Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen:
Beschluss vom 2. Oktober 2000
Aktenzeichen: 11 E 431/00

(OVG Nordrhein-Westfalen: Beschluss v. 02.10.2000, Az.: 11 E 431/00)

Tenor

Der angefochtene Beschluss und die Beschlüsse der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichts Köln vom 27. und 28. April 1999 in der Fassung der Beschlüsse vom 10. Juni 1999 werden geändert, soweit darin die Festsetzung einer Beweisgebühr abgelehnt worden ist.

Die Sache wird an die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichts Köln zurückverwiesen und diese angewiesen, auf den Antrag des Klägers eine Beweisgebühr festzusetzen.

Die Kosten des Verfahrens tragen der Beklagte und die Beigeladene je zur Hälfte.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 1.907,62 DM festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde ist zulässig (vgl. § 146 Abs. 1 und 3 VwGO) und in der Sache begründet.

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat es zu Unrecht abgelehnt, über die auf den Kostenfestsetzungsantrag vom 1. März 1999 zugesprochene Vergütung hinaus auch eine Beweisgebühr in Ansatz zu bringen.

Nach § 31 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO erhält der zum Prozessbevollmächtigten bestellte Rechtsanwalt eine volle Gebühr unter anderem für die Vertretung im Beweisaufnahmeverfahren. Eine solche Beweisaufnahme hat hier im Berufungsverfahren stattgefunden. Der (vormals 23.) Senat hat im Termin zur mündlichen Verhandlung zweiter Instanz unter anderem den Bediensteten des Bergamtes D. , den Regierungsangestellten J. , als bereits früher mit dem in Rede stehenden Problemkreis vertraute und sachkundige Person zu Tatsachen, insbesondere zu seinen Angaben im Verhandlungstermin vor dem Verwaltungsgericht (formlos) befragt. Ferner hat sich der Senat mit den Erklärungen des Herrn J. in seinem Urteil vom 4. Februar 1999 - 23 A 377/96 - (Urteilsabdruck S. 19 und 26) bei der Beurteilung auseinander gesetzt, der Beklagte habe Trassenalternativen nicht hinreichend berücksichtigt.

Für das Entstehen der Beweisgebühr nach § 31 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO ist es unerheblich, dass Herr J. nicht förmlich als Zeuge geladen wurde - allerdings ist schon durch prozessleitende Verfügung vom 18. Januar 1999 das Erscheinen von Herrn J. als "in höchsten Maße förderlich" bezeichnet worden - und dass kein förmlicher Beweisbeschluss ergangen ist

- vgl. hierzu und zu folgendem etwa BVerfG, Beschluss vom 13. Januar 1988 - 1 BvR 1574/83 -, BVerfGE 77, 360 ff. m.w.N. -,

demzufolge nur eine formlose "informatorische" Befragung des Herrn J. zu Tatsachen, d. h. in der Sache, erfolgte. Diese Beurteilung entspricht auch der ständigen Rechtsprechung der Oberlandesgerichte in Zivilsachen zu formlosen Anhörungen von Zeugen, Sachverständigen, Streithelfern u. ä.

Vgl. Oberlandesgerichte Stuttgart, Beschluss vom 12. August 1977 - 8 W 434/77 -, AnwBl. 1977, 470; Frankfurt, Beschlüsse vom 18. Juli 1980 - 20 W 326/80 -, RuS 1980, 180, und vom 17. März 1981 - 20 W 156/81 -, AnwBl. 1981, 446; München, Beschluss vom 10. September 1980 - 11 W 1767/80 -, AnwBl. 1981, 110; Koblenz, Beschlüsse vom 3. November 1980 - 14 W 454/80 -, JurBüro 1981, 549, und vom 17. Dezember 1991 - 14 W 714/91 -, JurBüro 1992, 607; Bamberg, Beschluss vom 4. November 1981 - 2 WF 146/81 -, JurBüro 1982, 235; Hamburg, Beschluss vom 11. März 1982 - 8 W 40/82 -, JurBüro 1982, 861; Schl.-Holst., Beschluss vom 2. Januar 1985 - 9 W 264/84 -, JurBüro 1985, 878; Köln, Beschlüsse vom 8. Januar 1987- 17 W 2/87 -, AnwBl. 1987, 244, und vom 12. Dezember 1994 - 17 W 157/93 -, AnwBl. 1995, 150; Hamm, Beschluss vom 8. Oktober 1990 - 23 W 527/90 -, JurBüro 1991, 682.

Das Fehlen einer besonderen Protokollierung der Angaben des Herrn J. ist unschädlich.

OLG Koblenz, Beschluss vom 17. Dezember 1999 - 14 W 714/91 -, a.a.O.

Schließlich ist es ohne Belang, ob die Tatsachen, zu denen Herr J. gehört worden ist, zwischen den Verfahrensbeteiligten streitig waren. Hierauf kommt es wegen des den Verwaltungsprozess beherrschenden Untersuchungsgrundsatzes (§ 86 Abs. 1 VwGO) nicht an. Entscheidend ist vielmehr, ob die Anhörung lediglich vorbereitenden Charakter im Sinne einer Stoffsammlung hatte oder ob es um Tatsachen ging, die für die Entscheidung rechtserheblich waren.

BVerfG, Beschluss vom 13. Januar 1988 - 1 BvR 1574/83 -, a. a. O.; OVG NRW, Beschluss vom 8. November 1996 - 4 E 406/96 -, GewArch 1997, 245 m.w.N. (zur Einholung von Auskünften).

Um eine solche Erforschung entscheidungserheblicher Momente ging es hier. Der Senat hat durch die Einvernahme des Herrn J. wesentliche tatsächliche und rechtliche Punkte der fehlenden, allerdings möglichen und gebotenen Überprüfung einer alternativen Trassenführung klären können.

Die subjektiven Voraussetzungen für das Entstehen einer Beweisgebühr - Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten des Klägers im Termin - sind ebenfalls erfüllt, da der Kläger im Termin vor dem Senat anwaltlich vertreten war. Mehr ist nicht erforderlich.

Nach alledem sind die angegriffenen Beschlüsse zu ändern. Der Senat verweist die Sache an die Urkundsbeamtin des Verwaltungsgerichts zurück und weist diese an, die ebenfalls beantragte Beweisgebühr festzusetzen.

Vgl. zu dieser Möglichkeit: OVG NRW, Beschluss vom 8. November 1996 - 4 E 406/96 - (inzident; insoweit nicht in GewArch 1997, 245 veröffentlicht), und VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 26. März 1979 - VII 3206/78 -, n.v. (juris-Voll- text).

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1 und 3, 159 Satz 2 VwGO, 100 ZPO.

Zur Kostenpflichtigkeit der Beschwerde: von Eicken, in: Gerold/Schmidt, BRAGO, Kommentar, § 19 Rdnr. 56; Fraunholz, in: Riedel/Sußbauer, BRAGO, Kommentar, § 19 Rdnr. 37.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).






OVG Nordrhein-Westfalen:
Beschluss v. 02.10.2000
Az: 11 E 431/00


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