Amtsgericht Emmerich am Rhein:
Beschluss vom 18. Dezember 2000
Aktenzeichen: 11 F 129/00

(AG Emmerich am Rhein: Beschluss v. 18.12.2000, Az.: 11 F 129/00)

Schließen die Parteien im Termin gem. § 118 ZPO einen Vergleich, so ist Prozesskostenhilfe nicht nur für den Vergleichsabschluss, sondern auch für das Verfahren zu bewilligen.

Tenor

Der Beschwerde der Antragstellerin gegen den die

Prozesskostenhilfe teilweise versagenden Beschluss

des Amtsgerichts Emmerich am Rhein vom 18.12.2000

wird abgeholfen. Der Antragstellerin wird für das gesamte

Prozesskostenhilfeverfahren Prozesskostenhilfe unter

Beiordnung von ... bewilligt.

Gründe

Im Rahmen des gemäß § 118 ZPO bestimmten Termin vom 18.12.2000 haben die Parteien über den von der Antragstellerin geltend gemachten Trennungs- und Unterhaltsanspruch einen das Verfahren abschließenden Vergleich geschlossen, nach dessen Maßgabe die Kosten gegeneinander aufgehoben worden sind.

Durch Beschluss von dem selben Tage ist der Antragstellerin "zum Abschluss des Vergleichs" Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihrer Verfahrensbevollmächtigten bewilligt worden. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerein, mit der sie Prozesskostenhilfe für das gesamte Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren begehrt.

Nach erneuter Abwägung der in Rede stehenden Problematik ist das Gericht zu der Auffassung gelangt, dass der Antragstellerin für das gesamte Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen ist, so dass der Beschwerde abgeholfen werden muss.

Wie in der Zwischenverfügung vom 04.01.2001 dargestellt, entspricht es allerdings gefestigter Meinung in Rechtsprechung und Literatur, dass für das Prozesskostenhilfeverfahren keine Prozesskostenhilfe gewährt werden kann. Mit dem Begriff der Prozessführung in § 114 ZPO sei nur das eigentliche Streitverfahren erfasst, nicht das Prozesskostenhilfeverfahren, in dem über die Gewährung einer staatlichen Hilfe für den Antragsteller zu befinden sei (vgl. BGH NJW 1984, 2106; BVerwG RpflG, 1991, 63; Baumbach/Hartmann ZPO 59. Auflage § 114 Rdnr. 35; Zöller ZPO 19. Auflage § 114 Rdnr. 3; OLG Celle, JurBüro 1997, 200).

Abweichend von diesem Grundsatz wird die Bewilligung von Prozesskostenhilfe dann für zulässig erachtet, wenn es schon im Prozesskostenhilfeverfahren zum Vergleich der beabsichtigten Hauptsache kommt. Streitig ist insoweit jedoch, ob bei einer derartigen Fallgestaltung Prozesskostenhilfe nur für den Abschluss des Vergleichs oder für das gesamte Prüfungsverfahren zu bewilligen ist. Teilweise wird die Auffassung vertreten, Prozesskostenhilfe dürfte nur und – im Hinblick auf den Regelungszweck des § 118 ZPO – ausnahmsweise für den Vergleich bewilligt werden, weil – wie oben dargestellt – Prozesskostenhilfe eben nur für die "Prozessführung" gewährt werden könne (vgl. z. B.OLG Köln FamRZ 1993, 1472; OLG München MDR 1987, 239; OLG Hamburg JurBüro 1983, 287).

Nach anderer Auffassung ist Prozesskostenhilfe für das gesamte Verfahren zu bewilligen, wenn aus dem Blickwinkel des Vergleichsabschlusses die Erfolgsaussicht des angekündigten Klagebegehrens zu bejahen ist (vgl. z. B. OLG Hamm, FamRZ 1998, 1302; OLG Hamburg NJW RR 1998, 863; OLG Nürnberg FamRZ 1998, 837 und FamRZ 2000, 838; OLG Bamberg FamRZ 1995, 939; Zöller/Phillippi ZPO 20.Auflage § 118 Rdnr. 8 mit weiteren Nachweisen; Zimmermann, Prozesskostenhilfe in Familiensachen 2. Auflage Rdnr. 503). Dieser Auffassung schließt sich das Gericht an.

