Bundespatentgericht:
Beschluss vom 8. Mai 2007
Aktenzeichen: 6 W (pat) 340/02
(BPatG: Beschluss v. 08.05.2007, Az.: 6 W (pat) 340/02)
Tenor
Das Patent 196 08 772 wird widerrufen.
Gründe
I.
Gegen das am 18. Juli 2002 veröffentlichte Patent 196 08 772 mit der Bezeichnung "Reibungskupplung mit Erzeugung der Anpresskraft durch zwei Federn" ist am 18. Oktober 2002 Einspruch erhoben worden. Der Einspruch ist mit Gründen versehen und auf die Behauptung gestützt, der erteilte Anspruch 1 sei nicht neu und beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Die Einsprechende verweist u. a. auf die DE 195 10 905 A1 und führt im Wesentlichen aus, dass der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 gegenüber dem Gegenstand dieser Druckschrift nicht neu sei.
Die Einsprechende beantragt, das Patent 196 08 772 zu widerrufen.
Die Patentinhaberin beantragt, das Patent 196 08 772 in vollem Umfang aufrecht zu erhalten.
Sie ist der Auffassung, dass der nachgewiesene Stand der Technik weder die Neuheit noch die erfinderische Tätigkeit des erteilten Anspruchs 1 in Frage stellen könne.
Der erteilte Anspruch 1 lautet:
"Reibungskupplung, insbesondere für Kraftfahrzeuge, umfassend eine Gegendruckplatte, ein an der Gegendruckplatte befestigtes Kupplungsgehäuse, eine im Kupplungsgehäuse drehfest geführte Anpressplatte, die durch die Kraft einer Membran- oder Tellerfeder in Richtung Gegendruckplatte vorspannbar ist, eine Kupplungsscheibe mit vorzugsweise abgefederten Reibbelägen, die zwischen Anpressplatte und Gegenanpressplatte einspannbar ist und die durch Reibeinspannung ein Drehmoment von Gegendruckplatte/Anpressplatte auf eine Getriebewelle überträgt, dadurch gekennzeichnet, dassa) die zur Übertragung des Drehmomentes vorgesehene Anpresskraft (A) zu einem Teil von der Membran- oder Tellerfeder (5) und zu einem anderen Teil von wenigstens einer weiteren Feder (9, 10) aufgebracht wird, die parallel zur ersten und in gleicher Richtung wirksam ist;
b) zur Erhaltung der Einbaulage zumindest der Membran- oder Tellerfeder (5) gegenüber der Anpressplatte (4) oder dem Kupplungsgehäuse (3) eine Einrichtung (12) zur Kompensation des aufgetretenen Belagverschleißes der Reibbeläge (7) vorgesehen ist;
c) dass beide Federn (5; 9, 10) im eingerückten Zustand (EB) eine in Ausrückrichtung abfallende Federkennlinie aufweisen."
Wegen der auf den Anspruch 1 rückbezogenen Unteransprüche sowie wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
1. Das Bundespatentgericht ist für die Entscheidung über den Einspruch nach § 147 Abs. 3 PatG in der bis zum 30. Juni 2006 geltenden Fassung i. V. m. § 99 Abs. 1 PatG, § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO und § 17 Abs. 1 GVG entsprechend zuständig geblieben (vgl. hierzu auch 23 W (pat) 327/04).
2. Der frist- und formgerecht erhobene Einspruch ist ausreichend substantiiert und auch im Übrigen zulässig. Dies ist seitens der Patentinhaberin nicht angezweifelt worden.
3. Der Gegenstand des angefochtenen Patents stellt keine patentfähige Erfindung im Sinne der §§ 1 bis 5 PatG dar.
a. Die erteilten Ansprüche sind zulässig.
Der erteilte Anspruch 1 ergibt sich aus den ursprünglichen Ansprüchen 1, 4 und 9. Die erteilten Ansprüche 2 bis 4 und 6 bis 9 entsprechenden inhaltlich den ursprünglichen Ansprüchen 2, 3, 5, 8 und 10 bis 12. Der erteilte Anspruch 5 umfasst die Merkmale der ursprünglichen Ansprüche 6 und 7 und weist darüber hinaus eine sich aus dem Wirkungszusammenhang der weiteren Feder ergebende klarstellende Ergänzung auf, die sich aus S. 10, Abs. 2 der Anmeldungsunterlagen ergibt.
Die Zulässigkeit der erteilten Ansprüche ist im Übrigen seitens der Einsprechenden nicht angezweifelt worden.
b. Der Gegenstand des Anspruch 1 ist nicht neu.
Der erteilte Anspruch 1 geht von einer Reibungskupplung aus, wie sie z. B. der DE 195 10 905 zu entnehmen ist (vgl. Fig. 1). Dort ist erläutert eine Reibungskupplung, insbesondere für Kraftfahrzeuge, umfassend eine Gegendruckplatte 6, ein an der Gegendruckplatte 6 befestigtes Kupplungsgehäuse 2, eine im Kupplungsgehäuse 2 drehfest geführte Anpressplatte 3, die durch die Kraft einer Membran- oder Tellerfeder 4 in Richtung Gegendruckplatte 6 vorspannbar ist, eine Kupplungsscheibe 8 mit vorzugsweise abgefederten Reibbelägen 7, die zwischen Anpressplatte 3 und Gegenanpressplatte 6 einspannbar ist und die durch Reibeinspannung ein Drehmoment von Gegendruckplatte 6/Anpressplatte 3 auf eine Getriebewelle überträgt.
