Bundesgerichtshof:
Urteil vom 11. Januar 2016
Aktenzeichen: AnwZ (Brfg) 42/14

(BGH: Urteil v. 11.01.2016, Az.: AnwZ (Brfg) 42/14)

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen vom 9. Mai 2014 (1 AGH 6/14) teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass die Beklagte nicht berechtigt war, die Stellungnahmen des Klägers in dem Aufsichtsverfahren - III. Abt. - ohne dessen Zustimmung an die Rechtsanwaltskammer M. weiterzuleiten.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 1/3 und die Beklagte zu 2/3.

Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 11.500 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten im Wesentlichen um die Zulässigkeit der Weiterleitung von Stellungnahmen des Klägers in gegen ihn gerichteten Aufsichtsverfahren an die jeweiligen Beschwerdeführer ohne ausdrückliche Zustimmung des Klägers.

Der Kläger ist im Bezirk der Beklagten zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Am 17. Januar 2013 sprach die Beklagte ihm gegenüber in dem Aufsichtsverfahren - III. Abt. - wegen eines Verstoßes gegen das Tätigkeitsverbot nach § 45 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 BRAO eine Missbilligung aus. Dem lag eine Beanstandung der Rechtsanwaltskammer M. als Beschwerdeführerin vom 18. August 2011 zugrunde. Nach Eingang der Beschwerde forderte die Beklagte mit Schreiben vom 2. September 2011 den Kläger nach § 56 BRAO zur Auskunft auf. In dem Schreiben heißt es unter anderem:

"Die Zweitschrift Ihrer Stellungnahme ist grundsätzlich zur Weiterleitung an den Verfasser der Eingabe bestimmt, um ihm Gelegenheit zur abschließenden Äußerung zu geben. Soweit Ihre Stellungnahme ausschließlich nur für den Kammervorstand bestimmt sein soll, müssen Sie darauf besonders hinweisen."

Die im Anschluss in Gestalt der Bezugnahme auf ein Gutachten erfolgte Stellungnahme des Klägers vom 28. September 2011 übermittelte der Geschäftsführer der Beklagten mit Schreiben vom 6. Oktober 2011 an die Geschäftsführerin der Beschwerdeführerin mit der Bitte um Stellungnahme. Die daraufhin erfolgte Stellungnahme der Beschwerdeführerin vom 2. Dezember 2011 floss weitgehend wortgleich in ein Schreiben der Beklagten an den Kläger vom 14. Dezember 2011 ein. Die weitere Stellungnahme des Klägers vom 18. Mai 2012 leitete die Beklagte mit Begleitschreiben vom 2. August 2012 erneut der Beschwerdeführerin mit der Bitte um Stellungnahme zu. Diese wurde am 1. Oktober 2012 abgegeben.

In einem zwischen den Parteien anhängigen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (AGH N. - 2 -) erklärte der Geschäftsführer der Beklagten mit Schriftsatz vom 23. April 2013, dass die Beklagte Stellungnahmen des Klägers in dem Verfahren - III. Abt. - nicht an die Beschwerdeführerin weiterleiten werde. Auf diese Erklärung wies er mit Schriftsatz vom 28. Juni 2013 nochmals hin.

In einem weiteren den Kläger betreffenden Aufsichtsverfahren der Beklagten (- ER -) findet sich in einem Schreiben der Beklagten an den Kläger vom 18. Juni 2014 erneut der in dem Schreiben der Beklagten vom 2. September 2011 in dem Aufsichtsverfahren - III. Abt. - verwendete, vorstehend wiedergegebene Text. Der Kläger hat daraufhin mit Schreiben vom 8. Juli 2014 der Weiterleitung seiner Stellungnahme an die Beschwerdeführerin vorsorglich widersprochen.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Weiterleitung von Stellungnahmen an die Beschwerdeführerin durch die Beklagte sei rechtswidrig und verstoße gegen die Verschwiegenheitspflicht nach § 76 i.V.m. § 58 BRAO. Er hat die Feststellung begehrt, dass die Beklagte nicht berechtigt war, seine Stellungnahmen in dem Aufsichtsverfahren - III. Abt. - ohne seine ausdrückliche Zustimmung an die Beschwerdeführerin weiterzuleiten (Antrag zu 1). Des Weiteren hat er die Feststellung begehrt, dass die an dem vorgenannten Aufsichtsverfahren beteiligten Vorstandsmitglieder und der Geschäftsführer der Beklagten die ihnen obliegende Verschwiegenheitspflicht verletzt haben, dass die Beschwerdeführerin in dem vorgenannten Aufsichtsverfahren keine Verfahrensbeteiligte ist und dass die für ihn bei der Beklagten geführte Beschwerdeakte Bestandteil der Personalakte ist (Anträge zu 2 bis 4). Zudem hat er die Verurteilung der Beklagten begehrt, es künftig zu unterlassen, seine Stellungnahmen an den Beschwerdeführer weiterzuleiten, es sei denn, dass er sich mit der Weiterleitung ausdrücklich einverstanden erklärt (Antrag zu 5).

