Bundespatentgericht:
Beschluss vom 4. Juli 2001
Aktenzeichen: 26 W (pat) 279/00

(BPatG: Beschluss v. 04.07.2001, Az.: 26 W (pat) 279/00)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 39 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 8. März und 20. September 2000 insoweit aufgehoben, als die Anmeldung für die Dienstleistungen "Werbung, Beherbergung von Gästen" zurückgewiesen wurde.

Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I.

Mit den vorgenannten Beschlüssen hat die Markenstelle für Klasse 39 des Deutschen Patent- und Markenamts die für die Dienstleistungen

"Werbung, Veranstaltung von Reisen, sportliche und kulturelle Aktivitäten, Beherbergung von Gästen"

angemeldete Wortmarke AKTIV REISEN gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 und 2 im MarkenG wegen fehlender Unterscheidungskraft und wegen des Bestehens eines Freihaltebedürfnisses zurückgewiesen. Die Zurückweisung ist im wesentlichen damit begründet, daß die angemeldete Wortmarke für die beanspruchten Dienstleistungen einen unmittelbar beschreibenden Werbecharakter aufweise, denn sie besage lediglich, daß Reisen angeboten würden, die sich ausschließlich an Urlauber wendeten, die ihre Ferien aktiv mitgestalten wollten. Als ohne weiteres verständliche, unmittelbar beschreibende Angabe sei die Kennzeichnung "AKTIV REISEN" nicht geeignet, die betreffenden Dienstleistungen hinsichtlich ihrer Herkunft aus einem Unternehmen von denjenigen anderer Unternehmen zu entscheiden. An der ohne weiteres verständlichen, die beanspruchten Dienstleistungen unmittelbar beschreibenden Angabe bestehe außerdem ein Freihaltebürfnis.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Ihrer Ansicht nach stehen der begehrten Eintragung keine Schutzhindernisse entgegen. Zwar seien die beiden Wortbestandteile "AKTIV" und "REISEN" für sich gesehen gebräuchliche Wörter, denen für bestimmte Bereiche eine unmittelbar beschreibende Bedeutung zukommen könne. Die Anmeldung "AKTIV REISEN" sei jedoch als Wort im inländischen Verkehr nicht gebräuchlich und unterscheide sich wesentlich von gängigen Wortzusammensetzungen wie "Aktivferien" oder "Abenteuerurlaub". Schon aus der mangelnden Gebräuchlichkeit ergebe sich, daß ein beschreibender Begriffsinhalt, der von dem inländischen Verkehr auch so verstanden werde, nicht vorhanden sei. Andererseits stelle "AKTIV REISEN" für die beanspruchten Dienstleistungen auch bei konkreter Betrachtung keine unmittelbar beschreibende Angabe dar, denn entgegen der Annahme der Markenstelle erschöpften sich die beanspruchten Dienstleistungen nicht darin, daß Reisen angeboten würden, die sich ausschließlich an Urlauber wendeten, die ihre Ferien aktiv mitgestalten wollten. Die Anmelderin offeriere unter der Bezeichnung "AKTIV REISEN" vielmehr sämtliche Dienstleistungen - vom Flugscheinverkauf bis zur Pauschalreise. Die angemeldete Wortfolge weise den angesprochenen Verkehr deshalb eindeutig auf die Herkunft der betreffenden Dienstleistungen aus einem bestimmten Unternehmen hin. Da die Markenstelle noch nicht einmal behauptet habe, daß die angemeldete Begriffskombination von Mitbewerbern beschreibend verwendet werde, sei ein Freihaltebedürfnis ebenfalls zu verneinen.

Nachdem der Senat der Anmelderin das Ergebnis einer Internet-Recherche zu dem Suchbegriff "Aktivreisen" zur Kenntnis- und Stellungnahme zugeleitet hat, bietet sie an, die angemeldete Marke in eine der folgenden Formen abzuändern: "AKTIV REISEN Berlin", "Aktivreisen am Bundesplatz" und "Aktivreisen Australien".

II.

