Bundespatentgericht:
Beschluss vom 7. Juni 2000
Aktenzeichen: 28 W (pat) 131/99
(BPatG: Beschluss v. 07.06.2000, Az.: 28 W (pat) 131/99)
Tenor
Die Beschwerde des Anmelders wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Gegen die für "Olivenöl aus Italien" am 8. Juni 1994 angemeldete und am 31. Oktober 1994 bekanntgemachte nachfolgend wiedergegebene Wort-/Bild- Markesiehe Abb. 1 am Endehat u.a. die Inhaberin der prioritätsälteren Widerspruchsmarke Nr. 745 221 Del Montedie seit dem 31. Januar 1961 u.a. für die unstreitig benutzten Waren "Tomatenketchup, Tomatenpaste, Tomatenpüree, Gemüse- und Obstkonserven" eingetragen ist, Widerspruch erhoben. Eine Benutzung für weiterer im Warenverzeichnis aufgeführter Waren wie "Gewürze, Oliven, Essig" u.ä. ist bestritten und nicht glaubhaft gemacht.
Die Markenstelle für Klasse 29 des Deutschen Patentamts hat den Widerspruch zunächst mit der Begründung fehlender Warenähnlichkeit zurückgewiesen, auf die Erinnerung der Widersprechenden dann aber der angegriffenen Markenanmeldung die Eintragung unter Hinweis auf eine Ähnlichkeit zwischen "Olivenöl" und den im damaligen Zeitpunkt noch nicht bestrittenen "Gewürzen" sowie der Identität der jeweils prägenden Markenbestandteile "Del Monte" versagt.
Gegen diesen Erinnerungsbeschluß richtet sich die Beschwerde des Anmelders, der weiterhin davon ausgeht, daß zwischen den benutzen Waren der Widerspruchsmarke und den Waren der Anmeldung keine Ähnlichkeit besteht. Im übrigen seien auch die Marken ausreichend unterschiedlich, zumal eine Verkürzung der Anmeldung auf die Wortfolge "Del Monte" schon deshalb ausscheide, weil diese den Gesamteindruck nicht ausschließlich präge. Eine erhöhte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke könne allenfalls für die erst recht unähnlichen Obst- und Gemüsekonserven anerkannt werden.
Der Anmelder beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses die Erinnerung der Widersprechenden zurückzuweisen.
Die Widersprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie verweist auf den Umstand, daß die Widerspruchsmarke nicht nur identisch in der angegriffenen Marke enthalten sei, sondern seit langem auch intensiv als Firmenschlagwort benutzt werde, so daß ihr erhöhte Kennzeichnungskraft zukomme. Vor dem Hintergrund sehr ähnlicher Waren müßten an den Markenabstand strenge Anforderungen gestellt werden, die vorliegend nicht eingehalten seien. Letztlich werde der Verkehr zumindest denken, er habe es bei der angegriffenen Marke mit einer Abwandlung der Widerspruchsmarke zu tun.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und die patentamtlichen Akten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Auch nach Auffassung des Senats kommt die angegriffene Marke der Widerspruchsmarke verwechselbar nahe im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG, der nach §§ 152, 158 Abs 2, 42 Abs 2 Nr. 1 dieses Gesetzes nunmehr auf den vorliegenden Fall anwendbar ist.
Ob Verwechslungsgefahr besteht, hängt nach den genannten Vorschriften ab von der Identität oder Ähnlichkeit der Marken einerseits und andererseits von der Identität oder Ähnlichkeit der durch diese Marken erfaßten Waren. Daneben sind alle Umstände zu berücksichtigen, die sich auf die Verwechslungsgefahr auswirken können, vor allem die Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke. Nach diesen Grundsätzen muß vorliegend eine Verwechslungsgefahr bejaht werden.
