Finanzgericht Köln:
Beschluss vom 30. September 2014
Aktenzeichen: 10 Ko 2686/14
(FG Köln: Beschluss v. 30.09.2014, Az.: 10 Ko 2686/14)
Tenor
Die dem Bevollmächtigten zu erstattenden Kosten werden auf 1.237,40 € festgesetzt.
Die Kosten des Erinnerungsverfahrens trägt der Erinnerungsgegner.
Gründe
Die Erinnerungsführerin hatte im Verfahren 2 K 1406/10 wegen Vorsteuer-Vergütung für das Jahr 2006 geklagt. Der Erinnerungsgegner hatte die für das Jahr 2006 zu vergütende Vorsteuer auf 128.414,11 € festgesetzt. Die Erinnerungsführerin begehrte, die zu vergütende Vorsteuer um weitere 20.064 € zu erhöhen. Dabei ging es bezüglich des Produkts "A" um ein Vorsteuervolumen von 864 € und um zwei Rechnungen der Fa. B Deutschland GmbH mit einem Vorsteuervolumen von insgesamt 19.200 €, die nach Auffassung des Erinnerungsgegners nicht im Original vorgelegt worden waren.
In der mündlichen Verhandlung vom 06.05.2014 verständigten sich die Beteiligten auf Vorschlag des Vorsitzenden dahin, dass hinsichtlich einer der streitigen Rechnungen der Fa. B Deutschland GmbH von einem vergütungsfähigen Original auszugehen sei. Vor diesem Hintergrund verpflichtete sich der Beklagte zur Berücksichtigung eines weiteren Vergütungsbetrags von 9.600 €. Anschließend erklärten die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. Mit Beschluss vom gleichen Tage wurden die Kosten des Verfahrens den Beteiligten jeweils zur Hälfte auferlegt.
Mit seinem Antrag vom 17.06.2014 beantragte der Bevollmächtigte, die insgesamt zu erstattenden Kosten ausgehend von einem - unstreitigen - Streitwert i.H.v. 20.064 € auf 1.237,40 € festzusetzen. Dabei beantragte der Bevollmächtigte u.a. den Ansatz einer 1,0-Erledigungsgebühr für das Klageverfahren i.H.v. 646 € wie folgt:
Klageverfahren (Streitwert: 20.064 €; Gebühr: 646 €)
1,6 Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3200 VV RVG;
1.033,60 €
1,2 Terminsgebühr Nr. 3202 VV RVG
775,20 €
1,0 Erledigungsgebühr Nr. 1003 VV RVG
646,00 €
Pauschale für Post und Telekommunikation
(§§ 2, 13 RVG, Nr. 7002 VV RVG: 20%, höchstens 20 €)
20,00 €
Nettobetrag Klageverfahren
2.474,80 €
davon zu erstatten lt. Kostenentscheidung 1/2
1.237,40 €
Mit dem streitgegenständlichen Kostenfestsetzungsbeschluss vom 20.08.2014 setzte der Kostenbeamte die an den Erinnerungsführer zu erstattenden Kosten auf 914,40 € fest; die Berücksichtigung der beantragten Erledigungsgebühr wurde abgelehnt. Zwar liege eine Einschränkung des Klagebegehren in einer Größenordnung von über 10 % vor, allerdings habe kein Einwirken auf die Erinnerungsführerin zur Erledigung des Verfahrens stattgefunden, zumal auch kein Vertreter der Erinnerungsführerin in der mündlichen Verhandlung anwesend gewesen sei. Der Bevollmächtigte habe das Verfahren in der mündlichen Verhandlung ohne vorheriges Gespräch mit der Klägerin für erledigt erklärt, sodass kein mit einer zusätzlichen Leistung verbundenes, besonderes Einwirken auf die Erinnerungsführerin erkennbar sei. Daher fehle es an der erforderlichen Mitwirkung bei der Erledigung des Rechtsstreits.
Der Bevollmächtigte macht geltend, er habe nicht nur mitgewirkt, sondern seine anwaltliche Entscheidung habe das erledigende Ereignis letztlich bewirkt. Daher sei es unerheblich, dass neben dem Bevollmächtigten kein weiterer Vertreter der Erinnerungsführerin anwesend gewesen sei. Letztlich sei eine größere Mitwirkung eines Bevollmächtigten bei der Erledigung eines Rechtsstreits als im Streitfall kaum vorstellbar.
II. Die Erinnerung ist begründet. Dem Bevollmächtigten stand die begehrte Erledigungsgebühr zu, weil er in hinreichender Weise bei der Erledigung des Rechtsstreits mitgewirkt hat.