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, es fehle hinsichtlich aller Anträge an einem Rechtsschutzinteresse des Klägers.

Der Anwaltsgerichtshof hat die Klage als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat er ausgeführt, bezüglich des Klageantrags zu 1 fehle es am erforderlichen Feststellungsinteresse des Klägers, hinsichtlich der Klageanträge zu 2 bis 4 an einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis und hinsichtlich des Unterlassungsantrags zu 5 an dem dafür notwendigen Interesse an vorbeugendem Rechtsschutz.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner vom Senat zugelassenen Berufung.

Gründe

Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang teilweise Erfolg.

I.

1. Der Klageantrag zu 1 des Klägers ist zulässig und überwiegend begründet.

a) Er ist nach § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 43 Abs. 1, 2 VwGO zulässig.

aa) Das nach § 43 Abs. 1 VwGO erforderliche Feststellungsinteresse ist gegeben. Zwar hat der Anwaltsgerichtshof zutreffend ausgeführt, dass das Feststellungsinteresse des Klägers in Folge der in dem vor dem Anwaltsgerichtshof anhängigen Verfahren - 2 - abgegebenen Erklärung der Beklagten vom 23. April 2013, sie werde Stellungnahmen des Klägers in dem Verfahren - III. Abt. - nicht mehr an die Beschwerdeführerin weiterleiten, entfallen war. Die zwischenzeitlich erfolgte Erklärung der Beklagten in ihrem Schreiben vom 18. Juni 2014 in dem weiteren Aufsichtsverfahren - ER - zeigt jedoch, dass sie an ihrer Praxis festhält, Stellungnahmen des Klägers in ihn betreffenden Aufsichtsverfahren auch dann an die jeweiligen Beschwerdeführer weiterzuleiten, wenn der Kläger dem nicht zugestimmt hat. Vor diesem Hintergrund besteht in Bezug auf das vom Kläger beanstandete Verhalten der Beklagten unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr ein Feststellungsinteresse des Klägers im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO.

bb) Der Feststellungsantrag zu 1 ist nicht subsidiär im Sinne von § 43 Abs. 2 VwGO.

(1) Dies gilt zunächst im Hinblick auf ein etwaiges künftiges Strafverfahren gegen Mitarbeiter der Beklagten sowie im Hinblick auf eine Anfechtungsklage des Klägers betreffend die Missbilligung vom 17. Januar 2013. In Bezug auf die vom Kläger beanstandete Weiterleitung seiner Stellungnahmen im Verfahren - III. Abt. - mag zwar in solchen Verfahren eine hinreichende Gelegenheit zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Verhaltens der Beklagten gegeben sein. Angesichts des von ihr auch im Aufsichtsverfahren - ER - fortgesetzten Verhaltens besteht jedoch ein verfahrensübergreifendes Interesse des Klägers an der von ihm begehrten Feststellung unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr. Ein hierauf gründender Feststellungsantrag ist nicht subsidiär gegenüber den vorgenannten Verfahren. Insbesondere kann der Kläger nicht darauf verwiesen werden, bei Wiederholung des von ihm beanstandeten Verhaltens der Beklagten stets aufs Neue strafrechtlich oder im Wege der Anfechtungsklage gegen die Beklagte und deren Mitarbeiter vorzugehen.

(2) Der Feststellungsantrag zu 1 ist auch im Hinblick auf den vorbeugenden Unterlassungsantrag zu 5 nicht subsidiär im Sinne von § 43 Abs. 2 VwGO.

Im Verwaltungsprozess ist die Feststellungklage nicht deshalb unzulässig nach § 43 Abs. 2 VwGO, weil der Kläger einen Unterlassungsantrag mit demselben Ziel hätte stellen können (vgl. zur einschränkenden Auslegung und Anwendung von § 43 Abs. 2 VwGO, BVerwG, NJW 1997, 2534, 2535; Eyermann/Happ, VwGO, 14. Aufl., § 43 Rn. 43 mwN). Allerdings war dem Kläger ein Unterlassungsantrag nicht nur möglich, vielmehr hat er ihn auch tatsächlich gestellt. Die Frage, ob ein Feststellungsantrag nach § 43 Abs. 2 VwGO unzulässig ist, wenn gleichzeitig ein Unterlassungsantrag mit demselben Ziel gestellt wird, bedarf indes vorliegend keiner Beantwortung. Denn der Kläger hat zu dem Unterlassungsantrag zu 5 ausdrücklich erklärt, mit ihm begehre er die künftige Unterlassung der Weiterleitung seiner Stellungnahmen in dem Aufsichtsverfahren - III. Abt. - (Seite 21 f. des Schriftsatzes vom 10. September 2014). Dagegen hat er sein Feststellungsinteresse im Rahmen des Antrags zu 1 mit der Gefahr der Wiederholung des von ihm beanstandeten Verhaltens der Beklagten in weiteren Aufsichtsverfahren begründet (Seite 12 f. des Schriftsatzes vom 10. September 2014). Das Rechtschutzziel des Klägers ist somit im Hinblick auf den Feststellungsantrag zu 1 - insoweit anders als bei dem Unterlassungsantrag zu 5 - nicht auf das Verfahren - III. Abt. - beschränkt, sondern - weitergehend - auf künftige Aufsichtsverfahren bezogen. Jedenfalls vor diesem Hintergrund ist der Feststellungsantrag zu 1 im Verhältnis zu dem Unterlassungsantrag zu 5 nicht subsidiär.