Was die Warenlage anbetrifft, ist zwischen den Beteiligten unstreitig, daß die Widerspruchsmarke zwar nicht für "Gewürze" (worauf der angefochtene Beschluß noch ausschließlich abgestellt hat), aber doch u.a. für diverse Tomatenprodukte in Form von Soßen, Ketchup oder Püree rechtserhaltend benutzt wird. Diese Waren sind nach Auffassung des Senates unbedenklich ähnlich mit dem "Olivenöl" der angegriffenen Markenanmeldung, da es sich hierbei um Produkte handelt, die in ihrem Marktauftritt starke Überschneidungen aufweisen. Das gilt nicht nur für die stoffliche Ausgangslage und die sich ergänzende Verwendung bei der Zubereitung von Speisen und beim Verzehr, sondern auch auf der Herstellerebene. Die Widersprechende hat zutreffend mit entsprechenden Nachweisen darauf hingewiesen, daß eine Reihe von Firmen beide Produkte sogar unter derselben Kennzeichnung (Kattus, Dittmann, Thomy, Livio ua.) anbieten. Angesichts solcher regelmäßiger Berührungspunkte, die sich im Vertrieb und Verkauf in räumlichem Zusammenhang fortsetzen, wird der Verkehr die Waren damit wirtschaftlich gesehen denselben Herkunftsstätten zuordnen oder zumindest Anlaß haben, wirtschaftliche Zusammenhänge zu vermuten, so daß markenregisterrechtlich von Warenähnlichkeit auszugehen ist, und zwar in einem eher durchschnittlichen Grad und ohne ausgesprochene Warenferne. Kollisionsfördernd ist ferner der Umstand, daß es sich bei den Waren jeweils um Massenartikel des täglichen Bedarfs handelt, die breite Käuferschichten ansprechen und häufig mit einer gewissen Flüchtigkeit und Unaufmerksamkeit gegenüber den Kennzeichnungen erworben werden, so daß auch vor diesem Hintergrund eher strenge Anforderungen an den zur Verneinung einer Verwechslungsgefahr noch einzuhaltenden Abstand der Marken zu stellen sind. Hinzukommt, daß der Widerspruchsmarke unstreitig für Obst- und Gemüsekonserven eine gesteigerte Kennzeichnungskraft zukommt, was in gewisser Weise auch auf die vorliegenden Waren ausstrahlt, zumal es sich bei der Widerspruchsmarke um den Firmennamen der Widersprechenden handelt.
Was schließlich die Beurteilung der Markenähnlichkeit anbetrifft, steht zwischen den Beteiligten im Grunde außer Streit, daß die Marken in ihrer Gesamtheit deutliche klangliche wie bildliche Unterschiede aufweisen und eine Verwechslungsgefahr nur über die identische Wortfolge "Del Monte" in Betracht zu ziehen ist. Ausgangspunkt für diese Überlegung ist der für das Kennzeichnungsrecht maßgebliche Grundsatz, daß zur Beurteilung der zeichenrechtlichen Verwechslungsgefahr von Marken auf den Gesamteindruck des jeweiligen Zeichens abzustellen ist. Der Schutz eines aus einem Kombinationszeichen herausgelösten Elements ist dem Markenrecht fremd, so daß es rechtsfehlerhaft wäre, ohne weiteres eine Zeichenkollision lediglich auf Grund eines aus einem Gesamtzeichen isoliert entnommenen Elements feststellen zu wollen. An diesem Grundsatz, der auch für den Fall gilt, daß sich das ältere Zeichen wie hier identisch in dem jüngeren zusammengesetzten Zeichen wiederfindet, hat sich durch das neue Markengesetz nichts geändert.
Allerdings kann eine (unmittelbare) Verwechslungsgefahr "dem Gesamteindruck nach" ausnahmsweise auch gegeben sein, wenn die Vergleichszeichen nur in einem Bestandteil übereinstimmen, sofern dieser den Gesamteindruck der jeweiligen Gesamtkennzeichnung prägt oder zumindest wesentlich bestimmt; das bedeutet aber umgekehrt, daß die anderen Zeichenteile für den Gesamteindruck vernachlässigbar zurücktreten müssen, was nur in Betracht kommt, wenn der Gesamteindruck eines kombinierten Zeichens nicht durch gleichgewichtige Elemente bestimmt, sondern von einem Element allein geprägt wird, wobei eine bloße Mitprägung nicht ausreicht (vgl. BGH MarkenR 2000,20 - RAUSCH/ELFI RAUCH). Daß der Verkehr in Anwendung dieser Grundsätze das angemeldete Zeichen auf die Wortfolge "Del Monte" zur Benennung als Kenn- oder Merkwort verkürzen und damit diesem Bestandteil allein prägende Wirkung zukommen lassen wird, ist für den Senat zumindest beim direkten Markenvergleich und damit bei der Beurteilung der unmittelbaren Verwechslungsgefahr nicht nachvollziehbar. Zwar wird im angemeldeten Zeichen diese Wortfolge graphisch herausgestellt, jedoch nicht in einem solchen Maße, daß dahinter der weitere Bestandteil "Castell" sowie das graphische Element völlig untergingen, zumal sich diese sinnfällig ergänzen und vom Verkehr schon deshalb mitbeachtet werden (vgl. BGH MarkenR 1999,57 Lions). Die Anmeldemarke stellt sich dem Verkehr damit als eine Einheit dar, in der die Widerspruchsmarke im unmittelbaren Vergleich aufgeht. Mangels ausreichender Markenähnlichkeit nach dem Gesamteindruck scheidet damit sowohl eine unmittelbare klangliche wie schriftbildliche Verwechslungsgefahr aus, die von der Widersprechenden ohnehin nicht ernsthaft behauptet worden ist.