Die zulässige Beschwerde erweist sich in der Sache teilweise als begründet, denn hinsichtlich der beanspruchten Dienstleistungen "Werbung, Beherbergung von Gästen" stehen der begehrten Eintragung die Schutzhindernisse des § 8 Abs 2 Nr 1 und 2 MarkenG nicht entgegen. Hinsichtlich der darüber hinaus begehrten Dienstleistungen "Veranstaltung von Reisen, sportliche und kulturelle Aktivitäten" ist die angemeldete Zeichnung wegen des Bestehen eines Freihaltebedürfnisses jedoch von der Eintragung ausgeschlossen.

1. Nach § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG sind nur Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr ua zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder der Bezeichnung sonstiger Merkmale der in Frage stehenden Dienstleistungen dienen können. Dabei ist jedoch davon auszugehen, daß ein Eintragungshindernis auch dann besteht, wenn eine Benutzung als Sachangabe bisher noch nicht erfolgt ist, eine solche jedoch nach den gegebenen Umständen erfolgen wird (vgl BGH GRUR 1995, 408, 409 - PROTECH). Zu den nach § 8 Abs 2, Nr 2 MarkenG vom Markenschutz ausgeschlossenen Angaben zählen allerdings nicht nur die ausdrücklich aufgeführten, sondern auch solche, die für den Warenverkehr wichtige und für den umworbenen Abnehmerkreis irgendwie bedeutsame Umstände mit konkretem Bezug auf die betreffenden Dienstleistungen selbst beschreiben (vgl BGH GRUR 1998, 813 - CHANGE; BGH BlPMZ 1999, 410, 411 - FOR YOU). Zu diesen Angaben oder Umständen gehört die Anmeldung "AKTIV REISEN", soweit die Anmelderin die angemeldete Marke für die Dienstleistungen "Veranstaltung von Reisen, sportliche und kulturelle Aktivitäten" beansprucht.

Das Ergebnis der Internetrecherche, die der Senat zur gegenwärtigen Verwendung von "Aktivreisen" durchgeführt hat und die der Anmelderin zur Kenntnis- und Stellungnahme zugeleitet wurde, belegt, daß die Bezeichnung "Aktivreisen" und auch "Aktiv Reisen" bereits häufig von Reiseveranstaltern oder Reisebüros verwendet wird, um entweder als Bestandteil ihres Firmennamens oder in der Beschreibung ihrer speziellen (Reise-)Angebote auf ihre Sport- oder Erlebnisreisen "für aktive Leute", "für Jugendliche mit Sport und Action" etc. hinzuweisen (vgl zB "Fahrtwind Aktivreisen", "Lahntours Aktivreisen" etc). Gegenüber dieser nachweisbaren Verwendung und dem sich daraus ergebenden aktuellen Bedürfnis der Mitbewerber an der ungehinderten Verwendung der angemeldeten Bezeichnung kann die Anmelderin nicht mit Erfolg darauf verweisen, daß sich die begehrte Kennzeichnung durch ihre getrennte Schreibweise und die Verwendung von Großbuchstaben von der überwiegend üblichen Schreibweise "Aktivreisen" unterscheidet. Abgesehen davon, daß die Schreibweisen von "Aktiv Reisen" ohnehin differieren (vgl zB "sarischultz aktivreisen" oder "Aktiv-Reisen velotours..."), sind die Abweichungen in der Schreibweise von "AKTIV REISEN" so gering, daß sie vom Verkehr unbemerkt bleiben oder für einen Druckfehler und damit für eine unwesentliche Abwandlung gehalten werden. Damit weist die Anmeldung "AKTIV REISEN" unmittelbar auf den Schwerpunkt der unter dieser Kennzeichnung angebotenen Dienstleistungen "Veranstaltung von Reisen, sportliche und kulturelle Aktivitäten" hin, so daß der begehrten Schutzgewährung das Freihaltebedürfnis der Mitbewerber der Anmelderin entgegensteht. Dieses Eintragungshindernis kann auch nicht etwa durch eine Änderung der angemeldeten Marke wie es die Anmelderin im Schriftsatz vom 30. Mai 2001 angeboten hat, beseitigt werden, denn eine derartige Änderung der Anmeldung würde dem Grundsatz der Unveränderlichkeit einer angemeldeten Marke widersprechen und ist deshalb nicht zulässig (vgl dazu Fezer Markenrecht, 2. Auflage, § 39 Rdn 10).