b) Der Feststellungsantrag zu 1 ist überwiegend begründet. Die Beklagte war nicht berechtigt, die Stellungnahmen des Klägers vom 28. September 2011 und 18. Mai 2012 in dem Aufsichtsverfahren - III. Abt. - ohne dessen Zustimmung an die Beschwerdeführerin in diesem Verfahren weiterzuleiten. Denn die Stellungnahmen des Klägers sind Bestandteil der von der Beklagten über ihn geführten Personalakte (dazu nachfolgend aa) und unterliegen der Verschwiegenheitspflicht nach § 76 Abs. 1 BRAO (dazu nachfolgend bb). Eine Zustimmung des Klägers zur Weiterleitung seiner Stellungnahmen an die Beschwerdeführerin liegt nicht vor (dazu nachfolgend cc).

aa) Die Stellungnahmen des Klägers in dem ihn betreffenden Aufsichtsverfahren - III. Abt. - sind Bestandteil der von der Beklagten über ihn geführten Personalakte.

Der Begriff der Personalakte in § 58 BRAO ist nach einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Literatur materiell zu verstehen. Für die Frage, ob ein Vorgang zu den Personalakten gehört, kommt es nicht darauf an, wo und wie er geführt oder aufbewahrt wird (formelles Prinzip), sondern allein darauf, ob er den Rechtsanwalt in einem inneren Zusammenhang mit seinem Status als Rechtsanwalt betrifft (Senat, Urteil vom 25. November 2013 - AnwZ (Brfg) 39/12, NJW-RR 2014, 883 Rn. 5 mwN und Beschluss vom 2. März 2011 - AnwZ (B) 50/10, NJW 2011, 2303 Rn. 11 mwN; Schwärzer in Feuerich/ Weyland, BRAO, 9. Aufl., § 58 Rn. 6 f. mwN; Zuck in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl., § 58 Rn. 5). Bestandteile der Personalakte sind somit auch Unterlagen aus einem gegen den Rechtsanwalt eingeleiteten Aufsichts- oder Beschwerdeverfahren (Weyland in Feuerich/Weyland aaO § 73 Rn. 66; Güldenzoph, BRAK-Mitt. 2011, 4, 5). Hierzu zählen Stellungnahmen, die - wie vorliegend - ein Rechtsanwalt zu Beschwerden oder ungünstigen Tatsachenbehauptungen abgibt, die gegen ihn gerichtet sind (vgl. Senat, Beschluss vom 2. März 2011 aaO; Schwärzer aaO Rn. 8 f. mwN.; Zuck aaO Rn. 13).

bb) Die Stellungnahmen des Klägers unterlagen der Verschwiegenheitspflicht nach § 76 Abs. 1 BRAO.

Nach § 76 Abs. 1 BRAO haben die Mitglieder des Vorstandes der Rechtsanwaltskammer über die Angelegenheiten, die ihnen bei ihrer Tätigkeit im Vorstand über Rechtsanwälte, Bewerber und andere Personen bekannt werden, Verschwiegenheit gegen jedermann zu bewahren. Das gleiche gilt für Rechtsanwälte, die zur Mitarbeit herangezogen werden, und für Angestellte der Rechtsanwaltskammer. Zu den der Verschwiegenheitspflicht unterliegenden Angelegenheiten gehören der Inhalt der von einer Rechtsanwaltskammer über ein Kammermitglied geführten Personalakte (Zuck in Gaier/Wolf/Göcken aaO Rn. 15) und mithin auch Stellungnahmen, die in einem Aufsichts- und Beschwerdeverfahren nach § 56, § 73 Abs. 2 Nr. 4, § 74 BRAO erfolgen. Letzteres ergibt sich zudem unmittelbar aus § 73 Abs. 3 Satz 3 BRAO. Danach bleibt, soweit der Kammervorstand gemäß § 73 Abs. 3 Satz 1, 2 BRAO im Beschwerdeverfahren den Beschwerdeführer von seiner Entscheidung in Kenntnis setzt, § 76 BRAO unberührt. Durch die Verweisung auf § 76 BRAO wird klargestellt, dass bei der Mitteilung nach § 73 Abs. 3 Satz 1 BRAO das Verschwiegenheitsgebot nach § 76 BRAO zu achten ist (vgl. Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht, zur Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft sowie zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung, der Finanzgerichtsordnung und kostenrechtlicher Vorschiften, BT-Drucks. 16/11385, S. 39).

cc) Ausnahmen von der Verschwiegenheitspflicht sind in Bezug auf die Stellungnahmen des Klägers nicht gegeben.

