Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 21. Juni 2002
Aktenzeichen: 6 U 50/02
(OLG Köln: Urteil v. 21.06.2002, Az.: 6 U 50/02)
Tenor
Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das am 18.01.2002 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln - 81 O 180/01 - teilweise dahin abgeändert, dass der im Unterlassungsausspruch der darin bestätigten einstweiligen Verfügung verbalisierte Teil ab der Formulierung "....und/oder..." entfällt; hinsichtlich des entfallenen Teils wird die einstweilige Verfügung aufgehoben und der ihr zugrundeliegende Antrag vom 02.10.2001 insoweit abgewiesen. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen werden der Antragstellerin zu 1/4, der Antragsgegnerin zu 3/4 auferlegt. Das Urteil ist mit seiner Verkündung rechtskräftig.
Gründe
Die in formeller Hinsicht einwandfreie, insgesamt zulässige Berufung hat in der Sache teilweise Erfolg.
Das Rechtsmittel der Antragsgegnerin führt zu der aus der Urteilsformel ersichtlichen Abänderung der angefochtenen Entscheidung. Soweit das Landgericht darin die im Beschlussweg erlassene einstweilige Verfügung bestätigt hat, hält das den dagegen mit der Berufung vorgebrachten Beanstandungen der Antragsgegnerin nur hinsichtlich der Aussage "Es gibt kein besseres Produkt als H." - so wie sie in dem in der Lebensmittel-Zeitung vom 14.09.2001 veröffentlichten Inserat werblich verwendet ist - stand. Die Klägerin kann nur insoweit von der Antragsgegnerin nach Maßgabe von § 3 UWG unter dem Gesichtspunkt einer unzutreffenden Alleinstellungsbehauptung Unterlassung verlangen. Im darüber hinaus gehenden Umfang, nämlich hinsichtlich der Aussage "Kinder sind bekanntlich die kritischsten Kunden und diese lieben die unübertroffene Qualität der H.-Produkte" steht der Antragstellerin der auf § 3 UWG gegründete Unterlassungsanspruch indessen nicht zu; denn diese Werbeäußerung ist weder für sich allein noch in Kumulation mit der erstgenannten Aussage als "Angabe" im Sinne des Irreführungstatbestandes des § 3 UWG einzuordnen.
I.
Die in der streitbefangenen Werbung enthaltenen Aussage "Es gibt kein besseres Produkt als H." ist geeignet, einen mehr als nur unerheblichen Teil des angesprochenen Verkehrs in wettbewerblich relevanter Weise über eine Alleinstellung der Produkte der Antragsgegnerin zu täuschen.
Es handelt sich bei ihr - was für die Anwendbarkeit der wettbewerbsrechtlichen Bestimmung des § 3 UWG vorauszusetzen ist - um eine "Angabe" über geschäftliche Verhältnisse, nämlich eine die unzutreffende exklusive Spitzenstellung der Produkte der Antragsgegnerin behauptende Aussage tatsächlichen Gehalts .
"Angaben" nach Maßgabe des Irreführungstatbestandes des § 3 UWG sind nachprüfbare Aussagen über irgendwelche geschäftlichen Verhältnisse. Für diese Einordnung kommt es maßgeblich darauf an, ob die Werbeäußerung vom angesprochenen Verkehr als eine jedenfalls ihrem Kern nach auf die Richtigkeit ihres Inhalts hin überprüfbare, dem Beweis zugängliche Aussage über die geschäftlichen Verhältnisse des Werbenden, insbesondere über die Leistungsfähigkeit seines Unternehmens oder über die Güte oder den Preis seiner Waren aufgefasst wird. Bei Werbeaussagen, die nach der Auffassung des angesprochenen Verkehrs inhaltlich nichts aussagen, sondern die lediglich nichtssagende Anpreisungen ohne objektiv nachprüfbaren Inhalt darstellen, handelt es begrifflich nicht um "Angaben" i.S. des § 3 UWG, weil ihnen der informative, einer Überprüfung auf seine Richtigkeit zugängliche tatsächliche Aussagegehalt abgeht (vgl. Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Auflage, § 3 UWG Rdn. 13, 14 f; Köhler/Piper, UWG, 2. Auflage § 3 UWG Rdn. 89, 90 - jeweils m.w.N.).
