Bundesgerichtshof:
Urteil vom 10. April 2003
Aktenzeichen: I ZR 291/00

(BGH: Urteil v. 10.04.2003, Az.: I ZR 291/00)

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg, 3. Zivilsenat, vom 16. November 2000 aufgehoben.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Kammer 6 für Handelssachen, vom 17. November 1999 abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Die Beklagte betreibt als Buchclub den Einzelhandel mit Büchern, Tonträgern und Videos. Sie bot im September 1998 neuen Kunden für den Fall einer Mitgliedschaft in ihrem Buchclub fünf Bücher gegen Zahlung von jeweils 2 DM für Porto und Verpackung an. In dem mit "Kennenlern-Angebot" bezeichneten Prospekt führte die Beklagte insgesamt 117 Bücher zur Auswahl an, die im Buchhandel als Verlagsausgaben zum Preis von 30 DM und darüber verkauft wurden. Bestellte der Kunde fünf Bücher und gab er sie nicht binnen zehn Tagen zurück, wurde er vereinbarungsgemäß für mindestens zwei Jahre Mitglied im Buchclub der Beklagten und mußte quartalsweise einen Artikel für mindestens 10 DM erwerben.

Der Kläger, ein Verein zur Förderung gewerblicher Belange, hat die Werbung und die Gewährung des Angebots wegen Verstoßes gegen die Zugabeverordnung und gegen § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt eines unzulässigen Vorspannangebots als wettbewerbswidrig beanstandet.

Der Kläger hat zuletzt beantragt, die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, a) neuen Mitgliedern des B. Clubs, welche eine entgeltliche Abnahmeverpflichtung eingehen müssen, die Gewährung von fünf Büchern, welche als Verlagsausgabe üblicherweise im stationären Bucheinzelhandel zum Preis von je 30 DM und mehr verkauft werden, zum Preis von insgesamt 10 DM ("für Porto und Verpackung") anzukündigen;

b) entsprechend der vorstehenden Ankündigung zu verfahren, mithin neuen Mitgliedern fünf Bücher, welche als Verlagsausgabe üblicherweise im stationären Bucheinzelhandel zum Preis von je 30 DM und mehr verkauft werden, zum Preis von insgesamt 10 DM ("für Porto und Verpackung") zu verkaufen.

Die Beklagte hat demgegenüber geltend gemacht, das Angebot diene dem kostenlosen Ausprobieren ihrer Leistungen. Das Publikum erkenne zudem, daß ein Kaufmann ein derartiges Angebot durch die Abnahmeverpflichtung während der mindestens zweijährigen Mitgliedschaft finanziere.

Das Landgericht hat die Beklagte nach dem in erster Instanz ohne den nachstehenden Zusatz gestellten Antrag verurteilt. Das Berufungsgericht hat die Berufung unter Einfügung des Zusatzes "('für Porto und Verpackung')" in die Urteilsformel zurückgewiesen (OLG Hamburg OLG-Rep 2001, 63 = AfP 2001, 231).

Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Revision. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise festzustellen, daß sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt hat.

Gründe

I. Das Berufungsgericht hat die Werbung und das Angebot der Beklagten als Verstoß gegen die Zugabeverordnung und unter dem Gesichtspunkt des übertriebenen Anlockens als nach § 1 UWG wettbewerbswidrig angesehen. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Bei dem Angebot der Beklagten handele sich um eine Zugabe nach § 1 Abs. 1 Satz 1 ZugabeVO, weshalb der Kläger die Beklagte nach § 2 Abs. 1 ZugabeVO auf Unterlassung in Anspruch nehmen könne.

