Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 30. Oktober 1995
Aktenzeichen: 6 U 184/95
(OLG Köln: Urteil v. 30.10.1995, Az.: 6 U 184/95)
Tenor
1.) Die Berufung der Klägerin gegen das am 31.10.1995 verkündete Urteil des Landgerichts Köln - 31 O 350/95 - wird zurückgewiesen.2.) Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.3.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann jedoch die Vollstreckung durch Sicher-heitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages von 30.000 DM abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstre-ckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten. Der Klägerin wird auf ihren Antrag nachgelassen, die Si-cherheit auch durch Gestellung einer selbstschuldnerischen Bürgschaft einer deutschen Großbank oder öffentlich-rechtlichen Sparkasse zu erbringen.4.) Die Beschwer der Klägerin wird auf 150.000 DM festge-setzt.
Tatbestand
Die Klägerin ist eine Herstellerin von Strickmoden, die ihre
Produkte über teils eigene und teils fremde Geschäfte absetzt.
Die Beklagten sind rechtlich selbständige
Versandhandelsunternehmen des "O.-Konzerns".
Die Klägerin begehrt im vorliegenden Verfahren u.a. das Verbot
der Bewerbung und des Vertriebs von 6 Textilien durch die
Beklagten, weil es sich dabei um Plagiate ihrer Produkte
handele.
Die betreffenden klägerischen Produkte, die die Klägerin in der
Sommersaison 1994 auf den Markt gebracht hat, sind auf den Seiten
51 ff ihres als Anlage K 2 vorgelegten Katalogs "Frühjahr/Sommer
1994" dargestellt. Hierauf wird Bezug genommen. Die angegriffenen
Produkte der Beklagten haben diese mit ihren Katalogen "C. 95"
(Anlagen K 3 und K 4), wo sie auf den jewei-
ligen Seiten 47 und 54 abgebildet sind, im Jahre 1995 auf den
Markt gebracht. Wegen der Einzelheiten der streitbefangenen
Textilien wird im übrigen auf die als Anlagen K 5 - K 10
vorgelegten Musterstücke Bezug genommen.
Die Klägerin hat ihre Produkte im Wesentlichen in der
Sommersaison 1994 abgesetzt, vereinzelt und meist zu herabgesetzten
Preisen konnten Teile der Kollektion auch in der anschließenden
Sommersaison 1995 noch erworben werden.
Die Klägerin nimmt ergänzenden wettbewerblichen Leistungsschutz
in Anspruch und hat sich hierzu auf einen Verstoß gegen § 1 UWG
unter verschiedenen Gesichtspunkten berufen.
So liege eine unmittelbare Leistungsübernahme deswegen vor, weil
es heute technisch möglich sei, anhand einer Abbildung
Produktionsmaschinen zu programmieren. Auf diese Weise sei es den
Beklagten möglich, das Vorstück zu übernehmen, ohne eigene Entwürfe
zu fertigen und eigene Muster herzustellen.
Ferner sei das Kriterium der vermeidbaren Herkunftstäuschung
erfüllt, weil die Beklagten es unterlassen hätten, zumutbare
Abänderungen an den Textilien vorzunehmen, und durch eine ähnliche
Gestaltung und Aufmachung ihrer Kataloge die Verwechslungsgefahr
noch erhöht werde.
Zudem liege eine im Sinne des § 1 UWG relevante Täuschung über
die Güte und Qualität der angebotenen Kleidungsstücke vor, weil
diese im Vergleich zu den klägerischen Produkten von minderer
Qualität seien.
Weiter sei das Kriterium der drastischen Preisunterbindung
erfüllt und liege wegen der Ausbeutung der Werbung und des
Entwurfs- und Gestaltungsaufwandes ein Behinderungswettbewerb
vor.
Außerdem betrieben die Beklagten eine systematische und gezielte
Nachahmung und werde die Wettbewerbswidrigkeit auch durch die
erhebliche Auflagenhöhe der Kataloge begründet. So erreiche der
Hauptkatalog der Beklagten jeden 2. bis 3. Haushalt in Deutschland.
