Oberlandesgericht Düsseldorf:
Urteil vom 5. Juli 2005
Aktenzeichen: I-24 U 220/04

(OLG Düsseldorf: Urteil v. 05.07.2005, Az.: I-24 U 220/04)

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung des weitergehen-den Rechtsmittels das am 13. Oktober 2004 verkündete Urteil der 5. Zivil-kammer des Landgerichts Düsseldorf teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird unter Abweisung der weitergehenden Klage verurteilt, an den Kläger 2.321,92 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunk-ten über dem Basiszinssatz seit dem 02. September 2002 zu zahlen.

Die Kosten beider Rechtszüge werden dem Kläger zu 83%, dem Beklagten zu 17% auferlegt mit Ausnahme derjenigen Kosten, welche durch die Anrufung des Landgerichts Berlin entstanden und vom Kläger allein zu tragen sind.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Das Rechtsmittel der Beklagten, mit welchem sie ihre Verurteilung zur Honorarzahlung (13.801,28 EUR nebst gesetzlichen Verzugszinsen) bekämpft, hat überwiegend Erfolg. Sie schuldet dem klagenden Rechtsanwalt unter Berücksichtigung der außergerichtlichen Teilzahlung (5.000 EUR) nur noch ein Resthonorar in Höhe von 2.321,92 EUR.

I. Das dem Kläger gemäß §§ 611, 612 Abs. 2, 675 BGB in Verbindung mit den Vorschriften der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung (BRAGO), die gemäß § 61 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) wegen der Auftragserteilung vor dem 01. Juli 2004 in der bis zum 30. Juni 2004 geltenden Fassung anzuwenden ist, zustehende Honorar errechnet sich wie folgt:

01 Gegenstandswert: 621.000 EUR

02 7,5/10-Geschäftsgebühr, §§ 11, 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO 1.716,00 EUR

03 5/10-Besprechungsgebühr, §§ 11, 118 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO 1.144,00 EUR

04 15/10-Vergleichsgebühr, §§ 11, 23 Abs. 1 S. 1 BRAGO 3.432,00 EUR

05 Post- und Telekommunikationspauschale, § 26 BRAGO 20,00 EUR

06 Zwischensumme 6.312,00 EUR

07 16% Mehrwertsteuer, § 25 Abs. 2 BRAGO 1.009,92 EUR

08 Honorar 7.321,92 EUR

09 Vorschuss, §§ 17, 18 Abs. 2 BRAGO - 5.000,00 EUR

10 Resthonorar 2.321,92 EUR

II. Erläuterungen:

1. Der Gegenstandswert der in Auftrag gegebenen Geschäftsbesorgung beträgt nicht, wie das Landgericht (dem Kläger folgend) angenommen hat, 1.286.115,50 EUR, sondern nur 621.000 EUR (Zeile 01).

a) Die Gebühren des Rechtsanwalts werden gemäß § 7 Abs. 1 BRAGO (jetzt § 2 Abs. 1 RVG) nach dem Wert berechnet, den der Gegenstand seiner Tätigkeit hat. Unter dem Gegenstand ist das Recht oder Rechtsverhältnis (auch Streitgegenstand oder Streitverhältnis genannt) zu verstehen, auf welches sich die Tätigkeit des Rechtsanwalts nach dem Inhalt des erteilten Auftrags bezieht (vgl. BGH MDR 1976, 742). Geht es wie hier um außergerichtliche Tätigkeiten des Rechtsanwalts, sind gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 BRAGO (jetzt § 23 Abs. 1 Satz 3 RVG) zur Bewertung der bearbeiteten Gegenstände die für das gerichtliche Verfahren maßgeblichen Wertvorschriften des Gerichtskostengesetzes (GKG) in der jeweils maßgeblichen (hier in der bis zum 30. Juni 2004 geltenden) Fassung (nachfolgend GKG a.F. genannt) heranzuziehen, wenn die außergerichtliche Tätigkeit auch Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens hätte sein können. Dafür genügt es, dass ohne eine außergerichtliche Regelung die gerichtliche Auseinandersetzung der Beteiligten unumgänglich wäre und dass zwischen der außergerichtlichen Tätigkeit des Rechtsanwalts und derjenigen in einem etwaigen nachfolgenden Gerichtsverfahren ein innerer Zusammenhang bestehen würde (vgl. BGH NJW 1997, 188 sub Nr. 2; Senat OLGR Düsseldorf 2005, 651, Urt. v. 12.04.2005 -I 24 U 66/04- sub Nr. I.2b und I.3 m.w.N., z.V. b.). So verhält es sich im Streitfall.