Die hier in Frage stehende Werbeäußerung ist nach diesen Maßstäben als "Angabe" zu werten. Nach dem Kontext, in den sie gestellt ist, entnimmt ihr das angesprochene Publikum eine als solche nachprüfbare konkrete Aussage über die beworbenen Süßwaren der Antragsgegnerin:
Die Antragsgegnerin wendet sich mit ihrer in der Lebensmittel-Zeitung veröffentlichten streitbefangenen Werbung jedenfalls ganz überwiegend an den Lebensmitteleinzelhandel. Dieses Fachpublikum ist daran gewöhnt, dass zu verschiedenen Fragen der Absatzmöglichkeiten eines Produkts und dessen Wertschätzung durch die Verbraucher indizierenden Kriterien Verbraucherumfragen durchgeführt werden, mit denen empirisches Datenmaterial ermittelt wird. Vor diesem Hintergrund suggeriert die im Kontext mit der unmittelbar vorangestellten Einleitung "Der Verbraucher hat entschieden!" verwendete Aussage "Es gibt kein besseres Produkt als H.", dass sich die damit zum Ausdruck gebrachte Wertschätzung und Beliebtheit, die das Produkt bei den Verbrauchern genieße, als Ergebnis einer Befragung zu Qualitätsmerkmalen oder Verkaufszahlen herausgestellt hat, mit welcher eine seitens der Verbraucher getroffene "Entscheidung" abgefragt worden ist. Insofern wohnt der Aussage "...es gibt kein besseres Produkt als H." ein greifbarer tatsächlicher Aussagegehalt inne, der einer objektiven Überprüfung zugänglich ist. Im weiteren Kontext der Werbeanzeige, die sich in ihrem letzten Absatz gerade mit den für das angesprochene Fachpublikum im Vordergrund stehenden Aspekten der Umschlagsgeschwindigkeit und Nachfrage befasst, verengt sich das Verständnis der hier zu beurteilenden Aussage zwar dahin, dass das ihr zugrundeliegende empirische Datenmaterial gerade zu Verkaufszahlen und nicht etwa (auch) zu qualitativen Produktmerkmalen erhoben worden ist. Das ändert jedoch nichts daran, dass sich die in Frage stehende Aussage "Es gibt kein besseres Produkt...." als auf empirischem Faktenmaterial beruhendes Wertungsergebnis präsentiert, das als solches einer objektiven Nachprüfung zugänglich ist.
Handelt es sich bei der in Frage stehenden Werbeaussage "Es gibt kein besseres Produkt als H." mithin um eine dem Anwendungsbereich des § 3 UWG unterfallende "Angabe", ist diese ihrem inhaltlichen Aussagewert nach als Alleinstellungsbehauptung zu verstehen. Der negative Komparativ ("...kein besseres Produkt als...") bringt zwar in der Regel nur die Zugehörigkeit zu einer Spitzengruppe zum Ausdruck und signalisiert nicht - wie das für eine Alleinstellungsberühmung typisch ist - eine andere Produkte von dieser Spitzenposition ausschließende Exklusivität (vgl. Baumbach/Hefermehl, a.a.O., § 3 UWG Rdn. 70 m.w.N.). Vielmehr wird eine Stellung in Anspruch genommen, die zwar von keinem anderen überflügelt wird, die daneben jedoch auch andere gleichermaßen innehaben können. Je nach dem konkreten werblichen Kontext, in den die Aussage gestellt ist, kann dies jedoch anders zu beurteilen und der negative Komparativ als eine die alleinige Position an der Spitze beanspruchende Aussage zu verstehen sein (vgl. Baumbach/Hefermehl, a.a.O.). So liegt der Fall hier. In der streitbefangenen Werbeanzeige findet sich im dritten Absatz - unmittelbar im Anschluss an die zweite der beanstandeten Werbeaussagen - die Äußerung "Das hat H. zur Nr. 1 gemacht". Da es nach allgemeinem Wort- und Sprachverständnis nur eine "Nummer 1" geben kann, wird damit eine andere ausschließende, mithin exklusive Spitzenposition für H. in Anspruch genommen. Diese Position wird auch nicht etwa nur auf die unmittelbar von der beanstandeten zweiten Werbeaussage betroffene Verbrauchergruppe der Kinder beschränkt, etwa dahingehend, dass H. (nur) bei Kindern die "Nr. 1" sei. Vielmehr bezieht sich die Aussage "Das hat H. zur Nr. 1 gemacht" pauschal in der Art eines Resumeés sämtlicher vorangegangener Aussagen betreffend H.-Produkte auf die Beliebtheit und Wertschätzung, die diese Erzeugnisse insgesamt bei der Gruppe der Verbraucher genießen. Der dargestellte Sachgehalt der Aussage "Das hat H. zur Nr. 1 gemacht" färbt damit zugleich auf das inhaltliche Verständnis auch der hier zu beurteilenden Werbeäußerung ab, der im aufgezeigten Kontext folglich die Aussage einer exklusiven Spitzenstellung bzw. eine Alleinstellungsbehauptung dergestalt zu entnehmen ist, dass es generell in bezug auf die Aspekte der Nachfrage und Verkaufszahlen neben den beworbenen H.-Produkten keine ebenso gute oder gar bessere Süßware der hier betroffenen Art gebe.