Es bestehe insofern die Begehungsgefahr, daß die Produkte künftig
auch in den Hauptkatalog aufgenommen würden,
außerdem erreiche der Sonderkatalog der Beklagten zu 2) auch
bereits eine Auflage von knapp 1 Mio. Exemplaren.
Aus den vorgenannten Gesichtspunkten bestehe nicht nur für die
Saison 1994, sondern auch darüberhinaus zeitlich unbegrenzt
wettbewerblicher Leistungsschutz.
Die Klägerin hat b e a n t r a g t,
den Beklagten bei Meidung eines für jeden Einzelfall der
Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 500.000
DM, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder Ordnungshaft, zu
vollziehen an den vertretungsberechtigten Personen, zu v e r b i e
t e n,
die nachstehend abgebildeten
Kleidungsstücke feilzuhalten, zu bewerben und/oder zu
vertreiben:
I.1. Pullover
I.6. Pullover
II.) Die Beklagten zu verurteilen, ihr
in schriftlicher Form beginnend ab 01.01.1995 Auskunft zu erteilen
über
1. die Herkunft und den Vertriebsweg
der in Ziffer I. bezeichneten Gegenstände und zwar unter Vorlage
eines Verzeichnisses, das folgende Angaben enthält:
- Name und Anschrift des/der
Hersteller
- Name und Anschrift der Lieferanten
und anderer
Vorbesitzer
- der gewerblichen Abnehmer und/oder
Auftraggeber;
2. Die Mengen der gemäß Ziffer I.
bezeichneten Bekleidungsstücke und zwar unter Vorlage eines
Verzeichnisses, das - nach Monaten geordnet - Angaben über die
hergestellten, bestellten, erhaltenen und ausgelieferten
Bekleidungsstücke enthält.
III.) Die Beklagten zu verurteilen, ihr
Rechnung zu legen über den Umfang der in Ziffer I. beschriebenen
Handlungen, beginnend ab 01.01.1995 und zwar unter Vorlage eines
nach Monaten geordneten Verzeichnisses, das folgende Angaben
enthält:
1. die Liefermengen, Lieferzeiten,
Lieferpreise und
Namen und Anschriften der gewerblichen
Abnehmer;
2. der Gestehungskosten unter Angabe
der einzelnen
Kostenfaktoren sowie
3. über die betriebene Werbung unter
Auflistung der
Werbeträger, deren Auflagenhöhen,
Erscheinungs-
zeiten, Verbreitungsgebiete sowie die
Kosten der
entsprechenden Werbung;
IV.) festzustellen, daß die Beklagten
verpflichtet sind, ihr all jene Schäden zu ersetzen, die ihr durch
Handlungen gemäß Ziffer I. seit dem 01.01.1995 entstanden sind und
noch entstehen werden.
Die Beklagten haben b e a n t r a g t,
die Klage abzuweisen.
Sie haben die Voraussetzungen eines ergänzenden wettbewerblichen
Leistungsschutzes in Abrede gestellt und die Auffassung vertreten,
die steitbefangenen Textilien wiesen schon nicht die erforderliche
wettbewerbliche Eigenart auf. Zudem enthielten ihre Produkte die in
der Anlage B 3 (Bl.98 f) aufgeführten Abweichungen.
Im übrigen würden die Produkte nicht etwa durch Einprogrammieren
der Abbildungen nachgefertigt, vielmehr würden sie in Italien
selbständig gefertigt. Der Ablauf sei dabei so, daß zunächst ihre
Mitarbeiter weltweit die "interessant erscheinenden Neuheiten"
einkauften (sog. "store check" Phase), sodann würden in einer
"design phase" im April/Mai des betreffenden Jahres unter Vorlage
aller zuvor erworbenen Produkte die zu erwartenden Markttrends zu
einem Gesamtsortiment entwickelt und schließlich werde dieses
Gesamtsortiment in der "Lieferantenphase" unter Vorlage der
mitgebrachten Originalteile mit den Lieferanten abgestimmt.
Die einzelnen von der Klägerin aufgeführten
Unlauterkeitskriterien haben sie mit Rechtsausführungen in Abrede
gestellt.
