Bundespatentgericht:
Beschluss vom 8. Januar 2009
Aktenzeichen: 6 W (pat) 307/05
(BPatG: Beschluss v. 08.01.2009, Az.: 6 W (pat) 307/05)
Tenor
Das Patent 103 32 888 wird mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:
-Ansprüche 1 bis 22 gemäß Hauptantrag, eingereicht in der mündlichen Verhandlung (Reinschrift vom 22. Dezember 2008
-Beschreibung S. 1 bis 22, jeweils eingereicht mit Schriftsatz vom 23. September 2008, -übrige Unterlagen wie erteilt.
Gründe
I.
Gegen das am 4. November 2004 veröffentlichte Patent 103 32 888 mit der Bezeichnung "Verfahren zum Umformen eines Werkstücks und Umformvorrichtung" ist am 4. Februar 2005 Einspruch erhoben worden. Der Einspruch ist mit Gründen versehen und auf die Behauptung gestützt, der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 sei nicht neu, beruhe zumindest aber nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
In der Einspruchsbegründung verweist die Einsprechende neben den bereits im Prüfungsverfahren vor dem Deutschen Patentund Markenamt berücksichtigten Druckschriften D1: DE3444240C2 D2: DE 195 45 004 A1 D3: DE3841852A1 D4: DE-Z: UPGRADE by LASCO, Dezember 2000, S. 4 und 5 noch auf folgenden Stand der Technik:
D5: DE2836074A1 D6: DE-PS 18 14 374 D7: JP 2000 312 999 A D8: EP1213132A2 D9: Müller-Weingarten: die Spindelpresse auf dem Weg zum
"FLEXIBLEN FERTIGUNGSSYSTEM"
D10: DE-Z: UPGRADE by LASCO, Juni 2002, S. 2 bis 8 D11: Prospekt der Fa. Müller-Weingarten, Spindelpressen Typenreihen PA, PSM, PZS, WD 058 7/92, S. 1 und 14 bis 24 D12: Veröffentlichung der Fa. FICEP, Italien, "Direct Drive" Spindelpresse, vom 28.04.03 D13: DE-Z: VDI-Z 130 (1988), Nr. 3, März, S. 86 bis 92 D14: Vortrag an der FGU-Stuttgart, 06.06.1989: Krause/Buchmann: Hat die Spindelpresse eine Zukunft.
Der Senat ist nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ins schriftliche Verfahren übergegangen.
Die Einsprechende beantragt, das Patent 103 32 888 zu widerrufen.
Die Patentinhaberin hat in der mündlichen Verhandlung neue Ansprüche gemäß Hauptantrag vorgelegt und eine Reinschrift dieser Ansprüche am 22. Dezember 2008 eingereicht. Weiterhin hat sie mit Schriftsatz vom 23. September 2008 drei Hilfsanträge gestellt.
Die Patentinhaberin beantragt, das angegriffene Patent mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrecht zu erhalten:
-Ansprüche 1 bis 22 gemäß Hauptantrag, eingereicht in dermündlichen Verhandlung (Reinschrift vom 22. Dezember 2008), hilfsweise -Ansprüche 1 bis 20 gemäß Hilfsantrag 1, weiterhin hilfsweise -Ansprüche 1 bis 26 gemäß Hilfsantrag 2, weiterhin hilfsweise -Ansprüche 1 bis 24 gemäß Hilfsantrag 3,
-jeweils mit Beschreibung S. 1 bis 22, alles eingereicht mit Schriftsatz vom 23. September 2008,
-übrige Unterlagen wie erteilt.
Sie ist der Auffassung, dass die Gegenstände des jeweiligen Anspruchs 1 sowohl neu als auch erfinderisch seien.
