das arbeitsgerichtliche Beschlussverfahren folgt bereits hieraus, dass die wirtschaftliche Bedeutung des jeweiligen Streitgegenstands vielfach im Vordergrund stehen muss (LAG Hamm, 24.11.1994 – LAGE BRAGO § 8 Nr. 27; LAG Hamm, 12.06.2001 – LAGE BRAGO § 8 Nr. 50; LAG Hamm, 28.04.2005 – NZA-RR 2005, 435; GK-ArbGG/Wenzel, § 12 Rz. 194, 441 ff.).

Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit für das vorliegende Beschlussverfahren sich nach den Grundsätzen richtet, die für die Wertfestsetzung in Wahlanfechtungsverfahren nach § 19 BetrVG entwickelt worden sind. Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit für ein arbeitsgerichtliches Beschlussverfahren, mit dem eine Betriebsratswahl nach § 19 BetrVG angefochten wird, richtet sich regelmäßig nach der Zahl der zu wählenden Betriebsratsmitglieder, die gemäß § 9 BetrVG durch die Größe des Betriebes bestimmt wird. Dies entspricht der überwiegenden Auffassung der Landesarbeitsgerichte (LAG Berlin, 17.12.1991 – NZA 1992, 327; LAG Thüringen, 13.11.1998 – AuR 1999, 146; LAG Köln, 10.10.2002 – NZA-RR 2003, 493; LAG Schleswig-Holstein, 09.07.2003 – LAGE BRAGO § 8 Nr. 55). Die zuständigen Kammern des Beschwerdegerichts haben sich dieser Auffassung in ständiger Rechtsprechung angeschlossen (LAG Hamm, 09.03.2001 – LAGE BRAGO § 8 Nr. 48 a = NZA-RR 2002, 104; LAG Hamm, 28.04.2005 – NZA-RR 2005, 435; Wenzel, aaO, § 12 Rz. 461, 464). Ein Wahlanfechtungsverfahren, das die Wahl eines dreiköpfigen Betriebsrats zum Gegenstand hätte, würde hiernach mit einem Gegenstandswert von 10.000,00 € bewertet.

Für den Feststellungsantrag im Ausgangsverfahren, der den Fortbestand des Mandats des Betriebsrates bis zum Ablauf der Wahlperiode zum Gegenstand hatte, kann nichts anderes gelten. Dass das vorliegende Verfahren nicht direkt im Zusammenhang mit einer anstehenden Betriebsratswahl eingeleitet worden ist, erscheint für die Wertfestsetzung unerheblich (LAG Hamburg, 17.12.1996 – LAGE BRAGO § 8 Nr. 37). Sachgerecht auch für das vorliegende Verfahren ist es, bei der Wertfestsetzung an die Zahl der betroffenen Arbeitnehmer und die Größe des Betriebsrates anzuknüpfen (ebenso LAG Bremen, 12.05.1999 – LAGE BRAGO § 8 Nr. 43; LAG Hamm, 07.01.2008 – 10 Ta 829/07 –). Angesichts der Größe des gewählten Betriebsrates, dessen Amt im Streit ist, ist auch im vorliegenden Fall von einem Wert von 10.000,00 € auszugehen.

Soweit das Arbeitsgericht den Gegenstandswert von 10.000,00 € jedoch um 30 % reduziert hat, weil es sich um ein Verfahren der einstweiligen Verfügung gehandelt hat, vermag die Beschwerdekammer dem nicht zu folgen.

Zwar wird vielfach im einstweiligen Verfügungsverfahren ein Abschlag gegenüber dem Hauptsacheverfahren vorgenommen (LAG Hamm, 15.04.1993 – LAGE BRAGO § 8 Nr. 22; Bertelsmann, Gegenstandswert im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren, S. 30 m.w.N.). Sichert jedoch ein einstweiligen Verfügungsverfahren bei Erfolg des Antragstellers den geltend gemachten Anspruch, handelt es sich um eine Befriedigungs- bzw. Erfüllungsverfügung, erscheint ein Wertabzug in Höhe von einem Drittel, der Hälfte oder gar auch zwei Dritteln des Hauptsacheverfahrens nicht gerechtfertigt. Es wird nämlich in derartigen Fällen nicht nur eine vorläufige Regelung getroffen. Die Streitigkeit ist vielmehr regelmäßig mit dem Erlass der einstweiligen Verfügung beendet (LAG Bremen, 15.02.1990 – LAGE BRAGO § 8 Nr. 14; LAG Köln, 09.06.1999 – NZA-RR 1999, 608; LAG Hamm, 12.06.2001 - LAGE BRAGO § 8 Nr. 50; LAG Hamm, 28.04.2005 – NZA-RR 2005, 435; LAG Hamm, 12.07.2006 – AuA 2007, 122; LAG Hamm, 27.10.2006 – NZA-RR 2007, 153). So liegt der vorliegende Fall. Mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist durch den Betriebsrat keine vorläufige oder einstweilige Regelung für einen bestimmten Zeitraum begehrt worden. Der Antrag des Betriebsrates betrifft auch keinen zeitlich beschränkten Zeitraum, sondern ist unbeschränkt bis zum Ablauf der Wahlperiode gestellt worden. Mit Ablauf der Wahlperiode endete das Amt des Betriebsrates ohnehin. Mit dem Erlass der einstweiligen Verfügung hatte sich auch ein Hauptsacheverfahren, das offenbar gar nicht eingeleitet worden ist, erledigt. Insoweit hatte das vorliegende Verfahren gerade keinen vorläufigen Charakter. Durch das vorliegende Verfahren ist der Streit zwischen den Beteiligten darüber, ob der 2006 gewählte dreiköpfige Betriebsrat noch bis zum Ablauf der Wahlperiode im Amt war, endgültig erledigt worden.

III

Nach § 1 Satz 2 GKG waren Kosten nicht zu erheben (KV 8614 GKG), da der Beschwerde stattgegeben worden ist.

Schierbaum






LAG Hamm:
Beschluss v. 17.06.2008
Az: 10 Ta 341/08


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