b) Wäre es nicht zu dem außergerichtlichen Vergleich gekommen, hätten sich die Beklagte und ihre Lizenznehmerin R-GmbH (nachfolgend: Lizenznehmerin) über die gegenseitig erhobenen Ansprüche gerichtlich auseinandersetzen müssen. Der Wert der anwaltlichen Tätigkeit richtet sich deshalb mangels einer besonderen kostenrechtlichen Bestimmung gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 GKG a.F. (jetzt § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG), § 3 ZPO nach dem Interesse der Beklagten im Zeitpunkt der Auftragserteilung bzw. einer werterhöhenden Auftragsänderung (§ 15 GKG a.F., jetzt § 40 GKG).

aa) Im Streitfall maßgeblich für die Bestimmung des Auftragsumfangs ist zwar entgegen der Auffassung der Beklagten nicht der dem Kläger zunächst erteilte (eingeschränkte) Auftrag von März/April 2002 zur Frage der Durchsetzung der Lizenzgebührenforderung in Höhe von 160.500 DM, sondern der (erweiterte) Auftrag vom 15./21. Mai 2002, in welchem es (auch) um die Abwehr der geltend gemachten Schadensersatzansprüche der Lizenznehmerin ging. Entgegen ihrer Behauptung hat die Beklagte den Kläger auch insoweit beauftragt. Das ergibt sich aus dem Schreiben des Klägers vom 15. Mai 2002, in welchem Bezug genommen wird auf eine Lösung, die Gegenstand des Gutachtens (des Klägers) vom 07. Mai 2002 sub Nr. II.4 gewesen ist und die beiderseitigen Ansprüche erfasst. Dieses Angebot hat die Beklagte spätestens mit Schreiben vom 27. Mai 2002 angenommen. Dort billigt sie nämlich die vom Kläger vorgeschlagene Vorgehensweise.

bb) Entgegen der Ansicht des Klägers ging es im Zeitpunkt der Auftragserteilung von Mai 2002 aber nicht mehr um abzuwehrende Schadensersatzansprüche der Lizenznehmerin in ursprünglich geltend gemachter Höhe von mehr als 2,5 Mio. DM, sondern nur noch um solche in Höhe von 621.000 DM. Das ergibt sich aus dem Schriftwechsel, den die Beklagte vor Auftragserteilung mit der Lizenznehmerin geführt und welche dem Kläger bei der Bearbeitung des Mandats vorgelegen hat.

Die Höhe der von der Lizenznehmerin geltend gemachten Schadensersatzansprüche war zunächst streitig. Mit Schreiben vom 25. Februar 2002 machte die Lizenznehmerin dann nur noch Schadensersatzansprüche in Höhe von 621.000 DM geltend, die sie in der Folgezeit in der mit dem Kläger namens der Beklagten geführten Korrespondenz nicht wieder erweiterte. Damit ist das Interesse der Beklagten im Sinne des § 3 ZPO und gleichzeitig der Auftragsumfang definiert. Daran vermag auch nichts der Umstand zu ändern, dass der Kläger in der Korrespondenz mit der Lizenznehmerin deren Schadensersatzforderung in ursprünglicher Höhe angesprochen hatte. Denn die historische Nachzeichnung des Konflikts führte nicht zu einer Auftragserweiterung, sondern diente nur der Sachverhaltsdarstellung.

2. Der Senat folgt auch nicht dem Landgericht darin, dass dem Kläger die in Ansatz gebrachte Geschäftsgebühr von 10/10 zusteht. Angemessen ist nur die Mittelgebühr von 7,5/10 (Zeile 02).