Soweit die angemeldete Marke allerdings Schutz für die Dienstleistungen "Werbung, Beherbergung von Gästen" begehrt, stehen der Eintragung die Schutzhindernisse des § 8 Abs 2 Nr 1 und 2 MarkenG nicht entgegen. Eine Verwendung der um Schutz nachsuchenden Kennzeichnung als beschreibende Angabe für diese Dienstleistungen hat die Markenstelle nicht belegt. Auch der Senat hat keine entsprechenden Nachweise insoweit ermitteln können. Von einem auf gegenwärtige Benutzung als Sachangabe beruhenden Freihaltungsbedürfnis kann deshalb in Bezug auf die betreffenden Dienstleistungen nicht ausgegangen werden. Ebenso wenig liegen hinreichende Anhaltspunkte dafür vor, daß im Zusammenhang mit diesen Dienstleistungen in Zukunft eine Benutzung der Marke als Sachangabe erfolgen könnte. Selbst wenn mit der Markenstelle davon ausgegangen wird, daß die aus den beiden Begriffen "AKTIV" und "REISEN" gebildete Bezeichnung vom angesprochenen Verkehr als werbeüblicher Hinweis auf Reiseangebote gewertet wird, die sich ausschließlich an Urlauber wenden, die ihre Ferien aktiv mitgestalten wollen, sagt der angenommene Sinngehalt nichts konkretes darüber aus, welche besonderen Merkmale die unter der angemeldeten Bezeichnung erbrachten Werbetätigkeiten oder Beherbergungsleistungen auszeichnen. Von einem gegenwärtigen oder zukünftigen Freihaltebedürfnis der Mitbewerber an der angemeldeten Bezeichnung "AKTIV REISEN" kann deshalb in Bezug auf die Dienstleistungen "Werbung und Beherbergung von Gästen" nicht ausgegangen werden.

2. Ebenso wenig kann der Marke insoweit jegliche Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG abgesprochen werden. Unterscheidungskraft im Sinne dieser Vorschrift ist die einer Marke innewohnende konkrete Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die der Anmeldung zugrundeliegenden Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefaßt werden. Hierbei ist grundsätzlich ein großzügiger Maßstab anzulegen, dh jede noch so geringe Unterscheidungskraft reicht aus, um dieses Schutzhindernis zu überwinden. Kann demnach einer Wortmarke kein für die beanspruchten Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden und handelt es sich auch nicht um ein so gebräuchliches Wort der Deutschen oder einer sonstigen im Inland geläufigen Sprache das vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung (vgl BGH Wrp 1998 495 - Today) - stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, gibt es keinen tatsächlichen Inhalt dafür, daß einem als Marke verwendeten Wortzeichen die Unterscheidungseignung und damit jegliche Unterscheidungskraft fehlt (vgl BGH MarkenR 1999, 349 - YES).

Hiervon ausgehend kann der Anmeldung "AKTIV REISEN" nicht die erforderliche Unterscheidung in Bezug auf "Werbung, Beherbergung von Gästen" abgesprochen werden: Eine warenbeschreibende Sachaussage, die auf bestimmte Leistungsmerkmale der in Frage stehenden Dienstleistungen selbst Bezug nimmt, stellt diese Bezeichnung - wie dargelegt - nicht dar. Ebenso wenig liegen Anhaltspunkte dafür vor, daß der Verkehr etwa durch eine Verwendung der angemeldeten Bezeichnung in der Werbung als schlagwortartige Aussage daran gewöhnt seien könnte, in ihr in Bezug auf die noch in Rede stehenden Dienstleistungen keine Marke mehr zu sehen. Für ein Verständnis als Herkunftshinweis spricht vielmehr, daß die Wortfolge "AKTIV REISEN" nachweisbar nur für ein Reiseangebot für einen aktiven Kundenstamm, nicht aber für Werbe- oder Beherbergungsleistungen verwendet wird.

Vorsitzender Richter Schülke befindet sich im Urlaub und ist deshalb an der Unterschriftsleistung gehindert.

Kraft Reker Kraft Ja






BPatG:
Beschluss v. 04.07.2001
Az: 26 W (pat) 279/00


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