Das Angebot der Beklagten stelle sich auch nach § 1 UWG wegen übertriebenen Anlockens als wettbewerbswidrig dar. Die unsachliche Beeinflussung folge aus der erheblichen Attraktivität der angebotenen fünf Bücher, deren üblicher Verkaufswert bis zu 150 DM und mehr erreiche. Dieser ginge weit über das hinaus, was der Kunde im Falle eines Beitritts zum Buchclub der Beklagten innerhalb der festen Vertragslaufzeit von zwei Jahren an Waren abnehmen müsse. Es bestehe deshalb die Gefahr, daß für den Verkehr bei der Entscheidung über den Vertragsschluß nicht das Leistungsangebot der Beklagten, sondern der Wunsch, die fünf Bücher zu erhalten, im Vordergrund stehe.

II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg. Sie führen zur Abweisung der Klage.

1. Das Berufungsgericht hat zu Unrecht einen Unterlassungsanspruch aus § 1 UWG bejaht.

a) Der Kläger macht einen in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruch geltend. Ob ihm ein solcher Anspruch zusteht, ist auch in der Revisionsinstanz nach dem zum Zeitpunkt der Entscheidung geltenden Recht zu beantworten (vgl. BGH, Urt. v. 25.10.2001 -I ZR 29/99, GRUR 2002, 717, 718 = WRP 2002, 679 -Vertretung der Anwalts-GmbH; BGHZ 151, 84, 86 -Kopplungsangebot I; BGH, Urt. v. 13.6.2002 -I ZR 71/01, GRUR 2002, 979, 980 = WRP 2002, 1259 -Kopplungsangebot II). Nach Aufhebung der Zugabeverordnung ist die Rechtslage im Streitfall allein nach § 1 UWG zu beurteilen.

b) Die angegriffene Werbung und das beanstandete Verhalten der Beklagten stellen sich nicht als wettbewerbswidrig nach § 1 UWG dar.

aa) Werden dem Verbraucher für den Fall des Erwerbs einer Ware oder der Inanspruchnahme einer Leistung Vergünstigungen, insbesondere Geschenke, versprochen, liegt darin nicht ohne weiteres ein übertriebenes Anlokken, und zwar unabhängig davon, ob zwischen der Hauptleistung und dem Geschenk aus Sicht des Verbrauchers ein Funktionszusammenhang besteht oder nicht. Vielmehr ist es dem Kaufmann grundsätzlich gestattet, verschiedene Angebote miteinander zu verbinden; dies gilt auch, wenn ein Teil der auf diese Weise gekoppelten Waren oder Leistungen ohne besonderes Entgelt abgegeben wird (vgl. BGHZ 151, 84, 88 -Kopplungsangebot I; GRUR 2002, 979, 981 -Kopplungsangebot II).

Das Berufungsgericht hat ein wettbewerbswidriges übertriebenes Anlokken aufgrund des Wertes der angebotenen fünf Bücher angenommen, die im Verhältnis zum Wert der während der festen Vertragslaufzeit der Mitgliedschaft im Buchclub der Beklagten von zwei Jahren zu beziehenden Waren ungewöhnlich hoch sei. Der Verbraucher werde dazu neigen, Konkurrenzangebote anderer Buchclubs und die Möglichkeit des Einzelkaufs der Bücher auszublenden; bei der Entscheidung, die einmal zugesandten Bücher zu behalten, werde er sich nicht mit der nötigen Sachlichkeit an dem Angebot der Beklagten orientieren. Dem kann nicht beigetreten werden.

Die Anlockwirkung, die von einem attraktiven Angebot ausgeht, ist grundsätzlich nicht wettbewerbswidrig, sondern gewollte Folge des Leistungswettbewerbs. Ein wettbewerbswidriger Anlockeffekt kann erst durch das Hinzutreten weiterer Umstände entstehen, die die Vergünstigung als sittenwidrig erscheinen lassen. Allerdings kann in Einzelfällen von Kopplungsangeboten -insbesondere wenn ein Teil des Angebots unentgeltlich gewährt werden soll eine so starke Anlockungwirkung ausgehen, daß auch bei einem verständigen Verbraucher ausnahmsweise die Rationalität der Nachfrageentscheidung vollständig in den Hintergrund tritt (vgl. BGH, Urt. v. 6.6.2002 -I ZR 45/00, GRUR 2002, 1000, 1002 = WRP 2002, 1133 -Testbestellung; BGHZ 151, 84, 89 -Kopplungsangebot I; BGH GRUR 2002, 979, 981 -Kopplungsangebot II; Urt.

v. 30.1.2003 -I ZR 142/00, GRUR 2003, 624, 626 = WRP 2003, 886 -Kleidersack).