Der geltende Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet:
"Verfahren zum Umformen wenigstens eines Werkstücks (4), a) bei dem ein Schlagwerkzeug (1) während einer Schlagbewegung aus einer vorgegebenen oder vorgebbaren Ausgangslage (H0a, H0b, H0c) mit einer vorgegebenen oder vorgebbaren Auftreffgeschwindigkeit (vAa, vAb, vAc, vAd) auf das auf einem Träger (3) befindliche Werkstück (4) prallt undb) bei dem die Geschwindigkeit des Schlagwerkzeugs (1) während der Schlagbewegung abhängig von der Lage des Schlagwerkzeugs (1) und abhängig von der vorgegebenen Auftreffgeschwindigkeit (vAa, vAb, vAc, vAd) gesteuert oder geregelt wird, c) wobei die momentane Lage des Schlagwerkzeugs (1) während der Schlagbewegung stets gemessen wird und mit den gemessenen momentanen Lagewerten des Schlagwerkzeugs (1) und der vorgegebenen Auftreffgeschwindigkeit (vAa, vAb, vAc, vAd) die Geschwindigkeitswerte während der Schlagbewegung berechnet werden, d) bei dem das Schlagwerkzeug (1) aus der Ausgangslage (H0d) beschleunigt und bei Erreichen einer vorbestimmten Lage (Hd) zwischen der Ausgangslage (H0d) und dem Werkstück (4) abgebremst wird, um die vorgegebene Auftreffgeschwindigkeit (vAd) zu erreichen, e) bei dem das Schlagwerkzeug (1) nach dem Aufprall durch eine Rückholbewegung in eine vorgegebene oder vorgebbare Endlage zurückgehoben wird, f) bei dem die Geschwindigkeit des Schlagwerkzeugs (1) während der Rückholbewegung in die Endlage abhängig von der Lage des Schlagwerkzeugs (1) gesteuert oder geregelt wird, g) bei dem die Endlage des Rückhubs von der Ausgangslage der zuvor durchgeführten Schlagbewegung verschieden ist und bei dem die Endlage abhängig vom zu bearbeitenden Werkstück (4) und von der gewünschten Auftreffgeschwindigkeit (vAa, vAb, vAc, vAd) bei der darauffolgenden Schlagbewegung gewählt wird."
Wegen der Unteransprüche und der Ansprüche gemäß den Hilfsanträgen 1 bis 3 sowie wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
1. Das Bundespatentgericht ist für die Entscheidung über den vorliegenden Einspruch nach § 147 Abs. 3 PatG in der bis zum 30. Juni 2006 geltenden Fassung zuständig geworden, weil der Einspruch im in dieser Vorschrift genannten Zeitraum beim Deutschen Patentund Markenamt eingegangen ist. Gegen die Zuständigkeit des Bundespatentgerichts für das Einspruchsverfahren nach dieser Vorschrift bestehen weder unter dem Aspekt der Rechtsweggarantie (Art. 19 Abs. 4 GG) noch unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) verfassungsrechtliche Bedenken (vgl. BGH GRUR 2007, 859, 861 f. -Informationsübermittlungsverfahren I).
Das Bundespatentgericht ist auch nach der ab 1. Juli 2006 in Kraft getretenen Fassung des § 147 Abs. 3 PatG gemäß dem Grundsatz der perpetuatio fori, deru. a. in § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO seine gesetzliche Ausprägung gefunden hat, zuständig geblieben (vgl. hierzu auch BPatG GRUR 2007, 499 -Rundsteckverbinder; BPatG GRUR 2007, 907 -Gehäuse/perpetuatio fori; BGH GRUR 2007, 862 f. -Informationsübermittlungsverfahren II).
2.
Der fristund formgerecht erhobene Einspruch ist ausreichend substantiiert und auch im Übrigen zulässig.
Dies ist seitens der Patentinhaberin nicht bestritten worden.
3.
Die geltenden Ansprüche sind zulässig.
Der Anspruch 1 ergibt sich aus den erteilten bzw. ursprünglichen Ansprüchen 1, 2, 8, 13, 15 und 18 i. V. m. Abs. [0023] und [0024] der Patentschrift bzw. S. 6, Z. 25 bis S. 7, Z. 8 der Ursprungsunterlagen.
Die Ansprüche 2 bis 22 entsprechen den ursprünglichen bzw. erteilten Ansprüchen 3 bis 7, 9 bis 12, 14, 16 und 19 bis 28.
Die Zulässigkeit der Ansprüche ist im Übrigen seitens der Einsprechenden nicht bestritten worden.
4. Der Gegenstand des angefochtenen Patents stellt eine patentfähige Erfindung im Sinne der §§ 1 bis 5 PatG dar.
a. Das Verfahren nach dem geltenden Anspruch 1 gemäß Hauptantrag ist neu, da keine der genannten Druckschriften sämtliche im nunmehr geltenden Anspruch 1 enthaltenen Merkmale zeigt, wie auch die folgenden Ausführungen zeigen.
