Bundespatentgericht:
Beschluss vom 16. Oktober 2003
Aktenzeichen: 10 W (pat) 42/03
(BPatG: Beschluss v. 16.10.2003, Az.: 10 W (pat) 42/03)
Tenor
1. Die Beschwerde wird als unzulässig verworfen.
2. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.
Gründe
I.
Für eine Patentanmeldung mit der Bezeichnung "Verfahren und Vorrichtung zur energetischen Beeinflussung eines Fluids" beantragte Patentanwalt Dr. R... am 22. Juni 2002 Gewährung von Verfahrenskostenhilfe für die Anmelderin und für K... als alleinigen Komplementär und Geschäftsführer der Anmelde- rin sowie seine Beiordnung als Vertreter.
Mit Beschluss vom 4. April 2003 bewilligte das Patentamt Verfahrenskostenhilfe ohne Ratenzahlung für K....
Am 24. April und am 30. Juni 2003 beantragte der Verfahrensbevollmächtigte erneut, über seine Beiordnung zu entscheiden.
Am 15. Juli 2003 legte er im Namen der Anmelderin Beschwerde gegen die Verweigerung der Beiordnung gemäß dem Antrag vom 22. Juni 2002 und den Folgeanträgen ein.
Er beantragt, dem Beiordnungsantrag vom 22. Juni 2002 stattzugeben und die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Beschwerdeschriftsatz vom 15. Juli 2003 Bezug genommen.
II.
1. Die Beschwerde ist unzulässig.
a. Das patentgerichtliche Beschwerdeverfahren setzt nach § 73 Abs 1 PatG eine anfechtbare Sachentscheidung (Beschluss) der Prüfungsstelle oder Patentabteilung voraus, die hier nicht gegeben ist. Es liegt zwar ein Beschluss der Patentabteilung vom 4. April 2003 vor. Dieser Beschluss, in dem K... Verfahrens- kostenhilfe bewilligt wurde, ist von der Anmelderin ausdrücklich nicht angegriffen. Sie will mit der Beschwerde vielmehr erreichen, dass über den Beiordnungsantrag entschieden bzw ihm stattgegeben wird.
Eine Untätigkeitsbeschwerde oder ein sonstiges Rechtsmittel bzw ein sonstiger Rechtsbehelf wegen Untätigkeit der Ausgangsinstanz, wie sie in anderen Verfahrensordnungen (zB eine Klage gem. § 75 Verwaltungsgerichtsordnung) enthalten ist, ist im Patentgesetz nicht vorgesehen. Grundsätzlich ist eine solche Untätigkeitsbeschwerde deshalb unstatthaft. Es ist in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung allerdings anerkannt, dass sich aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art 2 Abs 1 iVm Art 20 Abs 3 GG) die Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes für den einzelnen Bürger ableiten lässt (BVerfG NJW 1997, 2811). Dabei fordert das Rechtsstaatsprinzip im Interesse der Rechtssicherheit, dass strittige Rechtsverhältnisse in angemessener Zeit geklärt werden. Auch die Natur eines Verfahrens kann verlangen, es mit der gebotenen Beschleunigung durchzuführen. Ob eine Verfahrensdauer unangemessen lang ist, muss nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden (BVerfG NJW 2001, 961 zum familienrechtlichen Verfahren).
Ausgehend von diesen verfassungsrechtlichen Grundsätzen kann eine Untätigkeitsbeschwerde ausnahmsweise zulässig sein, wenn ein Beschwerdeführer in seinem Recht auf effektiven Rechtsschutz verletzt ist, weil z.B. die Frage der Gewährung von Verfahrenskostenhilfe bzw der Beiordnung des Verfahrensbevollmächtigten nicht in angemessener Zeit geklärt ist (vgl. OLG Zweibrücken OLG-Report 2003, 102).
b. Ein solcher Ausnahmefall ist nicht gegeben.
Im Verfahren über die Gewährung von Prozess- bzw. Verfahrenskostenhilfe, zu dem auch die Entscheidung über die Beiordnung eines Bevollmächtigten gehört, soll über das Gesuch in angemessener Zeit entschieden werden. Dies verlangt das aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Gebot der Rechtsschutzgleichheit (vgl. OVG Brandenburg Az 4 E 139/02, Orientierungssatz veröffentlicht in juris: Bei der Entscheidung über ein Prozesskostenhilfegesuch hielt das Gericht in Anbetracht der gegebenen Umstände einen verstrichenen Zeitraum von 12 Monaten nicht für geeignet, eine verfassungswidrige Verzögerung zu begründen).
Zwischen dem Eingang des ersten Beiordnungsantrages (22. Juni 2002) und der Einlegung der Beschwerde (15. Juli 2003) liegt ein Zeitraum von gut einem Jahr. Innerhalb dieses Zeitraums - am 4. April 2003 - hat das Patentamt zwar über die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe entschieden, diese aber fehlerhaft Herrn K... gewährt, der nicht Anmelder ist. Was die Anmelderin betrifft, fehlen sowohl eine Entscheidung über die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe als auch über die Beiordnung eines Verfahrensbevollmächtigten. In der Zeitspanne bis zum Beschluss vom 4. April 2003 hat allerdings die Anmelderin selbst zur Verzögerung beigetragen, indem sie den Verfahrenskostenhilfe- und Beiordnungsantrag für insgesamt 6 Patentanmeldungen in einem Schriftsatz gestellt hat. Da für jedes Verfahren ein Antragsexemplar erforderlich ist und die Anmelderin nur ein Exemplar des Antragsschriftsatzes eingereicht hat, war das Patentamt gehalten, Kopien anzufertigen und zu den entsprechenden Akten zu reichen. Den damit verbundenen Zeitaufwand muss die Anmelderin hinnehmen.
Bei Abwägung dieser Umstände erscheint dem Senat die eingetretene Verzögerung noch hinnehmbar. Unverständlich ist jedoch, warum das Patentamt der Beschwerde nicht abgeholfen und über die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe für die Anmelderin und die Beiordnung des Verfahrensbevollmächtigten entschieden hat. Diese Entscheidungen wird es zügig nachzuholen haben.
2. Die Beschwerdegebühr ist ohne Rechtsgrund geleistet und daher zurückzuzahlen (entspr § 812 Abs 1 Satz 1 BGB). Die Verpflichtung zur Zahlung einer Beschwerdegebühr ergibt sich für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundespatentgericht grundsätzlich aus § 2 Abs 1, 2 PatKostG iVm dem Gebührenverzeichnis (GebVerz). Für eine Untätigkeitsbeschwerde findet sich dort jedoch kein Gebührentatbestand. Nach Abschnitt B. I. 1. des GebVerz sind Beschwerden gemäß § 73 Abs 1 PatG, also solche, die sich gegen einen Beschluss des Patentamts richten, gebührenpflichtig. Mit der Untätigkeitsbeschwerde begehrt der Beschwerdeführer gerade nicht die Aufhebung eines patentamtlichen Beschlusses, er will vielmehr erreichen, dass überhaupt eine Entscheidung getroffen wird. Der Gebührentatbestand ist somit dem Wortlaut nach nicht erfüllt; eine eindeutige gesetzliche Grundlage, die für eine Belastung mit Gebühren notwendig ist, besteht nicht.
Schülke Püschel Schuster Pr
BPatG:
Beschluss v. 16.10.2003
Az: 10 W (pat) 42/03
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