Mit Erfolg wendet sich die Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts, von einem Angebot von fünf Büchern gehe eine derart starke Anlockwirkung aus, daß ein verständiger Verbraucher allein wegen des Wertes der -von den Verpackungs-und Portokosten abgesehen -unentgeltlichen Leistung seine Nachfrageentscheidung nicht mehr nach sachlichen Gesichtspunkten treffen werde.

Das Berufungsgericht hat bei seiner Beurteilung nicht genügend berücksichtigt, daß die Kunden ihre Entscheidung, von dem Angebot der Beklagten Gebrauch zu machen, nach eingehender Durchsicht der Werbebroschüre treffen konnten und nach Erhalt der fünf zu Testzwecken übersandten Bücher weitere zehn Tage Zeit hatten, diese zu prüfen und zu entscheiden, ob sie die Bücher behalten und Mitglied der Beklagten werden wollten oder nicht.

Danach bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte, ein verständiger Verbraucher werde sich für die Clubmitgliedschaft ohne nähere Befassung mit den damit verbundenen Vor-und Nachteilen allein deshalb entscheiden, um die fünf Bücher behalten zu können.

bb) Die beanstandete Werbung stellt sich auch nicht deshalb als ein mißbräuchliches Kopplungsangebot dar, weil die Beklagte nicht hinreichend deutlich gemacht hat, welche Verpflichtungen mit der Clubmitgliedschaft verbunden sind.

Allerdings ist es wettbewerbswidrig, in der Werbung allein das Versprechen unentgeltlicher Teilleistungen oder den günstigen Preis einer Teilleistung herauszustellen, ohne gleichzeitig in klarer Zuordnung leicht erkennbar und deutlich lesbar auf die Folgekosten hinzuweisen, die sich ergeben, wenn der Verbraucher auf das Angebot eingeht -hier: die Verpflichtungen aus der Mitgliedschaft im Buchclub der Beklagten -(vgl. BGH GRUR 2002, 979, 981 f. -Kopplungsangebot II; vgl. auch BGH, Beschl. v. 27.2.2003 -I ZR 208/02, Umdr. S. 3). Ob die Beklagte die Verkehrskreise über die mit der Clubmitgliedschaft verbundenen Belastungen ausreichend unterrichtet hat, kann vorliegend jedoch offenbleiben.

Ein etwaiger Verstoß hiergegen ist nicht Gegenstand des Unterlassungsantrags des Klägers. Dieser richtet sich gegen die Ankündigung und Abgabe der näher bezeichneten Bücher an neue Mitglieder des Buchclubs. Dagegen hat der Kläger das Charakteristische der Verletzungshandlung nicht in einer unzureichenden Unterrichtung über die sich aus der Clubmitgliedschaft für den neuen Kunden ergebenden Belastungen gesehen. Ein etwaiger Verstoß hiergegen wird daher von dem Unterlassungsantrag nicht -auch nicht als Minus -erfaßt (vgl. BGH, Urt. v. 8.10.1998 -I ZR 147/97, WRP 1999, 517, 519; Urt. v. 7.6.2001 -I ZR 157/98, GRUR 2002, 287, 288 = WRP 2002, 94 -Widerruf der Erledigungserklärung).

2. Das beanstandete Verhalten stellt sich auch nicht wegen eines Verstoßes gegen § 1 UWG i.V. mit den Bestimmungen über die Preisbindung im Buchhandel als wettbewerbswidrig dar.

Der Kläger hat für den Zeitpunkt des angegriffenen Angebots im September 1998 nicht dargelegt, daß die Beklagte durch die kostenlose Abgabe von fünf Büchern im Falle einer festen Clubmitgliedschaft des neuen Kunden gegen verpflichtende Vereinbarungen über die Preisbindung im Buchhandel in wettbewerbsrechtlich relevanter Weise verstoßen hat.