Diese bekannte Reibungskupplung zeichnet sich weiterhin dadurch aus, dassa) die zur Übertragung des Drehmomentes vorgesehene Anpresskraft zu einem Teil von der Membran- oder Tellerfeder 4 und zu einem anderen Teil von wenigstens einer weiteren Feder 31 aufgebracht wird, die parallel zur ersten und in gleicher Richtung wirksam ist (vgl. Fig. 1 i. V. m. Sp. 4, Z. 48 bis 53 bzw. Sp. 15, Z. 6 bis 9);
b) zur Erhaltung der Einbaulage zumindest der Membran- oder Tellerfeder 4 gegenüber der Anpressplatte 3 oder dem Kupplungsgehäuse 2 eine Einrichtung 21 zur Kompensation des aufgetretenen Belagverschleißes der Reibbeläge 7 vorgesehen ist (vgl. Fig. 1 i. V. m. Sp. 5, Z. 52 bis Sp. 6, Z. 3);
c) dass beide Federn 4, 31 im eingerückten Zustand eine in Ausrückrichtung abfallende Federkennlinie aufweisen.
Dabei ergibt sich das Merkmal a) im Wesentlichen aus Fig. 1 i. V. m. Sp. 4, Z. 48 bis 51 bzw. Sp. 15, Z. 6 bis 9. Dort ist nämlich ausführt, dass es vorteilhaft sein kann, wenn im eingerückten Zustand der Reibungskupplung der Servokraftspeicher 31 (= weitere Feder 9, 10 gemäß der Erfindung) eine Kraft in Einrückrichtung der Reibungskupplung aufbringt. Dies bedeutet aber nichts anderes, als dass - wie im Merkmal a) des erteilten Anspruchs 1 angegeben - die vorgesehene Anpresskraft zu einem Teil von der Membran- oder Tellerfeder 4 und zu einem anderen Teil von wenigstens einer weiteren Feder 31 aufgebracht wird, die in gleicher Richtung wirksam ist. Die ebenfalls im Merkmal a) angegebene parallele Anordnung der beiden Federn ergibt sich aus Fig. 1 (vgl. Pos. 4 und 31).
Das Merkmal b) ergibt sich aus Fig. 1 i. V. m. Sp. 5, Z. 52 bis Sp. 6, Z. 3, wo ausdrücklich darauf hingewiesen ist, dass eine Einrichtung 21 zur Kompensation des aufgetretenen Belagverschleißes der Reibbeläge 7 vorgesehen ist.
Das Merkmal c) ergibt sich für die Membran- oder Tellerfeder 4 aus der Fig. 3 i. V. m. der zugehörigen Beschreibung und für die weitere Feder 31 aus Sp. 2, Z. 58 bis 64.
In Fig. 3 ist die Federkennlinie 40 der Membran- oder Tellerfeder 4 dargestellt (vgl. Sp. 9, Z. 45 bis 55), wobei der in Fig. 3 mit 41 bezeichnete Punkt den eingerückten Zustand der Kupplung darstellt (vgl. Sp. 9, Z. 64 bis 67) und somit dem Punkt EB gemäß Fig. 2 und 3 der Streitpatentschrift entspricht. Von diesem Punkt 41 fällt die Federkennlinie 40 in Ausrückrichtung ab, so dass das Merkmal c) für die Membran- oder Tellerfeder 4 erfüllt ist.
Gemäß Sp. 2, Z. 58 bis 64 kann der zweite Kraftspeicher, welcher der weiteren Feder 9 des Streitpatents entspricht, durch eine Tellerfeder gebildet sein, die während eines Ausrückvorganges der Reibungskupplung überwiegend einen abfallenden, also degressiven Kraft-Weg-Verlauf besitzt, so dass das Merkmal c) auch für die weitere Feder 4 erfüllt ist.
Somit ist in der DE 195 10 905 A1 u. a. auch eine Variante beschrieben, bei welcher beide Federn 4, 31 im eingerückten Zustand eine in Ausrückrichtung abfallende Federkennlinie aufweisen.
Somit sind sämtliche Merkmale des erteilten Anspruchs 1 aus der DE 195 10 905 A1 entnehmbar, so dass der Anspruch 1 nicht bestandsfähig ist.
c. Die Argumentation der Patentinhaberin, wonach insbes. das Merkmal c) in der DE 195 10 905 A1 nicht verwirklicht sei, kann nicht überzeugen, da sich - wie vorstehend ausgeführt - sämtliche im erteilten Anspruch 1 enthaltenen Merkmale aus dieser Druckschrift herleiten lassen.
d. Die Unteransprüche fallen notwendigerweise mit dem Anspruch 1.
4. Es bestand kein Anlass, - wie von der Einsprechenden angeregt - die Einspruchsgebühr aus Billigkeitsgründen zurückzuerstatten. Nach allgemeiner Rechtsauffassung ist die Rückzahlung der Einspruchsgebühr nicht bereits dann billig, wenn der Einspruch erfolgreich ist. Auch wenn der Erteilung des Patentes eine letztlich unzutreffende Beurteilung der Sach- und Rechtslage zugrunde liegt, ist das noch kein Anlass für eine Rückzahlung, denn ein Irrtum in der Rechtsanwendung ist kein unangemessenes Versagen des Prüfers (vgl. dazu etwa Schulte, Patentgesetz, 7. Aufl., § 62 PatG, Rdn. 22 ff.).
BPatG:
Beschluss v. 08.05.2007
Az: 6 W (pat) 340/02
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