Das L a n d g e r i c h t hat die Klage abgewiesen und sich
dabei auf die Entscheidung des OLG München in dem vorauslaufenden
Verfügungsverfahren 29 U 2839/95 gegen die Beklagte zu 1) gestützt,
wegen deren Einzelheiten auf die Ablichtung Bl.78 ff Bezug genommen
wird. Danach kommt überhaupt nur 5 der Textilien die erforderliche
wettbewerbliche Eigenart zu und gewährt diese einen ergänzenden
wettbewerblichen Leistungsschutz nur für die Sommersaison 1994.
Es liege keine Behinderung durch systematisches Nachahmen vor,
weil hierfür bei saisongebundenen und damit einem ständigen Wechsel
unterliegenden Modeerzeugnissen die Óbernahme mehrerer Erzeugnisse
nicht ausreiche. Ebenso führe auch der wesentlich niedrigere Preis
nicht zu einer Behinderung der Klägerin, weil es sich um einen
normalen Vorgang handele, daß aktuelle Moden zunächst in einem
hochpreisigen und damit exclusiven Marktsegment angeboten und
später in minderer Qualität zu niedrigeren Preisen vertrieben
würden. Vor diesem Hintergrund spreche nichts für die Annahme, daß
Kundinnen der Klägerin allein wegen des späteren Vertriebs
ähnlicher Produkte im Versandhandel den Textilien der Klägerin eine
geringere Wertschätzung entgegenbringen könnten.
Mit ihrer B e r u f u n g wiederholt und vertieft die Klägerin
ihr erstinstanzliches Vorbringen. Mit Rücksicht auf den inzwischen
eingetretenen Zeitablauf erklärt sie den Rechtsstreit hinsichtlich
der Unterlassungsanträge mit Wirkung zum 30.9.1995 für
erledigt.
Sie ist insbesondere der Auffassung, die Elemente der von ihr
produzierten Textilien, die deren wettbewerbliche Eigenart
ausmachten, seien geeignet, den Verkehr auf die Herkunft der
Produkte hinzuweisen.
Sie b e a n t r a g t,
festzustellen, daß der Rechtsstreit hinsichtlich der
erstinstanzlich zu Ziffern I 1)-6) gestellten Anträge erledigt
ist;
II.) die Beklagten zu verurteilen, ihr
in schriftlicher Form für die Zeit vom 01.01. bis zum 30.09.1995
Auskunft zu erteilen über
1. die Herkunft und den Vertriebsweg
der in Ziffer
I.1 bis 6 des Klageantrages
bezeichneten Gegen-
stände und zwar unter Vorlage eines
Verzeich-
nisses, das folgende Angaben
enthält:
- Name und Anschrift des/der
Hersteller
- Name und Anschrift der Lieferanten
und anderer
Vorbesitzer
- der gewerblichen Abnehmer und/oder
Auftraggeber
2. die Mengen der gemäß I. des
Klageantrages be-
zeichneten Bekleidungsstücke und zwar
unter Vor-
lage eines Verzeichnisses, das - nach
Monaten
geordnet - Angaben über die
hergestellten, be-
stellten, erhaltenen und ausgelieferten
Beklei-
dungsstücke enthält;
III.) die Beklagten weiter zu
verurteilen, ihr Rechnung zu legen über den Umfang der in Ziffer
I.1 bis 6 des Klageantrages beschriebenen Handlungen, für den
Zeitraum vom 01.01.1995 bis 30.09.1995 und zwar unter Vorlage eines
nach Monaten geordneten Verzeichnisses, das folgende Angaben
enthält:
1. die Liefermengen, Lieferzeiten,
Lieferpreise,
Namen und Anschriften der gewerblichen
Abnehmer;
2. der Gestehungskosten unter Angabe
der einzelnen
Kostenfaktoren sowie
3. über die betriebene Werbung unter
Auflistung der
Werbeträger, deren Auflagenhöhe,
Erscheinungs-
zeiten, Verbreitungsgebiete sowie die
Kosten der
entsprechenden Werbung;
IV.) festzustellen, daß die Beklagten
verpflichtet sind, ihr all jene Schäden zu ersetzen, die ihr durch
Handlungen gemäß Ziffer I.1 bis I.6 des Klageantrages in der Zeit
vom 01.01.1995 bis 30.09.1995 entstanden sind und noch entstehen
werden;
V.) der Klägerin für jeden Fall zu
leistender Sicherheit nachzulassen, diese auch in Form einer
selbstschuldnerischen Bürgschaft einer deutschen Großbank oder
öffentlichrechtlichen Sparkasse zu erbringen.