1. Da über Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis wegen des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung nicht vertraglich verfügt werden kann, ist die Entstehung einer Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV RVG regelmäßig ausgeschlossen (VV Nr. 1000 Abs. 4). Stattdessen sieht Nr. 1002 VV RVG die Entstehung einer Erledigungsgebühr vor, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt (Nummer 1003 i.V.m. Nummer 1002 VV). Das Gleiche gilt, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise durch den Erlass eines bisher abgelehnten Verwaltungsakts erledigt.
a) Das RVG hat die BRAGO ab 1. Juli 2004 abgelöst. In der BRAGO war die Erledigungsgebühr in § 24 geregelt. Danach erhielt der Rechtsanwalt eine Erledigungsgebühr, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Zurücknahme oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts erledigte und der Rechtsanwalt bei der Erledigung mitgewirkt hatte. Um den Prozessbevollmächtigten im finanzgerichtlichen Verfahren nicht gegenüber einem Rechtsanwalt zu privilegieren, der im Zivilprozess eine auf einen Vergleich gerichtete Tätigkeit entfaltet hatte, wurde für eine "Mitwirkung bei der Erledigung" nach altem Recht in ständiger Rechtsprechung eine besondere Tätigkeit des Bevollmächtigten verlangt, die die materielle Erledigung des Rechtsstreits ohne Urteil herbeiführte und die über die bereits mit der Prozess- oder Verhandlungsgebühr abgegoltene Einlegung und Begründung des Rechtsbehelfs hinausging (FG Köln, Beschluss vom 28. Juni 2004 10 Ko 1603/04, EFG 2004, 1642, FG Baden-Württemberg, Beschluss vom 4. September 1995 1 Ko 2/95, EFG 1995, 1077, jeweils m.w.N.).
b) Ebenso wie § 24 BRAGO erfordert Nr. 1002 VV RVG eine anwaltliche Mitwirkung bei der Erledigung, die über die überzeugende Begründung sowie die allgemein auf Verfahrensförderung gerichtete Tätigkeit hinausgeht und auf eine Erledigung der Rechtssache ohne förmliche Entscheidung gerichtet ist (BFH-Beschluss vom 12. Februar 2007 III B 140/06, BFH/NV 2007, 1109). Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass die mit dem RVG neu geschaffene Einigungsgebühr die früher geltende Vergleichsgebühr nicht nur ersetzen, sondern diese gleichzeitig inhaltlich erweitern sollte. Denn bei dieser Erweiterung ging es nicht um die Schaffung einer Erfolgsgebühr. Es sollte lediglich die Ungewissheit beseitigt werden, wann es sich bei einem Vertrag zur Beilegung eines Streits um einen echten Vergleich i.S. § 779 BGB handelte. Dementsprechend soll die Einigungsgebühr nicht für einen zur Streitbeilegung geschlossenen Vertrag anfallen, in dem ein Anspruch vollständig anerkannt oder auf einen Anspruch vollständig verzichtet wird. Der Gesetzgeber wollte mit dieser Einschränkung verhindern, dass schon die Erfüllung des geltend gemachten Anspruchs oder der Verzicht auf Weiterverfolgung eines Anspruchs die Einigungsgebühr auslöst (BT-Drucks. 15/1971, 147, 204).
c) Somit ist die Erledigungsgebühr nach wie vor keine reine Erfolgsgebühr für eine allgemein auf Verfahrensförderung gerichtete Tätigkeit, sondern eine besondere Tätigkeitsgebühr, die anlässlich einer nichtstreitigen Erledigung im Rahmen des Klageverfahrens verdient werden kann. Im Gesetz kommt dies in den Worten "durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt" zum Ausdruck. Die Erledigungsgebühr entsteht deshalb weder, wenn sich die Sache bereits im Rahmen des Verwaltungsvorverfahrens erledigt noch dann, wenn lediglich die Äußerungen des Berichterstatters im Rahmen eines Erörterungstermins das Finanzamt zur Rücknahme oder Änderung des Bescheides veranlasst haben. Ebenso wenig entsteht eine Erledigungsgebühr, wenn der Kläger die Klage auf Anraten seines Prozessbevollmächtigten zurücknimmt oder wenn das Finanzamt unter dem Eindruck der Klagebegründung bzw. eines ergänzenden Schriftsatzes oder aufgrund eines Hinweises auf die Rechtslage/Rechtsprechung den Bescheid aufhebt bzw. ändert und damit den Kläger klaglos stellt (vgl. Gräber/Stapperfend, FGO 6. Aufl., § 139 Rz 77; Hollatz, Kosten in Finanzrechtsstreit, NWB Fach 2, S. 8677/8717). Es versteht sich von selbst, dass der Prozessbevollmächtigte in möglichst überzeugender Weise die rechtlichen Argumente vorträgt, die der Klage seines Mandanten zum Erfolg verhelfen können. Dies ist keine besondere Leistung, die nicht bereits mit der Verfahrensgebühr abgegolten wäre.
