Bundespatentgericht:
Beschluss vom 29. Januar 2003
Aktenzeichen: 29 W (pat) 8/01
(BPatG: Beschluss v. 29.01.2003, Az.: 29 W (pat) 8/01)
Tenor
1. Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 24. Oktober 2000 wird aufgehoben, soweit die Anmeldung für die Waren und Dienstleistungen "Mechaniken für geldbetätigte Apparate; Büroartikel (ausgenommen Möbel); Werbung und Geschäftsführung" zurückgewiesen worden ist.
2. Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe
I Die Wortmarke
"NetGate"
soll für die Waren und Dienstleistungen der Klasse 9:
Elektrische, elektronische, optische, Mess-, Signal-, Kontroll- oder Unterrichtsapparate und -instrumente (soweit in Kl. 9 enthalten); Apparate zur Aufzeichnung, Übertragung, Verarbeitung und Wiedergabe von Ton, Bild oder Daten; maschinenlesbare Datenaufzeichnungsträger; Verkaufsautomaten und Mechaniken für geldbetätigte Apparate; Datenverarbeitungsgeräte und Computer;
Klasse 16:
Druckereierzeugnisse, insbesondere bedruckte und/oder geprägte Karten aus Karton oder Plastik; Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate); Büroartikel (ausgenommen Möbel);
Klasse 35:
Werbung und Geschäftsführung Klasse 38:
Telekommunikation; Betrieb und Vermietung von Einrichtungen für die Telekommunikation, insbesondere für Funk und Fernsehen;
Klasse 42:
Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung; Dienstleistungen einer Datenbank, nämlich Vermietung der Zugriffszeiten zu und Betrieb von Datenbanken sowie Sammeln und Liefern von Daten, Nachrichten und Informationen; Vermietung von Datenverarbeitungseinrichtungen und Computern; Projektierung und Planung von Einrichtungen für die Telekommunikation.
in das Markenregister eingetragen werden.
Die Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung mit Beschluss vom 24. Oktober 2000 durch einen Beamten des höheren Dienstes wegen Bestehen eines Freihaltebedürfnisses in vollem Umfang zurückgewiesen. Das angemeldete Zeichen bestehe aus den beiden englischen Fachbegriffen "Net" und "Gate". Bei dem Wort "Net" handele es sich um eine auf dem Gebiet der Informationstechnologie gebräuchliche Bezeichnung für Datennetzwerke. Der Begriff "Gate" werde auf diesem Gebiet mit der Bedeutung von "Tor, Eingang, Einlass, Zugang" verwendet. In seiner Gesamtheit enthalte das Zeichen daher in Verbindung mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen lediglich einen beschreibenden Hinweis darauf, dass die Anmelderin Zugänge zu Netzwerken bzw. Netzwerkverbindungen herstelle.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Das angemeldete Zeichen enthalte keine konkrete Aussage über die beanspruchten Waren, denn die beiden Bestandteile "Net" und "Gate" könnten verschiedene Bedeutungen haben. Das OLG Düsseldorf habe in einem Verletzungsverfahren für den Telekommunikationsbereich eine besondere Wahrnehmungsintensität der Verbraucher feststellt (20 U 103/98). Dementsprechend bestehe für diesen Bereich ein geringeres Freihaltebedürfnis.
Die Anmelderin beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben.
II Die zulässige Beschwerde hat in der Sache nur teilweise Erfolg. Der Eintragung des angemeldeten Zeichens steht zwar kein Freihaltebedürfnis entgegen, es fehlt aber für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen mit Ausnahme der im Tenor genannten an der erforderlichen Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1, § 37 Abs. 1 MarkenG).
Unterscheidungskraft im Sinne der genannten Vorschrift ist die einer Marke innewohnende Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die angemeldeten Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden. Hierbei ist grundsätzlich von einem großzügigen Maßstab auszugehen. Jede noch so geringe Unterscheidungskraft reicht aus, um das Schutzhindernis zu überwinden. Einer Wortmarke fehlt nur dann die Unterscheidungskraft, wenn ihr ein für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsgehalt zugeordnet werden kann oder es sich um ein gebräuchliches Wort der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache handelt, das vom Verkehr- etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird (BGH GRUR 2001,1151 "marktfrisch" m.w.N.). Dies ist hier für einen Teil der beanspruchten Waren und Dienstleistungen der Fall.
Wie die Markenstelle zutreffend ausgeführt hat, besteht das angemeldete Zeichen aus den beiden englischsprachigen Begriffen "Net" und "Gate". Die Tatsache, dass es sich um eine aus zwei Substantiven gebildete Wortverbindung handelt, ist auf Grund der Großschreibung des Bestandteils "Gate" ohne weiteres erkennbar. Die Bezeichnung "NetGate" ist lexikalisch nicht nachweisbar, entspricht aber in der Wortbildung den Regeln der deutschen und der englischen Sprache. Es finden sich insbesondere im Bereich des Internets Wörter, die in identischer Weise mit dem Bestandteil "Net" gebildet sind (z. B. nethead, netnews, netsurfer).