Die Beklagten b e a n t r a g e n,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie widersprechen der Erledigungserklärung und vertreten die
Auffassung, daß der Unterlassungsanspruch und mit ihm die weiter
geltendgemachten Folgeansprüche von Anfang des Rechtsstreits an aus
den von der Kammer dargelegten Gründen unbegründet gewesen
seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die
gewechselten Schriftsätze, die sämtlich Gegenstand der mündlichen
Verhandlung waren, nebst Anlagen Bezug genommen.
Gründe
Die Berufung ist zulässig, insbesondere ist sie innerhalb der
bis zum 4.3.1996 verlängerten Berufungsbegründungsfrist begründet
worden. Die Berufung hat aber in der Sache keinen Erfolg. Die
geltendgemachten Unterlassungsansprüche haben der Klägerin bereits
im Zeitpunkt der Klageerhebung nicht zugestanden. Aus diesem Grunde
hat das Landgericht zu Recht die Klage abgewiesen und ist auch der
nunmehr gestellte Antrag auf Feststellung der Erledigung des
Rechtsstreits hinsichtlich der Unterlassungsansprüche nicht
begründet. Schon mangels Bestehens von Unterlassungsansprüchen sind
auch die Folgeansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung sowie der
Antrag auf Feststellung der Verpflichtung zur
Schadensersatzleistung unbegründet.
Die Klägerin nimmt ergänzenden wettbewerbsrechtlichen
Leistungsschutz in Anspruch. Sie hat indes die Voraussetzungen
keiner der insoweit in Betracht kommenden Fallgruppen
dargelegt.
Ergänzender wettbewerbsrechtlicher Leistungsschutz ist der aus §
1 UWG herzuleitende Schutz einer aus dem alltäglich üblichen
Schaffen herausragenden Leistung von wettbewerblicher Eigenart
gegen wettbewerbswidrige Verwertung (vgl. Köhler/Piper § 1 RZ 259).
Dieser Schutz wird nicht schon dann gewährt, wenn bestimmte
Merkmale eines Produktes nachschaffend übernommen werden. Das gilt
auch dann, wenn es sich um solche Merkmale handelt, die die
wettbewerbliche Eigenart des Produktes ausmachen, für das Schutz
begehrt wird. Angesichts des Grundsatzes der Nachahmungsfreiheit
(vgl. Köhler/Piper a.a.O. RZ 261) setzt der ergänzende
wettbewerbsrechtliche Leistungsschutz vielmehr zusätzlich voraus,
daß besondere wettbewerbliche Umstände hinzukommen, die die
Óbernahme der fremden Leistung wettbewerbswidrig machen (ständige
Rechtsprechung, vgl. z.B. BGH GRUR 95,57, 59 -
"Markenverunglimpfung II" m.w.N.). Die Klägerin hat zwar die oben
im Einzelnen aufgeführten Unlauterkeitsmerkmale aufgeführt, ihr
Vortrag ergibt indes nicht, daß die Voraussetzungen eines dieser
Unlauterkeitskriterien vollständig erfüllt wären.
Es bestand zunächst nicht die Gefahr einer vermeidbaren
Herkunftstäuschung. Diese würde voraussetzen, daß die von der
Klägerin früher hergestellten und vertriebenen Textilien in dem
Sinne von wettbewerblicher Eigenart waren, daß im Verkehr
Herkunftsvorstellungen ausgelöst wurden. Notwendig wäre damit, daß
die konkrete Ausgestaltung entweder des jeweiligen gesamten
Kleidungsstückes oder doch einzelner seiner Merkmale geeignet
waren, den Verbraucher gerade auf die betriebliche Herkunft des
Artikels hinzuweisen. Die angesprochenen Verkehrskreise müßten
mithin wegen zumindest einzelner Merkmale der jeweiligen Textilien
die Vorstellung entwickelt haben, daß das betreffende
Kleidungsstück von einem bestimmten Hersteller stamme. Das hat die
Klägerin indes nicht dargelegt.