Zutreffend wird von den Vertretern der zuletzt genannten Auffassung darauf hingewiesen, dass bei einer Bewilligung der Prozesskostenhilfe nur für den Vergleich Kostennachteile für die arme Partei entstehen und dadurch deren Rechtschutz verkürzt wird. Der die arme Partei vertretende Rechtsanwalt verdient in aller Regel insgesamt 20/10 Gebühr (5/10 Prozessgebühr, 5/10 Verhandlungs- (Erörterungsgebühr), 10/10 Vergleichsgebühr. Der Gegenstandswert richtet sich gemäß § 51 Absatz 2 BRAGO nach dem Wert der Hauptsache. Wird die Prozesskostenhilfe auf den Vergleichsabschluss beschränkt, kann der beigeordnete Rechtsanwalt nach der erstgenannten Auffassung insgesamt nur 15/10 Gebühren von der Staatskasse erhalten. Die 5/10 Verhandlungsgebühr (Erörterungsgebühr) erhält er nicht, weil § 32 Absatz 1 BRAGO nicht von einer halben Verhandlungsgebühr spricht, bzw. deshalb nicht, weil ausdrücklich für die Erörterung keine >Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist (siehe Zimmermann a.a.O. Rdnr. 510 mit weiteren Nachweisen). Zwar wird dem entgegen gehalten, § 32 Absatz 1 BRAGO finde gemäß § 51 Absatz 3 Satz 3 BRAGO keine Anwendung, so dass die 5/10 Verhandlungsgebühr (Erörterungsgebühr) abgerechnet werden könne, eine befriedigende und überzeugende Lösung dieser für die arme Partei nachteiligen Situation lässt sich aber nur damit begründen, dass der der Liquidation des Rechtsanwaltes zugrunde liegende Beschluss eindeutig für das gesamte Prozesskostenhilfeverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und die Beiordnung des Rechtsanwaltes ausspricht. Die dann gegebene Möglichkeit des Rechtsanwaltes, insgesamt 20/10 Gebühren zu liquidieren, resultiert nicht aus den Intention, dem Rechtsanwalt eine Wohltat zukommen zu lassen, sondern aus der Überlegung, dass die arme Partei vollen Rechtsschutz erhalten und daher auch kostenmäßig nicht belastet werden soll. Dass – wie dem Gericht bekannt ist – von einigen Rechtsanwälten dennoch die Zahlung eines "Zusatzhonorars" verlangt wird, steht dieser Intention nicht entgegen, zumal durch eine dahingehende Vereinbarung eine Verbindlichkeit nicht begründet wird, § 3 Absatz 4 BRAGO.

Es kann auch nicht übersehen werden, dass ein erfahrener Rechtsanwalt seinem Mandanten zum Abschluss eines Vergleiches in einem Termin gemäß § 118 ZPO nicht raten wird, wenn er befürchten muss, 5/10 Gebühren nicht gemäß "§ 122 BRAGO liquidieren zu können. Bei hinreichender Erfolgsaussicht müsste er den Mandanten vielmehr darauf hinweisen, dass eine volle Kostendeckung nicht gegeben ist und es daher ratsamer sein könnte, erst nach (erwarteter) Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Hauptverfahren einen Vergleich zu schließen. Der dadurch entstehende zusätzliche Kosten-, Zeit- und Arbeitsaufwand ist durch die Prozesskostenhilfebewilligung für das gesamte Verfahren vermeidbar.

Dieses Ergebnis steht im übrigen nicht nur im Einklang mit dem kostenmindernden Zweck des Sühneverfahrens nach § 118 Abs. 1 S. 3 ZPO (s. hierzu Schneider MDR 1981, 793, Ziff. II 3 c), sondern entspricht auch der rechtspolitisch immer stärker erhobenen Forderung nach einer gütlichen Beilegung eines Streitverfahrens in einem möglichst frühen Verfahrensstadium (s. §§ 272 Abs. 3, § 272 a, 278, 279 Abs. 3 des Entwurfs zur Zivilprozessreform nach dem Stand vom 06.09.2000). Dass die Realisierung dieser Ziele mit Belastungen für die Länderhaushalte verbunden ist, liegt in der Natur der Sache






AG Emmerich am Rhein:
Beschluss v. 18.12.2000
Az: 11 F 129/00


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