Landessozialgericht der Länder Berlin und Brandenburg:
Beschluss vom 20. November 2008
Aktenzeichen: L 3 B 619/08 U PKH

(LSG der Länder Berlin und Brandenburg: Beschluss v. 20.11.2008, Az.: L 3 B 619/08 U PKH)

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss desSozialgerichts Berlin vom 17. Oktober 2008 geändert und weiterhinProzesskostenhilfe für das Verfahren vor dem Sozialgericht Berlingewährt.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

Der angefochtene Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 17. Oktober 2008 war insoweit aufzuheben, als durch diesen die mit Beschluss des Sozialgerichts vom 14. Juli 2005 erfolgte Gewährung von Prozesskosthilfe für die Zukunft aufgehoben worden ist, denn einer der - abschließenden - Aufhebungsgründe nach § 124 der Zivilprozessordnung (ZPO) liegt nicht vor (vgl. zur abschließenden Regelung: Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, Verlag C. H. Beck, 4. Aufl. 2005, Randnr. 830 m. w. N.).

Darüber hinaus war die Beschwerde jedoch zurückzuweisen, da dem Kläger ein Anspruch auf erneute Beiordnung eines anderen Rechtsanwalts nicht zusteht.

Nach § 48 Abs. 2 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) kann der gemäß § 121 ZPO einer Partei beigeordnete Rechtsanwalt beantragen, die Beiordnung aufzuheben, wenn hierfür wichtige Gründe vorliegen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant nachhaltig und tief greifend gestört ist (vgl. OLG Zweibrücken NJW 1988, 570; Jessnitzer, Bundesrechtsanwaltsordnung 5. Aufl. § 48 Randnr. 5 m. w. N.). Das ist hier der Fall. Der Kläger hat mit Schreiben vom 28. Juni 2008 das Mandatsverhältnis mit Rechtsanwalt M - das insgesamt drei Rechtsstreitigkeiten umfasste - gekündigt und ihm vorgeworfen, ihn nicht fachgerecht vertreten zu haben. Rechtsanwalt M hat daraufhin seinerseits mit Schriftsatz vom 03. Juli 2008 um seine Entpflichtung gebeten. Damit liegt ein wichtiger Grund für die beantragte Entpflichtung vor, weshalb das Sozialgericht mit Beschluss vom 30. Juli 2008 die Beiordnung von Rechtsanwalt M aufgehoben hat.

Ist einem Kläger im Wege der Prozesskostenhilfe ein Rechtsanwalt beigeordnet, kann er die Beiordnung eines anderen Anwalts verlangen, wenn dadurch entweder der Staatskasse keine Mehrkosten entstehen oder wenn der Kläger, der die Kosten selber tragen müsste, vernünftigerweise einen anderen Anwalt beauftragen würde (vgl. u. a. OLG Celle FamRZ 2004; 1881; OLG Hamm OLGR 2004, 398; OLG Frankfurt FamRZ 2001, 237; Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, Verlag C. H. Beck, 4. Aufl. 2005, Randnrn. 538 und 680 m. w. N.). Wenn das Vertrauensverhältnis zu dem beigeordneten Anwalt durch sachlich nicht gerechtfertigtes und mutwilliges Verhalten der Partei zerstört worden ist und dies die Entpflichtung des Anwalts nach § 48 Abs. 2 BRAO verursacht hat, besteht kein Anspruch auf die Beiordnung eines anderen Rechtsanwalts; ein solches Verlangen ist dann vielmehr rechtsmissbräuchlich (vgl. BGH NJW-RR 1992, 189; OLG Köln FamRZ 1987, 1168; s. a. OLG Frankfurt MDR 1988, 570; OLG Celle MDR 1960, 846; OLG Braunschweig NJW 1962, 256).

Der Kläger hat das Vertrauensverhältnis zu Rechtsanwalt M durch sachlich nicht gerechtfertigtes Verhalten zerstört. Der Kläger begründet die Mandatsentziehung mit unüberbrückbaren Differenzen. Zum einen habe ihn Herr M vor Ärzten, die nach Aktenlage beurteilten - wie Frau Dr. P im Rahmen des Rentenverfahrens L 22 R 1342/06 -, schützen müssen. Er sei des Weiteren seit Beginn des Mandatsverhältnisses nur zweimal zum Gespräch in die Kanzlei einbestellt worden, es sei kaum telefoniert worden, das Ganze sei schriftlich abgewickelt worden. Der Bevollmächtigte habe ihm gegenüber einen, einem über 60-jährigen Mann nicht zumutbaren Ton sowohl schriftlich als auch mündlich angeschlagen, ihn schriftlich gar €gerügt€.

Diese Vorwürfe sind sachlich nicht gerechtfertigt. So gibt es keinen €Schutz€ vor Gutachten oder Stellungnahmen nach Aktenlage, sie sind vielmehr im Rahmen des sozialgerichtlichen Verfahrens üblich. Auch ist nicht erkennbar, dass das Mandat im Außenverhältnis nicht sorgfältig und fachgerecht geführt worden wäre. Dass nur zweimal Gespräche in der Kanzlei stattgefunden haben, dürfte angesichts der langwierigen sozialgerichtlichen Verfahren, die ebenfalls weitgehend schriftlich ablaufen, nicht unüblich sein, zumal ja offenbar regelmäßig schriftlicher Kontakt bestand. Subjektive Empfindlichkeiten des Klägers können - solange nicht die Grenzen der Beleidigung überschritten sind - nicht allein die Grundlage für eine zur Mandatsbeendigung und Entpflichtung führende Zerstörung des Vertrauensverhältnisses sein. Zumal der Kläger schon einmal aus unklaren Gründen den Anwalt gewechselt hat. Dieser Umstand ist auch Indiz für die Mutwilligkeit des Klägerverhaltens. Der Kläger ist scheinbar nicht in der Lage, eine €Fremd€prozessführung zu akzeptieren und Hinweise bzw. Ratschläge anzunehmen. Ein Anspruch auf erneute Beiordnung eines anderen - vom Gericht auszuwählenden Rechtsanwalts - begründet sich hieraus aber keinesfalls. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der Staatskasse aus jeder Beiordnung weitere Kosten entstehen.

Es war daher wie beschlossen zu entscheiden.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).






LSG der Länder Berlin und Brandenburg:
Beschluss v. 20.11.2008
Az: L 3 B 619/08 U PKH


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