Hierfür reicht die Behauptung nicht aus, daß die 6 von der
Klägerin früher vertriebenen Kleidungsstücke überhaupt von
wettbewerblicher Eigenart gewesen seien. Die - für alle Fallgruppen
des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes
erforderliche - wettbewerbliche Eigenart des geschützten Produktes
kann sowohl zu Herkunftsvorstellungen als auch zu Vorstellungen
über Besonderheiten des Erzeugnisses führen (vgl. BGH GRUR 81,
517,519 - "Rollhocker"; 84,453,454 - "Hemdblusenkleid"; näher
v.Gamm, Wettbewerbsrecht, 5.Aufl., Kap. 21 RZ 10 und 12). Die von
der Klägerin im Berufungsverfahren in erster Linie behauptete
Gefahr einer Herkunftsverwechslung setzt indes voraus, daß die im
Verkehr ausgelösten Vorstellungen über das Erzeugnis nicht deren
Besonderheiten, etwa hinsichtlich der Qualität, sondern ihre
betriebliche Herkunft betreffen, weil nur dann Fehlvorstellungen
über die betriebliche Herkunft des angegriffenen Produktes
ausgelöst werden können.
Es hätte hierzu - worauf der Senat in der mündlichen Verhandlung
bereits ausführlich hingewiesen hat - der Klägerin oblegen,
hinsichtlich jedes einzelnen ihrer 6 Kleidungsstücke, für die sie
Schutz in Anspruch nimmt, im einzelnen darzulegen, welche konkreten
Merkmale geeignet sein sollen, den Verkehr gerade auf die Herkunft
des Erzeugnisses hinzuweisen. An diesem Vortrag fehlt es. Die
Klägerin hat zwar die Auffassung vertreten, die von ihr
schriftsätzlich dargelegten Ausgestaltungen der Textilien hätten
herkunftshinweisende Funktion, diese Auffassung vermag der Senat
indes nicht zu teilen. Es handelt sich sämtlich um Produkte, die
als Modeartikel für die Sommersaison 1994 vorgesehen waren und auch
nahezu vollständig in jener Saison abgesetzt worden sind. Die
Kleidungsstücke waren - nur - in dem Katalog "Frühjahr/Sommer 1994"
der Klägerin enthalten und haben daher den Vorzug modischer
Aktualität für sich in Anspruch genommen. Die Besonderheiten der
jeweiligen Mode weisen indes in aller Regel gerade nicht auf einen
bestimmten Hersteller hin, weil es die Mode ausmacht, daß ein
bestimmter Trend in Schnitt, Stoffqualität, Muster u.ä. nicht für
einen einzelnen Hersteller, sondern eben für die in der betroffenen
Saison aktuelle Mode typisch ist. Bei Modeartikeln ist daher davon
auszugehen, daß Produkte mit ähnlichen modischen Merkmalen von
allen oder doch mehreren derjenigen Anbieter in ihr Programm
genommen werden, die für sich in Anspruch nehmen, mit dem Trend zu
gehen, den Kunden also solche Produkte anzubieten, die gerade
modern sind.
Vor diesem Hintergrund läßt der Senat die Frage offen, ob alle 6
von der Klägerin früher vertriebenen Kleidungsstücke sich in
einzelnen Merkmalen so weit von der alltäglichen Poduktion
unterschieden haben, daß ihnen überhaupt wettbewerbliche Eigenart
zukam. Dies erscheint dem Senat zumindest für die auf der Seite 52
des Kataloges der Klägerin abgebildete Weste und den auf S. 53
abgebildeten Pullover zweifelhaft, kann aber letztlich auf sich
beruhen. Denn die von der Klägerin in der Klageschrift im einzelnen
dargelegten Merkmale rechtfertigen jedenfalls nicht die Annahme,
der Verkehr könnte insoweit Herkunftsvorstellungen entwickeln.