(1) Eine solche Ausnahme ergibt sich nicht aus Verfahrensrechten des Beschwerdeführers im Beschwerdeverfahren nach § 56, § 73 Abs. 2 Nr. 4, § 74 BRAO. Der Beschwerdeführer ist im berufsrechtlichen Beschwerdeverfahren nicht Beteiligter und besitzt nach der gesetzlichen Konzeption - mit Ausnahme der in § 73 Abs. 3 BRAO bestimmten Mitteilungspflicht - keine Verfahrensrechte. Er ist Dritter, dem gegenüber die Verschwiegenheitspflicht des Vorstandes in vollem Umfang greift (vgl. Senat, Beschluss vom 24. November 1997 - AnwZ (B) 47/97, BRAK-Mitt. 1998, 41, 42; VG Freiburg, BRAK-Mitt. 2015, 303, 306; Lauda in Gaier/Wolf/Göcken, aaO § 74 BRAO Rn. 33 sowie § 76 BRAO Rn. 20; Güldenzoph aaO S. 6).

Die Weiterleitung von Stellungnahmen des Rechtsanwalts in einem ihn betreffenden Beschwerdeverfahren ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines Rechts des Beschwerdeführers auf Einsicht in die über den Rechtsanwalt von der Rechtsanwaltskammer geführte Personalakte gerechtfertigt. Da die Personalakte der Verschwiegenheitspflicht nach § 76 BRAO unterliegt, kommt ein Einsichtsrecht Dritter nur in Betracht, wenn dafür eine Ermächtigungsgrundlage besteht oder der Rechtsanwalt einverstanden ist (VG Freiburg aaO; Schwärzer in Feuerich/Weyland, aaO § 58 Rn. 17; Zuck in Gaier/Wolf/Göcken, aaO § 58 Rn. 15; Hartung/Scharmer, Berufs- und Fachanwaltsordnung, 5. Aufl., § 58 BRAO Rn. 23). Eine entsprechende Ermächtigungsgrundlage besteht in Fällen der vorliegenden Art nicht (vgl. eingehend zum Akteneinsichtsrecht für den Beschwerdeführer in berufsaufsichtsrechtlichen Beschwerdeverfahren: Güldenzoph, BRAK-Mitt. 2011, 4 ff.).

(2) Eine Ausnahme von der Verschwiegenheitspflicht ist nicht deshalb gegeben, weil die in den Stellungnahmen des Klägers mitgeteilten Tatsachen der Beschwerdeführerin ohnehin bekannt waren. Ob die Beklagte befugt gewesen wäre, bekannte Tatsachen mitzuteilen (vgl. hierzu Weyland in Feuerich/ Weyland aaO § 76 Rn. 9 f.; Lauda in Gaier/Wolf/Göcken aaO § 76 BRAO Rn. 10; Jungfer, BRAK-Mitt. 2001, 167, 169; a.A.: Hartung in Henssler/Prüttung, BRAO, 4. Aufl., § 76 Rn. 5; ders., AnwBl. 2013, 582, 584 f.; Eich, MDR 1991, 385, 386: Verschwiegenheitspflicht als absolutes, uneingeschränkt zu wahrendes Schweigegebot), kann offen bleiben, denn die von der Beklagten an die Beschwerdeführerin weitergeleiteten Stellungnahmen des Klägers enthielten Tatsachen, die der Beschwerdeführerin noch nicht bekannt waren. So beinhaltete das vom Kläger mit Schreiben vom 28. September 2011 übersandte Gutachten Informationen zur Zuständigkeit des Klägers als Mitglied des Vorstands der "D. A. AG" (A. AG) und zur konkreten Aufgabenverteilung innerhalb der A. AG in Bezug auf das Forderungsmanagement. Insbesondere wird dort mitgeteilt, dass und aus welchem Grund der Kläger sämtliche Vergütungsrechnungen unterzeichnete. Es ist davon auszugehen, dass diese Umstände der Beschwerdeführerin zuvor noch nicht bekannt waren. Hierauf deutet auch ihr Schreiben vom 2. Dezember 2011 hin, in dem hinsichtlich der vorgenannten Tatsachen ausdrücklich auf das vom Kläger übersandte Gutachten Bezug genommen wird. Der Kläger teilte mit Schreiben vom 18. Mai 2012 weitere Einzelheiten zu seinem Aufgabenbereich als Vorstandsmitglied der A. AG, zum Forderungsmanagement der A. AG, zur Zusammenarbeit mit der R. Rechtsanwaltsgesellschaft mbH und zur Sachbearbeitung der Fälle in der R. Rechtsanwaltsgesellschaft mbH mit. Auch insoweit ist nicht ersichtlich, dass diese internen Regelungen und Vorgänge der Beschwerdeführerin zuvor bereits bekannt waren.

(3) Eine Befugnis der Beklagten zur Weiterleitung der Stellungnahmen des Klägers ergibt sich schließlich auch nicht aus Natur, Inhalt und Zweck des Aufsichts- und Beschwerdeverfahrens nach § 56, § 73 Abs. 2 Nr. 4, § 74 BRAO.