d) Das erforderliche Mitwirken kann beispielsweise in dem Unterbreiten eines Erledigungsvorschlags bestehen. Denkbar ist auch ein Einwirken auf eine vorgesetzte Behörde, welches die Aufhebung/Änderung des angefochtenen Verwaltungsakts nach sich zieht. Auch die mit einer zusätzlichen Beratungsleistung verbundene Prüfung, ob das ursprüngliche Klagebegehren im Interesse der außergerichtlichen Beendigung des Rechtsstreits nicht unwesentlich eingeschränkt werden soll, kann eine über die allgemeine Prozessführung hinausgehende Tätigkeit sein, die den besonderen Erfolg der Erledigung der Sache ohne förmliche Entscheidung fördert und ermöglicht. Ein entsprechendes Einwirken auf den Steuerpflichtigen, der außergerichtlichen Erledigung des Rechtsstreits zuzustimmen, ist eine besondere Leistung, die nicht mit der allgemeinen Verfahrensgebühr abgegolten ist. Aus Gründen der Praktikabilität und Vereinfachung nimmt das Gericht eine nicht unwesentliche Einschränkung des ursprünglichen Klagebegehrens an, wenn es um mehr als 10% eingeschränkt wird (FG Köln, Beschluss vom 28. Juni 2004 10 Ko 1603/04, EFG 2004, 1642).
e) Im Streitfall hat der Prozessbevollmächtigte des Erinnerungsführers in diesem Sinne bei der materiellen Erledigung mitgewirkt, auch wenn er selbst keinen eigenen Erledigungsvorschlag unterbreitet hat. Denn nach der Wertung des beschließenden Gerichts kann es keine Rolle spielen, ob das Einwirken auf den Steuerpflichtigen durch eine zusätzliche Beratungsleistung, durch die diesem die Einschränkung des Klagebegehrens nahegebracht wird, vor der prozesswirksamen Einschränkung des Klagebegehrens und der anschließenden Abgabe der Erledigungserklärung erfolgt, oder ob die Beratungsleistung im Nachhinein erfolgt, nachdem der Bevollmächtigte bereits selbst die Verantwortung - und auch das Risiko - für die Zustimmung zur Prozesserledigung übernommen hat. Das Gericht teilt die Einschätzung des Bevollmächtigten, dass kaum eine größere Mitwirkung bei der Erledigung eines Rechtsstreits vorstellbar ist, als bereits im Vorfeld der Gespräche mit dem Steuerpflichtigen die Verantwortung für eine (noch) nicht abgesprochene Erledigungserklärung zu übernehmen. Daher kann in Fällen wie dem Streitfall keine Rede davon sein, dass sich die Tätigkeit des Bevollmächtigten auf Ausführungen zur Sach- und Rechtslage und auf die Stellung von Anträgen beschränkt hat.
2. Die zu erstattenden Kosten berechnen sich demnach wie folgt:
Klageverfahren (Streitwert: 20.064 €; Gebühr: 646 €)
1,6 Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3200 VV RVG;
1.033,60 €
1,2 Terminsgebühr Nr. 3202 VV RVG
775,20 €
1,0 Erledigungsgebühr Nr. 1003 VV RVG
646,00 €
Pauschale für Post und Telekommunikation
(§§ 2, 13 RVG, Nr. 7002 VV RVG: 20%, höchstens 20 €)
20,00 €
Nettobetrag Klageverfahren
2.474,80 €
davon zu erstatten lt. Kostenentscheidung 1/2
1.237,40 €
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 S. 1 FGO. Die Entscheidung über die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss ergeht gerichtsgebührenfrei, weil das Kostenverzeichnis (Anlage 1 zum Gerichtskostengesetz) eine Gebühr für diesen Beschluss nicht vorsieht. Die Pflicht zur Kostentragung beschränkt sich demgemäß auf die Auslagen des Gerichts und die außergerichtlichen Kosten.
FG Köln:
Beschluss v. 30.09.2014
Az: 10 Ko 2686/14
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