Bundespatentgericht:
Beschluss vom 13. April 2000
Aktenzeichen: 17 W (pat) 26/99
(BPatG: Beschluss v. 13.04.2000, Az.: 17 W (pat) 26/99)
Tenor
Auf die Beschwerde wird der Beschluß der Prüfungsstelle für Klasse G 07 C des Deutschen Patent- und Markenamts vom 17. Februar 1999 aufgehoben und die Sache - unter Zugrundelegung der in der mündlichen Verhandlung überreichten Patentansprüche 1 bis 10 - zur weiteren Prüfung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.
Gründe
I.
Die Anmeldung mit der Bezeichnung
"Von einem Rechengerät ausgeführtes Verfahren und Rechengerät zur automatischen Ermittlung von Einzelzeitdauern, die für die Durchführung von Tätigkeiten bspw. eines Produktionsprozesses jeweils erforderlich sind"
wurde am 24. Dezember 1997 beim Deutschen Patentamt eingereicht.
Die Prüfungsstelle für Klasse G07C des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung durch Beschluß vom 17. Februar 1999 wegen unvollständiger Lehre zum technischen Handeln zurückgewiesen.
Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Im Beschwerdeschriftsatz vom 12. April 1999 ist angegeben, daß die Gebühr in Höhe von 300,-- DM durch den mit gleicher Post überreichten Abbuchungsauftrag entrichtet werde. Die Anmelderin hat auf die Nachfrage, daß kein Abbuchungsauftrag eingegangen sei, mit am 17. Juli 1999 eingegangenen Schriftsatz eine Kopie des Abbuchungsauftags vom 12. April 1999 eingereicht sowie die Kopie einer Empfangsbescheinigung vom 13. April 1999, die auch einen Abbuchungsauftrag zum hier vorliegenden Verfahren ausweist und vom Deutschen Patent- und Markenamt mit Stempel vom 14. April 1999 abgestempelt wurde.
Die Anmelderin verfolgt ihre Anmeldung mit den in der mündlichen Verhandlung überreichten Ansprüchen 1 bis 10 und den am Anmeldetag eingegangenen Beschreibungsseiten 1 bis 23 sowie 2 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 und 2 weiter.
Der geltende Anspruch 1 und der Nebenanspruch 9 lauten:
1. Von einem Rechengerät (15) ausgeführtes Verfahren zur automatischen Ermittlung von Einzelzeitdauern (ti bzw. ti* bzw. ti**), die für die Durchführung von Tätigkeiten (Ai) im Zusammenhang mit einem Produktionsprozeß jeweils erforderlich sind, wobei eine Mehrzahl von Tätigkeiten (Ai) während einer Mehrzahl von Gesamtzeitdauern (TMj) durchgeführt werden, wobei jede der Tätigkeiten (Ai) während jeder der Gesamtzeitdauern (TMj) gar nicht oder einmalig oder mehrmals durchgeführt wird, und wobei jede der Mehrzahl der Gesamtzeitdauern (TMj) sowie die Anzahl (mji) der Durchführungen jeder der Mehrzahl der Tätigkeiten (Ai) während einer der Gesamtzeitdauern (TMj) gemessen werden, dadurch gekennzeichnet, daß von dem Rechengerät (15) die folgenden Schritte durchgeführt werden: es werden Initialisierungswerte für die Einzelzeitdauern (ti) aus den gemessenen Gesamtzeitdauern (TMj) und Anzahlen (mji) ermittelt, aus diesen Einzelzeitdauern (ti) und den gemessenen Anzahlen (mji) werden berechnete Gesamtzeitdauern (TBj) ermittelt, und aus den gemessenen Gesamtzeitdauern (TMj) und den berechneten Gesamtzeitdauern (TBj) werden neue Einzelzeitdauern (ti*) berechnet, wobei der Berechnungsvorgang für die Einzelzeitdauern (ti*) iterativ fortsetzbar ist, bis ein vorgebbares Abbruchkriterum erreicht ist.
9. Rechengerät (15) zur automatischen Ermittlung von Einzelzeitdauern (ti bzw. ti* bzw. ti**), die für die Durchführung von Tätigkeiten (Ai) im Zusammenhang mit einem Produktionsprozeß jeweils erforderlich sind, wobei eine Mehrzahl von Tätigkeiten (Ai) während einer Mehrzahl von Gesamtzeitdauern (TMj) durchgeführt werden kann, wobei jede der Tätigkeiten (Ai) während jeder der Gesamtzeitdauern (TMj) gar nicht oder einmalig oder mehrmals durchgeführt werden kann, und wobei jeder der Mehrzahl der Gesamtzeitdauern (TMj) sowie die Anzahl (mji) der Durchführungen jeder der Mehrzahl der Tätigkeiten (Ai) während einer der Gesamtzeitdauern (TMj) gemessen werden kann, dadurch gekennzeichnet, daß Mittel zur Ermittlung von Initialisierungswerten für die Einzelzeitdauern (ti) aus den gemessenen Gesamtzeitdauern (TMj) und Anzahlen (mji) vorgesehen sind, daß Mittel zur Ermittlung von berechneten Gesamtzeitdauern (TBj) aus diesen Einzelzeitdauern (ti) und den gemessenen Anzahlen (mji) vorgesehen sind, und daß Mittel zur Berechnung von neuen Einzelzeitdauern (ti*) aus den gemessenen Gesamtzeitdauern (TMj) und den berechneten Gesamtzeitdauern TBj) vorgesehen sind, wobei der Berechnungsvorgang für die Einzelzeitdauern (ti*) iterativ fortsetzbar ist, bis ein vorgebbares Abbruchkriterium erreicht ist.