Das Aufsichtsverfahren ist ein Verfahren von Amts wegen. Erlangt der Kammervorstand Kenntnis von zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkten für das Vorliegen einer Pflichtverletzung eines Rechtsanwalts, ist er verpflichtet, ein Aufsichtsverfahren einzuleiten und den Sachverhalt vollständig aufzuklären (Weyland in Feuerich/Weyland aaO § 74 Rn. 20 f.; Lauda in Gaier/Wolf/Göcken aaO § 74 BRAO Rn. 31). Zwar sind die Aufklärungsmöglichkeiten des Kammervorstands begrenzt (vgl. hierzu im Einzelnen Weyland aaO Rn. 21 ff.; Lauda aaO Rn. 36 ff.). Dies rechtfertigt jedoch noch keine Ausnahme von der Verschwiegenheitspflicht nach § 76 BRAO im Hinblick auf Stellungnahmen des Rechtsanwalts in einem ihn betreffenden Beschwerdeverfahren (zur Wahrung der Verschwiegenheitspflicht auch im Rahmen der Amtshilfe vgl. Weyland aaO § 76 Rn. 42). Insbesondere wird die Aufklärung des Sachverhalts durch die Rechtsanwaltskammer nicht unangemessen erschwert. Es bleibt dem Kammervorstand unbenommen, dritte Personen - mithin auch den Beschwerdeführer - um die Erteilung von Auskünften zu bitten (Lauda aaO Rn. 37; Weyland aaO § 74 Rn. 23). Handelt es sich hierbei um Auskünfte zu Tatsachen, die der Rechtsanwalt in seiner Stellungnahme vorgetragen hat, können die an den Dritten gerichteten Fragen ohne Bezugnahme auf die Stellungnahme des Rechtsanwalts und in Gestalt einer reinen Auskunftsbitte, d.h. nicht in Gestalt einer Mitteilung von - der Verschwiegenheitspflicht unterliegenden - Tatsachen formuliert werden.

Vorliegend ist nicht erkennbar, dass die Weiterleitung der Stellungnahmen des Klägers durch die Beklagte an die Beschwerdeführerin zu dem Zweck erfolgte, die vom Kläger mitgeteilten - neuen - Tatsachen aufzuklären. Es handelt sich dabei um Tatsachen, die ausschließlich die Tätigkeit und Zuständigkeit des Klägers in K. und in den vorstehend unter (2) genannten, ebenfalls in K. ansässigen Gesellschaften betrifft. Dass die Rechtsanwaltskammer M. zur Aufklärung des entsprechenden Sachverhalts hätte beitragen können, ist nicht ersichtlich. Dementsprechend beinhalteten die auf die Weiterleitung der Stellungnahmen des Klägers erfolgten Schreiben der Rechtsanwaltskammer M. vom 2. Dezember 2011 und 1. Oktober 2012 nahezu ausschließlich rechtliche Ausführungen. Diese wurden von der Beklagten in ihr an den Kläger gerichtetes Schreiben vom 14. Dezember 2012 und die Begründung des Bescheids vom 17. Januar 2013 weitgehend übernommen. Die Weiterleitung von Stellungnahmen des Rechtsanwalts an den Beschwerdeführer wird indes nicht durch den Zweck gerechtfertigt, eine rechtliche Bewertung des Sachverhalts durch den Beschwerdeführer zu erhalten. Die rechtliche Bewertung des Verhaltens des Rechtsanwalts, das den Gegenstand der Beschwerde bildet, und der von ihm in seiner Stellungnahme vorgetragenen Tatsachen bleibt vielmehr allein dem Vorstand der zuständigen Rechtsanwaltskammer vorbehalten.

dd) Da die Stellungnahmen des Klägers der Verschwiegenheitspflicht nach § 76 Abs. 1 BRAO unterlagen, durften sie nicht ohne seine Zustimmung an die Beschwerdeführerin weitergeleitet werden (zum Einverständnis mit der Erteilung einer Auskunft gegenüber Dritten vgl. Lauda in Gaier/Wolf/Göcken aaO § 76 BRAO Rn. 12; zur Zustimmung der Beteiligten als Rechtfertigung der Offenbarung von Geheimnissen im Sinne von § 30 VwVfG vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 16. Aufl., § 30 Rn. 15; Kallerhoff in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl., § 30 Rn. 17). Die seitens der Beklagten dem Kläger eingeräumte Möglichkeit, der Weiterleitung seiner Stellungnahme an den Verfasser der Eingabe zu widersprechen, genügt insofern nicht. Die durch den Kläger erfolgte Übermittlung seiner Stellungnahme an die Beklagte nach deren Hinweis, soweit seine Stellungnahme ausschließlich nur für den Kammervorstand bestimmt sein solle, müsse er darauf besonders hinweisen, ist keine Zustimmung zur Weiterleitung seiner Stellungnahme. Sie kann insbesondere nicht als konkludente Zustimmung ausgelegt werden.