Das Wort "Net" wird im deutschen und englischen Sprachgebrauch auf dem hier einschlägigen Gebiet der Informationstechnologie und Telekommunikation seit vielen Jahren über seine ursprüngliche Bedeutung von "Netz, Netzwerk" hinaus als Kurzform für Internet verwendet (s. z.B. Der Brockhaus, Computer und Informationstechnologie, 2003, S. 618; Irlbeck/Langenau, Computer-Lexikon, 4. Aufl. 2002, S. 576; The Oxford Dictionary of New Words, 1998, S. 207). Der Begriff "Gate" bedeutet soviel wie "Tor, Pforte". Im Internet finden sich außerdem Verwendungen von "Gate" als Kurzform von "gateway/Einfahrt" (z.B. "Welcome to HealthGate. Your gateway to healthcare content in context"; "GPO - Gate des General Printing Office").
In seiner Gesamtheit lässt sich dem Zeichen "NetGate" daher eine Bedeutung im Sinne von "Netzzugang/Internetzugang" zuordnen. Dafür sprechen auch die bei einer Internet-Recherche ermittelten Einträge, bei denen unter dem Gesamtbegriff "NetGate" Internetzugänge beworben werden (z.B. "Was ist ein NetGate Internet-Zugang"; "NetGate Matthias R. - Internet-Zugriffsvermittlung"). Auf Grund der beschreibenden Bedeutung der beiden Bestandteile und der entsprechenden Verwendung des Gesamtbegriffs versteht der angesprochene Verkehr das Zeichen "NetGate" daher ohne weiteres im Sinne von "Internetzugang".
Die sprachüblich gebildete Verbindung der beiden beschreibenden Bestandteile "Net" und "Gate" weist auch kein zusätzliches Merkmal auf, das zu einer inhaltlichen Änderung führt, die dem Zeichen in seiner Gesamtheit Unterscheidungskraft verleiht (EuGH MarkenR 2002, 391 - Companyline). Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die beanspruchten Waren und Dienstleistungen mit Ausnahme der Dienstleistungen der Klasse 35 an den allgemeinen Verbraucher richten, der als durchschnittlich informiert, aufmerksam und verständig anzusehen ist (EuG MarkenR 2002, 260 -SAT.2 m.w.N.). Die hier angesprochenen Verbraucher sind mit der englischen Sprache als Fach- und Werbesprache und insbesondere den zahlreichen Wortneubildungen im Umfeld des Internets vertraut und erfassen daher den unmittelbar beschreibenden Aussagegehalt des angemeldeten Zeichens.
In Verbindung mit den Waren der Klasse 9 "Elektrische, elektronische, optische, Mess-, Signal-, Kontroll- oder Unterrichtsapparate und -instrumente (soweit in Kl. 9 enthalten); Apparate zur Aufzeichnung, Übertragung, Verarbeitung und Wiedergabe von Ton, Bild oder Daten; maschinenlesbare Datenaufzeichnungsträger; Verkaufsautomaten; Datenverarbeitungsgeräte und Computer" beschreibt "NetGate" deren Eignung für den Internetzugang. Dabei handelt es sich um ein Merkmal, von dem angesichts der überragenden Bedeutung des Internets als Kommunikations- und Informationsmedium anzunehmen ist, dass es für die angesprochenen Verkehrskreise wesentlich ist. Bezüglich der Waren der Klasse 16 "Druckereierzeugnisse, insbesondere bedruckte und/oder geprägte Karten aus Karton oder Plastik; Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate)" enthält "NetGate" lediglich eine Sachinformation dahingehend, dass diese Waren Zugang zum Internet vermitteln oder sich mit dem Thema "Internetzugang" befassen.
Das Zeichen ist schließlich auch nicht geeignet die in Klasse 38 und 42 beanspruchten Dienstleistungen "Telekommunikation; Betrieb und Vermietung von Einrichtungen für die Telekommunikation, insbesondere für Funk und Fernsehen;
Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung; Dienstleistungen einer Datenbank, nämlich Vermietung der Zugriffszeiten zu und Betrieb von Datenbanken sowie Sammeln und Liefern von Daten, Nachrichten und Informationen; Vermietung von Datenverarbeitungseinrichtungen und Computern; Projektierung und Planung von Einrichtungen für die Telekommunikation" von denen anderer Anbieter zu unterscheiden, denn sämtliche Dienstleistungen können einen Internetzugang vermitteln und daher mit dem Begriff "NetGate" ihrer Eigenschaft nach beschrieben werden.
Auch der Hinweis der Anmelderin auf das Urteil des OLG Düsseldorf im Verletzungsverfahren "GlobalCall" (20 U 103/98) führt zu keiner anderen Beurteilung des angemeldeten Zeichens. Das Gericht kommt zu dem Ergebnis, dass sich der Verkehr angesichts der "nichtssagenden" Bezeichnungen für die Tarifdienstleistungen der Mobilfunkanbieter an weiteren Unterscheidungsmerkmalen, wie etwa dem Namen des Anbieters, orientiert. Diese Feststellung bestätigt die Auffassung des Senats, dass der Verkehr in der die beanspruchten Waren und Dienstleistungen unmittelbar beschreibenden Angabe "NetGate" keinen Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen erkennen wird.
Etwas anderes gilt nur für die im Tenor genannten Waren und Dienstleistungen, da sie nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit einem Internetzugang stehen. Mit "NetGate" wird daher kein wesentliches Merkmal dieser Waren und Dienst-
leistungen beschrieben, das die maßgeblichen Verkehrskreise von der Vorstellung wegführen könnte, es mit einem Unternehmenshinweis zu tun zu haben.
Grabrucker Richterin Pagenberg ist im Urlaub und daher verhindert zu unterschreiben.
Grabrucker Fink Cl/Ko
BPatG:
Beschluss v. 29.01.2003
Az: 29 W (pat) 8/01
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