Herkunftsvorstellungen hätten etwa dann ausgelöst werden können,
wenn die Textilien so eindeutig aus dem Rahmen des Óblichen
gefallen wären, daß die angesprochenen Verbraucher zu der Annahme
hätte kommen können, derartig ausgefallene Kreationen könnten nur
von einem bestimmten Hersteller stammen. Es hätte sich damit um
Merkmale handeln müssen, die auch innerhalb der aktuellen Mode ganz
ungewöhnlich gewesen wären. Insoweit sind die Voraussetzungen eng
zu ziehen, weil auch ganz ausgefallene Schöpfungen kurzfristig
"modern" werden können und dann nicht mehr nur einzelnen
Herstellern zugerechnet werden. In Betracht wären auch Merkmale
gekommen, die die Klägerin etwa bereits in früheren Kollektionen
verwendet hat und die eine Erinnerung auzulösen geeignet wären.
Diese Kriterien sind ersichtlich bei keinem der 6
Kleidungsstücke erfüllt. Das vermag der Senat, dessen Mitglieder
teils mittelbar und in Person seines weiblichen Mitgliedes auch
unmittelbar zu den angesprochenen Verbrauchern gehören, aus eigener
Anschauung zu beurteilen. Die Klägerin leitet die von ihr für alle
ihre streitbefangenen Artikel angenommene wettbewerbliche Eigenart
ausschließlich aus angeblichen Besonderheiten des Schnitts und der
Ausstattung her. Aus diesen Merkmalen ergibt sich indes eine
Hinweisfunktion auf einen bestimmten Hersteller gerade nicht. So
mag der die Grundlage des Antrags zu I 1 bildende, auf S.51 des
klägerischen Katalogs abgebildete Pullover seine besondere Eigenart
vielleicht in dem Strick-Lochmuster, dem geraden Schnitt und dem
V-förmigen Halsausschnitt haben, es ist indes nicht ersichtlich,
daß der Verkehr annehmen könnte, Pullover mit diesen in der Mode
nicht selten verwendeten Merkmalen stammten alle von ein- und
demselben Hersteller. Dasselbe gilt für den auf S.53 abgebildeten
Pullover: allein ein gerader und weiter Schnitt, das gerade
Anschneiden der Àrmel, die Naht über der Schulter und der V-förmige
Ausschnitt sowie die Möglichkeit, den Pullover unterhalb der von
der Klägerin beschriebenen Doppelnaht beliebig zu öffnen, führen
nicht zu irgendwie gearteten Herkunftshinweisen. Es handelt sich
vielmehr allenfalls - etwa bei der Möglichkeit der Àffnung - um
Besonderheiten gerade diese Pullovers, Herkunftsvorstellungen
vermögen diese Einzelheiten indes nicht auszulösen. Dasselbe gilt
für alle weiteren Kleidungsstücke der Klägerin einschließlich des
auf dem Rock und der Leggings befindlichen Lochmusters. Auch für
diese Lochmuster und die weiteren, den Schnitt und die
Ausgestaltung im einzelnen betreffenden Merkmale der Textilien der
Klägerin ist nicht ersichtlich, aus welchem Grunde die
angesprochenen Verbraucher die Vorstellung entwickeln sollten,
diese Gestaltung werde in der aktuellen Mode ausschließlich von
einem Hersteller verwendet.
Die Unterlassungsansprüche waren in dem für die Entscheidung
maßgeblichen Zeitraum auch nicht unter dem Gesichtspunkt der
Behinderung aus § 1 UWG begründet. In Betracht kommt insoweit eine
Wettbewerbswidrigkeit wegen der Nachahmung saisongebundener
Modeschöpfungen. Ob hierfür die Voraussetzungen ursprünglich einmal
vorgelegen haben, braucht im vorliegenden Verfahren nicht
entschieden zu werden. Denn jedenfalls im Zeitpunkt, zu dem die
Ansprüche rechtshängig gemacht worden sind, hat ein etwaiger Schutz
bereits nicht mehr bestanden.