Bezüglich der Unteransprüche 2 bis 8 und 10 wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Zur Begründung ihrer Beschwerde trägt die Anmelderin vor, daß in den geltenden Ansprüchen 1 und 9 die wesentlichen Merkmale für die Bestimmung von Einzelzeitdauern, die für die Durchführung von Tätigkeiten im Zusammenhang mit einem Produktionsprozess von Bedeutung sind, angegeben seien. Es werde von gemessenen Werten für die Anzahl der Tätigkeiten und deren Gesamtzeitdauern ausgegangen und unter Angabe der hierzu wesentlichen Schritte erfolge unter Verwendung dieser gemessenen Werte auf rechnerischem Wege die Ermittlung der Einzelzeitdauern. Diese beanspruchte, für den Fachmann nacharbeitbare Lehre sei im Hinblick auf die Entscheidung "Tauchcomputer" des BGH (BlPMZ, 1992, 255) auch technisch.
Die Anmelderin stellt den Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das nachgesuchte Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen: Patentansprüche 1 bis 10, überreicht in der mündlichen Verhandlung, ursprünglich eingereichte, noch anzupassende Beschreibung Seiten 1 bis 23, 2 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 und 2, eingegeangen am 9. April 1998.
Die Anmelderin hat außerdem noch zwei Hilfsanträge gestellt, hinsichtlich derer auf den Akteninhalt Bezug genommen wird.
II.
Die in rechter Frist und Form eingelegte Beschwerde ist zulässig. Insbesondere ist auch die Beschwerdegebühr als rechtzeitig entrichtet anzusehen. Denn da die vom Anmelder ausgefüllte und an ihn, mit DPMA-Stempel versehen, zurückgeschickte Empfangsbescheinigung eine öffentliche Urkunde iSv § 418 ZPO ist (vgl. BPatG BlPMZ 1986, 374), die vollen Beweis erbringt für die darin bezeugten Tatsachen, ist entsprechend der hier vorliegenden Abstempelung der Empfangsbescheinigung am 14. April 1999 von einem rechtzeitigen Eingang des Abbuchungsauftrags über die Beschwerdegebühr an diesem Tag auszugehen. Der Gegenbeweis ist zwar zulässig, doch liegen keinerlei Erkenntnisse vor, daß der Abbuchungsauftrag entgegen der Abstempelung nicht beigelegen hat, der Gegenbeweis nach § 418 Abs. 2 ZPO ist daher nicht geführt worden.
Die Beschwerde hat insoweit Erfolg, als sie zur Zurückverweisung der Anmeldung an das Deutsche Patent- und Markenamt führt, § 79 Abs. 3 PatG.
Der Erteilungsantrag ist zulässig. Die geltenden Ansprüche 1 und 9 sind durch die am Anmeldetag eingegangenen Ansprüche 1, 5 und 11 sowie durch die Seiten 5, 2. Abs. und S. 18, 1. und 2. Abs. der Beschreibung ursprünglich offenbart.
Die Ansprüche 2 bis 4 sind unverändert geblieben. Die geltenden Unteransprüche 5 bis 8 entsprechen den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 6 bis 9, wobei die jeweilige Ergänzung in den Ansprüchen 5 und 6 aus dem ursprünglichen Anspruch 5 hervorgeht. Der geltende Unteranspruch 10 ist durch S. 5, 3. Abs. mit S. 6, 1. Abs. der Beschreibung und Anspruch 10 vom Anmeldetag ursprünglich offenbart.
Die geltenden Ansprüche 1 und 9 entsprechen den Anforderungen des § 34 Abs. 3 Nr. 3 und Abs. 4 PatG und des § 4 PatAnmVO. Ausgehend von gemessenen Werten für Gsamtzeitdauern und der Anzahl der darin jeweils absolvierten einzelnen Tätigkeiten werden im Anspruch 1 die Verfahrensschritte und im Anspruch 9 die Mittel zur Durchführung dieser Schritte angegeben, die die Prinzipien des rechnerisches Weges zur Ermittlung der gesuchten Einzelzeitdauern beschreiben. Hinweise zur konkreten Ausführung der beanspruchten Lehre werden dem Fachmann durch die in der Beschreibung angegebenen Ausführungsbeispiele vermittelt.
Die beanspruchte Lehre ist auch von technischer Natur, da - vergleichbar mit dem in der BGH-Entscheidung "Tauchcomputer" a.a.O. angesprochenen Sachverhalt - aus gemessenen Größen auf rechnerischem Wege die interessierenden Einzelzeitdauern ohne Einschaltung menschlicher Verstandestätigkeit ermittelt werden. Die Fassungen der Ansprüche 1 und 9 lassen zwar die weitere Behandlung der errechneten Einzelzeitdauern offen. Dieses kann das Vorliegen einer technischen Lehre allerdings nicht in Frage stellen, da der Fachmann - ein diplomierter Physiker mit mehrjähriger Berufserfahrung in der Zeitbestimmungstechnik - bei der Ausführung der beanspruchten Erfindung das Berechnungsresultat selbstverständlich in einer für die weitere Nutzung geeigneten Form ausgeben wird, beispielsweise auf einer Anzeige, in gedruckter Form oder zwischengespeichert zur elektronischen Weiterverwertung. Eine derartige Ergänzung der beanspruchten Lehre ist für den Fachmann selbstverständlich.
Die Prüfungsstelle hat - aus ihrer Sicht folgerichtig - zur Frage der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit bezüglich des beanspruchten Gegenstandes noch nicht Stellung genommen. Die Sache wird deshalb zur weiteren Prüfung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.
Zu den Hilfsanträgen war nicht Stellung zu nehmen, da dem Hauptantrag stattgegeben wurde.
Grimm Prasch Püschel Schuster Ju
BPatG:
Beschluss v. 13.04.2000
Az: 17 W (pat) 26/99
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