(1) Zwar kommt auch im Bereich der Verschwiegenheitspflicht nach § 76 BRAO eine konkludente Zustimmung der Personen in Betracht, deren Angelegenheiten die Verschwiegenheitspflicht betrifft (vgl. zur konkludenten Zustimmung beziehungsweise Einwilligung im Bereich des § 30 VwVfG und des § 203 StGB: Kallerhoff in Stelkens/Bonk/Sachs aaO; BeckOKVwVfG/Herrmann, § 30 [01.04.2015], Rn. 15; Schünemann in Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl., § 203 Rn. 106 f.; Kargl in Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, Strafgesetzbuch, 4. Aufl., § 203 Rn. 58). Der Feststellungsantrag zu 1 des Klägers ist daher unbegründet, soweit er mit ihm die Notwendigkeit einer ausdrücklichen Zustimmung geltend macht. Bei der Annahme einer konkludenten Zustimmung ist allerdings Zurückhaltung geboten, um zu verhindern, dass das Erfordernis einer hinreichend eindeutigen Zustimmung durch die Obliegenheit der durch die Verschwiegenheitspflicht geschützten Personen ersetzt wird, der Offenbarung der geheim zu haltenden Angelegenheiten widersprechen zu müssen (vgl. zu § 203 StGB: Kargl aaO; Schünemann aaO Rn. 107; zur Weitergabe von Patientenunterlagen vgl. BGH, Urteil vom 11. Dezember 1991 - VIII ZR 4/91, NJW 1992, 737, 739).

Auch Sinn und Zweck der Verschwiegenheitspflicht nach § 76 BRAO gebieten einen restriktiven Umgang mit der Annahme einer konkludenten Zustimmung zur Bekanntgabe geheim zu haltender Umstände an Dritte. In Aufsichts- und Beschwerdesachen könnte die erforderliche Prüfung oftmals nicht hinreichend vorgenommen werden, wenn der beteiligte Rechtsanwalt durch seine Stellungnahme seinerseits die ihm nach § 43a Abs. 2 BRAO obliegende Verschwiegenheitspflicht verletzen würde. Da er indes im Rahmen seiner Auskunftspflicht nach § 56 Abs. 1 BRAO unter Umständen Tatsachen vortragen wird, die Dritte - etwa Mandanten - betreffen, bedarf es (auch) zum Schutz der Daten der betroffenen Dritten der Verschwiegenheitspflicht der Vorstandsmitglieder der Rechtsanwaltskammer gemäß § 76 BRAO. So verstanden ist die Verschwiegenheitspflicht nach § 76 BRAO das Pendant der Auskunftspflicht des Rechtsanwalts nach § 56 Abs. 1 BRAO (vgl. Lauda in Gaier/Wolf/Göcken aaO § 76 BRAO Rn. 2; Weyland in Feuerich/Weyland aaO § 76 Rn. 3 f.).

Das berechtigte Interesse Dritter daran, dass ihre Daten im Rahmen eines berufsrechtlichen Aufsichts- und Beschwerdeverfahrens nicht zur Kenntnis Unbefugter gelangen, gebietet Zurückhaltung bei der Annahme einer konkludenten Zustimmung des von einem solchen Verfahren betroffenen Rechtsanwalts zur Bekanntgabe seiner Stellungnahme an den Beschwerdeführer. Enthält die Stellungnahme Daten Dritter, könnten diese Daten andernfalls allzu leicht zur Kenntnis Unbefugter gelangen. Einer aktiven Handlung in Gestalt einer ausdrücklichen Zustimmung des Rechtsanwalts kommt im Hinblick auf die Bekanntgabe der in der Stellungnahme enthaltenen Daten an den Beschwerdeführer eine deutlich höhere Warnfunktion zu als einer konkludent erklärten Zustimmung.

Wegen des aus den vorgenannten Gründen besonderen Stellenwerts der Verschwiegenheitspflicht sind an eine konkludente Zustimmung hohe Anforderungen zu stellen. Eine Aushöhlung der Verschwiegenheitspflicht durch zu geringe Anforderungen an eine solche Zustimmung ist nicht hinnehmbar. Aus dem bloßen Schweigen des Betroffenen kann daher im Regelfall nicht auf eine Zustimmung zur Offenbarung von Tatsachen geschlossen werden, die der Verschwiegenheitspflicht unterliegen. Vielmehr muss aus seinem Verhalten eindeutig hervorgehen, dass er auf die Einhaltung der Verschwiegenheitspflicht verzichtet (vgl. zu § 30 VwVfG: Kopp/Ramsauer aaO; Kallerhoff aaO; BeckOKVwVfG/Herrmann aaO; Huck in Huck/Müller, VwVfG, § 30 Rn.18).

(2) Ein eindeutiges Verhalten des Klägers im vorstehenden Sinne liegt nicht in der Übermittlung seiner Stellungnahme an die Beklagte.