Es entspricht gefestigter Rechtsprechung, daß Modeschöpfungen,
wenn es sich um überdurchschnittliche Kreationen mit den
Gesamteindruck prägenden individuell-ästhetischen Merkmalen
handelt, auch dann wettbewerbsrechtlichen Schutz genießen, wenn
diese Merkmale nicht geignet sind, im Verkehr
Herkunftsvorstellungen auszulösen (vgl. BGH GRUR 73,478,480 -
"Modeneuheit", 84,453 - "Hemdblusenkleid"; Köhler/Piper a.a.O. § 1
RZ 285, 292; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 18.Aufl., § 1,
RZ 512 ff, 514). Die wettbewerbswidrige Behinderung liegt in diesen
Fällen darin, daß der Modeschöpfer, der darauf angewiesen ist, den
unter Mühen und Kosten erreichten Wettbewerbsvorsprung in der
Saison zu realisieren, in der das Produkt von modischer Aktualität
ist, hieran gehindert wird, wenn ihm Mitbewerber unter Einsparung
der mit der Entwicklung verbundenen Kosten mit nahezu identischen
Produkten Konkurrenz machen dürfen. Der Senat läßt auch in diesem
Zusammenhang die Frage offen, ob die von der Klägerin im Sommer
1994 angebotenen Textilien sämtlich überdurchschnittliche
Kreationen der beschriebenen Art waren. Denn der Schutz ertreckte
sich jedenfalls nicht mehr auf die Frühjahrs- und Sommersaison des
Jahres 1995, in der die Beklagten mit den angegriffenen Artikeln
auf den Markt gekommen sind. Es macht gerade die Besonderheiten des
Schutzes von Modeschöpfungen aus, daß dieser aus Gründen der
Aktualität nur von vorübergehender Dauer ist. Solange, wie im
vorliegenden Fall, keine weiteren Unlauterkeitskriterien vorliegen,
besteht kein Anlaß mehr für den Schutz eines Modeartikels, sobald
dieser nicht mehr modisch aktuell ist. Dabei ist der Schutz in der
Regel auf die Dauer einer Saison begrenzt, kann aber auch
gerinfgfügig länger währen (vgl. Baumbach/Hefermehl, a.a.O. RZ 517
m.w.N.). Insoweit ist eine exakte Begrenzung der Dauer kaum möglich
und im vorliegenden Fall auch nicht erforderlich. Denn jedenfalls
war ein etwaiger vorübergehende Schutz im Zeitpunkt des
Marktzutritts der Beklagten bereits beendet. Die beanstandeten
Artikel sind in den Katalogen der Beklagten für das Jahr 1995
enthalten und betreffen damit nicht die Folgesaison des Herbst und
Winter 1994, sondern erst die übernächste Modesaison seit dem
Angebot der Klägerin. Daß während dieser Saison eine Behinderung
der Klägerin nicht mehr vorgekommen sein kann, zeigt sich auch
darin, daß diese selbst die Artikel nicht mehr in ihren aktuellen
Katalogen aufgeführt und im übrigen die Restbestände zumindest ganz
überwiegend selbst zu stark herabgesetzten Preisen abgegeben hat.
Dies zeigt nämlich, daß die Klägerin im Jahre 1995 selbst nicht
mehr die Absicht hatte, die Artikel noch in nennenswertem Umfang
mit Gewinn zu veräußern.
Eine Verlängerung des wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes
ist auch nicht aus der Óberlegung heraus gerechtfertigt, daß
Kundinnen mit Blick auf eine etwa drohende Wiederholung der
Imitation davon abgehalten werden könnten, andere derzeit aktuelle
modische Artikel der Klägerin zu kaufen. Die Mode lebt aus den
dargestellten Gründen des steten Wandels von ihrer Aktualität. Der
modische Wert der klägerischen Kleidungsstücke während der
aktuellen Saison erfährt dadurch keine Beeinträchtigung, daß in
späterer Zeit Nachahmungen auf den Markt kommen. Es macht auch
gerade die Mode aus, daß die sie prägenden Besonderheiten von
anderen Anbietern übernommen werden. Im übrigen könnte mit dieser
Argumentation die zeitliche Begrenzung des Schutzes von
Modeartikeln weitgehend unterlaufen werden, was indes aus den
dargelegten Gründen der Sache nicht angemessen wäre.