Dass die so verstandene Werbeangabe zumindest einen nicht unerheblichen Teil des angesprochenen Verkehrs in wettbewerblich relevanter Weise in die Irre führt, steht außer Frage, da die Antragsgegnerin selbst in bezug auf die Aspekte der Nachfrage und des Umsatzes für sämtliche beworbenen H.-Produkte, wie sie in der Werbeanzeige angesprochen und auch abgebildet sind, keine alleinige Spitzenstellung in Anspruch nimmt, sondern eine solche nur für die Umschlagsgeschwindigkeit eines ihrer Produkte ("G.") behauptet. Die (Fehl-)Erwartung, Produkte mit der höchsten Nachfrage und Umsatzerwartung in das Sortiment aufzunehmen, ist zweifellos auch geeignet, die wirtschaftliche Entscheidung der Einzelhändler zu beeinflussen, mithin von wettbewerblicher Relevanz.
II.
Was die Werbeaussage "Kinder sind bekanntlich die kritischsten Kunden und diese lieben die unübertroffene Qualität der H.-Produkte" angeht, vermag sich die Antragstellerin indessen nicht durchzusetzen. Zu Recht macht die Antragsgegnerin vielmehr geltend, dass diese Aussage eines greifbaren Inhalts entbehrt, dessen Richtigkeit einer objektiven Nachprüfung zugänglich wäre, und daher nicht als eine dem Anwendungsbereich des § 3 UWG unterfallende "Angabe" einzuordnen ist. In Verbindung mit der unmittelbar nachfolgenden Aussage "Das hat H. zur Nr. 1 gemacht" besagt die vorstehende Werbeäußerung zwar, dass H.-Produkte eine von konkurrierenden Erzeugnissen nicht erreichte Beliebtheit bei Kindern aufweisen. Für das Verständnis der beanstandeten Äußerung ergibt sich aus diesem Kontext jedoch keinerlei fassbarer Aussagegehalt, der konkrete Bezugspunkte ermitteln lässt, was sachlich nachprüfbar die von Kindern als angeblich kritischsten Kunden geliebte "unübertroffene Qualität" der H.-Produkte ausmachen soll. Insoweit kommt eine denkbar breite Deutungspalette in Betracht. Selbst wenn man davon ausgeht, dass sich die von Kindern geliebte "unübertroffene Qualität" der H.-Produkte - was bei Lebensmitteln nicht fern liegt - auf Aspekte des Geschmacks beziehen soll, bleibt völlig offen, welche hiervon konkret betroffen sein sollen: Es kann sich dabei um die Intensität der Süße/Säure/Salzigkeit, also den Geschmack im "eigentlichen" Sinne, aber auch um die Konsistenz des Produkts (fest/weich u.s.w.) handeln. Als weiterer qualitativer Gesichtspunkt, der die Wertschätzung der H.-Produkte durch Kinder und deren emotionale Bindung an diese Erzeugnisse begründen kann, kommt noch die Gestaltungsform der Produkte hinzu, die beispielsweise aktuelle Trends aufgreifen kann (z.B. Fruchtgummi in der Form von Dinosauriern oder anderen beliebten Spielfiguren). Ein konkreter greifbarer Aussagegehalt, worin die von den Kindern geliebte unübertroffene Qualität der H.-Produkte bestehen soll bzw. in bezug auf welche Eigenschaften diese Erzeugnisse eine die "Liebe" der Kinder begründende "unübertroffene Qualität" aufweisen sollen, kommt der Werbeäußerung nicht zu. Ihr fehlt jeglicher informative Charakter, sie besagt weder für sich allein noch im Kontext mit dem gesamten Inhalt der Werbeanzeige etwas Konkretes, das einer Überprüfung auf einen richtigen oder falschen Aussagekern zugänglich wäre. Es handelt sich bei ihr um eine als solche vom angesprochenen Verkehr erkannte nichtssagende werbliche Anpreisung, die daher nicht als "Angabe" i.S. des Irreführungstatbestandes des § 3 UWG zu werten ist.
Aus diesem Grund scheitert schließlich auch der Hilfsantrag, mit dem die Klägerin sämtliche Aussagen der Werbeanzeige kumulativ verbal in den Unterlassungsantrag aufgenommen hat, wobei die inhaltliche Aussagekraft der Werbeäußerung und deren Einordnung auch schon bei der Entscheidung über den Hauptantrag nicht aus dem Zusammenhang gelöst, sondern nach dem gesamten werblichen Kontext zu beurteilen ist.
III.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 92 Abs. 1 ZPO.
Gemäß § 542 Abs. 2 ZPO i.V. m. § 26 Nr. 7 EGZPO ist das Urteil mit seiner Verkündung rechtskräftig.
OLG Köln:
Urteil v. 21.06.2002
Az: 6 U 50/02
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