Die von der Beklagten verwendete Formulierung, wonach der von einem Aufsichts- und Beschwerdeverfahren betroffene Rechtsanwalt besonders darauf hinweisen muss, wenn seine Stellungnahme nur für den Kammervorstand bestimmt sein soll, gibt das Erfordernis einer Zustimmung des Betroffenen nicht zutreffend wieder, sondern ersetzt dieses Erfordernis durch ein Widerspruchsrecht. Der betroffene Rechtsanwalt wird durch die vorgenannte Formulierung zu der Fehlannahme verleitet, er müsse der Weitergabe seiner Stellungnahme nicht zustimmen, sondern habe lediglich ein Widerspruchsrecht. Vor diesem Hintergrund kann die Übersendung der Stellungnahme des Klägers an die Beklagte nicht als hinreichend deutliche konkludente Ausübung eines - ihm möglicherweise nicht bekannten - Zustimmungsrechts ausgelegt werden, sondern lediglich als die Unterlassung der Ausübung eines - im Verhältnis zum Zustimmungserfordernis schwächeren - Widerspruchsrechts, die indes zur Rechtfertigung der Offenbarung von geheim zu haltenden Tatsachen nicht genügt. Der hohe Stellenwert der Verschwiegenheitspflicht, der durch sie bezweckte Schutz der Daten Dritter und die hierauf bezogene Verschwiegenheitspflicht des Rechtsanwalts nach § 43a Abs. 2 BRAO erfordern - wie ausgeführt - zur Annahme einer konkludenten Zustimmung ein eindeutiges Verhalten des Rechtsanwalts, das keinen Zweifel daran lässt, dass er der Weiterleitung seiner Stellungnahme zustimmt. Ein lediglich unterlassener Widerspruch gegen die Weiterleitung seiner Stellungnahme lässt den sicheren Rückschluss auf eine solche Zustimmung nicht zu.

(3) Nichts anderes gilt für das von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat in Bezug genommene Gespräch zwischen den Parteien vom 15. Mai 2012. Nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten beinhaltete dieses Gespräch eine Erörterung der Hauptsache, nicht hingegen die Frage der Zustimmung des Klägers zur Weiterleitung seiner Stellungnahmen an die Beschwerdeführerin.

2. Der Feststellungsantrag zu 2 des Klägers ist teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet.

a) Soweit mit dem Feststellungsantrag zu 2 eine Verletzung der Verschwiegenheitspflicht in Gestalt der Weiterleitung der Stellungnahmen des Klägers an die Beschwerdeführerin festgestellt werden soll (vgl. Klageschrift S. 10), fehlt angesichts des - begründeten - Feststellungsantrags zu 1 das nach § 43 Abs. 1 VwGO erforderliche Feststellungsinteresse. Die Verletzung der Verschwiegenheitspflicht ist eine im Rahmen des Feststellungsantrags zu 1 zu beantwortende Vorfrage (siehe zu 1 b). Ein weitergehendes berechtigtes Interesse des Klägers an der - zusätzlichen - Feststellung der Verletzung der Verschwiegenheitspflicht ist, soweit die Weiterleitung seiner Stellungnahmen an die Beschwerdeführerin betroffen ist, nicht erkennbar. Der Kläger erhält insofern bereits durch den Feststellungsantrag zu 1 hinreichenden Rechtsschutz (vgl. EGH Berlin, NJW 1992, 846: Zulässigkeit der auf die Feststellung eines Verstoßes gegen § 76 Abs. 1 BRAO gerichteten Feststellungsklage, wenn der Betroffene andernfalls keinen Rechtsschutz hätte). Letztlich erkennt dies auch der Kläger, indem er ausführt, die Klageanträge zu 1 und 2 lägen so dicht beieinander, dass man sie auch zu einem Klageantrag hätte zusammenfassen können (Zulassungsbegründung vom 10. September 2014, S. 14).

b) Soweit mit dem Antrag zu 2 eine Verletzung der Verschwiegenheitspflicht insoweit festgestellt werden soll, als die Vorstandsmitglieder der Beklagten dem Geschäftsführer der Beklagten die Bearbeitung des Aufsichtsverfahrens zumindest in Teilbereichen überlassen haben, ist der Antrag unbegründet.

Dabei kann dahinstehen, ob die Vorstandsmitglieder zu einem solchen Vorgehen befugt waren. Denn eine Verletzung der Verschwiegenheitspflicht nach § 76 Abs. 1 BRAO liegt schon deshalb nicht vor, weil der Geschäftsführer der Beklagten jedenfalls zur Vorbereitung und Ausführung der vom Kammervorstand beschlossenen Maßnahmen tätig werden durfte beziehungsweise hätte tätig werden können (vgl. hierzu Schwärzer in Feuerich/Weyland aaO § 56 Rn. 16; Hartung/Scharmer aaO § 56 BRAO Rn. 26; Johnigk, BRAK-Mitt. 2008, 101, 104 f.). Der Kammervorstand war befugt, ihm zu diesem Zweck die Stellungnahmen des Klägers und andere Dokumente zu überlassen, die der Verschwiegenheitspflicht nach § 76 Abs. 1 BRAO unterlagen.