Auch die übrigen von der Klägerin angeführten Gesichtspunkte
rechtfertigen einen ergänzenden wettbewerbsrechtlichen
Leistungsschutz nicht. So kann dahinstehen, ob die vorstehenden
Fragen anders zu beurteilen wären, wenn die Beklagte die Artikel
durch das von der Klägerin beschriebene "Einscannen" unmittelbar
und ohne jede Eigenleistung übernommen hätte. Dann daß dies so
geschehen wäre, steht nicht fest. Die dahingehende Behauptung der
Klägerin stellt sich als reine Spekulation dar. Die bloße
angebliche technische Möglichkeit einer Óbernahme der Leistung auf
diese Weise belegt nicht, daß die Beklagten tatsächlich so
verfahren wären. Die auch von der Klägerin eingeräumten, von ihr
als unerheblich angesehenen Abweichungen sprechen im übrigen gegen
die Annahme, die Beklagten könnten so verfahren sein.
Entgegen der Auffassung der Klägerin liegt auch eine
wettbewerblich relevante Täuschung über die Güte und Qualität der
angebotenen Kleidungsstücke nicht vor. Die Beklagten nehmen durch
die Aufführung der Produkte in ihren Katalogen nicht für sich in
Anspruch, daß die Kleidungsstücke von derselben Qualität wie die
Produkte der Klägerin seien. Selbst wenn sich einzelne Kundinnen
durch die teilweise ähnliche Präsentation an die Artikel der
Klägerin erinnert haben sollten, ist hierdurch nicht die Erwartung
geweckt worden, es handele sich um Textilien der gleichen Qualität,
also insbesondere um solche, die aus denselben Materialien
gefertigt sind.
Das Angebot der Beklagten stellt auch keine wettbewerbswidrige
Preisunterbietung dar. Dieser mit Blick auf den Grundsatz der
Preisgestaltungsfreiheit nur unter engen Voraussetzungen in
Betracht kommende Unlauterkeitstatbestand (vgl. dazu näher
Köhler/Piper a.a.O. § 1 RZ 172 ff) scheidet schon deswegen aus,
weil die Klägerin im Jahre 1995 selbst nur noch Restposten und
diese zu stark reduzierten Preisen vertrieben hat. Außerdem haben
die Beklagten auch nicht für sich in Anspruch genommen, daß ihre
Artikel von derselben Qualität wie diejenigen der Klägerin
seien.
Schon aus denselben Gründen liegt schließlich auch kein
systematisches Nachahmen vor. Óberdies haben die Beklagten durch
die behauptete Imitation von 6 Textilien aus dem umfangreichen
Angebot der Klägerin nicht, wie dies Voraussetzung für eine darauf
gründende Unlauterkeit wäre (vgl. näher Baumbach/Hefermehl, a.a.O.
RZ 480 f m.w.N.; BGH GRUR 60, 244,246 - "Simili-Schmuck")
zielgerichtet zumindest fast jedes Produkt der Klägerin
nachgeahmt.
Aus den vorstehende Gründen haben die Unterlassungsansprüche vom
Beginn des Rechtsstreits an nicht bestanden, weswegen die Berufung
der Beklagten gegen das die Klage abweisende Urteil des
Landgerichts zurückzuweisen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs.1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§
708 Nr.10, 711 ZPO.
Die gemäß § 546 Abs.2 ZPO festzusetzende Beschwer der Klägerin
entspricht dem Wert ihres Unterliegens im Rechtsstreit.
Streitwert für das Berufungsverfahren: 150.000 DM. Wegen der
Aufteilung dieses Betrages auf die einzelnen Berufungsanträge wird
auf den Senatsbeschluß vom 18.9.1996 (S. 2 der
Sitzungsniederschrift) Bezug genommen.
OLG Köln:
Urteil v. 30.10.1995
Az: 6 U 184/95
Link zum Urteil:
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