Auf das seit dem 1. Oktober 2002 gültige Gesetz über die Preisbindung für Bücher -Buchpreisbindungsgesetz -(BGBl. I S. 3448) kann der Kläger seinen Unterlassungsanspruch nicht stützen. Dieses sieht zwar einen Unterlassungsanspruch beim Verstoß gegen die Preisbindung für Bücher vor (§ 9 Abs. 1 Satz 1, § 3 BuchPrBindG). Ob die Beklagte, würde sie das beanstandete Verhalten unter der Geltung des Buchpreisbindungsgesetzes wiederholen, gegen die Bestimmungen dieses Gesetzes verstoßen würde, kann offenbleiben. Es fehlt bereits an der für einen Unterlassungsanspruch erforderlichen Erstbegehungsgefahr.

Ein auf eine Erstbegehungsgefahr gestützter Unterlassungsanspruch besteht nur, soweit ernsthafte und greifbare tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, der Anspruchsgegner werde sich in naher Zukunft in der näher bezeichneten Weise verhalten. Für die Annahme einer Erstbegehrungsgefahr reicht es nicht aus, daß sich ein Beklagter gegen die Klage verteidigt und dabei die Auffassung äußert, zu dem beanstandeten Verhalten berechtigt zu sein, es sei denn, seinen Erklärungen ist die Bereitschaft zu entnehmen, sich unmittelbar oder in naher Zukunft auch in der beanstandeten Weise zu verhalten (vgl. BGH, Urt. v. 31.5.2001 -I ZR 106/99, GRUR 2001, 1174, 1175 = WRP 2001, 1076 -Berühmungsaufgabe). Im Streitfall ist nichts dafür ersichtlich, die Beklagte werde die Vorschriften des Buchpreisbindungsgesetzes mißachten. Ihr Vorbringen, ein Verstoß gegen die Bestimmungen dieses Gesetzes liege nicht vor, dient nur der Rechtsverteidigung gegenüber der Ansicht des Klägers, § 9 BuchPrBindG trage das Unterlassungsbegehren.

3. Mit dem auf Feststellung gerichteten Hilfsantrag, daß sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt hat, hat die Klage ebenfalls keinen Erfolg.

Der in der Revisionsinstanz gestellte Hilfsantrag, festzustellen, daß sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt hat, ist unzulässig. Ein solcher Hilfsantrag kann in der Revisionsinstanz zulässigerweise für den Fall gestellt werden, daß das Hauptbegehren -der in die Zukunft gerichtete Unterlassungsantrag -wegen eines zwischenzeitlich eingetretenen erledigenden Ereignisses (hier einer Änderung der Gesetzeslage) nicht zugesprochen werden kann (BGH, Urt. v. 19.3.1998 -I ZR 264/95, GRUR 1998, 1045, 1046 = WRP 1998, 739 -Brennwertkessel). In einem solchen Fall besteht ein Interesse des Klägers daran, festgestellt zu wissen, daß sein Unterlassungsbegehren bis zum Eintritt des Ereignisses zulässig und begründet war.

Im Streitfall sieht der Kläger seinen Unterlassungsantrag unabhängig vom Wegfall der ZugabeVO als begründet an, einmal aus § 1 UWG selbst, zum anderen wegen Verstoßes gegen Regeln der Buchpreisbindung. Sein Hilfsbegehren stellt sich demnach als eine in der Revisionsinstanz unzulässige Klageerweiterung dar. Er möchte damit lediglich sein Kostenrisiko mindern, indem er die Begründetheit seines Anspruchs zur Zeit der Geltung der ZugabeVO festgestellt wissen möchte.

III. Danach war die Klage mit der Kostenfolge des § 91 Abs. 1 ZPO abzuweisen.






BGH:
Urteil v. 10.04.2003
Az: I ZR 291/00


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