3. Die Feststellungsanträge zu 3 und 4 sind unzulässig.

Dabei kann offen bleiben, ob es sich bei der Stellung der Rechtsanwaltskammer M. als Verfahrensbeteiligte in dem Aufsichtsverfahren - III. Abt. - (vgl. Klageantrag zu 3) und bei der Frage, ob die über den Kläger von der Beklagten geführte Beschwerdeakte Bestandteil der Personalakte ist (vgl. Klageantrag zu 4), überhaupt um feststellungsfähige Rechtsverhältnisse handelt (zu dem im Rahmen einer Feststellungsklage erforderlichen feststellungsfähigen Rechtsverhältnis vgl. BVerwG, NJW 1983, 2343; EGH Berlin aaO; Eyermann/Happ aaO § 43 Rn. 12 ff., 15, 20; Kopp/Schenke aaO § 43 Rn. 11 ff.). Denn jedenfalls fehlt auch hinsichtlich dieser Anträge angesichts des - begründeten - Feststellungsantrags zu 1 das nach § 43 Abs. 1 VwGO erforderliche Feststellungsinteresse. Auch bei den vorgenannten Fragen handelt es sich um Vorfragen, die bereits im Rahmen des Feststellungsantrags zu 1 zu beantworten sind (siehe zu 1 b aa und cc (1)). Ein weitergehendes berechtigtes Interesse des Klägers an einer diesbezüglichen - zusätzlichen - Feststellung ist nicht erkennbar. Er erhält auch insofern bereits durch den Feststellungsantrag zu 1 hinreichenden Rechtsschutz.

4. Der Unterlassungsantrag zu 5 ist ebenfalls unzulässig.

Mit diesem Antrag begehrt der Kläger vorbeugenden, auf das Aufsichtsverfahren - III. Abt. - bezogenen Rechtsschutz (siehe oben zu 1 a bb (2)). Die Zulässigkeit eines solchen vorbeugenden Rechtsschutzes setzt ein qualifiziertes, d.h. ein gerade auf die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes gerichtetes Rechtsschutzinteresse voraus (BVerwGE 40, 323, 326 mwN; Eyermann/Happ aaO § 42 Rn. 67).

Ein solches qualifiziertes Rechtsschutzinteresse fehlt vorliegend. Der Anwaltsgerichtshof hat zutreffend ausgeführt, dass angesichts der Erklärung der Beklagten vom 23. April 2013 in dem Verfahren - AGH N. 2 -, sie werde Stellungnahmen des Klägers in dem Verfahren - III. Abt. - nicht an die Beschwerdeführerin weiterleiten, das - möglicherweise zuvor gegebene - Rechtsschutzinteresse des Klägers entfallen ist.

Die Erklärung vom 23. April 2013 ist auch nicht etwa deshalb rechtlich unverbindlich, weil sie vom Geschäftsführer der Beklagten und nicht von ihrem Vorstand abgegeben wurde. Die Erklärung erfolgte in dem Verfahren vor dem Anwaltsgerichtshof N. seitens des Geschäftsführers der Beklagten als dem gemäß § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO vertretungsbefugten Prozessbevollmächtigten der Beklagten. Die Prozessvollmacht ermächtigt den Bevollmächtigten nach der - entsprechend anwendbaren (vgl. Eyermann/Schmidt aaO § 67 Rn. 20) - Bestimmung des § 81 ZPO zu allen den Rechtsstreit betreffenden Prozesshandlungen einschließlich materiellrechtlicher Erklärungen, soweit sie den Streitgegenstand betreffen (vgl. dazu MüKoZPO/Toussaint, 4. Aufl., § 81 Rn. 1 f., 22, 25; Zöller/Vollkommer, ZPO, 31. Aufl., § 81 Rn. 10 f.). Hierzu gehörte im Verfahren - AGH N. 2 - die Abgabe von Erklärungen zur - auch dort streitgegenständlichen - Weiterleitung von Stellungnahmen des Klägers an die Beschwerdeführerin. Die Prozesshandlungen, die der Vertreter in den Grenzen seiner Prozessvollmacht im Namen der Partei vornimmt, wirken - wie nach § 164 Abs. 1 Satz 1 BGB - unmittelbar für und gegen die Partei. Diese Wirkung besteht unabhängig vom Innenverhältnis der Partei zu ihrem Prozessbevollmächtigten (MüKoZPO/Toussaint aaO § 85 Rn. 4). Ein Prozessbevollmächtigter kann daher für eine juristische Person eine diese bindende Erklärung auch dann abgeben, wenn ein entsprechender Beschluss der zuständigen Organe der juristischen Person nicht gefasst worden ist. Die internen Zuständigkeiten der Beklagten sind mithin in vorstehendem Zusammenhang ohne Bedeutung.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 1, 2, § 155 Abs. 1 VwGO. Der Streitwert wird in Übereinstimmung mit der Festsetzung durch den Anwaltsgerichtshof gemäß § 194 Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 52 Abs. 1, 2 GKG auf 11.500 € festgesetzt.

Kayser Bünger Remmert Braeuer Kau Vorinstanz:

AGH Hamm, Entscheidung vom 09.05.2014 - 1 AGH 6/14 -






BGH:
Urteil v. 11.01.2016
Az: AnwZ (Brfg) 42/14


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/855ff8d10ccd/BGH_Urteil_vom_11-Januar-2016_Az_AnwZ-Brfg-42-14




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share