Die Neuheit ist seitens der Einsprechenden im Hinblick auf den geltenden Anspruch 1 gemäß Hauptund Hilfsanträgen auch nicht mehr in Zweifel gezogen worden. Sie ist im Übrigen auch gegeben, wie eine Überprüfung durch den Senat im Rahmen der Amtsermittlung ergeben hat.
b. Das zweifelsfrei gewerblich anwendbare Verfahren nach dem geltenden Anspruch 1 gemäß Hauptantrag beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Der Grundgedanke der vorliegenden Erfindung besteht darin, bei einem Verfahren zum Umformen eines Werkstücks sowohl die Schlagbewegung als auch die Rückholbewegung des Schlagwerkzeuges zu steuern oder zu regeln, um durch eine Beeinflussung der Geschwindigkeit des Schlagwerkzeugs die Hubzeit und die Umformenergie zu optimieren.
Eine derartige Vorgehensweise ist im nachgewiesenen Stand der Technik ohne Vorbild oder Anregung.
Die DE 28 36 074 A1 (D5) erläutert ein Verfahren zum Umformen eines Werkstücks, bei dem eine vorgegebene Sollschlagarbeit dadurch erzielt wird, dass die Beschleunigung der beweglichen Teile im Anlaufabschnitt geändert wird (vgl. Ansprüche 1 und 4). Irgendein Hinweis auf eine Beeinflussung der Rückholbewegung des Schlagwerkzeugs, welche im nunmehr geltenden Anspruch 1 gemäß den Merkmalen e) bis g) ebenfalls gesteuert oder geregelt wird, ist in der DE 28 36 074 A1 (D5) an keiner Stelle angegeben, so dass von dort auch keine Anregung in dieser Richtung ausgehen kann.
Es ist der Einsprechenden zwar dahingehend Recht zu geben, dass auch in der DE 28 36 074 A1 (D5) eine Rückholbewegung erfolgen muss, jedoch ist dort an keiner Stelle angegeben, dass und wie die Rückholbewegung gesteuert oder geregelt werden soll. Insbesondere ist an keiner Stelle ausgeführt, dass gemäß Merkmal g) die Endlage des Rückhubs von der Ausgangslage der zuvor durchgeführten Schlagbewegung verschieden ist und die Endlage abhängig vom zu bearbeitenden Werkstück und von der gewünschten Auftreffgeschwindigkeit bei der darauffolgenden Schlagbewegung gewählt wird.
Auch der übrige nachgewiesene Stand der Technik beschreibt keine Verfahren, bei denen sowohl die Schlagbewegung als auch die Rückholbewegung des Schlagwerkzeuges zur Optimierung der Schlagarbeit beeinflusst werden. Dies gilt sowohl für den im Prüfungsverfahren berücksichtigten als auch für den seitens der Einsprechenden im Rahmen des Einspruchsverfahren genannten Stand der Technik und unabhängig von der Frage der Veröffentlichung einzelner Dokumente, welche seitens der Patentinhaberin im Hinblick auf die Dokumente D9, D11, D13 und D14 bestritten wird (vgl. Schriftsatz vom 23. September 2008, S. 6, vorletzter Abs.).
Somit vermag der nachgewiesene Stand der Technik weder einzeln noch in einer Zusammenschau Hinweise zu geben, welche den Fachmann zu dem nunmehr beanspruchten Verfahren anregen könnten.
Der Anspruch 1 gemäß Hauptantrag ist somit gewährbar.
c. Zusammen mit dem Anspruch 1 sind auch die auf ihn rückbezogenen Unteransprüche gewährbar, da sie nicht platt selbstverständliche Ausgestaltungen des erfindungsgemäßen Verfahrens betreffen.
Bei dieser Sachlage brauchte auf die Hilfsanträge nicht weiter eingegangen zu werden.
Lischke Guth Schneider Küest Cl
BPatG:
Beschluss v. 08.01.2009
Az: 6 W (pat) 307/05
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/83f030b90731/BPatG_Beschluss_vom_8-Januar-2009_Az_6-W-pat-307-05