a) Geht es wie bei dem hier anzuwendenden § 118 Abs. 1 BRAGO um den Ansatz einer Gebühr im Rahmen von 5/10 bis 10/10 (Rahmengebühr), richtet sich deren Angemessenheit gemäß § 315 Abs. 1 BGB, § 12 Abs. 1 Satz 1 BRAGO nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Bedeutung der Angelegenheit für den Mandanten, nach dem Umfang und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sowie nach den Vermögens- und Einkommensverhältnissen des Auftragsgebers. Der Rechtsanwalt hat bei der Leistungsbestimmung einen zu respektierenden Ermessensspielraum. Im Streitfall hat der Kläger mit Blick darauf, dass es immerhin um die Abweichung im Umfange einer Viertelgebühr geht, den ihm zustehenden Ermessensspielraum verlassen, ohne dass der Senat hier entscheiden müsste, wo genau die Grenze verläuft (vgl. BGH NJW 2004, 1043 sub Nr. II.3). Das vom Landgericht gemäß § 12 Abs. 2 BRAGO eingeholte Gebührengutachten des Vorstands der Rechtsanwaltskammer dient der Kontrolle des anwaltlichen Billigkeitsermessens durch das Prozessgericht, bindet es aber nicht, sondern unterliegt der freien richterlichen Würdigung, § 286 ZPO (BGH aaO).

aa) Der Senat folgt dem angefochtenen Urteil darin, dass die Bedeutung der Angelegenheit für die Beklagte überdurchschnittlich gewesen ist. Denn die Beklagte befürchtete zu Recht, im Falle von (in der Branche immer wieder vorkommenden) Lizenzrechtsverstößen künftig Schadensersatz in Geld leisten zu müssen. Statt dessen war sie sehr daran interessiert, einer in der Branche verbreiteten und bisher auch mit der hiesigen Lizenznehmerin geübten Praxis gemäß deren Vermögensnachteile gleichsam in Natur, nämlich in Gestalt verlängerter oder auf andere Sender erweiterter Lizenzen für das verletzte oder das Recht an anderen Filmproduktionen, ausgleichen zu dürfen. Die Beklagte wollte einen Präzedenzfall - Geldersatz - unbedingt vermeiden.

bb) Der Senat folgt nicht dem Landgericht, das in Übereinstimmung mit dem Gutachter den Umfang und den Schwierigkeitsgrad der anwaltlichen Tätigkeit als überdurchschnittlich beurteilt. Der Senat ist vielmehr der Auffassung, dass die Tätigkeit des Klägers eher unterdurchschnittlich umfangreich und schwierig gewesen ist.

Aus der zur Verfügung gestellten Vorkorrespondenz konnte der Kläger den Sach- und Streitstand mühelos feststellen. Mit Blick auf das Schreiben der Lizenznehmerin vom 22. Februar 2002 brauchte sich der Kläger auch nicht mit den früher umstrittenen Lizenzrechtsverstößen zu beschäftigen. In tatsächlicher Hinsicht war nichts mehr aufzuklären. Die Forderungen beider Seiten waren nach Grund und Höhe unstreitig, nachdem die Beklagte bereits vor Mandatierung des Klägers gegenüber der Lizenznehmerin eingeräumt hatte, ihr durch (eingeräumte) Lizenzrechtsverletzungen Schaden in zuletzt noch geltend gemachter Höhe (621.000 DM) zugefügt zu haben. Das erteilte Rechtsgutachten ist in weiten Teilen abstrakter Natur und war weder umfangreich noch schwierig. Die mit der Lizenznehmerin geführte Korrespondenz war ebenfalls von geringem Umfang und erstreckte sich nur über einen kurzen Zeitraum.

In rechtlicher Hinsicht waren keine spezifisch urheberrechtlichen Fragen zu prüfen, weil die in Rede stehenden Rechtsverletzungen evident und von der Beklagten zugestanden worden waren.

cc) Obwohl zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Beklagten kein konkreter Vortrag vorliegt, kann aus den vorliegenden Indizien zugunsten des Klägers angenommen werden, dass die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Beklagten eher überdurchschnittlich sind (vgl. den vorgetragenen Internetauftritt der Beklagten).

b) Unter Abwägung der maßgeblichen Kriterien kommt der Senat zu einem insgesamt durchschnittlich gelagerten Fall, der ein Abweichen von der Mittelgebühr nicht rechtfertigt.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 2, 281 Abs. 3 S. 2 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Es besteht kein Anlass, die Revision zuzulassen, § 543 Abs. 2 ZPO.

Berufungsstreitwert: 13.801,28 EUR

E T ROLG ROLG






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Urteil v. 05.07.2005
Az: I-24 U 220/04


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