Nach Auffassung des Senats besteht indes die Gefahr, daß die Marken im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden, auch wenn unter diese Formulierung des Gesetzes nicht jede wie auch immer geartete gedankliche Assoziation fällt (vgl EuGH GRUR 1998, 387 Springende Raubkatze), sondern primär die zum bisherigen Warenzeichenrecht entwickelten Grundsätze zur mittelbaren Verwechslungsfahr und zur Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne Eingang in das neue Recht finden sollen. Da es sich bei der mittelbaren Verwechslungsgefahr um einen Ausnahmetatbestand handelt, ist bei seiner Anwendung Zurückhaltung geboten, und auch das neue Recht gibt keinen Anlaß, etwa für die Feststellung einer mittelbaren Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt des Serienzeichens neue Maßstäbe anzulegen. Trotz dieser Vorbehalte muß vorliegend die Gefahr des gedanklichen Inverbindungbringens der Marken bejaht werden, weil der Verkehr die Verwendung der Widerspruchsmarke in dem jüngeren Zeichen als Herkunftshinweis auf die Widersprechende werten wird. Zwar kann das bloße Vorhandensein eines übereinstimmenden Wortbestandteils allein noch nicht die Annahme einer gedanklichen Verwechslungsgefahr rechtfertigen. Dem Bestandteil muß auch im Rahmen des Gesamtzeichens ein derartiger Hinweischarakter auf den Geschäftsbetrieb der Widersprechenden zukommen. Dies muß dem Verkehr Anlaß geben, trotz des unterschiedlichen Gesamteindrucks der Zeichen aus der bloßen Übereinstimmung einzelner Zeichenteile irrigen Schlußfolgerungen auf die Herkunft entsprechend gekennzeichneter Waren zu unterliegen. Dazu ist nicht zwingend erforderlich, daß die Widersprechende bereits über eine Reihe von Zeichen mit dem relevanten Bestandteil in Form einer Serienbildung verfügt. Für den Fall der sog. weiteren Verwechslungsgefahr genügt es vielmehr, daß der Bestandteil "Del Monte" gleichzeitig Firmenname der Widersprechenden ist (vgl. BGH MarkenR 2000, 134 ARD 1). Damit ist hinreichend zu erkennen gegeben, daß das Stammzeichen für sie umfassenden Hinweischarakter haben soll. Bedenkt man schließlich, daß bei der assoziativen Verwechslungsgefahr der Verkehr nicht bloß aus der Erinnerung heraus einen Zeichenvergleich vornimmt, sondern ihm beide Zeichen vollständig gegenwärtig sind, wird sich ihm bei der angemeldeten Marke die Erkennung der Widerspruchsmarke auch schon deshalb aufdrängen, weil er auf dem vorliegend relevanten Warensektor an Herkunftsangaben in Form von fiktiven oder realen Ortsangaben gewöhnt ist. Der Zusatz "Castel" wird von ihm in diesem Zusammenhang nur als Hinweis auf ein weiteres Produkt oder eine Produktserie aus dem Hause "Del Monte" erfaßt, was gleichermaßen mit ebenso geläufigen Zusätzen wie "Casa,Villa, Schloß" udgl. geschehen könnte.
Bei Abwägung aller maßgeblichen Gesichtspunkte ist der Senat daher der Auffassung, daß bei einem Zusammentreffen beider Marken zwar die Gefahr unmittelbarer Verwechslungen, nicht jedoch die einer gedanklichen Verbindung auszuschließen ist, so daß die Beschwerde keinen Erfolg haben konnte, ohne daß der Senat für die Auferlegung von Kosten Veranlassung hatte (MarkenG § 71 Abs 1).
Stoppel Grabrucker Martens Ju Abb. 1 http://agora/bpatgkollision/docs/28W(pat)131-99.1.3.gif
BPatG:
Beschluss v. 07.06.2000
Az: 28 W (pat) 131/99
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